Schvirat ha-Kelim

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Mit Schvirat ha-Kelim (hebr. שבירת הכלים Bruch der Gefäße) bezeichnet die jüdische Kabbala in der Lehre Isaak Lurias des Zerbrechen der Kelim (hebr. כלים Gefäß), der Sefirot-Gefäße, die sich nach dem Tzimtzum im Zentrum des Ain Soph (hebr. אין סוף nicht endlich) zuerst aus dem göttlichen Licht Ain Soph Aur (hebr. אין סוף אוֹר) als feiner Lichtstrahl Kav (oder Qav) (hebr. קו, Linie [des Lichts]) gebildet hatten, um das göttliche Licht in sich aufzunehmen.

Die drei äußeren Gefäße (für die Sefirot Keter, Ḥochmā und Binā) hielten aufgrund ihrer Nähe zu Ain Soph dem Licht stand, während die inneren sechs Gefäße, die ihren Mittelpunkt in Tifereth haben, zersprangen. Ihre Scherben stürzten ab und blieben in der Welt als "Schalen" (Qlīpōt) erhalten. Sie bildeten die Grundlage des Bösen. Das göttliche Licht stieg wieder auf, doch ein Funke (Nitzotz, hebr. נִיצוֹץ) davon blieb gefangen und belebte weiterhin die Scherben. Die aufsteigenden Lichter hingegen sammelten sich in Binā.

"An den Bruchstücken (ha-shvarim) blieb ein Teil des Lichts wie Tropfen oder Funken (nizozot) zurück. Das gleicht einem Gefäß, das voller Öl war und zerbrach. [Das Öl] wurde verschüttet, aber an den Bruchstücken blieb [etwas] Flüssigkeit des Öls zurück, wie Tropfen. So verhält es sich auch hier, einige Lichtfunken blieben zurück, sie glichen Tropfen oder Funken. Als jene Bruchstücke auf den Boden der Welt der Herstellung ('asija) hinabfielen, entstanden aus ihnen die vier Elemente - Feuer, Luft, Wasser und Erde -, aus denen sich die vier Ebenen der mineralischen, pflanzlichen, tierischen und menschlichen Formen entwikkelten. Als alle Dinge Gestalt angenommen hatten, blieben einige der Tropfen in diesen vier Bereichen verborgen. Das ganze Bestreben des jüdischen Menschen (ha-adam ha-is-ra'eli) soll es sein, diese Tropfen, die in dieser Welt verborgen sind, emporzuheben, sie durch die Macht seiner Seele zur Heiligkeit emporzuheben."[1]

Vor dem zweiten Schöpfungsakt wurden die Sefirot, da die Gefäße zerbrochen waren, stattdessen in "Gestalten" (hebr. פרצוף, Parzuf, Gesicht; Plural: Parzufim; griech. Πρόσωπον, Prosopon) gehüllt:

  • Keter (die Krone) wurde zu den drei Köpfen des Macroprosopon (Arik Anpin)
  • Ḥochmā (die Weisheit) wurde zum aktiven, männlichen Prinzip des Vaters (Abba)
  • Binā (das Verständnis) wurde zum passiven, weiblichen Prinzip der Mutter (Imma)
  • die sechs zerbrochenen inneren Sefirot verkörperten sich nunmehr im Prinzip des männlichen Kindes (Zeir Anpin)
  • die zehnte Sefirā (Malchūt "Königreich") erscheint als Personifikation des weiblichen Kindes (Nukvah bzw. Bat).

Dieser zweifache Schöpfungsakt war kein Versehen, sondern eine Notwendigkeit, da das unendliche Licht Ain Soph Aur unmittelbar nichts Böses erschaffen kann. Das Böse war jedoch notwendig in der Welt, um die Prinzipien von Belohnung und Bestrafung zu ermöglichen.

„Siehe, der Grund dafür, dass sie nicht in geordneter Weise ('al Derech ha-Tikkun) hinausgingen, so dass sie hernach keinen Bruch und nachfolgenden Tikkun (Restitution) brauchten, ist der: Das beabsichtigte Ziel war, den Aspekt der außerhalbliegenden Schalen (Klippot) hervorzubringen. Denn diese braucht die zu schaffende Welt, um den Gerechten Lohn und den Frevlern Strafe zu geben. Darum sind die oben genannten Nekudot [die Emanation aus den Augen] ohne Ordnung hinausgegangen, damit deren Gefäße das Licht nicht fassen könnten und zerbrächen, denn ihr Zerbrechen ist ihre Reinigung, denn dadurch wurde die Umeinheit und die Schlacken aus ihnen geläutert und die Klippot entstanden. Sie sind die Unreinheit, wie es in Seinem Sinne, Er sei gesegnet, war.“

Ez Hajjim: Scha'ar 11, Perek 5, S. 52a[2]

Die nun geschaffenen fünf Gestalten finden sich fortan in allen Vier Welten wieder: der Welt der Emanation (Atziluth), der Welt der Schöpfung (Briah), der Welt der Formung (Jetzira) und der Welt der Tat (Assiah) und aus ihnen emanieren die fünf Seelen der Organe und Körperteile Adams (Nephesch "der Geist", Ruach "der Wind", Neschama "die Seele", Chaja "das Leben" und Jechidah "die Einmaligkeit"). Jede menschliche Seele ist ein Funken (Nitzotz) der Seelen Adams. Durch den Sündenfall kam es jedoch zu einer Vermischung der Funken des Guten mit den Funken des Bösen, wobei das Volk Israel die reinsten Seelen, die Heiden die übrigen Seelen erhielten. So kommt es dass alle Seelen einen Anteil des Guten und des Bösen enthalten, was erst durch die Ankunft des Messias aufgehoben wird. Bis dahin wandern die Seelen durch die Körper von Menschen und Tieren sowie von unbelebten Gegenständen (Gīlgūl "Seelenwanderung").

Eine gereinigte Seele, die einige religiöse Pflichten vernachlässigt hat, kann ins irdische Leben zurückgesendet werden und mit einer anderen Seele verschmelzen (Ibbur), um so eine Wiedergutmachung zu erreichen. Auch eine bösartige Besessenheit (Dibbuk) ist möglich.

Anmerkungen

  1. Gerold Necker: Einführung in die lurianische Kabbla, Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, Frankfurt am Main Leipzig 2008 ISBN 978-3458710080, S 126
  2. zit. nach: Karl Erich Grözinger: Jüdisches Denken. Theologie - Philosophie - Mystik: Band 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus, Campus Verlag, Frankfurt/Main 2005, S 648


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