Hathor (Ägyptische Mythologie) und Anarchie: Unterschied zwischen den Seiten

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{{Infobox Ägyptische Gottheit
'''Anarchie''' bezeichnet einen Zustand der Abwesenheit von [[Herrschaft]]. Er findet hauptsächlich in der [[Wikipedia:Politische Philosophie|politischen Philosophie]] Verwendung, wo der [[Wikipedia:Anarchismus|Anarchismus]] für eine solche soziale Ordnung wirbt.
|TITEL = Hathor
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|NAME = <hiero>O6-X1:O1-D2:D21-X1:H8-C9</hiero><br />Hathor<br />(Hat Hor)<br />''Ḥwt Ḥr''<br />''Mutterschoß des [[Horus]]'' <ref name=S1>[[Wikipedia:Kurt Sethe|Kurt Sethe]]: ''Beiträge zur ältesten Geschichte Ägyptens, Bd. 3''. Olms, Hildesheim 1964 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1905), § 145.</ref>
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}}


'''Hathor''' ist eine Göttin in der [[Ägyptische Mythologie|ägyptischen Mythologie]]. In ihren Anfängen nahm sie noch den Rang einer Lokalgöttin ein und fungierte dort in ihrer kuhgestaltigen Erscheinungsform.<ref>Hans Bonnet: ''Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte.'' Hamburg 2000, S. 277.</ref> Im weiteren Verlauf stieg Hathor zur Himmelsgöttin des Westens auf und wurde zu einer allumfassenden Muttergottheit. Sie war aber auch Totengöttin und [[Göttin]] der [[Liebe]], des Friedens, der Schönheit, des Tanzes, der Kunst und der Musik.
Landläufig wird Anarchie auch mit einem durch die Abwesenheit von Staat und institutioneller Gewalt bedingten Zustand gesellschaftlicher Unordnung, Gewaltherrschaft und Gesetzlosigkeit beschrieben und vor allem in den Medien häufig im Schlagwort „Chaos und Anarchie“ verwendet. Die tatsächliche Bezeichnung für einen solchen Zustand ist jedoch [[Wikipedia:Anomie|Anomie]].


== Name und Darstellung ==
== Übersicht ==
[[Datei:Hathor-Meyers.png|mini|hochkant=0.5|links|Hathor - Meyers Konversationslexikon 1888]]
[[Datei:WilliamGodwin.jpg|miniatur|hochkant|Der Schriftsteller William Godwin]]
Spätestens seit der [[Wikipedia:1. Dynastie|1. Dynastie]] ist Hathor unter [[Wikipedia:Narmer|Narmer]] als kuhgestaltige Göttin  belegt. Auf einem [[Wikipedia:Elfenbein|Elfenbein]]täfelchen aus dem Grab des [[Wikipedia:Djer|Djer]] in [[Wikipedia:Umm el-Qaab|Umm el-Qaab]] bei [[Wikipedia:Abydos (Ägypten)|Abydos]] ist sie als liegende Kuh vor dem [[Wikipedia:Serech|Serech]] als „Hathor in den Sümpfen von König Djers [[Wikipedia:Buto (Altes Ägypten)|Stadt Dep]]“ zu sehen. Ihre [[Wikipedia:Ikonografie|ikonografische]] Darstellung unterscheidet sich nur wenig von der älteren Himmelsgöttin [[Bat (Ägyptische Mythologie)|Bat]]. Abbildungen auf Gefäßbruchstücken belegen im Aussehen der Göttin Hathor nur einen kleinen Unterschied zu Bat, da die Hörnerspitzen der Hathor im Gegensatz zu Bat nach außen verlaufen.


Auf der Statuengruppe des [[Wikipedia:Mykerinos|Mykerinos]] aus der [[Wikipedia:4. Dynastie|4. Dynastie]] ist Hathor an der linken Seite von Mykerinos mit dem Bat-Emblem abgebildet, während Hathor an seiner rechten Seite in ihrer Eigenschaft als Personifikation des [[Wikipedia:Gau (Ägypten)#Oberägyptische Gaue|siebten oberägyptischen Gaus]] auftritt. Gut erkennbar ist das Gehörn der Hathor mit der dazwischen liegenden [[Sonnenscheibe]], das einen leichten Schwung nach außen aufweist, während das Bat-Emblem die nach innen geneigte Hörnerwindung der Bat zeigt. Der Hintergrund einer abweichenden Gehörnform ist wahrscheinlich in zwei verschiedenen [[Wikipedia:Hornträger|Bovidenarten]] zu sehen. Ab der [[Wikipedia:11. Dynastie|11. Dynastie]] verschmolz die Göttin Bat vollständig mit Hathor.  
Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs in der [[Antike]] wurde im Laufe der letzten Jahrhunderte in verschiedenartigen philosophischen und humanwissenschaftlichen Denkschulen überformt, die vielgestaltige [[Gesellschaftsordnung]]en mit dem Wort „Anarchie“ benennen. Hier sind vor allem die Denkschulen des Anarchismus, in der Anarchie als politische [[Utopie]] entwickelt und umzusetzen versucht wird, sowie Vertreter der [[Sozialanthropologie]] und der politischen Anthropologie zu nennen, die Gesellschaftsordnungen von bestimmten indigenen Völkern als Anarchien charakterisieren. Entsprechende Kulturen indigener Völker werden von Ethnologen wie [[Marshall Sahlins]] als ''gleichwertig'' zur westlichen Kultur angesehen.


Ihr Name bedeutet „Haus des Hor“ beziehungsweise „Haus des [[Horus]]“, wobei sich der Namensbestandteil „Haus“ von der Bedeutung „Mutterschoß“ ableitet, der Horus umgibt. Das Ideogramm stellt daher meist einen Horusfalken im „Mutterschoß“ dar. Als spätere Gemahlin des [[Re (Ägyptische Mythologie)|Re]] und Mutter des Horus bildete sie den umschließenden Mutterleib, aus welchem Horus als ihr Sohn entsprang.<ref name=S1 />
Allen obigen Anarchien gemeinsam ist per Definition die Abwesenheit von Herrschaft, die als [[Unterdrückung|repressiver]] Modus von [[Macht]] verstanden werden kann.<ref>Haude/Wagner: ''Herrschaftsfreie Institutionen'', S. 58.</ref> Demnach sind bestimmte Machtverhältnisse wie die Beeinflussung durch freiwillig angenommene [[Autorität]]en ([[Mentoring|Mentoren]], [[Trainer]], Berater, etc.) mit Anarchie vereinbar, werden aber nicht durch Repression erzwungen. Insbesondere existiert in Anarchien keine lenkende Zentralgewalt, also kein [[Staat]]. Bekannte Anarchien sind dennoch von sozialen Normen und Regeln geprägt, unter anderem zur institutionalisierten Abwehr der Entstehung von Herrschaft.


{{HieroglyphenImText|Die Darstellung der Göttin Hathor ist vielfältig: Neben ihrer Erscheinungsform als stehende Frau mit Kuhgehörn und dazwischenliegender Sonnenscheibe ist sie auch vollständig als Kuh oder als kuhköpfige Frau abgebildet. In Verbindung zu einem [[Ägyptische Mythologie|Mythos]] um die Göttin [[Wikipedia:Sachmet (Ägyptische Mythologie)|Sachmet]] erscheint sie löwen- oder schlangenköpfig sowie als Gebieterin des Westens mit der zugehörigen [[Ägyptische Hieroglyphen|Hieroglyphe]] „Westen“ <hiero>R14</hiero> oder sogar als Nilpferd.}}
Neben der [[Politische Theorie|Politischen Theorie]] ist der Begriff der Anarchie als Beschreibung in die [[Internationale Beziehungen|Internationalen Beziehungen]] eingegangen. Alle Metatheorien dieser Disziplin nehmen in unterschiedlichem Maße an, dass [[Anarchie in den Internationalen Beziehungen]] bestehe, da es keine weltweite Regulierungsinstanz gebe.


Seit dem Alten Reich wird sie auch oft als das ''Gold'' bezeichnet.<ref>A. Ermann, H. Grapow: ''Wörterbuch der ägyptischen Sprache'', Band II, 239, II</ref>
== Begriffsgeschichte ==
[[Datei:Santi di Tito - Niccolo Machiavelli's portrait headcrop.jpg|miniatur|hochkant|Der Politiker Niccolò Machiavelli]]
Etymologisch wird der Begriff zurückgeführt auf [[Altgriechische Sprache|altgr.]] {{lang|grc|ἀναρχία}} ''{{lang|grc|anarchía}}'' ‚Herrschaftslosigkeit‘; einer Wortbildung aus verneinendem [[Alpha privativum]] und {{lang|grc|ἀρχία}} ''{{lang|grc|archía}}'' ‚Herrschaft‘.


== Mythologische Verbindung zum Sonnengott Re ==
Im Laufe der Zeit wurde das Wort „Anarchie“ neutral zur Beschreibung eines Zustandes und zuweilen abwertend zur Beschreibung eines unerwünschten Sachverhaltes verwendet, bevor es schließlich zur Beschreibung eines erwünschten Gesellschaftsmodells diente.
Ihre [[Mythologie|mythologischen]] Anfänge mit Re werden wie folgt beschrieben: Re öffnet im Inneren des [[Wikipedia:Lotos (Altes Ägypten)|Lotos]] seine Augen in dem Moment, in dem er das [[Urchaos]] verließ. In seinen Augen bildete sich eine Flüssigkeit, die zu Boden fiel: Sie verwandelte sich in eine schöne Frau, der man den Namen „Gold der Götter, Hathor die Große, Herrin von [[Wikipedia:Dendera|Dendera]]“ gab. In einem Mythos verwahrt Hathor über Nacht Re in ihrem Leib und gebärt ihn jeden Morgen neu.<ref>F. Atiya, Abeer el-Shahawy: ''Das Ägyptische Museum von Kairo. ...'' Gizeh 2005, S. 173, rechte Spalte, 11. Z.&nbsp;v.&nbsp;u.</ref> In anderen Mythen ist Hathor das Auge des Re selbst.


Im Neuen Reich wird Re entsprechend mit dem [[Epitheton]] [[Wikipedia:Kamutef|Kamutef]] als „Stier seiner Mutter“ genannt, der sich „durch Hathor selbst zeugte“. Damit repräsentiert Hathor das weibliche Element des göttlichen Königtums und ermöglicht so die zyklische [[Reinkarnation|Wiedergeburt]] des Königs als ursprünglich herrschender [[Horus]].<ref>Lana Troy: ''Patterns of queenship in ancient Egyptian myth and history''. Almqvist & Wiksell International, Stockholm 1986, ISBN 91-554-1919-4, S.&nbsp;21–22&nbsp;und&nbsp;S.&nbsp;54–59.</ref>
Die Gedankengänge zur Anarchie entstanden bereits im Altertum. Der eigentliche Begriff ''„Anarchie“'' entstand erst im 19. Jahrhundert als Gegenbewegung und politisches Gegenkonzept zur [[Monarchie]] und zur [[Demokratie]]. Ursprünglich bedeutete Anarchie in der griechischen [[Antike]] die Abwesenheit des Alleinherrschers ([[Archon (Amt)|Archon]]).


Im Mythos „Die Vernichtung der Menschheit“ ist Re über die Schlechtigkeit der Menschen enttäuscht und schickt [[Wikipedia:Sachmet|Sachmet]], um die bösen Menschen zu töten. Sachmet verfällt jedoch in einen Blutrausch und tötet immer mehr Menschen. Durch einen Plan des [[Thot]] wird Sachmet betrunken gemacht, um sie aufzuhalten und während sie schläft, verwandelt Re sie in Hathor.
Die Dichter [[Homer]] (8. Jahrhundert v. Chr.) und [[Herodot]] (490 bis etwa 420/25 v. Chr.) nennen Anarchia eine Gruppe Menschen oder Soldaten „ohne Anführer“. Bei [[Xenophon]] (um 580 bis 480 v. Chr.) wird der Begriff erstmals für Herrscherlosigkeit verwendet: die „Anarchia“ ist ein Zeitraum ohne obersten Staatsbeamten, den ''Archon''.<ref name="Schmück">[http://dadaweb.de/wiki/Anarchie_-_Zur_Geschichte_eines_Reiz-_und_Schlagwortes Jochen Schmück: ''„Anarchie – Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes“''] im [[Lexikon der Anarchie]], abgerufen 30. April 2008</ref> [[Euripides]] (480-407 v. Chr.) bezeichnet damit Seeleute ohne Leiter. [[Aristoteles]] (384 bis 322 v. Chr.) beschrieb Anarchie als „Situation von Sklaven ohne Herren“. [[Max Nettlau]] sieht hingegen die bloße Existenz des Wortes „An-Archia“ als Beleg, {{"|dass Personen vorhanden waren, die bewusst die Herrschaft, den Staat verwarfen}}, und {{"|erst als dieselben bekämpft und verfolgt wurden, haftete diese Bezeichnung an ihnen im Sinn der der bestehenden Ordnung gefährlichsten Rebellen}}.<ref>[http://dadaweb.de/index.php?title=Anarchie Jochen Schmück: ''Anarchie- Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes''] Zit. n. Max Nettlau: „Geschichte der Anarchie“, Bd. I: „Der Vorfrühling der Anarchie. Ihre historische Entwicklung von den Anfängen bis zum Jahre 1864“ Berlin 1925 [erw. Reprint o.O.: Bibliothek Thélème 1993], S. 17. Christian Meier ist der Ansicht, dass die negative Bedeutung, die der Begriff „Anarchie“ schon in der griechischen Antike erlangte, sich auf die Existenz {{"|konkreter anarchistischer Gruppen}} zurückführen lässt. Diese Gruppen vertraten jedoch nach seiner Auffassung keine erklärt anti-etatistischen Auffassungen, vielmehr handelte es sich bei ihnen um die {{"|wild brüllende Herrenlosigkeit eines Volksauflaufs}} oder um die {{"|freche Unbeherrschtheit eines Matrosenlagers}}. Vgl. Ludz/Meier: „Anarchie, Anarchismus, Anarchist“, S. 50.</ref>


== Bedeutung und Kult ==
Das lateinische Lehnwort ''„anarchia“'', das dem antiken Rom nicht bekannt war, taucht zum ersten Mal im Mittelalter auf und wird in seiner negativen Bedeutung verwendet: [[Niccolò Machiavelli]] nutzt den Begriff Anarchie zur Beschreibung von Degenerationserscheinungen der Demokratie. Machiavellis Staatstheorie unterscheidet [[Politik (Aristoteles)#Staatsformenlehre|in Anlehnung an Aristoteles]] zwischen drei positiven (Monarchie, Aristokratie und Demokratie) und drei negativen Herrschaftsformen (Tyrannei, Oligarchie und Anarchie).<ref name="Schmück" />
Als eine der ältesten altägyptischen Göttinnen trat sie später einige ihrer [[Symbol]]e und Funktionen an die jüngere [[Isis]] ab. Ihre enge Verbindung zu Isis besteht in den Gemeinsamkeiten als Mutter- und als Totengöttin. Seit dem [[Wikipedia:Neues Reich|Neuen Reich]] ist Hathor nur noch durch die hieroglyphische Beischrift von Isis zu unterscheiden.  


[[Datei:Hatschepsut-Tempel 16.JPG|mini|links|hochkant|Hathor als Kuh im [[Wikipedia:Totentempel der Hatschepsut|Totentempel der Hatschepsut]] von [[Wikipedia:Deir el-Bahari|Deir el-Bahari]]]]
Im deutschen Sprachraum wurde Anarchie wahrscheinlich erstmals im „Lexicon Philosophicon“ mit folgender Definition verwendet:
In ihren zahlreichen Funktionen galt sie auch als Beschützerin des Landes am [[Nil]], der Fremden, der Bergleute (beispielsweise in den [[Wikipedia:Pharao|königlichen]] Kupfer- und [[Wikipedia:Türkis (Mineral)|Türkisminen]] auf dem [[Wikipedia:Sinai-Halbinsel|Sinai]]), aller weiblichen Wesen und als Behüterin der Toten. Sie wurde auch als die Gemahlin des Horus angesehen.
{{Zitat-la|ANARCHIA est, quando in civitate nullus senatus, judicia, leges. Majus est malum, quam tyrannis|Übersetzung=ANARCHIE existiert, wenn es keinen Senat, kein Recht und kein Gesetz gibt. Sie ist von größerem Übel als die Tyrannei.|Quelle=Lexicon Philosophicum Terminorum Philosophis Usitatorum<ref>[http://diglib.hab.de/drucke/201-29-quod/start.htm Digitalisat], S. 69 | Joh. Micraelii Lexicon Philosophicum Terminorum Philosophis Usitatorum () Stetini 1661, Sp. 113</ref><ref>[http://dadaweb.de/wiki/Anarchie,_Anarchist_und_Anarchismus#cite_note-11 Übersetzung nach Jochen Schmück: ''Anarchie''].</ref>}}


[[Datei:La tombe de Horemheb (KV.57) (Vallée des Rois Thèbes ouest) -3.jpg|mini|Hathor-Darstellung im Grab des [[Wikipedia:Haremhab|Haremhab]]]]
Schon im 18. Jahrhundert wurde Anarchie in Lexika zur Beschreibung einer nicht deutlich ablehnend gewerteten Urform von vorstaatlicher Gemeinschaft und Gesellschaft herangezogen. [[Immanuel Kant]] definierte Anarchie als „''Gesetz und Freiheit ohne Gewalt''“. Während der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] wird die Personenbezeichnung „Anarchist“ erstmals mit negativer [[Konnotation]] versehen: Allem Anschein nach ist es der [[Girondisten|Girondist]] [[Jacques Pierre Brissot]], der ihn in einer Wahlrede vom 23. Mai 1793 zur Diskreditierung des politischen Gegners benutzt. Im gleichen Jahr formuliert [[William Godwin]] in seinem Werk ''„Enquiry concerning political justice“'', dass jedwede [[obrigkeit]]liche Gewalt als ein Eingriff in die private Urteilskraft anzusehen sei. Seine Ideen werden lange Zeit nicht aufgenommen. Erst [[Pierre-Joseph Proudhon]] bezeichnet sich selbst in positivem Sinne als Anarchist und stellt die wesentlichen Elemente des Anarchismus in seinem Werk ''„Qu’est-ce que la propriété?“'' zusammen. Er formuliert: {{"|''[[Eigentum]] ist [[Vermögensdelikt|Diebstahl]].''}}<ref>Pierre Joseph Proudhon: Was ist das Eigentum. Erste Denkschrift. Untersuchungen über den Ursprung und die Grundlagen des Rechts und der Herrschaft, aus d. Frz. v. Alfons Feder Cohn, dt. Erstveröfftl. Berlin 1896 Neuveröffentlichung Monte Verita (1992), ISBN 978-3-900434-30-4, S. 219.</ref>
Der Göttin Hathor wurde unter anderem ''jrp'' (irep) –&nbsp;Wein in Krügen&nbsp;– geopfert, galt doch dieses [[Ethanol|alkoholische]] Getränk als Symbol des [[Blut]]es und der Kraft der Wiederauferstehung nach dem Tode. So wurde Hathor auch „Herrin der Trunkenheit“ genannt.<ref>F. Atiya, Abeer el-Shahawy: ''Das Ägyptische Museum von Kairo. ...'' Gizeh 2005, S. 135, 12. Z.&nbsp;v.&nbsp;u.</ref>


Hathor wurde an vielen Orten im [[Altes Ägypten|Alten Ägypten]] verehrt, darunter in [[Wikipedia:Theben (Ägypten)|Theben]], [[Wikipedia:Memphis (Ägypten)|Memphis]], [[Wikipedia:Sais|Sais]] und [[Wikipedia:Abu Simbel|Abu Simbel]], wobei Dendera seit dem [[Wikipedia:Altes Reich (Ägypten)|Alten Reich]] als ihr Hauptkultort gilt. Aber auch im Ausland fand die Göttin Verehrung: in [[Wikipedia:Byblos|Byblos]], [[Wikipedia:Libanon|Libanon]] und [[Wikipedia:Timna (Israel)|Timna]].<ref>Rolf Felde: ''Ägyptische Gottheiten''. 2. erweiterte und verbesserte Auflage, R. Felde Eigenverlag, Wiesbaden 1995, S.&nbsp;22.</ref>
Im deutschsprachigen Raum sprach sich [[Ludwig Börne]] als erster für Anarchie in der Gesellschaft aus:
Zusammen mit [[Wikipedia:Behedeti|Horus von Edfu]] und den Söhnen [[Wikipedia:Ihi|Ihi]] (Sistrumgott) und [[Wikipedia:Semataui|Harsomtus]] (Vereiniger der beiden Länder) bildet Hathor in Dendera eine Familie. In Theben gehörte sie zur dortigen Götterneunheit. In [[Wikipedia:Kom Ombo|Kom Ombo]] bildete Hathor mit [[Wikipedia:Sobek (ägyptische Mythologie)|Sobek]] und ihrem Sohn [[Wikipedia:Chons|Chons]] eine [[Trias (Religion)|Triade]].
{{Zitat|Nicht darauf kommt es an, daß die Macht in dieser oder jener Hand sich befinde: die Macht selbst muß vermindert werden, in welcher Hand sie sich auch befinde. Aber noch kein Herrscher hat die Macht, die er besaß, und wenn er sie auch noch so edel gebrauchte, freiwillig schwächen lassen. Die Herrschaft kann nur beschränkt werden, wenn sie herrenlos – Freiheit geht nur aus Anarchie hervor. Von dieser Notwendigkeit der [[Revolution]] dürfen wir das Gesicht nicht abwenden, weil sie so traurig ist. Wir müssen als Männer der Gefahr fest ins Auge blicken und dürfen nicht zittern vor dem Messer des Wundarztes. Freiheit geht nur aus Anarchie hervor – das ist unsere Meinung, so haben wir die Lehren der Geschichte verstanden.|nach Gustav Landauer|„Börne und der Anarchismus“<ref>[http://dadaweb.de/index.php?title=Anarchie Jochen Schmück: ''Anarchie- Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes''] Zit. n. Gustav Landauer: „Börne und der Anarchismus“ (Erstveröffentlichung in: Sozialistische Monatshefte, Nr. 2, 1900), in: ders.: [[Erkenntnis und Befreiung]]. Ausgewählte Reden und Aufsätze, Frankfurt a. M. 1976, S. 20)</ref>}}
 
In der [[Wikipedia:Interpretatio Graeca|Interpretatio Graeca]] wurde Hathor mit [[Aphrodite]] identifiziert.<ref>Wilhelm Drexler: ''Hathor''. In: ''Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie.'' Leipzig 1890, S. 1862.</ref>
 
== Hathorsäule ==
[[Datei:DenderaTempleHypostyleHallHathor.jpg|mini|hochkant|[[Wikipedia:Hathorsäule|Hathorsäule]] im [[Wikipedia:Tempel von Dendera|Tempel von Dendera]]]]
Die [[Wikipedia:Hathorsäule|Hathorsäule]], welche auch Sistrumsäule genannt wird, ist eine trommelförmige [[Wikipedia:Säule|Säule]] mit einem Hathor[[Wikipedia:kapitell|kapitell]] bei dem an allen vier Seiten das Gesicht der Göttin Hathor gezeigt wird und einem blockförmigen Aufsatz ([[Wikipedia:Sistrum|Sistrum]]).  
 
=== Tempel der Hathor ===
Dieser Göttin war, ebenso wie der [[Wikipedia:Tempel von Dendera|Tempel von Dendera]], der von [[Wikipedia:Ramses II.|Ramses II.]] für seine Frau [[Wikipedia:Nefertari (19. Dynastie)|Nefertari]] erbaute [[Wikipedia:Tempel von Abu Simbel#Kleiner Tempel|zweite Tempel von Abu Simbel]] geweiht. Auch der kleine [[Wikipedia:Tempel von Deir el-Medina|Tempel von Deir el-Medina]] war hauptsächlich Hathor gewidmet.
 
Die Priesterinnen der Hathor wurden „[[Wikipedia:Hathore|Hathore]]“ genannt. Hathoren waren Tänzerinnen, Sängerinnen und Musikerinnen und dieser Begriff bezeichnete später weissagende Frauen und Prophetinnen. Beispielsweise diente auch dem Pharao [[Wikipedia:Cheops|Cheops]] eine Hathore als persönliche [[Prophet]]in, die Hathor- und [[Neith (Ägyptische Mythologie)|Neith]]-Priesterin [[Wikipedia:Hetepheres|Hetepheres]].


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Wikipedia:Hathor-Fest|Hathor-Fest]]
* {{WikipediaDE|Anarchie}}
* [[Wikipedia:Liste ägyptischer Götter|Liste ägyptischer Götter]]
* {{WikipediaDE|Liste bekannter Anarchisten}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Wikipedia:Hans Bonnet (Ägyptologe)|Hans Bonnet]]: ''Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte.'' 3., unveränderte Auflage, Nikol, Hamburg 2000, ISBN 3-937872-08-6, S. 277–282.
 
* [[Wikipedia:Wilhelm Drexler|Wilhelm Drexler]]: ''Hathor.'' In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): ''Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie.'' Band 1,2, Teubner, Leipzig 1890, Spalte 1850–1869 ([http://www.archive.org/stream/ausfhrlichesle0102rosc#page/n208/mode/1up Digitalisat]).
* Achim von Borries, Ingeborg Weber-Brandies (Hrsg.): ''ANARCHISMUS - Theorie, Kritik, Utopie.'' Verlag Graswurzelrevolution, Nettersheim 2007, ISBN 978-3-939045-00-7. (Textsammlung). [http://graswurzel.net/verlag/a.shtml Buchvorstellung] auf graswurzel.net.
* [[Wikipedia:Adolf Erman|Adolf Erman]]: ''Die Aegyptische Religion.'' Reimer, Berlin 1909.
* Harold Barclay, Jochen Schmück, Cornelia Krasser, Cornelia Kasteleiner: ''Völker ohne Regierung: Eine Anthropologie der Anarchie.'' Libertad Verlag, 1985. ISBN 3-922226-10-8.
* [[Wikipedia:Joe Heydecker]]: ''Die Schwestern der Venus, Die Frau in den Mythen und Religionen.'' Heyne, München 1994, ISBN 3-453-07824-1.
* Pierre Clastres, Karl Markus Michel, Jürgen Habermas, Dieter Henrich, Jacob Taubes, Eva Moldenhauer: ''Staatsfeinde. Studien zur politischen Anthropologie.'' 1. Auflage. Suhrkamp Verlag, 1976, ISBN 3-518-06397-9.
* [[Wikipedia:Erik Hornung|Erik Hornung]]: ''Der eine und die Vielen: ägyptische Gottesvorstellungen.'' 5. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-05051-7.
* Bernd Drücke: ''Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland.'' Verlag Klemm & Oelschläger, Ulm 1998, ISBN 3-932577-05-1.
* Farid Atiya, Abeer el-Shahawy: ''Das Ägyptische Museum von Kairo. Ein Streifzug durch das Alte Ägypten.'' Farid Atiya Press, [[Wikipedia:Gizeh|Gizeh]] 2005 (Übersetzung aus dem Englischen: Evelyn Posch), ohne ISBN.
* Meyer Fortes, Edward E. Evans-Pritchard (Hrsg.): ''African Political Systems.'' Oxford 1940.
* Gruppe Gegenbilder: ''Autonomie und Kooperation.'' SeitenHieb-Verlag, Reiskirchen 2005, ISBN 3-86747-001-4.
* Robert Graham (Hrsg.): ''ANARCHISM. A Docoumentray History of Libertarian Ideas.''
** Volume 1: ''From Anarchy to Anarchism (300CE to 1939).'' Black Rose Books, Montreal/ New York/ London 2005, ISBN 1-55164-250-6. [http://blackrosebooks.net/anarism1.htm Inhaltsübersicht] auf blackrosebooks.net.
** Volume 2: ''The Emergence of the New Anarchism (1939–1977).'' [http://blackrosebooks.net/anarv2.htm Inhaltsübersicht] Black Rose Books, Montreal/ New York/ London 2008, ISBN 978-1-55164-310-6.
** Volume 3: ''The Birth of 21st Century Anarchism (1977–2009).''
* Gustav Landauer: ''Internationalismus.'' Ausgewählte Schriften Band 1. Hg. Siegbert Wolf. Verlag Edition AV, Lich 2008, ISBN 978-3-936049-96-1.
* Rüdiger Haude, Thomas Wagner: ''Herrschaftsfreie Institutionen: Studien zur Logik ihrer Symbolisierungen und zur Logik ihrer theoretischen Leugnung.'' Nomos, Baden-Baden 1999, ISBN 3-7890-5955-2.
* Fritz Kramer, Christian Sigrist: ''Gesellschaften ohne Staat I. Gleichheit und Gegenseitigkeit.'' Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1983, ISBN 3-434-46006-3.
* Fritz Kramer, Christian Sigrist: ''Gesellschaften ohne Staat II. Genealogie und Solidarität.'' Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1987, ISBN 3-434-46020-9.
* Silke Lohschelder (Hrsg.): ''AnarchaFeminismus. Auf den Spuren einer Utopie.'' Münster 2000, ISBN 3-89771-200-8.
* Thomas Paine: ''Common Sense.'' Verlag Reclam, Ditzingen 1982, ISBN 3-15-007818-0.
* Michel Ragon: ''Das Gedächtnis der Besiegten.'' (Roman), Verlag [[Edition AV]], Lich 2006, ISBN 3-936049-66-1.
* Christian Sigrist: ''Regulierte Anarchie: Untersuchungen zum Fehlen und zur Entstehung politischer Herrschaft in segmentären Gesellschaften Afrikas.'' 3. Auflage. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1994, ISBN 3-434-46216-3.
* ''Was ist eigentlich Anarchie? – Einführung in Theorie und Geschichte des Anarchismus.'' Karin Kramer Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-87956-700-X.
* Horst Stowasser: ''ANARCHIE! Idee, Geschichte, Perspektiven.'' Edition Nautilus, Hamburg 2007, ISBN 978-3-89401-537-4.
* Horst Stowasser: ''Freiheit pur. Die Idee der Anarchie, Geschichte und Zukunft.'' Eichborn Verlag, Frankfurt (Main) 1995, ISBN 3-8218-0448-3 [http://mama-anarchija.net/media/downloads/FreiheitPurPlus4-2007.pdf „Freiheit pur“ als 2007 überarbeitete und erweiterte pdf]
* Nicolas Walter: ''Betrifft: Anarchismus. Leitfaden in die Herrschaftslosigkeit.'' (mit Bibliographie anarchistischer Literatur), Libertad Verlag, Berlin (jetzt: Potsdam) 1984, ISBN 3-922226-03-5.
* Michael Wilk: ''Macht, Herrschaft, Emanzipation.'' Trotzdem Verlag, 1999, ISBN 3-931786-16-1.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Hathor|Hathor}}
 
{{Wikiquote}}
{{Wiktionary}}
{{Commonscat|Anarchism|Anarchismus|3=S}}
{{Commonscat|Anarchists|Anarchisten|3=S}}
* [http://deu.anarchopedia.org/ Anarchopedia]
* [http://anarchie.de/ anarchie.de]
* [http://dadaweb.de/ DadA]. In der Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus (DadA) mit [http://lexikon-der-anarchie.de/ Lexikon der Anarchie]
* [http://bibliothekderfreien.de/ Bibliothek der Freien] im Haus der Demokratie
* [http://anarchismus.de/ Anarchismus.de]
* [http://anarchismus.at/ Anarchismus.at]
* [http://projektwerkstatt.de/anarchie Anarchie-Zitate und Debatten]
* [http://anarchism.pageabode.com/afaq/index.html An Anarchist FAQ] Ständig erweiterter, umfangreichster Text zum Anarchismus (eng.)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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[[Kategorie:Ägyptische Mythologie]]
[[Kategorie:Staatsform]]
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[[Kategorie:Herrschaftsform]]
[[Kategorie:Weibliche Gottheit]]


{{Wikipedia}}
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Version vom 1. September 2017, 03:52 Uhr

Anarchie bezeichnet einen Zustand der Abwesenheit von Herrschaft. Er findet hauptsächlich in der politischen Philosophie Verwendung, wo der Anarchismus für eine solche soziale Ordnung wirbt.

Landläufig wird Anarchie auch mit einem durch die Abwesenheit von Staat und institutioneller Gewalt bedingten Zustand gesellschaftlicher Unordnung, Gewaltherrschaft und Gesetzlosigkeit beschrieben und vor allem in den Medien häufig im Schlagwort „Chaos und Anarchie“ verwendet. Die tatsächliche Bezeichnung für einen solchen Zustand ist jedoch Anomie.

Übersicht

Der Schriftsteller William Godwin

Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs in der Antike wurde im Laufe der letzten Jahrhunderte in verschiedenartigen philosophischen und humanwissenschaftlichen Denkschulen überformt, die vielgestaltige Gesellschaftsordnungen mit dem Wort „Anarchie“ benennen. Hier sind vor allem die Denkschulen des Anarchismus, in der Anarchie als politische Utopie entwickelt und umzusetzen versucht wird, sowie Vertreter der Sozialanthropologie und der politischen Anthropologie zu nennen, die Gesellschaftsordnungen von bestimmten indigenen Völkern als Anarchien charakterisieren. Entsprechende Kulturen indigener Völker werden von Ethnologen wie Marshall Sahlins als gleichwertig zur westlichen Kultur angesehen.

Allen obigen Anarchien gemeinsam ist per Definition die Abwesenheit von Herrschaft, die als repressiver Modus von Macht verstanden werden kann.[1] Demnach sind bestimmte Machtverhältnisse wie die Beeinflussung durch freiwillig angenommene Autoritäten (Mentoren, Trainer, Berater, etc.) mit Anarchie vereinbar, werden aber nicht durch Repression erzwungen. Insbesondere existiert in Anarchien keine lenkende Zentralgewalt, also kein Staat. Bekannte Anarchien sind dennoch von sozialen Normen und Regeln geprägt, unter anderem zur institutionalisierten Abwehr der Entstehung von Herrschaft.

Neben der Politischen Theorie ist der Begriff der Anarchie als Beschreibung in die Internationalen Beziehungen eingegangen. Alle Metatheorien dieser Disziplin nehmen in unterschiedlichem Maße an, dass Anarchie in den Internationalen Beziehungen bestehe, da es keine weltweite Regulierungsinstanz gebe.

Begriffsgeschichte

Der Politiker Niccolò Machiavelli

Etymologisch wird der Begriff zurückgeführt auf altgr. ἀναρχία anarchía ‚Herrschaftslosigkeit‘; einer Wortbildung aus verneinendem Alpha privativum und ἀρχία archía ‚Herrschaft‘.

Im Laufe der Zeit wurde das Wort „Anarchie“ neutral zur Beschreibung eines Zustandes und zuweilen abwertend zur Beschreibung eines unerwünschten Sachverhaltes verwendet, bevor es schließlich zur Beschreibung eines erwünschten Gesellschaftsmodells diente.

Die Gedankengänge zur Anarchie entstanden bereits im Altertum. Der eigentliche Begriff „Anarchie“ entstand erst im 19. Jahrhundert als Gegenbewegung und politisches Gegenkonzept zur Monarchie und zur Demokratie. Ursprünglich bedeutete Anarchie in der griechischen Antike die Abwesenheit des Alleinherrschers (Archon).

Die Dichter Homer (8. Jahrhundert v. Chr.) und Herodot (490 bis etwa 420/25 v. Chr.) nennen Anarchia eine Gruppe Menschen oder Soldaten „ohne Anführer“. Bei Xenophon (um 580 bis 480 v. Chr.) wird der Begriff erstmals für Herrscherlosigkeit verwendet: die „Anarchia“ ist ein Zeitraum ohne obersten Staatsbeamten, den Archon.[2] Euripides (480-407 v. Chr.) bezeichnet damit Seeleute ohne Leiter. Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.) beschrieb Anarchie als „Situation von Sklaven ohne Herren“. Max Nettlau sieht hingegen die bloße Existenz des Wortes „An-Archia“ als Beleg, „dass Personen vorhanden waren, die bewusst die Herrschaft, den Staat verwarfen“, und „erst als dieselben bekämpft und verfolgt wurden, haftete diese Bezeichnung an ihnen im Sinn der der bestehenden Ordnung gefährlichsten Rebellen“.[3]

Das lateinische Lehnwort „anarchia“, das dem antiken Rom nicht bekannt war, taucht zum ersten Mal im Mittelalter auf und wird in seiner negativen Bedeutung verwendet: Niccolò Machiavelli nutzt den Begriff Anarchie zur Beschreibung von Degenerationserscheinungen der Demokratie. Machiavellis Staatstheorie unterscheidet in Anlehnung an Aristoteles zwischen drei positiven (Monarchie, Aristokratie und Demokratie) und drei negativen Herrschaftsformen (Tyrannei, Oligarchie und Anarchie).[2]

Im deutschen Sprachraum wurde Anarchie wahrscheinlich erstmals im „Lexicon Philosophicon“ mit folgender Definition verwendet:

„ANARCHIA est, quando in civitate nullus senatus, judicia, leges. Majus est malum, quam tyrannis“

„ANARCHIE existiert, wenn es keinen Senat, kein Recht und kein Gesetz gibt. Sie ist von größerem Übel als die Tyrannei.“

– Lexicon Philosophicum Terminorum Philosophis Usitatorum[4][5]

Schon im 18. Jahrhundert wurde Anarchie in Lexika zur Beschreibung einer nicht deutlich ablehnend gewerteten Urform von vorstaatlicher Gemeinschaft und Gesellschaft herangezogen. Immanuel Kant definierte Anarchie als „Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“. Während der Französischen Revolution wird die Personenbezeichnung „Anarchist“ erstmals mit negativer Konnotation versehen: Allem Anschein nach ist es der Girondist Jacques Pierre Brissot, der ihn in einer Wahlrede vom 23. Mai 1793 zur Diskreditierung des politischen Gegners benutzt. Im gleichen Jahr formuliert William Godwin in seinem Werk „Enquiry concerning political justice“, dass jedwede obrigkeitliche Gewalt als ein Eingriff in die private Urteilskraft anzusehen sei. Seine Ideen werden lange Zeit nicht aufgenommen. Erst Pierre-Joseph Proudhon bezeichnet sich selbst in positivem Sinne als Anarchist und stellt die wesentlichen Elemente des Anarchismus in seinem Werk „Qu’est-ce que la propriété?“ zusammen. Er formuliert: „Eigentum ist Diebstahl.[6]

Im deutschsprachigen Raum sprach sich Ludwig Börne als erster für Anarchie in der Gesellschaft aus:

„Nicht darauf kommt es an, daß die Macht in dieser oder jener Hand sich befinde: die Macht selbst muß vermindert werden, in welcher Hand sie sich auch befinde. Aber noch kein Herrscher hat die Macht, die er besaß, und wenn er sie auch noch so edel gebrauchte, freiwillig schwächen lassen. Die Herrschaft kann nur beschränkt werden, wenn sie herrenlos – Freiheit geht nur aus Anarchie hervor. Von dieser Notwendigkeit der Revolution dürfen wir das Gesicht nicht abwenden, weil sie so traurig ist. Wir müssen als Männer der Gefahr fest ins Auge blicken und dürfen nicht zittern vor dem Messer des Wundarztes. Freiheit geht nur aus Anarchie hervor – das ist unsere Meinung, so haben wir die Lehren der Geschichte verstanden.“

nach Gustav Landauer: „Börne und der Anarchismus“[7]

Siehe auch

Literatur

  • Achim von Borries, Ingeborg Weber-Brandies (Hrsg.): ANARCHISMUS - Theorie, Kritik, Utopie. Verlag Graswurzelrevolution, Nettersheim 2007, ISBN 978-3-939045-00-7. (Textsammlung). Buchvorstellung auf graswurzel.net.
  • Harold Barclay, Jochen Schmück, Cornelia Krasser, Cornelia Kasteleiner: Völker ohne Regierung: Eine Anthropologie der Anarchie. Libertad Verlag, 1985. ISBN 3-922226-10-8.
  • Pierre Clastres, Karl Markus Michel, Jürgen Habermas, Dieter Henrich, Jacob Taubes, Eva Moldenhauer: Staatsfeinde. Studien zur politischen Anthropologie. 1. Auflage. Suhrkamp Verlag, 1976, ISBN 3-518-06397-9.
  • Bernd Drücke: Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland. Verlag Klemm & Oelschläger, Ulm 1998, ISBN 3-932577-05-1.
  • Meyer Fortes, Edward E. Evans-Pritchard (Hrsg.): African Political Systems. Oxford 1940.
  • Gruppe Gegenbilder: Autonomie und Kooperation. SeitenHieb-Verlag, Reiskirchen 2005, ISBN 3-86747-001-4.
  • Robert Graham (Hrsg.): ANARCHISM. A Docoumentray History of Libertarian Ideas.
    • Volume 1: From Anarchy to Anarchism (300CE to 1939). Black Rose Books, Montreal/ New York/ London 2005, ISBN 1-55164-250-6. Inhaltsübersicht auf blackrosebooks.net.
    • Volume 2: The Emergence of the New Anarchism (1939–1977). Inhaltsübersicht Black Rose Books, Montreal/ New York/ London 2008, ISBN 978-1-55164-310-6.
    • Volume 3: The Birth of 21st Century Anarchism (1977–2009).
  • Gustav Landauer: Internationalismus. Ausgewählte Schriften Band 1. Hg. Siegbert Wolf. Verlag Edition AV, Lich 2008, ISBN 978-3-936049-96-1.
  • Rüdiger Haude, Thomas Wagner: Herrschaftsfreie Institutionen: Studien zur Logik ihrer Symbolisierungen und zur Logik ihrer theoretischen Leugnung. Nomos, Baden-Baden 1999, ISBN 3-7890-5955-2.
  • Fritz Kramer, Christian Sigrist: Gesellschaften ohne Staat I. Gleichheit und Gegenseitigkeit. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1983, ISBN 3-434-46006-3.
  • Fritz Kramer, Christian Sigrist: Gesellschaften ohne Staat II. Genealogie und Solidarität. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1987, ISBN 3-434-46020-9.
  • Silke Lohschelder (Hrsg.): AnarchaFeminismus. Auf den Spuren einer Utopie. Münster 2000, ISBN 3-89771-200-8.
  • Thomas Paine: Common Sense. Verlag Reclam, Ditzingen 1982, ISBN 3-15-007818-0.
  • Michel Ragon: Das Gedächtnis der Besiegten. (Roman), Verlag Edition AV, Lich 2006, ISBN 3-936049-66-1.
  • Christian Sigrist: Regulierte Anarchie: Untersuchungen zum Fehlen und zur Entstehung politischer Herrschaft in segmentären Gesellschaften Afrikas. 3. Auflage. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1994, ISBN 3-434-46216-3.
  • Was ist eigentlich Anarchie? – Einführung in Theorie und Geschichte des Anarchismus. Karin Kramer Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-87956-700-X.
  • Horst Stowasser: ANARCHIE! Idee, Geschichte, Perspektiven. Edition Nautilus, Hamburg 2007, ISBN 978-3-89401-537-4.
  • Horst Stowasser: Freiheit pur. Die Idee der Anarchie, Geschichte und Zukunft. Eichborn Verlag, Frankfurt (Main) 1995, ISBN 3-8218-0448-3 „Freiheit pur“ als 2007 überarbeitete und erweiterte pdf
  • Nicolas Walter: Betrifft: Anarchismus. Leitfaden in die Herrschaftslosigkeit. (mit Bibliographie anarchistischer Literatur), Libertad Verlag, Berlin (jetzt: Potsdam) 1984, ISBN 3-922226-03-5.
  • Michael Wilk: Macht, Herrschaft, Emanzipation. Trotzdem Verlag, 1999, ISBN 3-931786-16-1.

Weblinks

 Wikiquote: Anarchie – Zitate
 Wiktionary: Anarchie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Anarchismus - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
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Einzelnachweise

  1. Haude/Wagner: Herrschaftsfreie Institutionen, S. 58.
  2. 2,0 2,1 Jochen Schmück: „Anarchie – Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes“ im Lexikon der Anarchie, abgerufen 30. April 2008
  3. Jochen Schmück: Anarchie- Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes Zit. n. Max Nettlau: „Geschichte der Anarchie“, Bd. I: „Der Vorfrühling der Anarchie. Ihre historische Entwicklung von den Anfängen bis zum Jahre 1864“ Berlin 1925 [erw. Reprint o.O.: Bibliothek Thélème 1993], S. 17. Christian Meier ist der Ansicht, dass die negative Bedeutung, die der Begriff „Anarchie“ schon in der griechischen Antike erlangte, sich auf die Existenz „konkreter anarchistischer Gruppen“ zurückführen lässt. Diese Gruppen vertraten jedoch nach seiner Auffassung keine erklärt anti-etatistischen Auffassungen, vielmehr handelte es sich bei ihnen um die „wild brüllende Herrenlosigkeit eines Volksauflaufs“ oder um die „freche Unbeherrschtheit eines Matrosenlagers“. Vgl. Ludz/Meier: „Anarchie, Anarchismus, Anarchist“, S. 50.
  4. Digitalisat, S. 69 | Joh. Micraelii Lexicon Philosophicum Terminorum Philosophis Usitatorum (…) Stetini 1661, Sp. 113
  5. Übersetzung nach Jochen Schmück: Anarchie.
  6. Pierre Joseph Proudhon: Was ist das Eigentum. Erste Denkschrift. Untersuchungen über den Ursprung und die Grundlagen des Rechts und der Herrschaft, aus d. Frz. v. Alfons Feder Cohn, dt. Erstveröfftl. Berlin 1896 Neuveröffentlichung Monte Verita (1992), ISBN 978-3-900434-30-4, S. 219.
  7. Jochen Schmück: Anarchie- Zur Geschichte eines Reiz- und Schlagwortes Zit. n. Gustav Landauer: „Börne und der Anarchismus“ (Erstveröffentlichung in: Sozialistische Monatshefte, Nr. 2, 1900), in: ders.: Erkenntnis und Befreiung. Ausgewählte Reden und Aufsätze, Frankfurt a. M. 1976, S. 20)


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