Silberdistel (Carlina acaulis)

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Silberdistel

Silberdistel (Carlina acaulis subsp. acaulis)

Ordnung: Asternartige (Asterales)
Familie: Korbblütler (Asteraceae)
Unterfamilie: Carduoideae
Tribus: Cynareae
Gattung: Eberwurzen (Carlina)
Art: Silberdistel
Carlina acaulis
L.

Die Silberdistel (Carlina acaulis) ist eine Pflanzenart, die zur Gattung der Eberwurzen (Carlina) in der Unterfamilie der Carduoideae innerhalb der Familie der Korbblütler (Asteraceae) gehört. Sie wurde zur Blume des Jahres 1997 gewählt.

Beschreibung

Blattrosette der Silberdistel
Niedrig gewachsene Silberdistel mit sternförmiger Blattrosette
Blütenstand umgeben von weißen Hüllblättern. Die ersten Röhrenblüten sind vom Rand her bereits aufgeblüht.
Detailaufnahme des Blütenstandes
Fruchtstand der Silberdistel, deutlich sind die Schirmchenflieger zu erkennen

Erscheinungsbild und Blatt

Die ausdauernde, krautige Pflanze ist fast stängellos oder erreicht eine Wuchshöhe von bis zu 40 Zentimetern. Mit ihrer bis 1 Meter tiefreichenden Pfahlwurzel gilt die Silberdistel als Tiefwurzler. Die Laubblätter sind etwa bis zum Mittelnerv buchtig, fiederschnittig und dornig gezähnt. Sie bilden meist eine Rosette. Die Blattunterseite ist kahl bis etwas spinnwebig. Die größten Laubblätter sind 4 bis 8 Zentimeter breit.

Blütenstand und Blüte

Am Stängel sitzt meist nur ein Korb mit äußeren Hüllblättern, die wie die Laubblätter gestaltet sind. Die inneren Hüllblätter sind oberseits silbrig-weiß (selten etwas rötlich) und zur Blütezeit bereits abgestorben. Diese umgeben das eigentliche Blütenkörbchen, welches sich aus einigen hundert weißlichen bis rötlichen Röhrenblüten zusammensetzt. Mit den inneren Hüllblätter gemessen, erreicht das Körbchen einen Durchmesser von 50 bis 110 Millimetern.

Die Blütezeit reicht von Juli bis September.

Chromosomensatz

Die Chromosomenzahl beträgt für beide Unterarten 2n = 20.

Illustration der Silberdistel in Deutschlands Flora in Abbildungen von 1796. Die Wuchshöhe lässt keinen direkten Schluss auf die Unterart zu

Ökologie

Bestäubung

Der Aufbau ähnelt stark dem der Asteroideae, bei denen oft die Röhrenblüten von Zungenblüten umgeben sind. Diese Verstärkung der Schauwirkung wird bei der Silberdistel jedoch durch die inneren Hüllblätter erreicht. Diese Hüllblätter reflektieren im Unterschied zu den Röhrenblüten auch UV-Strahlung, wodurch Insekten, die ultraviolettes Licht wahrnehmen, wissen, wo Nektar zu finden ist. Dieses Merkmal ist bei Korbblütlern der Regelfall.

Durch die mindestens 10 Millimeter lange Kronröhre kann die Bestäubung nur durch langrüsselige Insekten, vor allem Bienen, Hummeln und Falter erfolgen. Auch der auf die Silberdistel spezialisierte Distelrüsselkäfer Larinus pallinis (Syn. L. brevis, L. senilis) wurde als Bestäuber beobachtet; seine Larven leben im Korbboden.

Ausbreitungsmechanismen

Die Silberdistel besitzt viele Ausbreitungsmechanismen. Die Achänen können durch den Pappus als Schirmchenflieger mit dem Wind verbreitet werden (Anemochorie). Doch meist erfolgt die Verbreitung als Tierstreuer. Die dornigen Hüllblätter heften sich an vorbeistreifende Tiere und schütteln so die Früchte aus. Aber auch Körnerfresser wie Vögel können zur Ausbreitung beitragen. Schließlich werden die Korbböden von der Pflanze losgelöst und verbreiten die verbliebenen Früchte als Steppenroller.

Die Wetterdistel

Die abgestorbenen Hüllblätter der Silberdistel nehmen bei Erhöhung der Luftfeuchtigkeit an der Blattunterseite mehr Wasser auf als an der Blattoberseite. Durch diese hygroskopische Eigenschaft krümmen sich die Hüllblätter nach oben und schützen die Röhrenblüten vor Regen. Deshalb wird die Silberdistel, genau wie die Golddistel, auch Wetterdistel genannt. Schließen sich die Hüllblätter, ist Regen zu erwarten, bei Sonnenschein öffnen sie sich. Bereits ein fünf- bis zehnmaliges Anhauchen genügt, um die erste Aufrichtebewegung auszulösen.

Vorkommen

Verbreitung

Die Art ist in Europa weit verbreitet, von Spanien im Westen bis Rumänien und die Ukraine im Osten. Das Verbreitungsgebiet in Deutschland erstreckt sich über die Alpen und das Alpenvorland, den Bayerischen Wald, die Schwäbische Alb, die Frankenalb, das Thüringer Becken, die Rhön und nordwärts bis an den Rand des Harzes und wenige Standorte auch darüber hinaus im Weser-Leine-Bergland und im Nördlichen Harzvorland. Stark zurückgegangen ist die Art in der Oberlausitz. Im Westen, Norden und Osten Deutschlands ist die Art sehr selten bis vollständig fehlend. Die Silberdistel ist in Deutschland gesetzlich geschützt und gehört zu den gefährdeten Arten. In Österreich ist sie in allen Bundesländern häufig.

Standort

Als Standort werden sommerwarme, meist beweidete Magerrasen auf basenreichen Böden mit geringer Humusauflage, vor allem in Kalkgebieten mit geringen Niederschlägen, bevorzugt. Die Silberdistel gedeiht von der Tallage bis in die subalpine Höhenstufe bis in Höhenlagen von 2800 Metern. Ohne die Bewirtschaftung durch weidende Schafherden würden die offenen Magerrasen unterhalb der Alpinen Baumgrenze verbuschen und die Silberdistel dort verschwinden.

Die Silberdistel ist eine Charakterart der Halbtrockenrasen (Mesobromion) des Tieflands; sie wächst in den Alpen oft auch in der Ordnung Blaugras-Rasen (Seslerietalia albicantis).

Systematik

Von der Silberdistel existieren zwei Unterarten, die im Gegensatz zu älteren Auffassungen nicht durch die Stängellänge, sondern durch die Gestalt der Blattspreite unterschieden werden. Bei beiden Unterarten existieren jeweils Morphotypen mit sitzenden und solche mit gestielten Körben.

  • Gewöhnliche Silberdistel (Carlina acaulis)
    Die mittleren Abschnitte sind mit breitem Grund auf der Blattspindel sitzend, am Grund etwa 6 bis 15 Millimeter breit. Die Laubblattspreiten sind mehr oder weniger gewellt. Die Abschnitte höchstens bis zur Mitte geteilt und fein dornig. Die Stängelblätter sind gleichmäßig verteilt (var. alpina) oder unter dem Korb rosettig gehäuft (var. acaulis).
  • Krausblatt-Silberdistel (Carlina acaulis subsp. caulescens; Syn.:Carlina acaulis subsp. simplex, Carlina caulescens, Carlina aggregata, Carlina alpina, Carlina acaulis subsp. aggregata, Carlina simplex, Carlina cirsioides.
    Die mittleren Abschnitte sind mit verschmälertem Grund auf dem Mittelfeld sitzend, am Grund etwa 2 bis 6 Millimeter breit. Die Laubblattspreiten sind kraus. Die Abschnitte sind bis über die Mitte geteilt und die Dornen etwas kräftiger.

Von den beiden Unterarten kommt in der Schweiz und in Deutschland fast ausschließlich die subsp. caulescens vor, während subsp. acaulis in den Ostalpen vorkommt und in Deutschland nur in einzelnen Regionen Bayerns zu finden ist; subsp. caulescens bevorzugt ein kalkreiches Substrat, subsp. acaulis wächst eher auf sauren Böden.[1]

Namensherkunft

Der Name Carlina acaulos, magna flore war bereits vor Carl von Linné gebräuchlich. Von Caspar Bauhin wurde die Silberdistel als Carlina caulifera vel acaulis bezeichnet. Der Gattungsname leitet sich wahrscheinlich über eine oberitalienische Dialektform cardelina (distelförmige Sippe) über den Namen des Distelfinks (Carduelis carduelis) vom lateinischen carduus ab. Ein Bezug auf Karl den Großen oder Kaiser Karl V ist sekundär und hat zu etymologischen Legenden Anlass gegeben. So soll ein Engel Karl dem Großen im Traum die Silberdistel als wahres Heilmittel gegen die Pest gezeigt haben, und sie wurde in dessen Heer verwendet; daher angeblich Karlsblume.

Das Artepitheton acaulis ist aus dem Lateinischen abgeleitet, es bedeutet stängellos und bezieht sich auf den Habitus.

Trivialnamen

Der Trivialname Silberdistel bezieht sich auf die glänzenden Hüllblätter. Eberwurz (oder Eberdistel) beruht auf der ehemaligen Verwendung bei Schweinekrankheiten. Weitere Trivialnamen sind Jägerbrot, Wiesenkas, Alpenkas, Barometerdistel, Frauendistel, Wasserwurz, Karlsdistel. Die Silberdistel wird entsprechend der Gegend auch Rhöndistel oder auch Juradistel genannt. Als eingetragenes Warenzeichen steht „Juradistl“ als Marke für Lammfleisch von Lämmern, die auf Magerrasen weiden.

Weitere zum Teil auch nur regional gebräuchliche deutschsprachigen Trivialnamen sind oder waren: Alpachäs (St. Gallen bei Toggenburg), Amberwurz, Bernswurz (im Sinne von Bärenwurz, althochdeutsch), Bergdistel (St. Gallen bei Werdenberg), Ebenwurz (mittelhochdeutsch), Eberwurz (althochdeutsch), Einhackel (Kärnten), Einhagenwurzen (Linz), Einhaken (Tirol im Pinzgau), Erdwurz (mittelhochdeutsch), Heberwurz (mittelhochdeutsch), Hundssporn (Ulm, Pongau), Hundszorn (Ulm, Pongau), Jewerwurzel (Siebenbürgen), Kraftwurz (Augsburg, Lechrain), weiße Pferdewurz, Roßwurz, Silbendistel (St. Gallen, Bern), Sonnenblume (Memmingen), Tschöcklein (Chur), Tschöggli (Graubünden) und Wetterdistel (Tirol).[2]

Verwendung

Das aromatisch riechende Rhizom enthält ätherische Öle und schmeckt daher scharf und bitter. Hauptbestandteil des Öls ist mit 80 % bis 90 % das antibakterielle und toxische Carlinaoxyd. Weiter enthält das Rhizom auch über 20 % Inulin als Reservestoff.

Die Wurzel wurde in der Volksheilkunde als Grippemittel, harntreibendes Mittel und gegen Greisenbrand gesammelt, in der Tiermedizin als Mast- und Brunstpulver verwendet. Die Korbböden wurden früher ähnlich wie Artischocken gegessen. Daher wird die Silberdistel bei Almhirten auch Jägerbrot genannt.

Botanik- und Pharmaziegeschichte

Im 15. und 16. Jh. wurde die Silberdistel „Eberwurz“ oder „Englische Distel“ genannt.

Eine Elsässer Handschrift aus dem 1. Viertel des 15. Jh.[3] beschrieb „Eberwurz“ als Potenzmittel für Männer („bringet frode vnd machet vnkusch“). Schwangeren Frauen schade sie. Knaben in der Pubertät sollten die Wurzel ein Jahr lang essen, so würden sie die Kraft dreier Männer gewinnen und diese Kraft bis zu ihrem 40. Lebensjahr und darüber hinaus behalten. Wenn man die Wurzel den Pferden in den Stall lege, so würden diese davon brünstig. Gegen Herzschmerz sollte die Wurzel gegessen oder in Wein getrunken werden.

Paracelsus berichtete in seinem „Herbarius“ (ca. 1525) wundersames von der „Englischen Distel“: wer sie bei der Arbeit bei sich trage, der entziehe seinen Mitarbeitern die Kraft, welche auf ihn übergehe.[4] Gleiches berichteten Otto Brunfels und Hieronymus Bock von der „Eberwurz“.[5][6][7] Bock schrieb darüber und deutet auch seinen Zweifel an:

„Innerlich. Die klein Eberwurtz ohn stengel […] zerstossen / vnd außgedruckt / des selben saffts ein Löffel voll mit einem Gläßlein voll Weins gedruncken / treibt auß die Würm im Leib / die Wassersucht / vnd machet harnen / vnd ist für aller hand Gifft ein gůter Tyriack. ... Die wurtzel gepuluert vnnd eins quinten schwer mit Wein eingeben / ist gůt für die Pestilentz / daher etliche dise wurtzel dem Vihe sonderlich den Schweinen geben / wann der Schelm [=die Seuche] vnder sie kompt / vermeinen sie darfür mit diser wurtzel zů erhalten. Andere pflegen dise wurtzel in den Sewtrog zů någlen / darmit die Sew stähts darüber essen vnd drincken. Andere machen ein Tauben Aaß mit Eberwurtz / nemmen darzů gebrandt Backoffen Erden / Honig / Harn / Häring lack / vnd temperieren dise stuck vnder einander zů einem Teyg / legen den selben da die Tauben ihre wohnung haben. […] Eusserlich. Man gibt diser wurtzel zů / so jemandts sie bey ihm trag / vnd mit eim andern vber Feld gehe / dem selben soll die krafft entzogen werden durch dise wurtzel / glaubs wer da will [...]“

Hieronymus Bock[8]

Otto Brunfels hat in seinem Contrafeyt Kreüterbuch (Seite CCXVIII) auch eine Abbildung, die Hans Weiditz angefertigt hat, beigefügt.[9] Diese Abbildung steht auf dem Kopf und stellt nicht die Silberdistel, sondern die Stängellose Kratzdistel (Cirsium acaule) dar, wie das Walther Rytz 1933 anhand der Originale von Weiditz nachgewiesen hat. Diese Kratzdistel war damals um Straßburg herum, dem Wohnsitz von Brunfels, häufig, wie das Nicolas Ager in Hieronymus Bocks Kräuterbuch (1595, Seite 314 B) berichtet.

Siehe auch

Literatur

  • Dieter Heß: Alpenblumen – Erkennen – Verstehen – Schützen. Eugen Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3243-5.
  • Walther Rytz: Das Herbarium Felix Platters. Ein Beitrag zur Geschichte der Botanik des XVI. Jahrhunderts. In: Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft Basel, Band 44, Seite 1–222. Basel 1933.
  • H. Bock: Kreütterbuch. Bearbeitet von M. Sebiz und Nicolas Ager. Verlag Rihel, Straßburg, 1595.

Weblinks

Commons: Silberdistel - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Anja Nickstadt u. Eckehart J. Jäger, Beiträge zur Populationsbiologie der Silberdistel, in: Hercynia, NF 33.2000, S. 245–256, hier S. 245; Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs, hrsg. von Oskar Sebald, Band 6, 1996, ISBN 3-8001-3343-1, S. 225–227
  2. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, Seite 82. (online).
  3. Frankfurt, Ms. Germ. qu. 17, Elsass 1. Viertel 15. Jh., Blatt 304rb. (Digitalisat)
  4. Paracelsus. Herbarius (ca. 1525) (Huser-Ausgabe 1590, 7. Teil, S. 88–92) (Digitalisat)
  5. Otto Brunfels. Contrafeyt Kreüterbuch. Straßburg 1532, S. 218 (Digitalisat)
  6. Hieronymus Bock. New Kreütter Buch. Straßburg 1539, Buch II, Cap. 105 (Digitalisat)
  7. Leonhart Fuchs. New Kreütterbuch. Straßburg 1543, Cap. 339 (Digitalisat)
  8. Analog zu den Allegorien der Alchemisten kann die Erzählung von der kraftentziehenden Wirkung der Silberdistel ein Bild für ihre Wirkung in Kräutermischungen sein: der aromatische Geschmack der Wurzel überdeckt den Geschmack der anderen Zutaten.
  9. Contrafayt Kreüterbůch nach rechter vollkommener art, vnd Beschreibung der Alten, bestberümpten ärztz, vormals in Teütscher sprach der masszen nye gesehen … Johann Schott, Straßburg 1532, S. CCXVIII (Digitalisat)


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