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'''Neugier''' (auch '''Neugierde''') ist das als ein Reiz auftretende Verlangen, Neues zu erfahren und insbesondere, Verborgenes kennenzulernen.<ref>Johannes Hoffmeister: Wörterbuch philosophische der Begriffe. Meiner, Hamburg 1955, Lemma Neugier.</ref>
[[Kategorie:Aufgeklärter Absolutismus|!]]
 
[[Kategorie:Staatsform]]
== Abgrenzungen ==
[[Kategorie:Herrschaftsform]]
Neugier kann ausgerichtet sein auf permanent wechselnde Ereignisse, um dadurch eine Lust an [[Sensation]]en befriedigen zu können. Bei dieser Begriffsvariante sind emotionale und motivierende Anteile hoch.
[[Kategorie:Aufklärung]]
 
[[Kategorie:Monarchie]]
Ist die Neugier auf ein [[Interesse (Psychologie)|Interesse]] an [[Wissen]] ausgerichtet, stehen forschungs- oder verstandesmäßige Anteile im Vordergrund. Diese Form der Neugier wird auch '''Wissbegierde''' genannt (historisch ''Philomathie'' von gr. ''philomathía'').
 
Krankhafte Neugier wird [[Skopophilie]] genannt.<ref>''[https://www.duden.de/rechtschreibung/Skopophilie Skopophilie]'' = krankhafte Neugier, Duden.</ref>
 
== Kulturgeschichte ==
Seit jeher machen Menschen die Erfahrung, dass die Erkundung von Neuem oft mit Gefahren verbunden ist, aber auch Chancen eröffnet. Angst ist dabei nicht in jedem Fall ein dämpfender Faktor für die Neugier, sondern kann sie auch beflügeln, – etwa als Suche nach dem [[Kick (Psychologie)|„ultimativen Kick“]] in der heutigen [[Freizeitgesellschaft]].
 
Für [[Herodot]] war die Neugier nach historischen Zusammenhängen das Hauptmotiv dafür, Geschichtsschreiber zu werden. Für die ionischen [[Naturphilosoph]]en war sie der Antrieb, „hinter die Dinge“ schauen zu wollen, ebenso für [[Platon]], für den das „[[Staunen]]“ (griechisch „thaumazein“) den Anfang aller [[Philosophie]] darstellte. Zitat:
 
{{Zitat|Das Staunen ist die Einstellung eines Mannes, der die Weisheit wahrhaft liebt, ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen.|Platon|''[[Theaitetos]]'' 155 D}}
 
Der Ägyptologe [[Jan Assmann]] charakterisiert die kulturelle Begegnung des antiken Griechenland mit Ägypten als eine ''einseitige Neugier'': In einer Rezension seiner Studie ''Weisheit und Mysterium'' heißt es dazu:
 
{{Zitat|An den Beispielen erkennt man schon, dass unterschiedlicher zwei benachbarte Kulturen kaum sein können. Doch zogen sie einander an. Ob es um Theologie und Priestertum ging, um die Verfasstheit von Staat und Gesellschaft, um den Umgang mit Vergangenheit und Geschichte, um das Medium der Schrift oder um das Verhältnis zu Tod und Ewigkeit: Assmann zeigt, dass Griechen und Ägypter sich austauschten, einander umwarben, missverstanden, sich voneinander abgrenzten.|ref=<ref>[http://www.berliner-zeitung.de/archiv/jan-assmann-ueber-das-bild-der-griechen-von-aegypten-einseitige-neugier,10810590,9838808.html Einseitige Neugier.] In: Berliner Zeitung vom 20. September 2000</ref>}}
 
[[Augustinus von Hippo|Augustinus]] verortet das Zentrum der Neugier in den Augen. Das Sehen habe stärker als andere Sinne die Tendenz, in die Ferne zu schweifen. Es gehe über den Körper und die unmittelbare Umgebung des jeweiligen Menschen hinaus, könne aber genauso ein Vorausschauen und Zurückblicken sein und damit die Gegenwart transzendieren. Doch letzten Endes bleibt für ihn die Neugier ein Laster:
 
{{Zitat|Und die Neu-Gier tarnt sich als Wissensdrang, obwohl doch höchste Erkenntnis um alles bei Dir ist. Habsucht will viel besitzen; aber Du hast allen Reichtum um dich versammelt.|ref=<ref>Augustinus: ''Bekenntnisse'' (Confessiones), 397-401. Zweites Buch: Über die Laster.</ref>}}
 
Im Mittelalter zählt [[Thomas v. Aquin]] die Neugier ([[curiositas]]) zu den [[Laster]]n, die er der Tugend der Wissbegier ([[studiositas]]) gegenüberstellt.<ref>[[Summa theologiae]], Teil II-II, Qu. 166, Art. 1-2</ref>
 
[[Datei:H Hoffmann Struwwel 07.jpg|mini|Neugier und Gefahr, Paulinchen aus Struwwelpeter]]
 
In der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts wurde die Neugier hauptsächlich als eine weibliche Eigenschaft angesehen. In dem Buch [[Struwwelpeter]] von [[Heinrich Hoffmann]] wird die Neugier in der Geschichte von ''Paulinchen'' dargestellt, die den Titel trägt ''Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug''.<ref>Heinrich Hoffmann: Der Struwwelpeter. 56. Auflage. CBJ, München 1968, nicht paginiert.</ref> Ihr Experiment mit den [[Streichhölzer]]n endet tragisch. Auch das dem Bestseller folgende Buch ''Struwwelliese'' geht in diese Richtung. Was damals teilweise geächtet wurde, gilt heute oft als zeitgemäß: Eine Befriedigung der Neugier im [[Abenteuer]]tourismus oder in Gestalt sogenannter [[Grenzgänger (Psychologie)|„Grenzgänger“]].
 
=== Gegenwart ===
Der Autor, Kolumnist und [[Essay]]ist [[Harald Martenstein]] schrieb 2012:
 
{{Zitat|jede halbwegs interessante Person und jede alltägliche Handlung [ist] heute ein Gegenstand nahezu ununterbrochener Beobachtung […], nicht zuletzt wegen der Leserreporter, aber auch wegen der tausend Möglichkeiten des Internets und wegen der Handykameras. Vor allem aber deshalb, weil der Mensch ein neugieriges Wesen ist und weil die Neugierde, wie jedes Bedürfnis, sich in einer Warengesellschaft ökonomisch nutzen lässt. […] Vor der [[Tugend]]wacht ist niemand sicher, nicht der Jugendliche mit alterstypischem Erfahrungshunger, nicht der Ehemann auf Abwegen, auch nicht die junge Mutter.|ref=<ref>zeit.de 16. Juni 2012: [http://www.zeit.de/2012/24/DOS-Tugend/komplettansicht Der Terror der Tugend. - Du sollst nicht rauchen. Du sollst keine Geheimnisse haben. Du sollst tun, was alle tun. Und denk daran: Du wirst beobachtet! Wie der Glaube an das aufgezwungene Gute mithilfe von Gesetzen, Verordnungen und medialer Überwachung eine moderne Diktatur erschafft.]</ref>}}
 
== Psychologie ==
In der [[Persönlichkeitspsychologie]] gilt (intellektuelle) Neugier als wichtiger Teilaspekt der [[Persönlichkeitseigenschaft]] [[Offenheit (Psychologie)|Offenheit]] (''openness''). Sie ist eingebettet in das breitere Konzept der Offenheit für vielfältige Erfahrungen (''openness to experience'') und [[Korrelation|korreliert]] moderat mit Intelligenz und Kreativität.<ref>Robert R. McCrae: ''Openness to Experience: Expanding the boundaries of Factor V.'' In: European Journal of Personality. 8(1994)4, S. 251–272.</ref> 
           
Im Zusammenhang mit Neugier wird in der Psychologie häufig Berlyne zitiert, der (tier-)experimentelle Studien durchgeführt hat. Ein Ergebnis bezog sich auf die Frage, welche situativen Bedingungen eine Neugier hervorrufen könne. Berlyne fand dafür die vier Aspekte<ref>D. E. Berlyne: ''Konflikt, Erregung, Neugier. Zur Psychologie der kognitiven Motivation''. Klett, Stuttgart 1960 u. 1974.</ref>
 
* [[Innovation|Neuartigkeit]],
* [[Komplexität]],
* [[Unsicherheit|Ungewissheit]] und
* [[Konflikt]].
 
Außerdem unterscheidet Berlyne einerseits zwischen spezifischer und diversiver Neugier, andererseits zwischen [[Perzeption|perzeptueller]] und epistemischer Neugier. Nach Berlynes Aktivationstheorie wird dabei spezifisches Neugierverhalten eher dann gezeigt, wenn ein Organismus vielen Umweltreizen ausgesetzt ist. Man widmet sich hierbei einzelnen Aspekten der Umwelt, um sie zu erkunden und damit das subjektive Reizniveau zu senken. Finden sich zu wenig Reize in der Umwelt, zeigt ein Organismus diverses Reizverhalten, er sucht also nach neuen Reizen in der Umwelt, um Langeweile abzubauen. Ein mittleres Reiz- oder [[Aktivationsniveau]] empfindet man hingegen als angenehm.<ref>Klaus Rothermund, Andreas ''Motivation und Emotion''. VS Verlag, 2011.</ref>
 
Eine Studie von 2015 zeigt, dass Menschen, um Unklarheiten zu beseitigen, gewillt sind, Neues zu erforschen, auch wenn es negative Konsequenzen haben kann.<ref>Christopher K. Hsee, Bowen Ruan: ''The Pandora Effect. The Power and Peril of Curiosity'', Psychological Science, 21. März 2016, {{DOI|10.1177/0956797616631733}}</ref>
 
== Trivia ==
Der [[Mars-Rover]] der NASA-Mission [[Mars Science Laboratory]] wurde nach einem Vorschlag einer Schülerin ''Curiosity'' ([[englisch]] für ‚Neugier‘) getauft.<ref>{{Internetquelle |url=http://mars.jpl.nasa.gov/msl/news/whatsnew/index.cfm?FuseAction=ShowNews&NewsID=99 |titel=NASA Selects Student's Entry as New Mars Rover Name |datum=2009-05-27 |zugriff=2017-08-25 |sprache=en}}</ref>
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Neugier}}
* {{WikipediaDE|Erkundungsverhalten}}
* {{WikipediaDE|Neophobie}}
* {{WikipediaDE|Neophilie}}
 
== Literatur ==
* D. E. Berlyne: ''Conflict, arousal, and curiosity.'' McGraw-Hill, New York NY u. a. 1960 (Deutsch: ''Konflikt, Erregung, Neugier. Zur Psychologie der kognitiven Motivation.'' Klett, Stuttgart 1974, ISBN 3-12-920610-8).
* Donata Elschenbroich (Hrsg.): ''Anleitung zur Neugier. Grundlagen japanischer Erziehung'' (= ''Edition Suhrkamp'' 1934 = NF Bd. 934). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-11934-6.
* Neil Kenny: ''The Uses of Curiosity in Early Modern France and Germany.'' Oxford University Press, Oxford u. a. 2004, ISBN 0-19-927136-4.
* Carolin Duttlinger, Johannes Birgfeld (Hrsg.): ''Curiosity in German Literature and Culture from 1700 to the Present'' (= ''Oxford German Studies.'' Vol. 38, Nr. 2, {{ISSN|0078-7191}}). Maney, London 2009.
 
== Weblinks ==
{{Wikiquote}}
{{Wiktionary}}
{{Wiktionary|Neugierde}}
* [http://www.wissenschaft.de/wissen/news/266540.html Bild der Wissenschaft: Wissen macht high.]
* [http://www.medialifemagazine.com/cgi-bin/artman/exec/view.cgi?archive=226&num=5439 Heidi Dawley, The disorder of these times, neophilia (2006)]
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4171558-5}}
 
[[Kategorie:Pädagogik]]
[[Kategorie:Psychologie]]
[[Kategorie:Lernen]]
[[Kategorie:Motivation]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 27. August 2018, 23:40 Uhr