Todeserlebnis und Tempelschlaf: Unterschied zwischen den Seiten

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Aus anthroposophischer Sicht stellt sich das '''Todeserlebnis''' so dar: Der [[Tod]] löscht das Leben, dem eine eigenständige feinstoffliche, [[ätherisch]]e Realität zukommt, nicht aus, aber es trennt sich endgültig vom [[Physischer Leib|physischen Körper]], worauf dieser unausweichlich dem Verfall anheim gegeben wird. Im Todesmoment steigern sich die Todesprozesse, die uns schon während unseres ganzen Erdenlebens die Grundlage für unser [[Bewusstsein]] geben, in ungeheurem Maße. Im Moment des Todes leuchtet das Bewusstsein derart hell auf, wie wir es während unseres Erdenlebens niemals erfahren können. Immer wieder berichten Menschen, die bereits an die Schwelle des Todes gekommen sind, aber noch einmal zurückgeholt werden konnten, aus ihrer [[Nahtod-Erfahrung]] von diesem strahlenden Lichterlebnis, das entsteht, wenn die ganzen Lebenskräfte aus dem physischen Körper herausgeschleudert werden und ihren gewaltigen Widerhall in der Seele erregen. Das [[Bewusstsein]], das mit dem Tod erwacht, ist ungleich stärker, reicher und wirklichkeitsgesättigter als unser irdisches waches Tagesbewusstsein. So stark ist dieses im Tod aufstrahlende Bewusstseinslicht, dass es dem Toten sein ganzes weiteres Dasein erhellt. So intensiv und blendend ist dieses Seelenlicht, dass der Tote darin zunächst gar keine Einzelheiten unterscheiden kann, und nur indem es sich allmählich abdämpft, werden einzelne Details wahrnehmbar.
[[Datei:245.jpg|thumb|300px|„Die Schlafende“ aus dem [[Wikipedia:Hypogäum von Hal Saflieni|Hypogäum von Hal Saflieni]].]]
[[Datei:Egypt Statue of Isis with Horus.jpg|mini|[[Isis]] mit dem [[Horus]]knaben (''Isis Lactans''), zwischen 1650 und 1085 v. Chr.]]


Für das [[Selbstbewusstsein]] nach dem [[Tod]] ist das Todeserlebnis von entscheidender Bedeutung:  
Der '''Tempelschlaf''' ({{ELSalt|ἐγκοίμησις}} '''''Enkoimesis'''''; [[lat.]] '''''Inkubation''''', von ''incubare'' „liegen auf“, „ausbrüten“) wurde, wie [[Wikipedia:Keilschrift|Keilschrift]]texte belegen, schon im 4. Jahrtausend v. Chr. von den [[Wikipedia:Sumerer|Sumerer]]n für therapeutische Zwecke eingesetzt und war insbesondere von großer Bedeutung für die [[Ägyptisch-Chaldäische Kultur|ägyptische]] [[Heilkunst]]. Der mehr als 3000 Jahre alte Papyrus Ebers beschreibt u.a. die Methoden, wie man den heilenden hypnotischen Tiefschlaf einsetzen und herbeiführen konnte. Der Kranke wurde dazu in einen somnambulen Schlaf versetzt, in dem seine [[Hellsehen|Hellsichtigkeit]] erwachte. Er blickte dann zurück in jene Zeiten, wo es noch keine [[Krankheit]]en in der [[Menschheit]] gab. Er schaute die alten [[Atlantis|atlantischen]] Götter, und schon das wirkte gesundend, mehr aber noch die Anschaung jener Göttin, die in der ersten [[Lemuria|lemurischen Zeit]] die Befruchtung noch ohne geschlechtliche Fortpflanzung aus geistigen Sphären lenkte. Die Ägypter gaben dieser Göttin den Namen [[Isis]]. Die heilkräftige [[Imagination]] der Isis mit dem [[Horusknabe]]n lebt in abgeschwächter und verwandelter Form heute fort in der heilsamen Wirkung von Bildern der [[Madonna]] mit dem [[Jesus]]kind. Auch eine der [[Wikipedia:Figürliche Plastiken auf Malta|figürlichen Plastiken auf Malta]], die im [[Wikipedia:Hypogäum von Hal Saflieni|Hypogäum von Hal Saflieni]] gefundene sog. ''[[Wikipedia:Sleeping Lady|Sleeping Lady]]'' („Die Schlafende“), datiert auf 4000 - 2500 v. Chr., wird u.a. als [[Muttergottheit]], aber auch als Darstellung des Tempelschlafs interpretiert. Eine moderne Form des Tempelschlafs ist die [[Trauminkubation]].


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"Würden wir beim Durchgang durch die Todespforte dieses Erlebnis
"Der Tempelschlaf liegt ja der anderen eigentümlichen Tatsache zugrunde, daß bei den ägyptischen Priesterweisen, und überhaupt in der alten Kultur der Menschheit, die Weisheit in innigem Zusammenhange mit der Heilkunst, mit der Gesundheit gedacht wurde. Von den innigen Beziehungen zwischen Weisheit und Gesundheit, zwischen Wissenschaft und Heilkunst macht sich der heutige Mensch gegenüber jenen alten Vorstellungen doch nur einen sehr schwachen Begriff; und es wird die Aufgabe der Geisteswissenschaft sein, die Menschheit wiederum hinzuweisen auf jenen Begriff des Geistigen, durch den Weisheit und Heilkunst und Gesundheit wieder in einen näheren Zusammenhang gebracht werden. Wir erinnern uns dabei auch an etwas, das an allerlei Ausführungen anklingt, die wir gestern gemacht haben. Wir erinnern uns dabei jener alten Gestalt, an die wir denken mußten, als wir uns das Bild der Madonna mit ihrem Kinde, so wie Raffael es in der Sixtinischen Madonna gemalt hat, vor die Seele stellten, wir erinnern uns der Isis mit dem Horuskinde. Es ist die Göttin, deren Tempel die Aufschrift trug: «Ich bin, die da war, die da ist, die da sein wird - meinen Schleier kann kein Sterblicher lüften.» Diese Göttin wurde in einen geheimnisvollen Zusammenhang mit aller Heilkunst gebracht, sie wurde geradezu als die Lehrerin der ägyptischen Priester in bezug auf die Heilkunst betrachtet. Und eine merkwürdige Rede führte man noch in den letzten Zeiten des Altertums von jener Isis; in dieser Rede werden wir darauf aufmerksam gemacht, daß Isis sich noch in der Zeit, in der sie unter die Unsterblichen versetzt wurde, für die Heilkunst, für die Gesundheit der Menschen besonders interessiert hat. Das alles deutet auf sehr geheimnisvolle Zusammenhänge hin.
nicht haben können, das wir wissentlich mitmachen, das Weggehen
 
unseres physischen Leibes, so würden wir nach dem Tode niemals ein
Nun müssen wir mit einigen Strichen uns einmal das Wesen des Tempelschlafs, der zu den Heilmitteln der ägyptischen Priester gehörte, vor die Seele stellen. Derjenige, der in irgendeiner Weise an seiner Gesundheit Schaden gelitten hatte, wurde in der Regel nicht mit äußeren Heilmitteln behandelt in jenen Zeiten; es gab deren überhaupt nur wenig, und nur in seltenen Fällen wurden sie angewendet. Dagegen wurde der Betreffende in den meisten Fällen in den Tempel gebracht und dort in eine Art Schlaf versetzt. Es war das aber kein gewöhnlicher Schlaf, sondern eine Art von somnambulem Schlaf, der so gesteigert war, daß der Betreffende fähig wurde, nicht nur chaotische Träume zu haben, sondern regelrechte Gesichte zu sehen. Er nahm während dieses Tempelschlafes ätherische Gestalten in der geistigen Welt wahr, und die Priesterweisen verstanden die Kunst, auf diese ätherischen Bilder des Menschen einzuwirken; sie konnten sie lenken und leiten. Nehmen wir an, ein solcher Kranker wurde in den Tempelschlaf versetzt. Der heilkundige Priester war an seiner Seite. Wenn der somnambule Schlaf eingetreten war, so daß der Kranke also in einer Welt von ätherischen Gestalten lebte, dann lenkte der Priester durch die Macht, die ihm durch seine Einweihung innewohnte und die nur in jenen alten Zeiten möglich war, wo noch Daseinsbedingungen herrschten, die heute gar nicht mehr oder doch nur ganz selten vorhanden sind, da lenkte er durch diese Macht, durch diese Kräfte den ganzen Schlafzustand. Und er formte und gestaltete die ätherischen Gesichte und Wesenheiten so, daß tatsächlich wie durch einen Zauber vor dem Schlafenden die Gestalten auftauchten, die einst der alte Atlantier als seine Götter gesehen hatte. Solche Göttergestalten, an die die verschiedenen Völker nur noch eine Erinnerung bewahrt haben, zum Beispiel in der germanischen, der nordischen und auch in der griechischen Mythologie, besonders aber bestimmte Gestalten, die mit dem heilenden Prinzip verbunden waren, wurden nun vor die Seele dessen gestellt, der sich im Tempelschlaf befand. Wäre der Mensch bewußt geblieben wie in seinem Tagesbewußtsein, so wäre niemals die Möglichkeit vorhanden gewesen, solche Kräfte auf ihn wirken zu lassen; das war nur in einem solchen somnambulen Schlaf möglich. Die Priesterweisen lenkten das Traumleben also, daß starke Kräfte in diesem ätherischen Anschauen entfesselt wurden, und diese Kräfte wirkten ordnend und harmonisierend auf die in Unordnung und Disharmonie gebrachten Leibeskräfte. Bei diesem herabgestimmten Ich-Bewußtsein war das möglich. Der Tempelschlaf hatte also eine sehr reale Bedeutung. Aber wir sehen nun auch, warum eigentlich diese heilende Wirkung der Priesterweisen in solchen Zusammenhang mit der Weisheit gebracht wurde, die den Menschen nur durch ihre Einweihung zuteil werden konnte. Dieser Zusammenhang liegt klar vor uns. Die Priesterweisen waren es ja, die durch Wiederbelebung des alten Hineinschauens in die höheren Welten gerade in ihrer Weisheit die höheren Kräfte hatten, die aus dem Geistigen strömten, wo Geistiges auf Geistiges wirken konnte. So bekamen sie die Fähigkeit, Geistiges auf Geistiges wirken zu lassen, und dadurch kam die Weisheit überhaupt in jenen innigen Zusammenhang mit dem Gesundheitsleben.
Ich-Bewußtsein entfalten können! Das Ich-Bewußtsein nach dem
Tode wird angeregt durch dieses Erleben des Hinweggehens des physischen
Leibes. Für den Toten ist es von größter Bedeutung: Ich sehe
meinen physischen Leib von mir hinwegschwinden. - Und das andere:
Ich sehe aus diesem Ereignis heraus in mir selber die Empfindung erwachsen:
Ich bin ein Ich. - Man kann das paradoxe Wort aussprechen:
Könnten wir unseren Tod nicht erleben von der anderen Seite, würden
wir nach dem Tode nicht ein Ich-Bewußtsein haben können. - So wahr
die Menschenseele, wenn sie durch die Geburt oder auch schon durch
die Empfängnis ins Dasein tritt, sich nach und nach dem Gebrauche des
physischen Apparates anpaßt und dadurch das Ich-Bewußtsein im
Leibe gewinnt, so wahr gewinnt das Menschenwesen das Ich-Bewußtsein
nach dem Tode von der anderen Seite des Daseins dadurch, daß es
das Abfallen des physischen Leibes von dem Gesamtmenschen erlebt." {{Lit|{{G|168|13f}}}}
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In diesem Sich-Hinaufheben zum Geistigen war in alten Zeiten ein gesundendes Element, und es wäre gut, wenn die Menschen so etwas wieder verstehen lernten, denn dann würden sie auch die große Mission der anthroposophischen Bewegung verstehen lernen. Was ist sie denn anderes, diese Mission, als den Menschen hinaufzuführen in die geistigen Welten, daß er wieder hineinschauen kann in die Welten, aus denen er heruntergestiegen ist! Zwar wird in zukünftigen Zeiten kein somnambuler Schlaf über die Menschen verhängt werden, das Selbstbewußtsein wird voll aufrechterhalten bleiben, aber dennoch wird die starke spirituelle Kraft wirksam werden in der Menschennatur, und dann wird der Besitz von Weisheit und Einsicht in die höheren Welten wiederum etwas sein, was ordnend und gesundend auf die Menschennatur einwirken kann. Heute liegt dieser Zusammenhang des Geistigen mit dem Heilenden so verborgen, daß die Menschen, die nicht in irgendeiner Weise in die tiefere Mysterienweisheit eingeweiht sind, nicht viel davon wissen; sie können eben die feinen Tatsachen, die vorliegen, gar nicht beobachten. Wer aber tiefer hineinschauen kann, der weiß, von welchen tief innerlichen Bedingungen eine Heilung abhängen kann. Nehmen wir zum Beispiel an, ein Mensch wird von einer gewissen Krankheit befallen, von einer Krankheit, die innere Ursachen hat, nicht also etwa Schenkelbruch oder verdorbener Magen, denn dabei handelt es sich auch um äußere Ursachen. Jeder, der tiefer in diese Dinge eindringen will, wird sehr bald einsehen, daß bei einem Menschen, der sich viel und gern mit mathematischen Vorstellungen beschäftigt, ganz andere Bedingungen der Heilung vorhanden sind als bei einem anderen, der sich nicht damit beschäftigen mag. Das ist eine Tatsache, die Sie darauf hinweist, welch ein merkwürdiger Zusammenhang besteht zwischen dem geistigen Leben eines Menschen und dem, was die Bedingungen seiner äußeren Gesundheit sind. Natürlich ist das nicht so, als ob das mathematische Denken den Menschen heilte. Wir müssen das genauer erfassen: andere Bedingungen der Heilung sind notwendig bei einem Menschen, der mathematische Vorstellungen aufnehmen kann, als bei einem, der es nicht tut. Setzen wir den Fall, zwei Menschen seien von der ganz gleichen Krankheit befallen. In Wirklichkeit kommt das ja nicht vor, aber als Hypothese können wir es ja hinstellen. Der eine will nichts wissen von mathematischen Vorstellungen, der andere beschäftigt sich intensiv damit. Es könnte dann der Fall eintreten, daß es ganz unmöglich wäre, den Nichtmathematiker gesund zu machen, während Sie den anderen mit den entsprechenden Mitteln heilen können. Das ist ein ganz realer Fall.
"Ich habe Ihnen öfter davon gesprochen, daß der
Moment des Todes ja in einer gewissen Beziehung etwas Schreckhaftes
ist für das Leben hier im physischen Leibe. Die Menschen
wenden ja auch gerne ihr Antlitz von dem Tode ab. Nach dem Tode
ist der Anblick des Todes immer da - ich habe das öfters schon betont
-, aber er bedeutet dann nichts Furchtbares; sondern indem der
Mensch hinblickt auf seinen eigenen Tod von der andern Seite
des Lebens aus, ist in diesem Anblick immer die Gewißheit
vorhanden, daß er ein Ich ist und ein Ich bleibt." {{Lit|{{G|183|147f}}}}
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Nachdem mit dem Tod der physische Leib abgelegt wurde, lebt der [[Tote]] zunächst in seinen drei höheren, nur übersinnlich erfahrbaren Wesensgliedern weiter. Das sind: der [[Ätherleib]], der [[Astralleib|Seelenleib]] und das [[Ich]]. Da wir nun nicht mehr mit dem physischen Leib verbunden sind, verändert sich das Bewusstsein zwangsläufig ganz entscheidend. Alles das, was wir durch die physischen [[Sinnesorgane]] während des Erdenlebens wahrnehmen konnten, verschwindet bald. Ebenso die abstrakten [[Gedanken]], die auf das physische Werkzeug des [[Gehirn]]s angewiesen sind. Das heißt aber nicht weniger, als dass das meiste, was wir auf Erden im wachen [[Tagesbewusstsein]] erleben konnten, für uns sehr bald nicht mehr greifbar ist. Nur eine ganze kurze Zeit lang können gelegentlich die Sinneswahrnehmung und das abstrakte Denken aufrechterhalten werden, da es ja im Grunde nicht die physischen Organe sind, die wahrnehmen, sondern letztlich das selbstbewusste Ich, das mit Hilfe des Seelenleibes und des Ätherleibes durch die Sinnesorgane in Kontakt mit der Außenwelt kommt. Die physischen Organe prägen dem Ätherleib und dem Seelenleib nur ganz spezifische Gewohnheiten auf, wie sie für die sinnliche Wahrnehmung nötig sind. Solange der Ätherleib und der Seelenleib diese Gewohnheiten beibehalten, ist eine eingeschränkte sinnliche Wahrnehmung noch möglich. Es entstehen dann Erlebnisse, wie sie gelegentlich von Menschen geschildert werden, die nahe an den Tod herangekommen sind und später berichten, wie sie sich dann außerhalb ihres physischen Körpers wiedergefunden haben, sich dabei als über ihm schwebend empfanden und auf ihn herabblicken konnten und auch bewusst miterlebten, was Ärzte und Retter sprachen und taten, um sie wieder ins Leben zurückzurufen. Derartige [[außerkörperliche Erfahrungen]] sind gar nicht so selten. Auch ohne in unmittelbare Todesnähe zu kommen, treten sie gelegentlich spontan auf. Sie beruhen stets darauf, dass sich die drei höheren Wesensglieder zumindest teilweise vom physischen Körper lösen, aber noch die der physischen Welt angemessenen Gewohnheiten beibehalten.
Ein anderes Beispiel: Es liegen wieder ganz andere Gesundheitsbedingungen vor bei zwei Menschen, von denen der eine ein Atheist im schlimmsten Sinne und der andere ein tief religiös veranlagter Mensch ist. Wieder kann es geschehen, daß, wenn beide von derselben Krankheit befallen werden, Sie mit denselben Heilmitteln den religiösen gesund machen und den anderen nicht. Das sind Zusammenhänge, die dem heutigen Denken - wenigstens bei dem größten Teil der Menschheit - geradezu absurd erscheinen. Und dennoch verhält es sich so.


Was uns zunächst bleibt, wenn die äußere Wahrnehmung und das Verstandesdenken schließlich vollständig dahinschwinden, ist der Blick in bzw. auf den eigenen Ätherleib. Er ist es, der das blendende Bewusstseinslicht in der Seele erregt, wenn er sich dem physischen Körper entreißt. Unser Bewusstsein, wie wir es uns auf Erden erworben haben, ist zunächst viel zu schwach um diese blendende Fülle zu bewältigen. Der allergrößte Teil der [[Bildekräfte]]tätigkeit war ja während des irdischen Lebens der beständigen Erhaltung und Regeneration des physischen Leibes zugewendet und blieb uns deshalb völlig unbewusst; nur ein sehr, sehr geringer Teil der Lebenskräfte wurde in das seelische Erleben zurückgespiegelt, und nur diesen Teil vermag der Tote zunächst bewusst zu erfassen. Was also ist der Inhalt dieses Bewusstseins? Sinneswahrnehmung und Verstandesdenken sind es nicht mehr – dafür aber die [[Erinnerung]]en an das, was wir wahrgenommen und gedacht haben! Der Ätherleib ist nämlich der eigentliche Träger des [[Gedächtnis]]es. Während unseres Erdenlebens können wir uns an viele Dinge, die wir erlebt haben, nur sehr schwach erinnern, an manche gar nicht mehr. Nach dem Tod leuchtet das Gedächtnis mit ungeheurer Stärke auf und zeigt uns das vergangene irdische Leben als lückenloses [[Lebenspanorama]]. Alle Erlebnisse, die wir hatten, stehen gleichzeitig und ganz deutlich vor unserem Seelenblick. Alles, was wir längst vergessen glaubten, erleben wir nun noch einmal, aber mit der nüchternen Distanz eines neutralen Beobachters, was daran liegt, dass sich der Ätherleib bereits vom Seelenleib zu lösen beginnt und gleichsam von außen angeschaut wird, was während des wachen Erdenlebens niemals der Fall ist. Die Zeit spielt hier keine Rolle mehr. Ähnliche Phänomene kennt man ja auch aus dem Traumleben, wo sich innerhalb von Sekundenbruchteilen ein ganzes gewaltiges Traumdrama entrollen kann.
Woher kommt das? Das beruht darauf, daß ein ganz anderer Einfluß auf die menschliche Natur ausgeübt wird von den sogenannten sinnlichkeitsfreien als von den sinnlichkeitserfüllten Vorstellungen. Denken Sie sich einmal den Unterschied zwischen einem Menschen, der die Mathematik haßt, und einem, der sie liebt. Der eine sagt: Das alles soll ich mir denken? Ich will aber nur das haben, was ich äußerlich mit meinen Sinnen anschauen kann! - Es ist jedoch für das innerste Wesen des Menschen von großem Nutzen, in Vorstellungen zu leben, die man nicht anschauen kann; und ebenso ist es nützlich, in religiösen Vorstellungen zu leben, denn auch diese beziehen sich auf Dinge, die man eben nicht mit den Händen greifen kann, die sich nicht auf Äußeres, Materielles beziehen, die mit einem Wort sinnlichkeitsfrei sind. Das sind Dinge, die einst, wenn man wieder mehr auf das Spirituelle sehen wird, einen großen Einfluß auf pädagogische Prinzipien haben werden. Nehmen wir zum Beispiel die einfache Vorstellung: drei mal drei ist neun. Am besten bilden sich die Kinder eine solche Vorstellung, wenn es sinnlichkeitsfrei geschieht. Es ist nicht gut, wenn sie zu lange drei mal drei Bohnen nebeneinander legen, denn dann kommen sie gar nicht über die sinnliche Vorstellung hinaus. Wenn Sie aber die Kinder daran gewöhnen, vielleicht zuerst, aber nicht zu lange, an den Fingern abzuzählen, dann es aber mit dem reinen Denken mathematisch zu verfolgen, dann wirkt diese Vorstellung gesundend und ordnend auf die Kinder. Wie wenig die jetzige Zeit von solchen Dingen versteht, das sehen wir daran, daß gerade in der Pädagogik das Gegenteil geschieht. Ist nicht in unsere Schulen die Rechenmaschine eingezogen, wo an allerlei Kugeln die Addition, Subtraktion und so weiter für das sinnliche Auge klargemacht werden soll? Das, was bloß im Geiste erfaßt werden sollte, will man, wie man sagt, auf diese Weise sinnlich veranschaulichen. Das mag bequem sein, aber wer das für pädagogisch hält, weiß nichts von jener tieferen Heilpädagogik, die in der Kraft des Geistigen wurzelt. Einen Menschen, den Sie von Kindheit auf daran gewöhnt haben, in sinnlichen Vorstellungen zu leben, werden Sie, weil sein Nervensystem unter krankhaften Bedingungen lebt, nicht so leicht heilen können wie denjenigen, der von seiner Jugend auf an sinnlichkeitsfreie Vorstellungen gewöhnt ist. Je mehr Sie den Menschen daran gewöhnen, abgesehen von den Dingen zu denken, desto leichter wird es sein, ihn zu heilen. Daher war es unter den alten Traditionen immer üblich, allerlei symbolische Figuren, Dreiecke, Zahlenkombinationen zu geben; das hatte den Zweck, neben dem übrigen Wert, den diese Dinge hatten, den Menschen zu erheben von dem bloßen Anschauen dessen, was aufgezeichnet ist. Wenn ich ein Dreieck vor mich hinstelle und es bloß anschaue, so hat das keinen besonderen Wert. Wenn ich dagegen in ihm die Symbolisierung der höheren Dreiheit des Menschen erfasse, so ist das eine für den Geist gesundende Vorstellung. Und nun denken Sie sich, daß die Geisteswissenschaft den Menschen zur Anschauung des Geistigen führen wird. Wir werden hingelenkt von dem, was sich auf der Erde abspielt, zu dem, was sich auf der alten Sonne, dem Monde, dem Saturn abgespielt hat. Mit physisch-sinnlichen Augen können Sie heute die Ereignisse von damals nicht sehen, nicht mit Sinneshänden hinaufgreifen zum alten Mond, zur alten Sonne. Aber wenn Sie ohne Zuhilfenahme der äußeren sinnlichen Krücken sich hinaufheben zu den Dingen, die da einst waren, dann eignen Sie sich Vorstellungen an, die ausgleichend und harmonisierend auf Ihr ganzes Leben einwirken, auch auf das leibliche. Daher wird die Geisteswissenschaft wieder ein großes, umfassendes Heilmittel sein, wie sie es einst war in der Handhabung der alten ägyptischen Priester, die allerdings eine Herabstimmung des Ich dazu benötigten, wie sie im Tempelschlaf ausgeübt wurde.


Man wird das Ganze noch besser verstehen, wenn man sich vor Augen hält, wie das Gedächtnis des auf Erden verkörperten Menschen eigentlich funktioniert. Was immer die Seele augenblicklich erlebt, lebt der Ätherleib sehr stark mit - denn im Wachzustand sind Ätherleib und Seelenleib ganz stark mit einander verbunden - und bewahrt es als dynamische innere Lebenstätigkeit auf. Diese durch das seelische Erleben erregte Lebenstätigkeit greift sehr bald auf den physischen Körper über und prägt diesem entsprechende Spuren ein. Damit diese Spuren auch ein Leben lang erhalten bleiben, muss sie der Ätherleib beständig regenerieren. Der Ätherleib nimmt also das seelische Erleben auf, setzt es in eine entsprechende Lebenstätigkeit um und gräbt diese dem Körper ein. Damit wird aber das, was wir seelisch erlebt haben, zunächst in die Tiefe des physischen Organismus hinein „vergessen“. Denn wenn sich die Bildekräftetätigkeit ganz dem Körper zuwendet, kann sie keine seelischen Bilder mehr erregen. Das entspricht auch durchaus unserer alltäglichen Erfahrung, denn wir tragen das, was wir einmal erlebt haben nicht ununterbrochen im Bewusstsein, und es ist, wie mancher Prüfling schmerzlich bemerken muss, oft sehr mühevoll, Erlerntes wieder ins Bewusstsein heraufzuheben. In der frühesten Kindheit verbindet sich das, was wir erleben, am aller stärksten mit dem physischen Leib. Nur flüchtige Reflexe spiegeln sich in der Seele wider und fast alles gerinnt zu körperlichen Strukturen. Alles, was wir als kleines Kind wahrnehmen, prägt sich dem Organismus so stark ein, dass wir uns später niemals daran erinnern können. Was wir als Baby nahezu bewusstlos wahrnehmen, gestaltet so überhaupt erst die Feinstruktur des Gehirns aus. Relativ leicht erinnern können wir uns nur an das, was wir mit dem voll erwachten [[Ichbewusstsein]] erlebt haben. Die dadurch gebildeten Gedächtnisspuren graben sich dem Organismus nur sehr oberflächlich ein. Die traumartigen Erlebnisse des Seelenleibes heften sich schon wesentlich stärker an den physischen Leib und können darum nur sehr viel schwerer wieder dem Dunkel des Vergessens entrissen werden. Deswegen können wir uns auch an die meisten nächtlichen Träume nur sehr wenig erinnern. Erst nach dem Tod werden uns die Erfahrungen des Seelenleibes lückenlos zugänglich. Tatsächlich ist das, was wir mittels des Seelenleibes erleben, sehr viel reicher als das, was wir mit dem vollen Selbstbewusstsein begleiten. Unser Selbstbewusstsein ist eben noch sehr schwach ausgebildet. Das nachtodliche Lebenspanorama zeigt uns daher vor allem jene Erfahrungen, deren wir uns auf Erden gar nicht so recht bewusst geworden sind, oder die wir gewaltsam in die tieferen Bewusstseinsschichten verdrängt haben. Das Lebenspanorama, das sich nach dem Tod unserem Seelenblick zeigt, unterscheidet sich daher doch sehr wesentlich von unserem irdischen Erinnerungsvermögen.
Die spirituelle Weltanschauung ist eine gesundende Weltanschauung. Freilich wird da mancher einwenden: Sind denn die Anthroposophen lauter gesunde Menschen, sind unter ihnen nicht auch Kranke? Wir müssen uns darüber klarwerden, daß der einzelne Mensch im Grunde genommen sehr wenig für seine Gesundheit und Krankheit kann. Ein großer Teil der Krankheitsursachen liegt außerhalb der einzelnen Persönlichkeit. Sie können heute die gesündesten Begriffe haben, die, wenn Sie unter ganz gesunden Bedingungen leben würden, Sie niemals von innen heraus krank werden ließen; aber es gibt andere Ursachen, die nicht in der Macht des individuellen Menschen von heute liegen, zum Beispiel die geheimen Ursachen von Vererbung, des Einflusses von Mensch zu Mensch, des Einflusses einer unnatürlichen Umgebung und so weiter. Das alles sind Dinge, die in geheimnisvoller Art äußere Krankheitsursachen sind; sie alle können nur durch eine gesunde anthroposophische Denkweise im Laufe der Zeiten beseitigt werden. Aber wenn man auch sieht, daß heute selbst die innerlich gesündesten Menschen krank, sogar schwer krank werden können, so darf man dennoch darin nicht ein Zeugnis dafür erblicken, daß die Geisteswissenschaft nicht im Laufe der Jahrhunderte - und ich sage Jahrhunderte, nicht Jahrtausende - gesundend auf die Menschheit wirken werde. O, es steht vor dem Blicke des Geist-Erkennenden eine Zukunft, wo es innere Krankheitsursachen nicht geben wird für diejenigen, die die inneren und äußeren Bedingungen spiritueller Weisheit herbeiführen. Äußere Ursachen wird es immer geben, die können nur dadurch beseitigt werden, daß eine im geisteswissenschaftlichen Sinne gehaltene Heilkunst immer mehr und mehr Platz greift. Wir sehen: wenn wir die Wirkung des Geistigen richtig verstehen, dann ist der Tempelschlaf nichts Rätselhaftes für uns.


Was geschieht also, wenn wir uns an etwas erinnern? Erinnern heißt, dass wir die ätherischen Bildekräfte, welche die physischen Gedächtnisspuren beständig regenerieren, vom Körper abziehen und in das seelische Erleben zurückleiten. Die physischen Gedächtnisspuren beginnen sich dadurch aufzulösen, und nur wenn wir das Erinnerte wieder aus dem Bewusstsein entlassen, kann sie der Ätherleib dem physischen Körper neuerlich, vielleicht in modifizierter Form wieder einprägen. Es wäre also wahrscheinlich nicht sehr gesund, wenn wir uns an die frühesten Kindheitserlebnisse erinnern würden, denn dann könnte die Feinstruktur unseres Gehirns sehr leicht beschädigt werden. Erleben, Vergessen und Erinnern stellen einen wichtigen Lebenszyklus dar, durch den unser physischer Leib immer wieder nach Maßgabe unserer Lebenserfahrungen ganz leise umgestaltet und diesen angepasst wird. Bei den Tieren ist dieser Lebenszyklus beinahe ausschließlich auf eine kurze, sehr frühe Lebensepoche beschränkt. Beim Menschen ist diese Fähigkeit am stärksten in der frühen Kindheit ausgeprägt; mit zunehmendem Alter beginnt sich der Ätherleib bereits ganz vorsichtig vom physischen Leib zu trennen. Es fällt uns dann immer schwerer, Gedächtnisspuren unserem Organismus einzugraben, dafür tauchen aber plötzlich Jugenderlebnis wieder auf, an die man sich während des ganzen Lebens davor nicht erinnern konnte. Dieses Phänomen findet man bei älteren Menschen ja sehr häufig.
Was also wurde in den ätherischen Gesichten als eine gesundheitlich wirkende Macht vor den Tempelschläfer gezaubert? Die Bilder der atlantischen Götter, die wir selbst als ätherische Gestalten kannten, unter denen die Menschen einst lebten, wenn sie außerhalb ihrer physischen Leiber waren und sich im ätherischen Hellsehen befanden.


Solange wir auf Erden leben, sind die ätherischen Bildekräfte sehr stark dem physischen Leib zugewendet und verhindern dessen Zerfall. Nach dem Tod, wenn der physische Leib wegfällt, folgen sie ihrer inneren kosmischen Lichtnatur und gliedern sich dem kosmischen Geschehen ein. Schon wenige Tage nach dem Tod beginnt sich der Ätherleib normalerweise aufzulösen, wodurch auch das Lebenspanorama allmählich verblasst, gleichsam dünn und durchsichtig wird und nun anderen Erlebnissen Platz macht, die viel inniger mit unserem inneren Seelenwesen verbunden sind als dieser nüchterne Gesamtüberblick über die ''äußeren'' Geschehnisse des vergangenen Erdenlebens.  
Und wenn wir nun noch weiter in der Menschheitsentwickelung zurückgehen, weit hinter die atlantische Zeit zurück, dann gelangen wir in eine Zeit, wo der Mensch erst das wurde, was er heute ist, wo der Mensch erst eintrat in die individuelle Persönlichkeit, die er heute hat. Wir nennen diese Zeit die lemurische Zeit. Der atlantische Kontinent, von dem aus sich die Völker nach Afrika, Europa, nach Asien hin verbreiteten, ging zugrunde durch gewaltige Wasserkatastrophen. Die Lemuria, jener Erdteil, auf dem die Menschheit vor der atlantischen Zeit wohnte, ging zugrunde durch Feuergewalten, durch vulkanische Katastrophen. In der lemurischen Zeit aber war es, wo der Mensch zum ersten Male überhaupt sein Ich-Bewußtsein erworben hat. Ein gewaltiger Einschnitt in der Menschheitsentwickelung war das. Wodurch erlangt der Mensch sein Ich-Bewußtsein? Es ist im allgemeinen für das heutige materialistische Denken schwer, sich diesen alten Zustand der Menschheit vorzustellen. Wenn Sie sich den damaligen Menschen so vorstellen würden, wie er heute ist, das heißt mit Fleisch und Blut, Knochen und Muskeln, dann würden Sie eine ganz falsche Vorstellung haben. Der Mensch von damals hatte eine weit flüchtigere, weichere Gestalt; fast flüssig war alles. Das, was später zu Muskeln und Knochen geworden ist, hat sich erst im Laufe der Zeiten verhärtet. Wir kommen da in eine Zeit zurück, wo noch eine ganz andere Art der Menschheitsfortpflanzung war. Der Mensch lebte damals mehr in der Umgebung der Erde, die aber nicht wie heute reine Luft war, sondern die mit allerlei Dämpfen angefüllt war. Als eine wahre Luftgestalt lebte der Mensch da, und es zogen die äußeren Strömungen ein und aus. Es war tatsächlich beinahe so, als ob wir heute eine Wolke ansehen, die fortwährend ihre Gestalt ändert, nur etwas fester und bestimmter war die Gestalt des einstigen Menschen. Damals trat auch zuerst das ein, was wir heute als die Geschlechter bezeichnen; es wurde in jenen Zeiten innerhalb des Menschengeschlechtes eine alte ungeschlechtliche Fortpflanzungsart ersetzt durch eine geschlechtliche. Das liegt allerdings Millionen und Millionen von Jahren zurück vor der gegenwärtigen Zeit.


Der Tote tritt dann in jenen Bereich über, der in der geisteswisenschaftlichen Terminologie als [[Kamaloka]], in der christlich-abendländischen Ausdrucksweise als [[Fegefeuer]] bezeichnet wird.
Mit der geschlechtlichen Fortpflanzung trat erst die Einverleibung des Ich im ersten Keime in die Menschheit ein. Früher wurde der Mensch noch durch ganz andere Einflüsse dazu angeregt, seinesgleichen aus sich hervorgehen zu lassen; durch äußere Einflüsse wurde er dazu veranlaßt, durch Einflüsse, die in der Sphäre um ihn herum lagen. Das war die Fortpflanzung jener Zeit, wo der Mensch noch nicht sein Ich hatte, wo er noch mit einem dumpfen, hellseherischen Bewußtsein ausgestattet war, wo er sozusagen noch ganz im Schöße der Gottheit ruhte. Er konnte nicht sagen: «Ich bin». Was er empfand, war etwa folgendes: Er sah, daß, wenn er irgend etwas tat, es einen Eindruck auf seine Umgebung machte, und er fühlte sein Dasein in seiner Umgebung. Er konnte nicht sagen: Ich bin da -, sondern er sagte: Meine Umgebung läßt mich da sein. - Er lag im Schoße der lebendigen Erde, und die lebendigen Erdenkräfte strömten aus und ein. Damals gab es noch keine ungesunden Kräfte, da gab es noch nicht Krankheit, nicht einmal Tod in unserer heutigen Auffassung. Erst als dem Menschen mit der geschlechtlichen Fortpflanzung sein Ich ausgeliefert wurde, da erst zogen Krankheit und Tod in die Menschheit ein. Wenn wir das alles uns richtig vorstellen, dann müssen wir sagen: Damals wurde das Menschenwesen nicht von seinesgleichen befruchtet, sondern so, wie es heute atmet, so nahm es damals die Stoffe aus seiner Umgebung in sich auf; und in dieser Umgebung waren die Kräfte der Befruchtung enthalten. Was da eindrang, das befruchtete ihn, das veranlaßte ihn, seinesgleichen hervorzubringen. Und das waren gesunde Kräfte im Menschen selber und in dem, was er als seinesgleichen hervorbrachte. Die alten ägyptischen Priester aber wußten das, und sie sagten sich: Je weiter man das Anschauen der Menschen zurücklenkt in frühere Zustände, desto mehr bringt man ihn in die Bedingungen, wo es keine Krankheiten gibt. — Schon das Anschauen der alten atlantischen Göttergestalten konnte gesundend wirken, mehr aber noch war das der Fall, wenn die Priester die Gesichte so lenkten, daß der Tempelschläfer jene uralten Menschengestalten vor sich hatte, die noch nicht von ihresgleichen befruchtet wurden, die aus der Umgebung heraus ihre Befruchtung erhielten. Da stand vor dem im Tempelschlaf liegenden Kranken die Gestalt der Gebärerin ihresgleichen ohne die Befruchtung durch ihresgleichen. Da stand vor ihm die hervorbringende Frau, die Frau mit dem Kinde, die da jungfräulich ist, die Göttin, die in jener lemurischen Zeit eine Genossin der Menschen war, und die mittlerweile dem Blick der Menschheit entschwunden ist. Die nannte man die heilige Isis im alten Ägypten. Die Menschheit konnte diese Isis normalerweise nur damals sehen, als der Tod noch nicht eingezogen war; da waren die Menschen in normalem Bewußtseinszustande Genossen solcher Gestalten, die sie umschwebten und die ihresgleichen auf jungfräuliche Art hervorbrachten. Und als die Isis nicht mehr die sichtbare Genossin der Menschheit war, als sie in den Kreis der Götter entrückt wurde, da interessierte sie sich immer noch aus der geistigen Welt heraus für die Gesundheit der Menschen, so sagten die Priester. Und wenn man den Menschen in abnormer Weise, wie im Tempelschlaf, zu einer Anschauung jener alten Gestalten, jenes heiligen Isisbildes brachte, dann wirkte die Göttin immer noch gesundend, denn sie ist das Prinzip im Menschen, das da war, bevor die sterbliche Hülle den Menschen umgab. Ihren Schleier hat kein Sterblicher gehoben, denn sie ist die Gestalt, die da war, als der Tod überhaupt noch nicht in die Welt gekommen war. Sie ist das im Ewigen Wurzelnde, sie ist die große heilende Wesenheit, die die Menschheit wieder erringen wird, wenn sie sich aufs neue vertiefen wird in die spirituelle Weisheit.


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So sehen wir, was geblieben ist in jenem wunderbaren Symbolum der jungfräulichen Mutter mit dem Kinde, die sich im Madonnenbilde, wir können es auf geisteswissenschaftlichem Boden mit aller Kraft sagen: in dem gesundend wirkenden Madonnenbilde erhalten hat. Denn das Madonnenbild ist - in jenen Grenzen, die erörtert worden sind - ein Heilmittel. Wenn es so behandelt wird, daß die menschliche Seele noch eine Nachwirkung hat, wenn sie im Schlafe liegt und etwa träumen kann von diesem Madonnenbilde, dann hat dieses auch heute noch eine heilende Kraft." {{lit|GA 105, 2.Vortrag}}
"Gleichzeitig mit dem Erinnerungsbilde empfindet
der Mensch, daß er immer größer und größer wird. Die Bilder, die
ihn umgeben, welche die Bilder des vergangenen Lebens sind, vergrößern
sich ebenfalls. Indem der Mensch sich noch im Ätherleib befindet,
wächst er sozusagen in seine Umgebung hinein. Wenn der im
Ätherleib befindliche Mensch ein Ereignis erlebt hat, das sich fünfzig
Meilen entfernt abgespielt hat, dann ist das so, als ob er sich bis zu
dem Schauplatz des Ereignisses ausdehnte. Wenn er einmal in Amerika
war, fühlt er sich hinauswachsen bis nach Amerika. Im Ätherleib
empfindet der Mensch das Immer-größer-Werden. Im Astralleib fühlt
er sich dagegen auf gestückelt in verschiedene einzelne Teile. Er empfindet
den astralischen Leib keineswegs als eine räumliche Einheit. Es
gibt zum Beispiel Gallwespen, deren Vorder- und Hinterleib nur durch
einen ganz dünnen Stiel verbunden sind. Das ist ein Beispiel dafür,
wie auch in der physischen Welt zwei zueinandergehörige Teile nur
durch eine Verbindung von sehr geringer Ausdehnung zusammengehalten
werden. In der astralischen Welt kann es nun vorkommen,
daß sogar überhaupt keine Verbindung zwischen zwei Teilen da ist
und dennoch der eine Teil zum anderen gehört und diese Zugehörigkeit
durchaus empfunden wird. Im Astralleib kann sich der Mensch
an den verschiedensten Orten zugleich befinden. Wenn ein Mensch,
der durch das Kamaloka hindurchgeht, in seinem Erdenleben einmal
einem anderen einen physischen oder seelischen Schmerz zugefügt hat
und im Rückwärtserleben zu diesem Zeitpunkt gelangt, dann fühlt
er sich in dem anderen darin und erlebt dessen Schmerz in seinem
eigenen Astralleibe. Alle Erlebnisse und Taten des vorangegangenen
Erdenlebens werden in diesem Empfindungsspiegel zum zweitenmal
vorgefunden. Das ist auch ein Teil des Kamalokalebens." {{Lit|{{G|096|181f}}}}
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== Literatur ==
==Literatur==
* [[Reinhold Scholl]]: ''Der Papyrus Ebers. Die größte Buchrolle zur Heilkunde Altägyptens'' (Schriften aus der Universitätsbibliothek 7), Leipzig 2002; ISBN 3-910108-93-8.
* [[Rudolf Steiner]]: ''Welt, Erde und Mensch'', [[GA 105]] (1983), Zweiter Vortrag, Stuttgart, 5. August 1908


#Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), ISBN 3-7274-0961-4 {{Vorträge|096}}
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#Rudolf Steiner: ''Die Verbindung zwischen Lebenden und Toten'', [[GA 168]] (1995), ISBN 3-7274-1680-7 {{Vorträge|168}}
#Rudolf Steiner: ''Die Wissenschaft vom Werden des Menschen'', [[GA 183]] (1990), ISBN 3-7274-1830-3 {{Vorträge|183}}


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==Weblinks==
# [http://www.aubert.de/html/entspannung_ii.html Entpannung] - Tempelschlaf und Hypnose im historischen Kontext.
# [http://www.hieroglyphen.net/andere/Ebers/ebers.htm Der Papyrus Ebers] - Das größte Buch zur Heilkunst im Alten Ägypten - ein Auszug.
# [http://www.mein-altaegypten.de/internet/Alt_Aegypten_2/heilkundeframe.html Heilkunde im alten Ägypten]


[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Tod]]
[[Kategorie:Heilkunst]] [[Kategorie:Medizin]] [[Kategorie:Ägyptisch-chaldäische Kultur]]

Version vom 16. April 2020, 01:27 Uhr

„Die Schlafende“ aus dem Hypogäum von Hal Saflieni.
Isis mit dem Horusknaben (Isis Lactans), zwischen 1650 und 1085 v. Chr.

Der Tempelschlaf (griech. ἐγκοίμησις Enkoimesis; lat. Inkubation, von incubare „liegen auf“, „ausbrüten“) wurde, wie Keilschrifttexte belegen, schon im 4. Jahrtausend v. Chr. von den Sumerern für therapeutische Zwecke eingesetzt und war insbesondere von großer Bedeutung für die ägyptische Heilkunst. Der mehr als 3000 Jahre alte Papyrus Ebers beschreibt u.a. die Methoden, wie man den heilenden hypnotischen Tiefschlaf einsetzen und herbeiführen konnte. Der Kranke wurde dazu in einen somnambulen Schlaf versetzt, in dem seine Hellsichtigkeit erwachte. Er blickte dann zurück in jene Zeiten, wo es noch keine Krankheiten in der Menschheit gab. Er schaute die alten atlantischen Götter, und schon das wirkte gesundend, mehr aber noch die Anschaung jener Göttin, die in der ersten lemurischen Zeit die Befruchtung noch ohne geschlechtliche Fortpflanzung aus geistigen Sphären lenkte. Die Ägypter gaben dieser Göttin den Namen Isis. Die heilkräftige Imagination der Isis mit dem Horusknaben lebt in abgeschwächter und verwandelter Form heute fort in der heilsamen Wirkung von Bildern der Madonna mit dem Jesuskind. Auch eine der figürlichen Plastiken auf Malta, die im Hypogäum von Hal Saflieni gefundene sog. Sleeping Lady („Die Schlafende“), datiert auf 4000 - 2500 v. Chr., wird u.a. als Muttergottheit, aber auch als Darstellung des Tempelschlafs interpretiert. Eine moderne Form des Tempelschlafs ist die Trauminkubation.

"Der Tempelschlaf liegt ja der anderen eigentümlichen Tatsache zugrunde, daß bei den ägyptischen Priesterweisen, und überhaupt in der alten Kultur der Menschheit, die Weisheit in innigem Zusammenhange mit der Heilkunst, mit der Gesundheit gedacht wurde. Von den innigen Beziehungen zwischen Weisheit und Gesundheit, zwischen Wissenschaft und Heilkunst macht sich der heutige Mensch gegenüber jenen alten Vorstellungen doch nur einen sehr schwachen Begriff; und es wird die Aufgabe der Geisteswissenschaft sein, die Menschheit wiederum hinzuweisen auf jenen Begriff des Geistigen, durch den Weisheit und Heilkunst und Gesundheit wieder in einen näheren Zusammenhang gebracht werden. Wir erinnern uns dabei auch an etwas, das an allerlei Ausführungen anklingt, die wir gestern gemacht haben. Wir erinnern uns dabei jener alten Gestalt, an die wir denken mußten, als wir uns das Bild der Madonna mit ihrem Kinde, so wie Raffael es in der Sixtinischen Madonna gemalt hat, vor die Seele stellten, wir erinnern uns der Isis mit dem Horuskinde. Es ist die Göttin, deren Tempel die Aufschrift trug: «Ich bin, die da war, die da ist, die da sein wird - meinen Schleier kann kein Sterblicher lüften.» Diese Göttin wurde in einen geheimnisvollen Zusammenhang mit aller Heilkunst gebracht, sie wurde geradezu als die Lehrerin der ägyptischen Priester in bezug auf die Heilkunst betrachtet. Und eine merkwürdige Rede führte man noch in den letzten Zeiten des Altertums von jener Isis; in dieser Rede werden wir darauf aufmerksam gemacht, daß Isis sich noch in der Zeit, in der sie unter die Unsterblichen versetzt wurde, für die Heilkunst, für die Gesundheit der Menschen besonders interessiert hat. Das alles deutet auf sehr geheimnisvolle Zusammenhänge hin.

Nun müssen wir mit einigen Strichen uns einmal das Wesen des Tempelschlafs, der zu den Heilmitteln der ägyptischen Priester gehörte, vor die Seele stellen. Derjenige, der in irgendeiner Weise an seiner Gesundheit Schaden gelitten hatte, wurde in der Regel nicht mit äußeren Heilmitteln behandelt in jenen Zeiten; es gab deren überhaupt nur wenig, und nur in seltenen Fällen wurden sie angewendet. Dagegen wurde der Betreffende in den meisten Fällen in den Tempel gebracht und dort in eine Art Schlaf versetzt. Es war das aber kein gewöhnlicher Schlaf, sondern eine Art von somnambulem Schlaf, der so gesteigert war, daß der Betreffende fähig wurde, nicht nur chaotische Träume zu haben, sondern regelrechte Gesichte zu sehen. Er nahm während dieses Tempelschlafes ätherische Gestalten in der geistigen Welt wahr, und die Priesterweisen verstanden die Kunst, auf diese ätherischen Bilder des Menschen einzuwirken; sie konnten sie lenken und leiten. Nehmen wir an, ein solcher Kranker wurde in den Tempelschlaf versetzt. Der heilkundige Priester war an seiner Seite. Wenn der somnambule Schlaf eingetreten war, so daß der Kranke also in einer Welt von ätherischen Gestalten lebte, dann lenkte der Priester durch die Macht, die ihm durch seine Einweihung innewohnte und die nur in jenen alten Zeiten möglich war, wo noch Daseinsbedingungen herrschten, die heute gar nicht mehr oder doch nur ganz selten vorhanden sind, da lenkte er durch diese Macht, durch diese Kräfte den ganzen Schlafzustand. Und er formte und gestaltete die ätherischen Gesichte und Wesenheiten so, daß tatsächlich wie durch einen Zauber vor dem Schlafenden die Gestalten auftauchten, die einst der alte Atlantier als seine Götter gesehen hatte. Solche Göttergestalten, an die die verschiedenen Völker nur noch eine Erinnerung bewahrt haben, zum Beispiel in der germanischen, der nordischen und auch in der griechischen Mythologie, besonders aber bestimmte Gestalten, die mit dem heilenden Prinzip verbunden waren, wurden nun vor die Seele dessen gestellt, der sich im Tempelschlaf befand. Wäre der Mensch bewußt geblieben wie in seinem Tagesbewußtsein, so wäre niemals die Möglichkeit vorhanden gewesen, solche Kräfte auf ihn wirken zu lassen; das war nur in einem solchen somnambulen Schlaf möglich. Die Priesterweisen lenkten das Traumleben also, daß starke Kräfte in diesem ätherischen Anschauen entfesselt wurden, und diese Kräfte wirkten ordnend und harmonisierend auf die in Unordnung und Disharmonie gebrachten Leibeskräfte. Bei diesem herabgestimmten Ich-Bewußtsein war das möglich. Der Tempelschlaf hatte also eine sehr reale Bedeutung. Aber wir sehen nun auch, warum eigentlich diese heilende Wirkung der Priesterweisen in solchen Zusammenhang mit der Weisheit gebracht wurde, die den Menschen nur durch ihre Einweihung zuteil werden konnte. Dieser Zusammenhang liegt klar vor uns. Die Priesterweisen waren es ja, die durch Wiederbelebung des alten Hineinschauens in die höheren Welten gerade in ihrer Weisheit die höheren Kräfte hatten, die aus dem Geistigen strömten, wo Geistiges auf Geistiges wirken konnte. So bekamen sie die Fähigkeit, Geistiges auf Geistiges wirken zu lassen, und dadurch kam die Weisheit überhaupt in jenen innigen Zusammenhang mit dem Gesundheitsleben.

In diesem Sich-Hinaufheben zum Geistigen war in alten Zeiten ein gesundendes Element, und es wäre gut, wenn die Menschen so etwas wieder verstehen lernten, denn dann würden sie auch die große Mission der anthroposophischen Bewegung verstehen lernen. Was ist sie denn anderes, diese Mission, als den Menschen hinaufzuführen in die geistigen Welten, daß er wieder hineinschauen kann in die Welten, aus denen er heruntergestiegen ist! Zwar wird in zukünftigen Zeiten kein somnambuler Schlaf über die Menschen verhängt werden, das Selbstbewußtsein wird voll aufrechterhalten bleiben, aber dennoch wird die starke spirituelle Kraft wirksam werden in der Menschennatur, und dann wird der Besitz von Weisheit und Einsicht in die höheren Welten wiederum etwas sein, was ordnend und gesundend auf die Menschennatur einwirken kann. Heute liegt dieser Zusammenhang des Geistigen mit dem Heilenden so verborgen, daß die Menschen, die nicht in irgendeiner Weise in die tiefere Mysterienweisheit eingeweiht sind, nicht viel davon wissen; sie können eben die feinen Tatsachen, die vorliegen, gar nicht beobachten. Wer aber tiefer hineinschauen kann, der weiß, von welchen tief innerlichen Bedingungen eine Heilung abhängen kann. Nehmen wir zum Beispiel an, ein Mensch wird von einer gewissen Krankheit befallen, von einer Krankheit, die innere Ursachen hat, nicht also etwa Schenkelbruch oder verdorbener Magen, denn dabei handelt es sich auch um äußere Ursachen. Jeder, der tiefer in diese Dinge eindringen will, wird sehr bald einsehen, daß bei einem Menschen, der sich viel und gern mit mathematischen Vorstellungen beschäftigt, ganz andere Bedingungen der Heilung vorhanden sind als bei einem anderen, der sich nicht damit beschäftigen mag. Das ist eine Tatsache, die Sie darauf hinweist, welch ein merkwürdiger Zusammenhang besteht zwischen dem geistigen Leben eines Menschen und dem, was die Bedingungen seiner äußeren Gesundheit sind. Natürlich ist das nicht so, als ob das mathematische Denken den Menschen heilte. Wir müssen das genauer erfassen: andere Bedingungen der Heilung sind notwendig bei einem Menschen, der mathematische Vorstellungen aufnehmen kann, als bei einem, der es nicht tut. Setzen wir den Fall, zwei Menschen seien von der ganz gleichen Krankheit befallen. In Wirklichkeit kommt das ja nicht vor, aber als Hypothese können wir es ja hinstellen. Der eine will nichts wissen von mathematischen Vorstellungen, der andere beschäftigt sich intensiv damit. Es könnte dann der Fall eintreten, daß es ganz unmöglich wäre, den Nichtmathematiker gesund zu machen, während Sie den anderen mit den entsprechenden Mitteln heilen können. Das ist ein ganz realer Fall.

Ein anderes Beispiel: Es liegen wieder ganz andere Gesundheitsbedingungen vor bei zwei Menschen, von denen der eine ein Atheist im schlimmsten Sinne und der andere ein tief religiös veranlagter Mensch ist. Wieder kann es geschehen, daß, wenn beide von derselben Krankheit befallen werden, Sie mit denselben Heilmitteln den religiösen gesund machen und den anderen nicht. Das sind Zusammenhänge, die dem heutigen Denken - wenigstens bei dem größten Teil der Menschheit - geradezu absurd erscheinen. Und dennoch verhält es sich so.

Woher kommt das? Das beruht darauf, daß ein ganz anderer Einfluß auf die menschliche Natur ausgeübt wird von den sogenannten sinnlichkeitsfreien als von den sinnlichkeitserfüllten Vorstellungen. Denken Sie sich einmal den Unterschied zwischen einem Menschen, der die Mathematik haßt, und einem, der sie liebt. Der eine sagt: Das alles soll ich mir denken? Ich will aber nur das haben, was ich äußerlich mit meinen Sinnen anschauen kann! - Es ist jedoch für das innerste Wesen des Menschen von großem Nutzen, in Vorstellungen zu leben, die man nicht anschauen kann; und ebenso ist es nützlich, in religiösen Vorstellungen zu leben, denn auch diese beziehen sich auf Dinge, die man eben nicht mit den Händen greifen kann, die sich nicht auf Äußeres, Materielles beziehen, die mit einem Wort sinnlichkeitsfrei sind. Das sind Dinge, die einst, wenn man wieder mehr auf das Spirituelle sehen wird, einen großen Einfluß auf pädagogische Prinzipien haben werden. Nehmen wir zum Beispiel die einfache Vorstellung: drei mal drei ist neun. Am besten bilden sich die Kinder eine solche Vorstellung, wenn es sinnlichkeitsfrei geschieht. Es ist nicht gut, wenn sie zu lange drei mal drei Bohnen nebeneinander legen, denn dann kommen sie gar nicht über die sinnliche Vorstellung hinaus. Wenn Sie aber die Kinder daran gewöhnen, vielleicht zuerst, aber nicht zu lange, an den Fingern abzuzählen, dann es aber mit dem reinen Denken mathematisch zu verfolgen, dann wirkt diese Vorstellung gesundend und ordnend auf die Kinder. Wie wenig die jetzige Zeit von solchen Dingen versteht, das sehen wir daran, daß gerade in der Pädagogik das Gegenteil geschieht. Ist nicht in unsere Schulen die Rechenmaschine eingezogen, wo an allerlei Kugeln die Addition, Subtraktion und so weiter für das sinnliche Auge klargemacht werden soll? Das, was bloß im Geiste erfaßt werden sollte, will man, wie man sagt, auf diese Weise sinnlich veranschaulichen. Das mag bequem sein, aber wer das für pädagogisch hält, weiß nichts von jener tieferen Heilpädagogik, die in der Kraft des Geistigen wurzelt. Einen Menschen, den Sie von Kindheit auf daran gewöhnt haben, in sinnlichen Vorstellungen zu leben, werden Sie, weil sein Nervensystem unter krankhaften Bedingungen lebt, nicht so leicht heilen können wie denjenigen, der von seiner Jugend auf an sinnlichkeitsfreie Vorstellungen gewöhnt ist. Je mehr Sie den Menschen daran gewöhnen, abgesehen von den Dingen zu denken, desto leichter wird es sein, ihn zu heilen. Daher war es unter den alten Traditionen immer üblich, allerlei symbolische Figuren, Dreiecke, Zahlenkombinationen zu geben; das hatte den Zweck, neben dem übrigen Wert, den diese Dinge hatten, den Menschen zu erheben von dem bloßen Anschauen dessen, was aufgezeichnet ist. Wenn ich ein Dreieck vor mich hinstelle und es bloß anschaue, so hat das keinen besonderen Wert. Wenn ich dagegen in ihm die Symbolisierung der höheren Dreiheit des Menschen erfasse, so ist das eine für den Geist gesundende Vorstellung. Und nun denken Sie sich, daß die Geisteswissenschaft den Menschen zur Anschauung des Geistigen führen wird. Wir werden hingelenkt von dem, was sich auf der Erde abspielt, zu dem, was sich auf der alten Sonne, dem Monde, dem Saturn abgespielt hat. Mit physisch-sinnlichen Augen können Sie heute die Ereignisse von damals nicht sehen, nicht mit Sinneshänden hinaufgreifen zum alten Mond, zur alten Sonne. Aber wenn Sie ohne Zuhilfenahme der äußeren sinnlichen Krücken sich hinaufheben zu den Dingen, die da einst waren, dann eignen Sie sich Vorstellungen an, die ausgleichend und harmonisierend auf Ihr ganzes Leben einwirken, auch auf das leibliche. Daher wird die Geisteswissenschaft wieder ein großes, umfassendes Heilmittel sein, wie sie es einst war in der Handhabung der alten ägyptischen Priester, die allerdings eine Herabstimmung des Ich dazu benötigten, wie sie im Tempelschlaf ausgeübt wurde.

Die spirituelle Weltanschauung ist eine gesundende Weltanschauung. Freilich wird da mancher einwenden: Sind denn die Anthroposophen lauter gesunde Menschen, sind unter ihnen nicht auch Kranke? Wir müssen uns darüber klarwerden, daß der einzelne Mensch im Grunde genommen sehr wenig für seine Gesundheit und Krankheit kann. Ein großer Teil der Krankheitsursachen liegt außerhalb der einzelnen Persönlichkeit. Sie können heute die gesündesten Begriffe haben, die, wenn Sie unter ganz gesunden Bedingungen leben würden, Sie niemals von innen heraus krank werden ließen; aber es gibt andere Ursachen, die nicht in der Macht des individuellen Menschen von heute liegen, zum Beispiel die geheimen Ursachen von Vererbung, des Einflusses von Mensch zu Mensch, des Einflusses einer unnatürlichen Umgebung und so weiter. Das alles sind Dinge, die in geheimnisvoller Art äußere Krankheitsursachen sind; sie alle können nur durch eine gesunde anthroposophische Denkweise im Laufe der Zeiten beseitigt werden. Aber wenn man auch sieht, daß heute selbst die innerlich gesündesten Menschen krank, sogar schwer krank werden können, so darf man dennoch darin nicht ein Zeugnis dafür erblicken, daß die Geisteswissenschaft nicht im Laufe der Jahrhunderte - und ich sage Jahrhunderte, nicht Jahrtausende - gesundend auf die Menschheit wirken werde. O, es steht vor dem Blicke des Geist-Erkennenden eine Zukunft, wo es innere Krankheitsursachen nicht geben wird für diejenigen, die die inneren und äußeren Bedingungen spiritueller Weisheit herbeiführen. Äußere Ursachen wird es immer geben, die können nur dadurch beseitigt werden, daß eine im geisteswissenschaftlichen Sinne gehaltene Heilkunst immer mehr und mehr Platz greift. Wir sehen: wenn wir die Wirkung des Geistigen richtig verstehen, dann ist der Tempelschlaf nichts Rätselhaftes für uns.

Was also wurde in den ätherischen Gesichten als eine gesundheitlich wirkende Macht vor den Tempelschläfer gezaubert? Die Bilder der atlantischen Götter, die wir selbst als ätherische Gestalten kannten, unter denen die Menschen einst lebten, wenn sie außerhalb ihrer physischen Leiber waren und sich im ätherischen Hellsehen befanden.

Und wenn wir nun noch weiter in der Menschheitsentwickelung zurückgehen, weit hinter die atlantische Zeit zurück, dann gelangen wir in eine Zeit, wo der Mensch erst das wurde, was er heute ist, wo der Mensch erst eintrat in die individuelle Persönlichkeit, die er heute hat. Wir nennen diese Zeit die lemurische Zeit. Der atlantische Kontinent, von dem aus sich die Völker nach Afrika, Europa, nach Asien hin verbreiteten, ging zugrunde durch gewaltige Wasserkatastrophen. Die Lemuria, jener Erdteil, auf dem die Menschheit vor der atlantischen Zeit wohnte, ging zugrunde durch Feuergewalten, durch vulkanische Katastrophen. In der lemurischen Zeit aber war es, wo der Mensch zum ersten Male überhaupt sein Ich-Bewußtsein erworben hat. Ein gewaltiger Einschnitt in der Menschheitsentwickelung war das. Wodurch erlangt der Mensch sein Ich-Bewußtsein? Es ist im allgemeinen für das heutige materialistische Denken schwer, sich diesen alten Zustand der Menschheit vorzustellen. Wenn Sie sich den damaligen Menschen so vorstellen würden, wie er heute ist, das heißt mit Fleisch und Blut, Knochen und Muskeln, dann würden Sie eine ganz falsche Vorstellung haben. Der Mensch von damals hatte eine weit flüchtigere, weichere Gestalt; fast flüssig war alles. Das, was später zu Muskeln und Knochen geworden ist, hat sich erst im Laufe der Zeiten verhärtet. Wir kommen da in eine Zeit zurück, wo noch eine ganz andere Art der Menschheitsfortpflanzung war. Der Mensch lebte damals mehr in der Umgebung der Erde, die aber nicht wie heute reine Luft war, sondern die mit allerlei Dämpfen angefüllt war. Als eine wahre Luftgestalt lebte der Mensch da, und es zogen die äußeren Strömungen ein und aus. Es war tatsächlich beinahe so, als ob wir heute eine Wolke ansehen, die fortwährend ihre Gestalt ändert, nur etwas fester und bestimmter war die Gestalt des einstigen Menschen. Damals trat auch zuerst das ein, was wir heute als die Geschlechter bezeichnen; es wurde in jenen Zeiten innerhalb des Menschengeschlechtes eine alte ungeschlechtliche Fortpflanzungsart ersetzt durch eine geschlechtliche. Das liegt allerdings Millionen und Millionen von Jahren zurück vor der gegenwärtigen Zeit.

Mit der geschlechtlichen Fortpflanzung trat erst die Einverleibung des Ich im ersten Keime in die Menschheit ein. Früher wurde der Mensch noch durch ganz andere Einflüsse dazu angeregt, seinesgleichen aus sich hervorgehen zu lassen; durch äußere Einflüsse wurde er dazu veranlaßt, durch Einflüsse, die in der Sphäre um ihn herum lagen. Das war die Fortpflanzung jener Zeit, wo der Mensch noch nicht sein Ich hatte, wo er noch mit einem dumpfen, hellseherischen Bewußtsein ausgestattet war, wo er sozusagen noch ganz im Schöße der Gottheit ruhte. Er konnte nicht sagen: «Ich bin». Was er empfand, war etwa folgendes: Er sah, daß, wenn er irgend etwas tat, es einen Eindruck auf seine Umgebung machte, und er fühlte sein Dasein in seiner Umgebung. Er konnte nicht sagen: Ich bin da -, sondern er sagte: Meine Umgebung läßt mich da sein. - Er lag im Schoße der lebendigen Erde, und die lebendigen Erdenkräfte strömten aus und ein. Damals gab es noch keine ungesunden Kräfte, da gab es noch nicht Krankheit, nicht einmal Tod in unserer heutigen Auffassung. Erst als dem Menschen mit der geschlechtlichen Fortpflanzung sein Ich ausgeliefert wurde, da erst zogen Krankheit und Tod in die Menschheit ein. Wenn wir das alles uns richtig vorstellen, dann müssen wir sagen: Damals wurde das Menschenwesen nicht von seinesgleichen befruchtet, sondern so, wie es heute atmet, so nahm es damals die Stoffe aus seiner Umgebung in sich auf; und in dieser Umgebung waren die Kräfte der Befruchtung enthalten. Was da eindrang, das befruchtete ihn, das veranlaßte ihn, seinesgleichen hervorzubringen. Und das waren gesunde Kräfte im Menschen selber und in dem, was er als seinesgleichen hervorbrachte. Die alten ägyptischen Priester aber wußten das, und sie sagten sich: Je weiter man das Anschauen der Menschen zurücklenkt in frühere Zustände, desto mehr bringt man ihn in die Bedingungen, wo es keine Krankheiten gibt. — Schon das Anschauen der alten atlantischen Göttergestalten konnte gesundend wirken, mehr aber noch war das der Fall, wenn die Priester die Gesichte so lenkten, daß der Tempelschläfer jene uralten Menschengestalten vor sich hatte, die noch nicht von ihresgleichen befruchtet wurden, die aus der Umgebung heraus ihre Befruchtung erhielten. Da stand vor dem im Tempelschlaf liegenden Kranken die Gestalt der Gebärerin ihresgleichen ohne die Befruchtung durch ihresgleichen. Da stand vor ihm die hervorbringende Frau, die Frau mit dem Kinde, die da jungfräulich ist, die Göttin, die in jener lemurischen Zeit eine Genossin der Menschen war, und die mittlerweile dem Blick der Menschheit entschwunden ist. Die nannte man die heilige Isis im alten Ägypten. Die Menschheit konnte diese Isis normalerweise nur damals sehen, als der Tod noch nicht eingezogen war; da waren die Menschen in normalem Bewußtseinszustande Genossen solcher Gestalten, die sie umschwebten und die ihresgleichen auf jungfräuliche Art hervorbrachten. Und als die Isis nicht mehr die sichtbare Genossin der Menschheit war, als sie in den Kreis der Götter entrückt wurde, da interessierte sie sich immer noch aus der geistigen Welt heraus für die Gesundheit der Menschen, so sagten die Priester. Und wenn man den Menschen in abnormer Weise, wie im Tempelschlaf, zu einer Anschauung jener alten Gestalten, jenes heiligen Isisbildes brachte, dann wirkte die Göttin immer noch gesundend, denn sie ist das Prinzip im Menschen, das da war, bevor die sterbliche Hülle den Menschen umgab. Ihren Schleier hat kein Sterblicher gehoben, denn sie ist die Gestalt, die da war, als der Tod überhaupt noch nicht in die Welt gekommen war. Sie ist das im Ewigen Wurzelnde, sie ist die große heilende Wesenheit, die die Menschheit wieder erringen wird, wenn sie sich aufs neue vertiefen wird in die spirituelle Weisheit.

So sehen wir, was geblieben ist in jenem wunderbaren Symbolum der jungfräulichen Mutter mit dem Kinde, die sich im Madonnenbilde, wir können es auf geisteswissenschaftlichem Boden mit aller Kraft sagen: in dem gesundend wirkenden Madonnenbilde erhalten hat. Denn das Madonnenbild ist - in jenen Grenzen, die erörtert worden sind - ein Heilmittel. Wenn es so behandelt wird, daß die menschliche Seele noch eine Nachwirkung hat, wenn sie im Schlafe liegt und etwa träumen kann von diesem Madonnenbilde, dann hat dieses auch heute noch eine heilende Kraft." (Lit.: GA 105, 2.Vortrag)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

  1. Entpannung - Tempelschlaf und Hypnose im historischen Kontext.
  2. Der Papyrus Ebers - Das größte Buch zur Heilkunst im Alten Ägypten - ein Auszug.
  3. Heilkunde im alten Ägypten