David Chalmers

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David Chalmers

David John Chalmers (* 20. April 1966 in Sydney, Australien) ist ein australischer Philosoph, der sich hauptsächlich mit Fragen der Sprachphilosophie und der Philosophie des Geistes beschäftigt und als wichtigster moderner Vertreter des Eigenschaftsdualismus gilt.

Das schwere Problem des Bewusstseins

Chalmers zentrales Forschungsthema ist „das schwere Problem des Bewusstseins“ („the hard problem of consciousness“) - eine Formulierung, die er erstmals 1995 prägte und die seitdem zu einer stehenden Phrase in den Neurowissenschaften wurde.

„Das wirklich harte Problem des Bewusstseins ist das Problem der Erfahrung. Wenn wir denken und wahrnehmen, gibt es ein Surren von Informationsverarbeitung, aber es gibt auch einen subjektiven Aspekt. Wie Nagel (1974) hat es ausgedrückt hat, es gibt so etwas, wie es sich anfühlt, ein bewusster Organismus zu sein. Dieser subjektive Aspekt ist die Erfahrung.“ (Lit.: Chalmers 2010, S. 39)

Dass es sich dabei immerhin um eine zentrale Frage des gegenwärtigen Bewusstseinsseelenzeitalters handelt, ist nicht zu bestreiten. In der Einleitung zu „The Conscious Mind“ schreibt Chalmers:

„Bewusstsein ist das größte Mysterium. Vielleicht ist es das größte, herausragendste Hindernis für unser wissenschaftliches Verständnis des Universums. Die Physik ist noch nicht abgeschlossen, wird aber schon gut verstanden. Die Biologie hat viele Geheimnisse des Lebens gelüftet. Zwar gibt es noch Verständnislücken in diesem Bereich, aber sie scheinen überbrückbar. Wir habe ein Gespür dafür, wie eine Lösung für diese Probleme aussehen könnte; wir müssen nur die Details richtig machen.

Sogar in der Wissenschaft des Geistes wurden große Fortschritte gemacht. Neuere Arbeiten in der Kognitionswissenschaft und Neurowissenschaft führen uns zu einem besseren Verständnis des menschlichen Verhaltens und der Prozesse, die es antreiben. Wir haben nicht viele detaillierte Theorien der Kognition, um sicher zu sein, aber die Details können nicht zu weit weg sein.

Das Bewusstsein ist jedoch so verblüffend wie es jemals war. Immer noch erscheint es äußerst geheimnisvoll, dass die Verursachung des Verhaltens von einem subjektiven inneren Erleben begleitet sein soll. Wir haben guten Grund zu glauben, dass Bewusstsein von physikalischen Systemen wie Gehirnen hervorgebracht wird, aber wir haben wenig Ahnung, wie es entsteht und warum es überhaupt existiert. Wie könnte ein physikalisches System wie ein Gehirn auch ein Erfahrender sein? Warum sollte es sich irgendwie anfühlen[1], ein solches System zu sein? Die gegenwärtigen wissenschaftlichen Theorien berühren kaum die wirklich schweren Probleme des Bewusstseins. Uns fehlt nicht nur eine detaillierte Theorie; wir tappen völlig im Dunkeln darüber, wie sich das Bewusstsein in die natürliche Ordnung einfügt.

Viele Bücher und Artikel sind in den letzten Jahren über das Bewusstsein erschienen und man könnte denken, dass wir Fortschritte machen. Bei näherer Betrachtung bleiben jedoch die meisten Probleme des Bewusstseins unberührt. Meist richten sich diese Arbeiten auf das, was man die „leichten“ Probleme des Bewusstseins nennen könnte: Wie verarbeitet das Gehirn Reize aus der Umwelt? Wie integriert es die Information? Wie produzieren wir Berichte über innere Zustände? Das sind wichtige Fragen, doch sie zu beantworten löst nicht das schwierige Problem: Warum werden alle diese Prozesse von einem inneren Erleben begleitet? Manchmal wird diese Frage vollständig ignoriert; manchmal wird sie auf einen späteren Tag verschoben; und manchmal wird sie einfach als beantwortet erklärt. Aber in jedem Fall bleibt man mit dem Gefühl zurück, dass das zentrale Problem so rätselhaft wie eh und je bleibt.“ (Lit.: Chalmers 1996, S. 14[2])

Grundsätzlich denkbar sei laut Chalmers immerhin ein hypothetisches Wesen, ein „philosophischer Zombie“, der von außen nicht von einem normalen Menschen zu unterscheiden sei, auch nicht durch seine Handlungen, und ihm auch materiell in jeder Beziehung gliche, aber keine bewussten Erlebnisse habe. Das Bewusstsein sei deshalb nicht auf materielle Vorgänge reduzierbar und der Materialismus daher offensichtlich falsch. Den klassischen Dualismus von Geist und Materie lehnt Chalmers dennoch ab und spricht statt dessen von einem Eigenschaftsdualismus: Im Gegensatz zur bewusstlosen Materie, die nur physische Eigenschaften besitze, verfüge der Mensch auch über irredizible nichtphysische Eigenschaften, in Form der Erlebnisinhalte des phänomenalen Bewusstseins, der sog. Qualia.

Schriften

Bücher
als Herausgeber
  • Philosophy of Mind: Classical and Contemporary Readings, Oxford University Press, Oxford 2002, ISBN 978-0195145816
Publikationen

Literatur

  • Jonathan Shear (Hrsg.): Explaining Consciousness: The Hard Problem. MIT Press, Cambridge, MA. 1997, ISBN 978-0262692212

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Eine Anspielung auf: Thomas Nagel: What is it like to be a bat? In: The Philosophical Review. Cornell University, Ithaca 83/1974, S. 435–450. ISSN 0031-8108
  2. „Consciousness is the biggest mystery. It may be the largest outstanding obstacle in our quest for a scientific understanding of the universe. The science of physics is not yet complete, but it is well understood; the science of biology has removed many ancient mysteries surrounding the nature of life. There are gaps in our understanding of these fields, but they do not seem intractable. We have a sense of what a solution to these problems might look like; we just need to get the details right.
    Even in the science of the mind, much progress has been made. Recent work in cognitive science and neuroscience is leading us to a better understanding of human behavior and of the processes that drive it. We do not have many detailed theories of cognition, to be sure, but the details cannot be too far off.
    Consciousness, however, is as perplexing as it ever was. It still seems utterly mysterious that the causation of behavior should be accompanied by a subjective inner life. We have good reason to believe that consciousness arises from physical systems such as brains, but we have little idea how it arises, or why it exists at all. How could a physical system such as a brain also be an experiencer? Why should there be something it is like to be such a system? Present-day scientific theories hardly touch the really difficult questions about consciousness. We do not just lack a detailed theory; we are entirely in the dark about how consicousness fits into the natural order.
    Many books and articles on consciousness have appeared in the past few years, and one might think that we are making progress. But on a closer look, most of this work leaves the hardest problems about consciousness untouched. Often, such work addresses what might be called the “easy” problems of consciousness: How does the brain process environmental stimulation? How does it integrate information? How do we produce reports on internal states? These are important questions, but to answer them is not to solve the hard problem: Why is all this processing accompanied by an experienced inner life? Sometimes this question is ignored entirely; sometimes it is put off until another day; and sometimes it is simply declared answered. But in each case, one is left with the feeling that the central problem remains as puzzling as ever.“ (Chalmers 1996, p. 14)