Sonnennebel

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Der Orionnebel, heute eines der aktivsten Gebiete der Sternentstehung in der galaktischen Nachbarschaft der Sonne, vergleichbar der Urwolke, aus der sich unser Sonnensystem gebildet haben soll.

Der Sonnennebel, der solare Urnebel, ist in der Kosmogonie ein Nebel aus viel Gas und relativ wenig Staub, aus dem sich das Sonnensystem gebildet haben soll.

Kants «Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels»

Die Hypothese eines solchen solaren Urnebels wurde erstmals im Jahr 1755 von Immanuel Kant in seinem Werk Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels vorgestellt. Er hat angenommen, dass sich in diesem Nebel durch die Wechselwirkung seiner Teilchen mit der Zeit ein anfangs schon etwas vorherrschender Umlaufsinn durchgesetzt hat und der Urnebel daher immer ausgeprägter und abgeflachter rotierte. Dies wird durch die moderne Theorie der Sternentstehung bestätigt. Allerdings geht man heute davon aus, dass sich der Sonnennebel aus einer weit umfassenderen Urwolke mit einer Größe von etwa 20 Parsec.[1] herausgebildet hat, die durch gravitative Zusammenziehung in einzelne Fragmente zerfiel, wodurch zahlreiche Sternensysteme, darunter auch unser Sonnensystem, entstanden.

„Ich nehme die Materie aller Welt in einer allgemeinen Zerstreuung an und mache aus derselben ein vollkommenes Chaos. Ich sehe nach den ausgemachten Gesetzen der Attraktion den Stoff sich bilden und durch die Zurückstoßung ihre Bewegung modificiren. Ich genieße das Vergnügen ohne Beyhülfe willkührlicher Erdichtungen, unter der Veranlassung ausgemachter Bewegungsgesetze sich ein wohlgeordnetes Ganze erzeugen zu sehen, welches demjenigen Weltsystem so ähnlich siehet das wir vor Augen haben, daß ich mich nicht entbrechen kan es für daßelbe zu halten...
Ich werde es also nicht in Abrede seyn, daß die Theorie des Lukretz oder deßen Vorgängers des Epikurs, Leucipps, und Demokritus mit der meinigen viele Aehnlichkeit habe. Ich setze den ersten Zustand der Natur, so wie jene Weltweise, in der allgemeinen Zerstreuung des Urstoffs aller Weltkörper, oder der Atomen, wie sie bey jenen genannt werden. Epikur setzte eine Schwere, die diese elementarische Theilchen zum Sinken trieb, und dieses scheinet von der newtonischen Anziehung die ich annehme nicht sehr verschieden zu seyn; er gab ihnen auch eine gewiße Abweichung von der geradlinigten Bewegung des Falles, ob er gleich in Ansehung der Ursache derselben und ihren Folgen ungereimte Einbildungen hatte: diese Abweichung kommt einigermaassen mit der Veränderung der geradlinigten Senkung, die wir aus der Zurückstossungskraft der Theilchen herleiten, überein; endlich waren die Wirbel die aus der verwirreten Bewegung der Atomen entstanden ein Hauptstück in dem Lehrbegriffe des Leucipps und Democritus und man wird sie auch in dem unsrigen antreffen. So viel Verwandschaft mit einer Lehrverfassung, die die wahre Theorie der Gottesleugnung im Alterthum war, zieht indeßen die meinige dennoch nicht in die Gemeinschaft ihrer Irrthümer...
Die angeführten Lehrer der mechanischen Erzeugung des Weltbaues leiteten alle Ordnung die sich an demselben wahrnehmen läßt aus dem ungefehren Zufalle her, der die Atomen so glücklich zusammentreffen ließ, daß sie ein wohlgeordnetes Gantze ausmachten. Epikur war gar so unverschämt, daß er verlangte, die Atomen wichen von ihrer geraden Bewegung ohne alle Ursache ab, um einander begegnen zu können. Alle insgesammt trieben diese Ungereimtheit so weit, daß sie den Ursprung aller belebten Geschöpfe eben diesem blinden Zusammenlauf beymaßen und die Vernunft wirklich aus der Unvernunft herleiteten. In meiner Lehrverfaßung hingegen finde ich die Materie an gewiße nothwendige Gesetze gebunden. Ich sehe in ihrer gänzlichen Auflösung und Zerstreuung ein schönes und ordentliches Ganze sich ganz natürlich daraus entwickeln. Es geschiehet dieses nicht durch einen Zufall und von ungefehr, sondern man bemerket daß natürliche Eigenschaften es nothwendig also mit sich bringen. Wird man hiedurch nicht bewogen zu fragen: warum muste denn die Materie gerade solche Gesetze haben, die auf Ordnung und Wohlanständigkeit abzwecken? war es wohl möglich, daß viele Dinge, deren jedes seine von dem andern unabhängige Natur hat, einander von selber gerade so bestimmen sollten, daß ein wohlgeordnetes Ganze daraus entspringe und wenn sie dieses thun, giebt es nicht einen unleugbaren Beweis von der Gemeinschaft ihres ersten Ursprungs ab, der ein allgenugsamer höchster Verstand seyn muß, in welchem die Naturen der Dinge zu vereinbarten Absichten entworfen worden?
Die Materie die der Urstoff aller Dinge ist, ist also an gewisse Gesetze gebunden, welchen sie frey überlassen nothwendig schöne Verbindungen hervorbringen muß. Sie hat keine Freyheit von diesem Plane der Vollkommenheit abzuweichen. Da sie also sich einer höchst weisen Absicht unterworfen befindet, so muß sie nothwendig in solche übereinstimmende Verhältnisse durch eine über sie herrschende erste Ursache versetzt worden seyn, und es ist ein GOtt eben deswegen, weil die Natur auch selbst im Chaos nicht anders als regelmäßig und ordentlich verfahren kan.“

Immanuel Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, Vorrede (1755) [1]

Historische Nebularhypothese

Im Jahr 1796 stellte Pierre-Simon Laplace unabhängig davon ein relativ ähnliches Modell vor. Es erschien im letzten Band seines fünfbändigen Werkes Exposition du systeme du monde (Darstellung des Weltsystems) und ist heute unter der Bezeichnung Nebularhypothese bekannt. Laplace ging von einer bereits vorhandenen Sonne aus, deren erhitzte Atmosphäre aus analogen Gründen linsenförmige Gestalt annahm. Im Zuge der Abkühlung und entsprechenden Verdichtung der Gashülle überwog in ihrem äußersten Bereich mit der Zeit die Zentrifugalkraft und es lösten sich nacheinander mehrere Gasringe ab, die sich des Weiteren zu den Planeten verdichtet haben.

Die Kosmogonie von Kant und die Nebularhypothese von Laplace werden oft vereinfacht zusammenfassend als Kant-Laplace-Theorie bezeichnet.

Einwände gegen die Kant-Laplace-Theorie

Hauptartikel: Kant-Laplace-Theorie

Physikalische Einwände

Während des späten 19. Jahrhunderts wurden die Ansichten von Kant und Laplace von James Clerk Maxwell kritisiert. Er argumentierte, dass, wenn die Materie der bekannten Planeten einst in Form von Scheiben um die Sonne verteilt gewesen wäre, die Kräfte der differentiellen Rotation die Kondensation einzelner Planeten im äußeren Bereich verhindert hätte. Ein weiterer Einwand war, dass die Sonne weniger Drehimpuls besitzt als sie nach der Theorie haben müsste. Mehrere Jahrzehnte lang bevorzugten die meisten Astronomen die Theorie der Beinahe-Kollision: Die Planeten seien entstanden, indem ein anderer Stern sich der Sonne näherte. Dabei seien durch die gegenseitigen Gezeitenkräfte große Mengen Materie aus der Sonne und dem anderen Stern gerissen worden, die dann zu Planeten kondensiert seien.

Auch zur Theorie der Beinahe-Kollision gab es Einwände und während der 1940er Jahre wurde die Kant-Laplace-Theorie so abgeändert, dass sie allgemein angenommen wurde. In dieser geänderten Version wurde die Masse der ursprünglichen Protoplaneten größer eingeschätzt und der Mangel an Drehimpuls wurde mit der Wirkung magnetischer Kräfte erklärt.

Geisteswissenschaftliche Einwände

"Wenn man sich ein Weltsystem denkt, das leer ist, das bar des Geistes ist, dann muß es unbegreiflich bleiben, wie der Geist und das Leben auf dieser Welt vorhanden sein kann. Niemals kann die Frage aus dem Kant- Laplaceschen System heraus beantwortet werden, wie das Leben und wie der Geist entstehen kann. Die Wissenschaft der modernen Zeit ist eben eine sinnliche Wissenschaft. Sie hat daher nur den Teil der Welt in ihre Weltentstehungslehre aufgenommen, der ein Ausschnitt aus der ganzen Welt ist. So wenig Ihr Körper Sie in Ihrer Ganzheit darstellt, sowenig ist die Materie die ganze Welt. So wahr in Ihrem Körper Leben, Gefühle, Gedanken, Triebe sind, die man nicht sehen kann, wenn man mit sinnlichen Augen Ihren Körper ansieht, so wahr das in Ihnen ist, so wahr ist der Geist auch in der Welt. So wahr ist aber auch, daß das, was die Kant-Laplacesche Theorie hinstellt, nur der Körper, der Leib ist. So wenig der Anatom, der den menschlichen Bau des Körpers darstellt, zu sagen vermag, wie aus dem Blute und den Nerven ein Gedanke hervorgehen kann, wenn er nur materiell denkt, ebensowenig kann der, welcher das Weltsystem nach Kant-Laplace denkt, jemals zu dem Geiste kommen. So wenig der, welcher blind ist und kein Licht sehen kann, etwas über unsere Sinnenwelt zu sagen vermag, so wenig kann auch derjenige, der nicht die unmittelbare Anschauung vom Geiste hat, erklären, daß außer dem physischen Körper etwas Geistiges ist. Der modernen Wissenschaft fehlt die Anschauung des Geistigen. Darin beruht der Fortschritt, daß sie einseitig geworden ist, gerade dadurch kann der Mensch die einseitig höchste Höhe erreichen. Dadurch, daß die Wissenschaft sich beschränkt auf das Sinnliche, erreicht sie ihre hohe Entwickelung. Sie wird aber zu einer drückenden Autorität deshalb, weil diese Wissenschaft Denkgewohnheiten begründet hat. Diese sind stärker als alle Theorien, stärker als selbst alle Dogmen." (Lit.: GA 053, S. 435f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelanchweise

  1. Thierry Montmerle, Jean-Charles Augereau, Marc Chaussidon: Solar System Formation and Early Evolution: the First 100 Million Years. In: Spinger (Hrsg.): Earth, Moon, and Planets. 98, Nr. 1–4, 2006, S. 39–95. 2006EM&P…98…39M. doi:10.1007/s11038-006-9087-5.


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