Schule von Orléans und Überpsychisches Bewusstsein: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
imported>Odyssee
 
Zeile 1: Zeile 1:
Die [[Schule von Orléans]] war das letzte bedeutende Zentrum [[Platonismus|platonischen]] Denkens im Mittelalter. Um 1200 hatte die [[Schule von Chartres]] ihren Gipfelpunkt überschritten und [[Wikipedia:Paris|Paris]] trat als Zentrum der Scholastik immer mehr hervor. In Paris reifte die intellektuelle dialektische Denkmethode heran, während sich manches von dem in [[Wikipedia:Chartres|Chartres]] gepflegten Geist noch in der Schule von [[Wikipedia:Orléans|Orléans]] bewahrte, worauf auch [[Rudolf Steiner]] hingewiesen hat. Diesen Gegensatz von Paris und Orléans greift auch [[Henri d’Andeli]] in seinem bedeutsamen Gedicht »[[La bataille des VII arts]]« auf. Der Kampf wogt zwischen Paris und Orléans, zwischen der ''Dialectica'' (''Logica'') und der ''Grammatica'', zwischen der Logik und der Urkraft des Wortes. Am Ende siegt die Logica und die Dialectica muss sich in die Gegend zwischen Orléans und Blois zurückziehen. So werden die Dinge 30 Jahre lang bleiben, schreibt d’Andeli, Nichtigkeit und Hohlheit werden herrschen, dann aber werden neue Menschen kommen, die sich wieder der Grammatik, dem Wort, zuwenden werden.
Das '''überpsychische Bewusstsein''' (auch [[Inspiration]] genannt) vereinigt in sich unser heutiges [[Gegenstands-Bewusstsein]], das [[Psychisches Bewusstsein|psychische Bewusstsein]] und das [[Schlaf-Bewusstsein]] auf höherer Ebene. Natürlicherweise wird der Mensch erst auf der [[Neue Venus|neuen Venus]] dieses Bewusstsein haben.  


[[Kategorie:Schule von Chartres]] [[Kategorie:Platonismus]] [[Kategorie:Platoniker]]
== Übergang von der Imagination zur Inspiration ==
 
Beim Übergang zur Inspiration müssen die in der [[Imagination]] erzeugten inneren Bilder wieder weggeschafft werden. Dazu ist eine starke innere Kraft nötig. Bei völliger Wachheit entsteht so zunächst ein Zustand des leeren Bewusstseins. Der Mensch ist nun ganz von seinem [[Leib]] befreit, den er durch die Geburt bzw. Empfängnis von seinen Eltern erhalten hat. Dieser Übergang wird als schmerzhafte Entbehrung empfunden. Das Bewusstsein bleibt aber nicht lange leer, indem man nun sein eigenes tieferes [[Seele|seelisch]]-[[geist]]iges Wesen kennenlernt, das man schon vor seinem irdischen Dasein besessen hat.
 
{{GZ|Aber das Bewußtsein bleibt dann nicht lange leer. Es füllt sich.
So wie sich das gewöhnliche Bewußtsein durch die Augenwahrnehmungen
mit Farben füllt, durch das Ohr mit Tönen, so füllt sich nun dieses
leere Bewußtsein mit einer geistigen Welt, die ebenso im Umkreise ist
wie hier die gewöhnliche physische Welt. Erst das leere Bewußtsein
entdeckt die geistige Welt, jene geistige Welt, die weder hier auf
der Erde noch im Kosmos im Räume ist, sondern die außer Raum
und Zeit ist, die aber doch unsere tiefste menschliche Wesenheit ausmacht.
Denn haben wir vorher mit dem verdichteten Bewußtsein des
Denkens hinschauen gelernt auf unser ganzes Erdenleben wie auf eine
Einheit, jetzt schauen wir mit dem erfüllten, zuerst leeren Bewußtsein
hinaus in diejenige Welt, die wir in einem seelisch-geistigen Leben
durchgemacht haben, bevor wir ins irdische Dasein heruntergestiegen
sind. Wir lernen uns jetzt kennen als ein Wesen, das geistig
vorhanden war vor Geburt und Empfängnis, das vor dem Erdendasein
in einem vorirdischen Dasein gelebt hat. Wir lernen uns erkennen
als ein geistig-seelischer Mensch, der den Leib, den er an sich
trägt, von Eltern und Voreltern überliefert erhalten hat, so überliefert
erhalten hat, daß er ihn, wie gesagt, alle sieben Jahre auswechseln
kann, der aber das, was er seinem eigentlichen Wesen nach ist, sich
hereingebracht hat aus dem vorirdischen Dasein. Das lernt man nicht
durch Theorien oder durch ein spintisierendes Denken kennen, sondern
man kann es nur kennenlernen, wenn man in intellektueller Bescheidenheit
eben die entsprechenden Fähigkeiten dazu erst entwickelt.
 
So lernen wir jetzt die innere menschliche Wesenheit, die eigentliche
geistig-seelische Wesenheit kennen. Sie tritt uns entgegen, wenn wir
in die Region des Gefühls nicht nur fühlend, sondern auch erkennend
hinuntersteigen. Da müssen wir aber erst merken, daß Erkenntnis-Erringen verbunden ist mit starken inneren Erlebnissen, die ich in
folgender Weise schildern kann. Wenn Sie irgendein Glied Ihres physischen
Organismus unterbunden haben, es nicht bewegen können,
wenn Ihnen jemand vielleicht nur zwei Finger zusammenbindet, so
spüren Sie es als unangenehm, vielleicht als schmerzhaft. Jetzt sind
Sie in einem Zustande, wo Sie im Geistig-Seelischen erfahren ohne den
Leib. Jetzt haben Sie den ganzen physischen Menschen nicht an sich,
denn jetzt leben Sie in einem leeren Bewußtsein. Der Übergang dazu
ist mit einem tiefen Schmerzgefühl verbunden. Über die Erfahrung
des Schmerzes, der Entbehrung hinüber, erringt man sich den Eingang
in das, was unser tiefstes geistig-seelisches Wesen ist. Davor schrecken
viele Menschen zurück. Aber es ist eben nicht anders möglich, sich
über das wirkliche menschliche Wesen aufzuklären, als auf diese Art.|319|152f}}
 
== Inspiration und okkulte Schrift ==
 
Durch das inspirierte Bewusstsein beginnt die [[Geistige Welt|geistige Welt]] zum Menschen wesenhaft zu sprechen. Die Imaginationen beginnen sich dadurch erst sinnvoll selbst zu erklären und erst dadurch ist eine sichere und klare geistige Erkenntnis möglich. Durch die  Inspiration verbinden wir uns bewusst mit allem, was innerhalb unseres Sonnensystems geistig vorgeht; die [[Sphärenharmonie]] wird vernehmbar.
 
Durch [[Schulungsweg|geistige Schulung]] kann das inspirierte Bewusstsein schon heute in gewissem Sinn vorausgenommen werden; es muss dazu die [[Verstandes- oder Gemütsseele]] zur [[Inspirationsseele]] umgebildet werden. Die Inspiration, als dritte zu erreichende Stufe des [[Rosenkreuzer-Schulungsweg]]s, wird auch bezeichnet als das '''[[Lesen der okkulten Schrift]]''':
 
{{GZ|Die dritte Stufe ist das Lesen der okkulten Schrift, das heißt, nicht nur einzelne Bilder sehen, sondern das Verhältnis dieser verschiedenen Bilder auf sich wirken lassen. Das wird zu dem, was man okkulte Schrift nennt. Man beginnt die Kraftlinien, die schöpferisch durch die Welt gehen, durch die Imagination zu gewissen Figuren und Farbengestaltungen zu ordnen. Man lernt einen inneren Zusammenhang, der in jenen Figuren ausgedrückt ist, empfinden: das wirkt als der geistige Ton, als die Sphärenharmonie, denn jene Figuren sind den wahren Weltverhältnissen nachgebildet. Unsere Schrift ist ein letzter dekadenter Rest dieser alten okkulten Schrift und ihr nachgebildet.|99|162}}
 
Einen schwachen Abdruck dieser kosmischen Inspirationen haben wir schon heute in unserem Gefühlsleben. [[Gefühl]]e sind zurückgeworfene Spiegelbilder der Inspirationen, die uns aus dem Kosmos zuströmen. {{GZ||157|298ff}}
 
== Inspiration und Atmungstätigkeit ==
 
Die Inspiration hängt eng mit der [[Atmung]] zusammen, die bereits auf der [[Alte Sonne|alten Sonne]] veranlagt wurde, die ja eine reine [[Wärme]]-, [[Luft]]- und [[Licht]]-Welt war.
 
{{GZ|Die Inspiration als solche handelt von denjenigen inneren Tatsachen
in der Menschennatur, die Erbgut von der alten Sonnenentwickelung
sind, die zusammenhängen mit alledem, was den Menschen
geeignet macht, in der Welt dasjenige zu leisten, was vom
Himmel ist, was richtig vom Himmel ist. Dazu aber muß der
Mensch nicht nur auf dasjenige reflektieren, was im einzelnen Leben
erarbeitet werden kann innerhalb derjenigen Seelenarbeit, die da
vorhanden ist zwischen Geburt und Tod; sondern der Mensch muß
reflektieren auf dasjenige, was in den verborgenen Untergründen
seiner Seele so ist, daß die göttlichen Welten hereinarbeiten in seine
Organisation [...] Denken Sie, daß während
der alten Sonnenzeit der Mensch nur aus Wärme und Luft bestand.
In dem, was am Menschen arbeitet an Wärme und Luft, liegt als
Erbgut aus der alten Sonnenzeit dasjenige, was des Menschen Gehirn
so zubereiten kann, daß es ein Maler-, daß es ein Dichtergehirn
sein kann.
 
Daraus sehen Sie aber, wie wir durch diese Betrachtung dessen,
was im Menschen angeschaut wird und das von dem Mikrokosmos
heraus in den Makrokosmos geht, sagen müssen: Der Mensch ist
durch das, was altes Sonnenerbgut ist, eins mit seiner Umgebung;
denn Luft und Wärme ist ebenso draußen wie drinnen. Ich habe oftmals
darauf aufmerksam gemacht: Die Luftmenge, die ich jetzt in
mir habe, ist im nächsten Augenblick außer mir; das geht immer aus
und ein, Ausatmen, Einatmen. Die Luft hat meine Gestalt, und in
dem Augenblicke, wo ich die Luft ausatme, ist es ja dieselbe Luft; sie
ist dann nur draußen, außerhalb des Menschen. Aber so wahr, als
meine Knochen ich selbst sind, so wahr ist von dem Moment des
Einatmens bis zu dem Moment des Ausatmens die Luftgestalt dasjenige,
was zu meinem eigenen Wesen gehört. So wahr die Knochen
von meiner Geburt bis zu meinem Tode zu mir gehören, so gehört
der Luftstrom von dem Moment, wo er eingeatmet wird, bis zu dem
Moment, wo er ausgeatmet wird, zu mir. Er ist ebenso Ich, wie meine
Knochen Ich sind, nur dauert das Ich-Sein jenes Luftstromes nur
von einer Einatmung bis zur Ausatmung, und das Ich-Sein meiner
Knochen annähernd von der Geburt bis zum Tode. Nur der Zeit
nach sind diese Dinge verschieden, der Luftmensch stirbt bei der
Ausatmung und er wird geboren bei der Einatmung. Und so wahr,
als unsere Knochen geboren werden vor unserer physischen Geburt
und allmählich langsam zugrundegehen, so wahr wird etwas in uns
geboren, wenn wir einatmen, so wahr stirbt etwas in uns, wenn wir
ausatmen. Dasjenige, was in uns geboren wird, wenn wir einatmen,
das stirbt, wenn wir ausatmen; das gehört selber zum Erbgut von der
alten Sonne her, das wurde dazumal veranlagt [...]
 
Ich habe Ihnen heute von Inspiration
gesprochen; ich habe Ihnen gezeigt, wie die Inspiration zurückfuhrt
auf das alte Sonnengut des Menschen. Auf der Sonne aber war der
Mensch bis zum Atmen gekommen. Das heißt, dasjenige, was jetzt
Atmung ist, und was im Luftelement lebt, war dazumal veranlagt.
Also muß eine Beziehung sein zwischen dem Atmen des Menschen
und der Inspiration. Sie brauchen ja nur sich zu überlegen, was das
Wort Inspiration eigentlich ursprünglich bedeutet. In diesem Wort
ist die innige Verwandtschaft des Atems mit der «Inspiration» schon
ausgedrückt, denn es ist im Grunde genommen das Wort für Einatmen.
Diejenigen, die die Geister leugnen wollen, die brauchten nur
auf die Sprachentwickelung zu sehen. Wir haben das auch schon von
anderer Seite angedeutet: man würde die Sprachgeister schon finden,
aber auch finden, wie diese Sprachgeister in der menschlichen
Natur wirken! Dann werden wir finden, wie wir eingebettet sind in
die geistigen Welten, wie die Geister mit uns arbeiten, wie bei allem,
was wir tun im Leben, die Geister mitarbeiten. Und wir werden
uns in realer Weise fühlen: unser Selbst zum großen Selbst der Welt
erweitert. Empfindung wird werden, was Theorie ist. Und das ist der
Weg, um wirklich in die geistigen Welten hineinzukommen.|164|82ff}}
 
Mit der Atmungstätigkeit eng verbunden ist das [[Gefühl]]sleben, das wir im Alltagsleben aber nur [[traum]]haft unklar erleben. Erst wenn es, ohne seine ganze Fülle dabei zu zerstören, in die Klarheit und Wachheit des [[Gedanke]]nlebens heraufgehoben wird, kann daraus die Inspiration entstehen.
 
{{GZ|Was in meinem Buche «[[GA 10|Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren
Welten?]]» Inspirationen genannt wird, das ist nur das zur Helligkeit,
zum Vollbewußtsein heraufgehobene Erleben desjenigen, was bei jedem
Menschen unten im Gefühlsleben unbewußt an Inspirationen vorhanden
ist. Und wenn besonders veranlagte Leute von ihren Inspirationen
sprechen, so sprechen sie eigentlich von dem, was die Welt in ihr
Gefühlsleben hineingelegt hat und durch ihre Anlagen heraufkommen
läßt in ihr volles Wachbewußtsein. Es ist das ebenso Weltinhalt, wie
der Gedankeninhalt Weltinhalt ist. Aber in dem Leben zwischen Geburt
und Tod spiegeln diese unbewußten Inspirationen solche Weltenvorgänge,
die wir nur träumend erleben können; sonst würde unser
Ich in diesen Vorgängen sich verbrennen oder es würde ersticken, namentlich
ersticken. Dieses Ersticken beginnt auch manchmal beim Menschen
in abnormen Zuständen. Denken Sie nur einmal, Sie haben Alpdruck.
Dann will ein Zustand, der sich abspielt zwischen Ihnen und
der äußeren Luft, wenn bei einem Menschen in diesem Wechselverhältnis
nicht alles in Ordnung ist, in abnormer Weise übergehen in
etwas anderes. Indem das übergehen will in Ihr Ich-Bewußtsein, wird
es Ihnen nicht als eine normale Vorstellung bewußt, sondern als eine
Sie quälende Vorstellung: als der Alpdruck. Und so qualvoll wie das
abnorme Atmen im Alpdruck, so qualvoll wäre das gesamte Atmen,
wäre jeder Atemzug, wenn der Mensch das Atmen vollbewußt erleben
würde. Er würde es fühlend erleben, aber qualvoll wäre es für ihn. Es
wird daher abgestumpft, und so wird es nicht als physischer Vorgang,
sondern nur in dem träumerischen Gefühl erlebt.|293|100f}}
 
Um zur voll bewussten Inspiration zu kommen, muss die [[Verstandes- und Gemütsseele]] durch geistige Schulung zur [[Inspirationsseele]] verwandelt werden. Dabei muss das Eigendenken, aber auch das rein [[Egoismus|egoistisch]] auf sich selbst bezogene Fühlen überwunden werden. Nur so kann sich das [[Weltendenken]] und das [[Weltenfühlen]] bewusst in der Seele offenbaren.
 
{{GZ|Dann wissen wir ja aus den Darstellungen der vergangenen Tage, daß sich verwandeln muß auch das Denken selber, welches vorzugsweise ausgebildet wird in der Verstandes- oder Gemütsseele. Wir haben ja gehört, wie das Denken immer mehr und mehr verzichten muß, eigene Gedanken zu entwickeln, wie die menschliche Persönlichkeit immer mehr und mehr das Selbstdenken unterdrücken muß. Wenn es dem Menschen gelingt, das, was er in seinem gewöhnlichen Leben aus seiner Verstandes- oder Gemütsseele gemacht hat, zu unterdrücken, dann geht an den Platz dessen, was als gewöhnliches Denken, als Verständigkeit und auch als gewöhnliches Gemütsleben für den physischen Plan in dem Menschen lebt, die Inspiration, da verwandelt sich die Verstandes- oder Gemütsseele in die Inspirations- oder inspirierte Seele. Die inspirierten Werke der Kultur sind in die verwandelte Verstandesseele herein inspiriert worden.|145|177}}
 
== Sprachkraft, Inspiration und Weltenwort ==
 
[[Bild:Goetheanum1 Gruenes Suedfenster.gif|thumb|300px|[[Das grüne Südfenster des ersten Goetheanums]], das den Weg zur [[Inspiration|inspirierten Erkenntnis]] schildert.]]
 
Wenn es gelingt, die sprachbildende Kraft im Geistig-Seelischen abzufangen, bevor sie die physischen Sprachorgane ergreift, so werden dadurch die Seelenorgane ausgebildet, durch die der Mensch die Inspiration erleben kann. In letzter Konsequenz führt das zur Wahrnehmung des [[Weltenwort]]es, des [[Logos]], des geistigen [[Christus]].
 
{{GZ|Wenn wir sprechen, greifen geistig-seelische Kräfte in das sogenannte [[Brocasches Organ|Brocasche Organ]], das
sich in der dritten Gehirnwindung befindet, und dann in den Kehlkopf ein. Wenn wir diese Kraft, die auf das Brocasche Organ einwirkt,
gleichsam herausziehen aus dem Sprechen, wenn wir uns ihrer bewußt
werden, ohne daß wir sie zum Sprechen verwenden, dann haben wir
sie in ihrem Geistig-Seelischen erfaßt. Nehmen wir zum Beispiel an,
Sie meditieren so, daß Sie sich in die Kräfte Ihrer Seele versetzen, die
sonst im Sprechen zum Ausdruck kommen, ohne zu sprechen, Sie bleiben stumm. Wenn man so das Seelische gleichsam aufhält in seinem
Inneren, bevor es in das Körperliche eingreift, so hat man eine Kraft
in sich erfaßt, die zu der sogenannten Inspiration führt, zu dem geistigen Hören. Darauf beruht der okkulte Ausspruch von der sogenannten «schweigenden Erkenntnis». Ein solches Schweigen ist da gemeint, bei welchem man die Kräfte, die sonst in den Kehlkopf fließen,
innerlich verwendet. Da dringen diese in das Seelische hinein und machen die Seele innerlich regsam. So dringt man ein in die Welt der Inspiration...
 
Wenn nun im Menschen wie naturgemäß die Kraft wirkt, die er
sonst im Sprechen gebraucht, dann setzt ihn diese Kraft instand, ein
Geistiges wahrzunehmen, was einer Inspiration entspricht. Das ist etwas
anderes, als wenn man die Bilder wahrnimmt in der imaginativen Erkenntnis mit dem Auge des wahren Sehers. Diese Kraft, die in unseren moralischen Ideen wirkt, läßt uns die gute Seite der luziferischen
Wesen erkennen. Wenn wir wahrnehmen können mit dieser Kraft, die
sonst zum Sprechen verwendet wird, dann treten wir in die Sphäre
ein, für die, ohne alles religiöse Vorurteil, das Johannes-Evangelium
uns das richtige Verständnis gibt, indem es sagt: «Im Urbeginne war
das Wort.» — Dieses «Wort» vernimmt man, wenn man das eigene Wort,
die eigene Leiblichkeit so abdämpfen kann, daß man die Kraft, die
sonst durch den Kehlkopf spricht, vor dem Kehlkopf aufhalten kann
und sie dadurch frei wird.
 
Was war also das Hindernis, das machte, daß die Menschen nicht
von Anfang an das Weltenwort wahrgenommen haben? Das war, daß
sie sprechen lernen mußten! Aber bei der Weiterentwickelung wird in
der Tat aus der Sprache etwas sehr Merkwürdiges werden. Die Sprache
hat sich im Laufe der Menschheitsentwickelung doch sehr verändert.
Wenn man zu ursprünglichen Sprachstufen zurückgeht, da waren die
Menschen noch unmittelbar verknüpft mit der Sprache. Sogar heute
noch findet man auf dem Lande, daß der Mensch dort viel mehr in
ihr lebt und webt, mit ihr verwachsen ist. Er fühlt noch, wenn er ein
Wort ausspricht, daß darin etwas liegt wie eine Nachbildung dessen,
was er um sich herum sieht. Je weiter die Menschheitsentwickelung vorschreitet, um so abstrakter wird das Wort, es wird nur zum Zeichen
dessen, was es ausdrücken soll. Die Sprache wird immer unorganischer, immer arabeskenartiger, immer fremder dem Menschen. Woher kommt
das? In diesem Fremdwerden der Sprache von der inneren Bedeutung
der Worte werden bloßgelegt diejenigen Kräfte, die früher dazu verwendet wurden, die Sprache auszubilden. Das hängt wiederum damit
zusammen, daß bald eine geistige Wahrnehmung kommen wird von
dem Christus-Wesen, eben weil der Mensch die sprachbildende Kraft
frei bekommt. In älteren Zeiten war die Sprache eng verwachsen mit
dem menschlichen Organismus, jetzt beginnt sie sich von diesem zu
emanzipieren. Dadurch wird die sprachbildende Kraft frei und wird
verwendet werden für das Wahrnehmen des Weltenwortes, des geistigen Christus.|150|95ff}}
 
== Inspiration und innere Organe ==
 
{{GZ|Die Inspiration erlebt man, indem
man innerlich mit seinen eigenen Organen miterlebt. Man muß
nur ja nicht da, wo es sich um Inspirationen handelt, den Satz vergessen:
«naturalia non sunt turpia.<ref>[[lat.]] „Natürliches ist keine Schande.“</ref>» Denn unter Umständen werden die
wunderbarsten Inspirationen mit den Nieren erlebt oder mit andern
niederen Organen.|316|114}}
 
In der Inspiration wirken die selben Kräfte, die vom [[Siebentes Lebensjahr|siebten]] bis zum [[Vierzehntes Lebensjahr|vierzehnten Lebensjahr]], d.h. vom [[Zahnwechsel]] bis zur [[Pubertät]], im menschlichen [[Organismus]] tätig sind:
 
{{GZ|Die Kräfte wiederum, die vom siebenten bis zum vierzehnten Jahre,
bis zur Geschlechtsreife tätig sind und dann schlafen gehen, drunten
in der Menschennatur ruhen, die werden heraufgeholt und bilden die
Kraft der Inspiration.|191|32f}}
 
==Literatur==
 
* [[Anton Kimpfler]]: ''Die Himmelsleiter des Erkennens: Über Imagination, Inspiration und Intuition'', Verlag für Anthroposophie 2011, ISBN 978-3037690352
* [[Rudolf Steiner]], Martina Maria Sam (Hrsg.): ''Herzdenken - Über inspiratives Erkennen'', Rudolf Steiner Verlag 2014, ISBN 978-3727453007
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Theosophie des Rosenkreuzers'', [[GA 99]] (1985), Vierzehnter Vortrag, München, 6. Juni 1907 {{Vorträge|099}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen und sein Selbst?'', [[GA 145]] (1986), Zehnter Vortrag, Den Haag, 29. März 1913 {{Vorträge|145}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Welt des Geistes und ihr Hereinragen in das physische Dasein'', [[GA 150]] (1980) {{Vorträge|150}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Menschenschicksale und Völkerschicksale'', [[GA 157]] (1981), Vierzehnter Vortrag, Berlin, 6. Juli 1915 {{Vorträge|157}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Der Wert des Denkens für eine den Menschen befriedigende Erkenntnis'', [[GA 164]] (1984), ISBN 3-7274-1640-8 {{Vorträge|164}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Soziales Verständnis aus geisteswissenschaftlicher Erkenntnis'', [[GA 191]] (1989), ISBN 3-7274-1910-5 {{Vorträge|191}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik'', [[GA 293]] (1992), ISBN 3-7274-2930-5 {{Vorträge|293}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heikunst'', [[GA 316]] (2003), ISBN 3-7274-3160-1 {{Vorträge|316}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Anthroposophische Menschenerkenntnis und Medizin'', [[GA 319]] (1994), ISBN 3-7274-3190-3 {{Vorträge|319}}
 
{{GA}}
 
== Einzelnachweise ==
<references/>
 
[[Kategorie:Bewusstsein|U]]
[[Kategorie:Schulungsweg|U]]
[[Kategorie:Inspiration|U]]
[[Kategorie:Überphysisches Bewusstsein|!]]
[[Kategorie:Geist|U]]
[[Kategorie:Buddhi|U]]

Version vom 17. Oktober 2020, 18:03 Uhr

Das überpsychische Bewusstsein (auch Inspiration genannt) vereinigt in sich unser heutiges Gegenstands-Bewusstsein, das psychische Bewusstsein und das Schlaf-Bewusstsein auf höherer Ebene. Natürlicherweise wird der Mensch erst auf der neuen Venus dieses Bewusstsein haben.

Übergang von der Imagination zur Inspiration

Beim Übergang zur Inspiration müssen die in der Imagination erzeugten inneren Bilder wieder weggeschafft werden. Dazu ist eine starke innere Kraft nötig. Bei völliger Wachheit entsteht so zunächst ein Zustand des leeren Bewusstseins. Der Mensch ist nun ganz von seinem Leib befreit, den er durch die Geburt bzw. Empfängnis von seinen Eltern erhalten hat. Dieser Übergang wird als schmerzhafte Entbehrung empfunden. Das Bewusstsein bleibt aber nicht lange leer, indem man nun sein eigenes tieferes seelisch-geistiges Wesen kennenlernt, das man schon vor seinem irdischen Dasein besessen hat.

„Aber das Bewußtsein bleibt dann nicht lange leer. Es füllt sich. So wie sich das gewöhnliche Bewußtsein durch die Augenwahrnehmungen mit Farben füllt, durch das Ohr mit Tönen, so füllt sich nun dieses leere Bewußtsein mit einer geistigen Welt, die ebenso im Umkreise ist wie hier die gewöhnliche physische Welt. Erst das leere Bewußtsein entdeckt die geistige Welt, jene geistige Welt, die weder hier auf der Erde noch im Kosmos im Räume ist, sondern die außer Raum und Zeit ist, die aber doch unsere tiefste menschliche Wesenheit ausmacht. Denn haben wir vorher mit dem verdichteten Bewußtsein des Denkens hinschauen gelernt auf unser ganzes Erdenleben wie auf eine Einheit, jetzt schauen wir mit dem erfüllten, zuerst leeren Bewußtsein hinaus in diejenige Welt, die wir in einem seelisch-geistigen Leben durchgemacht haben, bevor wir ins irdische Dasein heruntergestiegen sind. Wir lernen uns jetzt kennen als ein Wesen, das geistig vorhanden war vor Geburt und Empfängnis, das vor dem Erdendasein in einem vorirdischen Dasein gelebt hat. Wir lernen uns erkennen als ein geistig-seelischer Mensch, der den Leib, den er an sich trägt, von Eltern und Voreltern überliefert erhalten hat, so überliefert erhalten hat, daß er ihn, wie gesagt, alle sieben Jahre auswechseln kann, der aber das, was er seinem eigentlichen Wesen nach ist, sich hereingebracht hat aus dem vorirdischen Dasein. Das lernt man nicht durch Theorien oder durch ein spintisierendes Denken kennen, sondern man kann es nur kennenlernen, wenn man in intellektueller Bescheidenheit eben die entsprechenden Fähigkeiten dazu erst entwickelt.

So lernen wir jetzt die innere menschliche Wesenheit, die eigentliche geistig-seelische Wesenheit kennen. Sie tritt uns entgegen, wenn wir in die Region des Gefühls nicht nur fühlend, sondern auch erkennend hinuntersteigen. Da müssen wir aber erst merken, daß Erkenntnis-Erringen verbunden ist mit starken inneren Erlebnissen, die ich in folgender Weise schildern kann. Wenn Sie irgendein Glied Ihres physischen Organismus unterbunden haben, es nicht bewegen können, wenn Ihnen jemand vielleicht nur zwei Finger zusammenbindet, so spüren Sie es als unangenehm, vielleicht als schmerzhaft. Jetzt sind Sie in einem Zustande, wo Sie im Geistig-Seelischen erfahren ohne den Leib. Jetzt haben Sie den ganzen physischen Menschen nicht an sich, denn jetzt leben Sie in einem leeren Bewußtsein. Der Übergang dazu ist mit einem tiefen Schmerzgefühl verbunden. Über die Erfahrung des Schmerzes, der Entbehrung hinüber, erringt man sich den Eingang in das, was unser tiefstes geistig-seelisches Wesen ist. Davor schrecken viele Menschen zurück. Aber es ist eben nicht anders möglich, sich über das wirkliche menschliche Wesen aufzuklären, als auf diese Art.“ (Lit.:GA 319, S. 152f)

Inspiration und okkulte Schrift

Durch das inspirierte Bewusstsein beginnt die geistige Welt zum Menschen wesenhaft zu sprechen. Die Imaginationen beginnen sich dadurch erst sinnvoll selbst zu erklären und erst dadurch ist eine sichere und klare geistige Erkenntnis möglich. Durch die Inspiration verbinden wir uns bewusst mit allem, was innerhalb unseres Sonnensystems geistig vorgeht; die Sphärenharmonie wird vernehmbar.

Durch geistige Schulung kann das inspirierte Bewusstsein schon heute in gewissem Sinn vorausgenommen werden; es muss dazu die Verstandes- oder Gemütsseele zur Inspirationsseele umgebildet werden. Die Inspiration, als dritte zu erreichende Stufe des Rosenkreuzer-Schulungswegs, wird auch bezeichnet als das Lesen der okkulten Schrift:

„Die dritte Stufe ist das Lesen der okkulten Schrift, das heißt, nicht nur einzelne Bilder sehen, sondern das Verhältnis dieser verschiedenen Bilder auf sich wirken lassen. Das wird zu dem, was man okkulte Schrift nennt. Man beginnt die Kraftlinien, die schöpferisch durch die Welt gehen, durch die Imagination zu gewissen Figuren und Farbengestaltungen zu ordnen. Man lernt einen inneren Zusammenhang, der in jenen Figuren ausgedrückt ist, empfinden: das wirkt als der geistige Ton, als die Sphärenharmonie, denn jene Figuren sind den wahren Weltverhältnissen nachgebildet. Unsere Schrift ist ein letzter dekadenter Rest dieser alten okkulten Schrift und ihr nachgebildet.“ (Lit.:GA 99, S. 162)

Einen schwachen Abdruck dieser kosmischen Inspirationen haben wir schon heute in unserem Gefühlsleben. Gefühle sind zurückgeworfene Spiegelbilder der Inspirationen, die uns aus dem Kosmos zuströmen. (Lit.:GA 157, S. 298ff)

Inspiration und Atmungstätigkeit

Die Inspiration hängt eng mit der Atmung zusammen, die bereits auf der alten Sonne veranlagt wurde, die ja eine reine Wärme-, Luft- und Licht-Welt war.

„Die Inspiration als solche handelt von denjenigen inneren Tatsachen in der Menschennatur, die Erbgut von der alten Sonnenentwickelung sind, die zusammenhängen mit alledem, was den Menschen geeignet macht, in der Welt dasjenige zu leisten, was vom Himmel ist, was richtig vom Himmel ist. Dazu aber muß der Mensch nicht nur auf dasjenige reflektieren, was im einzelnen Leben erarbeitet werden kann innerhalb derjenigen Seelenarbeit, die da vorhanden ist zwischen Geburt und Tod; sondern der Mensch muß reflektieren auf dasjenige, was in den verborgenen Untergründen seiner Seele so ist, daß die göttlichen Welten hereinarbeiten in seine Organisation [...] Denken Sie, daß während der alten Sonnenzeit der Mensch nur aus Wärme und Luft bestand. In dem, was am Menschen arbeitet an Wärme und Luft, liegt als Erbgut aus der alten Sonnenzeit dasjenige, was des Menschen Gehirn so zubereiten kann, daß es ein Maler-, daß es ein Dichtergehirn sein kann.

Daraus sehen Sie aber, wie wir durch diese Betrachtung dessen, was im Menschen angeschaut wird und das von dem Mikrokosmos heraus in den Makrokosmos geht, sagen müssen: Der Mensch ist durch das, was altes Sonnenerbgut ist, eins mit seiner Umgebung; denn Luft und Wärme ist ebenso draußen wie drinnen. Ich habe oftmals darauf aufmerksam gemacht: Die Luftmenge, die ich jetzt in mir habe, ist im nächsten Augenblick außer mir; das geht immer aus und ein, Ausatmen, Einatmen. Die Luft hat meine Gestalt, und in dem Augenblicke, wo ich die Luft ausatme, ist es ja dieselbe Luft; sie ist dann nur draußen, außerhalb des Menschen. Aber so wahr, als meine Knochen ich selbst sind, so wahr ist von dem Moment des Einatmens bis zu dem Moment des Ausatmens die Luftgestalt dasjenige, was zu meinem eigenen Wesen gehört. So wahr die Knochen von meiner Geburt bis zu meinem Tode zu mir gehören, so gehört der Luftstrom von dem Moment, wo er eingeatmet wird, bis zu dem Moment, wo er ausgeatmet wird, zu mir. Er ist ebenso Ich, wie meine Knochen Ich sind, nur dauert das Ich-Sein jenes Luftstromes nur von einer Einatmung bis zur Ausatmung, und das Ich-Sein meiner Knochen annähernd von der Geburt bis zum Tode. Nur der Zeit nach sind diese Dinge verschieden, der Luftmensch stirbt bei der Ausatmung und er wird geboren bei der Einatmung. Und so wahr, als unsere Knochen geboren werden vor unserer physischen Geburt und allmählich langsam zugrundegehen, so wahr wird etwas in uns geboren, wenn wir einatmen, so wahr stirbt etwas in uns, wenn wir ausatmen. Dasjenige, was in uns geboren wird, wenn wir einatmen, das stirbt, wenn wir ausatmen; das gehört selber zum Erbgut von der alten Sonne her, das wurde dazumal veranlagt [...]

Ich habe Ihnen heute von Inspiration gesprochen; ich habe Ihnen gezeigt, wie die Inspiration zurückfuhrt auf das alte Sonnengut des Menschen. Auf der Sonne aber war der Mensch bis zum Atmen gekommen. Das heißt, dasjenige, was jetzt Atmung ist, und was im Luftelement lebt, war dazumal veranlagt. Also muß eine Beziehung sein zwischen dem Atmen des Menschen und der Inspiration. Sie brauchen ja nur sich zu überlegen, was das Wort Inspiration eigentlich ursprünglich bedeutet. In diesem Wort ist die innige Verwandtschaft des Atems mit der «Inspiration» schon ausgedrückt, denn es ist im Grunde genommen das Wort für Einatmen. Diejenigen, die die Geister leugnen wollen, die brauchten nur auf die Sprachentwickelung zu sehen. Wir haben das auch schon von anderer Seite angedeutet: man würde die Sprachgeister schon finden, aber auch finden, wie diese Sprachgeister in der menschlichen Natur wirken! Dann werden wir finden, wie wir eingebettet sind in die geistigen Welten, wie die Geister mit uns arbeiten, wie bei allem, was wir tun im Leben, die Geister mitarbeiten. Und wir werden uns in realer Weise fühlen: unser Selbst zum großen Selbst der Welt erweitert. Empfindung wird werden, was Theorie ist. Und das ist der Weg, um wirklich in die geistigen Welten hineinzukommen.“ (Lit.:GA 164, S. 82ff)

Mit der Atmungstätigkeit eng verbunden ist das Gefühlsleben, das wir im Alltagsleben aber nur traumhaft unklar erleben. Erst wenn es, ohne seine ganze Fülle dabei zu zerstören, in die Klarheit und Wachheit des Gedankenlebens heraufgehoben wird, kann daraus die Inspiration entstehen.

„Was in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» Inspirationen genannt wird, das ist nur das zur Helligkeit, zum Vollbewußtsein heraufgehobene Erleben desjenigen, was bei jedem Menschen unten im Gefühlsleben unbewußt an Inspirationen vorhanden ist. Und wenn besonders veranlagte Leute von ihren Inspirationen sprechen, so sprechen sie eigentlich von dem, was die Welt in ihr Gefühlsleben hineingelegt hat und durch ihre Anlagen heraufkommen läßt in ihr volles Wachbewußtsein. Es ist das ebenso Weltinhalt, wie der Gedankeninhalt Weltinhalt ist. Aber in dem Leben zwischen Geburt und Tod spiegeln diese unbewußten Inspirationen solche Weltenvorgänge, die wir nur träumend erleben können; sonst würde unser Ich in diesen Vorgängen sich verbrennen oder es würde ersticken, namentlich ersticken. Dieses Ersticken beginnt auch manchmal beim Menschen in abnormen Zuständen. Denken Sie nur einmal, Sie haben Alpdruck. Dann will ein Zustand, der sich abspielt zwischen Ihnen und der äußeren Luft, wenn bei einem Menschen in diesem Wechselverhältnis nicht alles in Ordnung ist, in abnormer Weise übergehen in etwas anderes. Indem das übergehen will in Ihr Ich-Bewußtsein, wird es Ihnen nicht als eine normale Vorstellung bewußt, sondern als eine Sie quälende Vorstellung: als der Alpdruck. Und so qualvoll wie das abnorme Atmen im Alpdruck, so qualvoll wäre das gesamte Atmen, wäre jeder Atemzug, wenn der Mensch das Atmen vollbewußt erleben würde. Er würde es fühlend erleben, aber qualvoll wäre es für ihn. Es wird daher abgestumpft, und so wird es nicht als physischer Vorgang, sondern nur in dem träumerischen Gefühl erlebt.“ (Lit.:GA 293, S. 100f)

Um zur voll bewussten Inspiration zu kommen, muss die Verstandes- und Gemütsseele durch geistige Schulung zur Inspirationsseele verwandelt werden. Dabei muss das Eigendenken, aber auch das rein egoistisch auf sich selbst bezogene Fühlen überwunden werden. Nur so kann sich das Weltendenken und das Weltenfühlen bewusst in der Seele offenbaren.

„Dann wissen wir ja aus den Darstellungen der vergangenen Tage, daß sich verwandeln muß auch das Denken selber, welches vorzugsweise ausgebildet wird in der Verstandes- oder Gemütsseele. Wir haben ja gehört, wie das Denken immer mehr und mehr verzichten muß, eigene Gedanken zu entwickeln, wie die menschliche Persönlichkeit immer mehr und mehr das Selbstdenken unterdrücken muß. Wenn es dem Menschen gelingt, das, was er in seinem gewöhnlichen Leben aus seiner Verstandes- oder Gemütsseele gemacht hat, zu unterdrücken, dann geht an den Platz dessen, was als gewöhnliches Denken, als Verständigkeit und auch als gewöhnliches Gemütsleben für den physischen Plan in dem Menschen lebt, die Inspiration, da verwandelt sich die Verstandes- oder Gemütsseele in die Inspirations- oder inspirierte Seele. Die inspirierten Werke der Kultur sind in die verwandelte Verstandesseele herein inspiriert worden.“ (Lit.:GA 145, S. 177)

Sprachkraft, Inspiration und Weltenwort

Das grüne Südfenster des ersten Goetheanums, das den Weg zur inspirierten Erkenntnis schildert.

Wenn es gelingt, die sprachbildende Kraft im Geistig-Seelischen abzufangen, bevor sie die physischen Sprachorgane ergreift, so werden dadurch die Seelenorgane ausgebildet, durch die der Mensch die Inspiration erleben kann. In letzter Konsequenz führt das zur Wahrnehmung des Weltenwortes, des Logos, des geistigen Christus.

„Wenn wir sprechen, greifen geistig-seelische Kräfte in das sogenannte Brocasche Organ, das sich in der dritten Gehirnwindung befindet, und dann in den Kehlkopf ein. Wenn wir diese Kraft, die auf das Brocasche Organ einwirkt, gleichsam herausziehen aus dem Sprechen, wenn wir uns ihrer bewußt werden, ohne daß wir sie zum Sprechen verwenden, dann haben wir sie in ihrem Geistig-Seelischen erfaßt. Nehmen wir zum Beispiel an, Sie meditieren so, daß Sie sich in die Kräfte Ihrer Seele versetzen, die sonst im Sprechen zum Ausdruck kommen, ohne zu sprechen, Sie bleiben stumm. Wenn man so das Seelische gleichsam aufhält in seinem Inneren, bevor es in das Körperliche eingreift, so hat man eine Kraft in sich erfaßt, die zu der sogenannten Inspiration führt, zu dem geistigen Hören. Darauf beruht der okkulte Ausspruch von der sogenannten «schweigenden Erkenntnis». Ein solches Schweigen ist da gemeint, bei welchem man die Kräfte, die sonst in den Kehlkopf fließen, innerlich verwendet. Da dringen diese in das Seelische hinein und machen die Seele innerlich regsam. So dringt man ein in die Welt der Inspiration...

Wenn nun im Menschen wie naturgemäß die Kraft wirkt, die er sonst im Sprechen gebraucht, dann setzt ihn diese Kraft instand, ein Geistiges wahrzunehmen, was einer Inspiration entspricht. Das ist etwas anderes, als wenn man die Bilder wahrnimmt in der imaginativen Erkenntnis mit dem Auge des wahren Sehers. Diese Kraft, die in unseren moralischen Ideen wirkt, läßt uns die gute Seite der luziferischen Wesen erkennen. Wenn wir wahrnehmen können mit dieser Kraft, die sonst zum Sprechen verwendet wird, dann treten wir in die Sphäre ein, für die, ohne alles religiöse Vorurteil, das Johannes-Evangelium uns das richtige Verständnis gibt, indem es sagt: «Im Urbeginne war das Wort.» — Dieses «Wort» vernimmt man, wenn man das eigene Wort, die eigene Leiblichkeit so abdämpfen kann, daß man die Kraft, die sonst durch den Kehlkopf spricht, vor dem Kehlkopf aufhalten kann und sie dadurch frei wird.

Was war also das Hindernis, das machte, daß die Menschen nicht von Anfang an das Weltenwort wahrgenommen haben? Das war, daß sie sprechen lernen mußten! Aber bei der Weiterentwickelung wird in der Tat aus der Sprache etwas sehr Merkwürdiges werden. Die Sprache hat sich im Laufe der Menschheitsentwickelung doch sehr verändert. Wenn man zu ursprünglichen Sprachstufen zurückgeht, da waren die Menschen noch unmittelbar verknüpft mit der Sprache. Sogar heute noch findet man auf dem Lande, daß der Mensch dort viel mehr in ihr lebt und webt, mit ihr verwachsen ist. Er fühlt noch, wenn er ein Wort ausspricht, daß darin etwas liegt wie eine Nachbildung dessen, was er um sich herum sieht. Je weiter die Menschheitsentwickelung vorschreitet, um so abstrakter wird das Wort, es wird nur zum Zeichen dessen, was es ausdrücken soll. Die Sprache wird immer unorganischer, immer arabeskenartiger, immer fremder dem Menschen. Woher kommt das? In diesem Fremdwerden der Sprache von der inneren Bedeutung der Worte werden bloßgelegt diejenigen Kräfte, die früher dazu verwendet wurden, die Sprache auszubilden. Das hängt wiederum damit zusammen, daß bald eine geistige Wahrnehmung kommen wird von dem Christus-Wesen, eben weil der Mensch die sprachbildende Kraft frei bekommt. In älteren Zeiten war die Sprache eng verwachsen mit dem menschlichen Organismus, jetzt beginnt sie sich von diesem zu emanzipieren. Dadurch wird die sprachbildende Kraft frei und wird verwendet werden für das Wahrnehmen des Weltenwortes, des geistigen Christus.“ (Lit.:GA 150, S. 95ff)

Inspiration und innere Organe

„Die Inspiration erlebt man, indem man innerlich mit seinen eigenen Organen miterlebt. Man muß nur ja nicht da, wo es sich um Inspirationen handelt, den Satz vergessen: «naturalia non sunt turpia.[1]» Denn unter Umständen werden die wunderbarsten Inspirationen mit den Nieren erlebt oder mit andern niederen Organen.“ (Lit.:GA 316, S. 114)

In der Inspiration wirken die selben Kräfte, die vom siebten bis zum vierzehnten Lebensjahr, d.h. vom Zahnwechsel bis zur Pubertät, im menschlichen Organismus tätig sind:

„Die Kräfte wiederum, die vom siebenten bis zum vierzehnten Jahre, bis zur Geschlechtsreife tätig sind und dann schlafen gehen, drunten in der Menschennatur ruhen, die werden heraufgeholt und bilden die Kraft der Inspiration.“ (Lit.:GA 191, S. 32f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. lat. „Natürliches ist keine Schande.“