William Harvey

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William Harvey
William Harvey (Gemälde von Daniel Mytens, ca. 1627, Öl auf Leinwand, heute in der National Portrait Gallery).

William Harvey (* 1. April 1578 in Folkestone/Grafschaft Kent; † 3. Juni 1657 in Roehampton, einem Stadtteil von London) war ein englischer Arzt und Anatom sowie mit dem experimentellen Nachweis des (großen) Blutkreislaufs der Wegbereiter der modernen Physiologie.

Leben

Herkunft und Ausbildung

William Harvey wurde als ältestes von neun Kindern des Kaufmanns Thomas Harvey und seiner Ehefrau Joan in Folkestone geboren. Er lernte in Canterbury an der King's School Latein sowie Griechisch[1] und studierte zunächst ab dem Jahr 1593[2] an der Universität von Cambridge. Dieses Studium beendete er 1597 mit dem Bachelor of Arts. In der Folge studierte er bis 1602 Medizin an der Universität von Padua in Italien, der renommiertesten medizinischen Fakultät jener Zeit. Dort hatte der angesehene Chirurg und Anatom Hieronymus Fabricius zwar die Venenklappen entdeckt, ihre Bedeutung jedoch noch nicht verstanden, da nach den damals gültigen Auffassungen Galens ein Kreislauf des Blutes nicht vorstellbar war. Vielmehr war man seit 14 Jahrhunderten der Meinung, das Blut werde laufend in der Leber produziert und durch Kontraktion der Arterien in Bewegung versetzt.

Späteres Leben

Mit diesen Eindrücken kehrte Harvey zwei Jahre später zurück nach England. In London eröffnete er eine Praxis und heiratete Elizabeth Browne, die Tochter des Leibarztes von Königin Elisabeth I. 1607 wurde Harvey Mitglied des Royal College of Physicians, 1608 an den Hof von König James I. berufen, und nach dessen Tod 1625 auch Leibarzt von dessen Nachfolger Charles I., mit dem er befreundet war und der seine Forschungen großzügig unterstützte. Im Jahr 1636 nahm Harvey an einer Gesandtschaft zu Kaiser Ferdinand II. nach Regensburg teil mit anschließendem Abstecher nach Italien. Nach seiner Rückkehr nach London betrieb er wieder seine Praxis.[2]

1628 veröffentlichte er sein 72seitiges Werk Exercitatio Anatomica de Motu Cordis et Sanguinis in Animalibus oder kurz De Motu Cordis (Anatomische Studien über die Bewegung des Herzens und des Blutes), was ihm zu Ansehen in ganz Europa verhalf, ihm andererseits auch harte Kritik der Anhänger Galens einbrachte, auf die er 1649 mit der Veröffentlichung seiner detaillierten Antworten reagierte. Das große Rätsel, wie das Blut aus den Arterien in die Venen komme, konnte allerdings erst nach der Erfindung des Mikroskops der italienische Anatom Marcello Malpighi mit seiner Entdeckung der Kapillaren lösen.

Im Alter von 79 Jahren erlag Harvey den Folgen eines Schlaganfalles. Begraben wurde er in Hempstead, einem Dorf im Distrikt Uttlesford.[3]

Schriften

Fast alle seiner Handschriften sind entweder während des Bürgerkriegs oder aber bei dem großen Brand in London (1666) untergegangen.

Was William Harvey von seinen forschenden Zeitgenossen unterschied, war seine klare Trennung von Hypothesen und Fakten. Ergebnisse seiner Forschungen akzeptierte er erst, wenn sie auch in Kontrollversuchen bestätigt wurden. Er war somit der erste, der wissenschaftliche Methoden auf dem Gebiet der Biologie und Medizin einführte, und kann somit als der Begründer der neuzeitlichen Medizin und Physiologie betrachtet werden. Seine Berechnung der Pumpleistung des Herzens ist die erste bedeutende Anwendung der Mathematik auf die Biologie. Harveys neue Erkenntnisse eröffneten auch den philosophischen Kampf zwischen Vitalisten und Mechanisten, der sich bis in die heutige Zeit zieht. Bedeutsam war auch seine Tätigkeit am Royal College of Physicians, wo er seit 1615 Vorlesungen hielt, Sektionen sowie anatomische Demonstrationen durchführte, seine Thesen über den Blutkreislauf seit etwa 1618 vertrat und sich damit vor der Veröffentlichung seiner Ansichten der Kritik stellte.

Mit seiner 1651 veröffentlichten Arbeit Exercitationes de Generatione Animalium (Übungen über die Erzeugung der Tiere) lieferte Harvey bedeutende Beiträge zur Embryologie.[4] Harvey war der erste, der nicht nur aufeinanderfolgende Entwicklungsstadien beschrieb, sondern eine dynamische Betrachtungsweise einnahm. Im Widerspruch zu der damals allgemein anerkannten Präformationslehre stellte er dar, wie die verschiedenen Organe aus undifferenzierter Substanz hervorgehen (Epigenese). Der Zeugungsvorgang bestand dabei nach Harvey aus der Übertragung einer immateriellen „Fruchtbarkeit“ des Samens, die sich beim Menschen primär im Blut manifestiert, auf die mütterliche Materie. Der Embryo entwickle sich dann autonom zunächst über das Zwischenstadium „Ei“. Aus dem ursprünglichen Blutstropfen traten dann die Organe in definierter Reihenfolge in Erscheinung.[2] In der Tradition des griechischen Philosophen Aristoteles[5] nahm er dabei ein formbildendes Prinzip an, das er als einen „göttlichen Architekten“ bezeichnete. Mit diesen Anschauungen war er zu seiner Zeit ein Außenseiter; der von ihm vertretene epigenetische Ansatz konnte sich, von dem metaphysischen Beiwerk befreit, erst im frühen 19. Jahrhundert gegen den Präformismus durchsetzen.

Sonstiges

Nach ihm ist die Harvey Lecture benannt.

Literatur

  • Gottfried Zirnstein: William Harvey. (= Biographien Hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker, und Mediziner. Band 28). Teubner, Leipzig 1977, DNB 780021789.
  • Barbara I. Tshisuaka: Harvey, William. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 538.

Einzelnachweise

  1. Barbara I. Tshisuaka: Harvey, William. 2005, S. 538.
  2. 2,0 2,1 2,2 Ralf Bröer: William Harvey, in: Wolfgang U. Eckart und Christoph Gradmann (Hrsg.): Ärztelexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, 1. Aufl. 1995 C. H. Beck München S. 172-174, Ärztelexikon. Von der Antike bis zur Gegenwart, 2. Aufl. 2001, S. 148+149, 3. Aufl. 2006 Springer Verlag Heidelberg, Berlin, New York S. 156+157. doi:10.1007/978-3-540-29585-3.
  3. findagrave: William Harvey.
  4. Ilse Jahn, Rolf Löther, Konrad Senglaub (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 2. Auflage. 1985, OCLC 4950483822, S. 218.
  5. Charles B. Schmitt: William Harvey and Renaissance Aristotelianism. A Consideration of the Praefatio to 'De generatione animalium' (1651). In: Deutsche Forschungsgemeinschaft: Humanismus und Medizin. Hrsg. von Rudolf Schmitz und Gundolf Keil, Acta humaniora der Verlag Chemie GmbH, Weinheim 1984 (= Mitteilung der Kommission für Humanismusforschung 11), ISBN 3-527-17011-1, S. 117–138

Weblinks

Commons: William Harvey - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema


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