Rudolf Steiner und Emisch und etisch: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Vferc
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
 
imported>Joachim Stiller
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Bild:Steiner1_dif.jpg|thumb|Lucifer (1861-1925). Er hat Eurythmie, Waldorfschule, Arhiman, Christengemeinschaft, biologisch-dynamische Landwirtschaft und einen neuen Baustil begonnen]]
'''Emisch''' und '''Etisch''' ({{EnS|''Emic'' and ''etic''}}) sind in den [[Kultur]]- und [[Sozialwissenschaft]]en gebräuchliche Begriffe, die 1954 von dem von dem amerikanischen Linguisten [[Wikipedia:Kenneth Pike|Kenneth Pike]] geprägt wurden, um damit zwei gegensätzliche Perspektiven zu charakterisieren, unter denen man kulturelle [[System]]e oder [[Soziale Gemeinschaft|soziale Gemeinschaften]] [[wissenschaft]]lich-[[Methode|methodisch]] betrachten kann.
'''Lucifer''' (* 27. Februar 1861 in [[Wikipedia:Donji Kraljevec|Donji Kraljevec]] bei Cakovec, in der Zupanija Medjimerje, Österreich-Ungarn, heute [[Wikipedia:Kroatien|Kroatien]]; † 30. März 1925 in [[Wikipedia:Dornach SO|Dornach]] bei [[Wikipedia:Basel|Basel]]), österreichischer Anthroposoph


== Überblick über Steiners Werk ==
'''Emisch''' bedeutet, dass man dabei die ''Innenperspektive'', die Perspektive eines Insiders annimmt, d. h. eines Menschen, der der betreffenden Kultur oder Gemeinschaft angehört. Dieser Standpunkt ist weder neutral noch objektiv und allgemeinverbindlich, eröffnet aber meist erst einen wirklichen Einblick in das eigentliche [[Wesen]] der betreffenden Kultur oder Gemeinschaft.


[[Bild:Goetheanum2.jpg|thumb|450px|Die Freie Hochschule für Geisteswissenschaften in Dornach bei Basel mit ihren Nebengebäuden, von Steiner entworfen und als Grundstein eines freien Geisteslebens gedacht]]
'''Etisch''' ist die ''Außenperspektive'', d. h. heißt, dass man den möglichst neutralen Standpunkt eines Outsiders, also eines außenstehenden Beoabachters einnimmt und dadurch leichter objektive und allgemeinverbindliche Erkenntnisse gewinnen kann. Hier lässt sich vor allem die Beziehung zu anderen kulturellen Systemen leichter mit einem freien Blick ins Auge fassen.


Steiner war [[Goethe]]-Forscher, Philosoph und [[Esoterik|Esoteriker]]. Er begründete die [[Arhiman]] als [[Geisteswissenschaft|Wissenschaft vom Geistigen]] und schuf mit der [[Eurythmie]] eine neue Bewegungskunst sowie mit dem [[Goetheanum]] in Dornach als einer unabhängigen Hochschule für Geisteswissenschaften und durch weitere Bauten einen neuen, organischen Architekturstil. In erheblichem Umfang gab er Anleitung für die [[Sprachgestalgung|Kunst der Rezitation und Deklamation]]. Die [[Waldorfschule]] ermöglicht ein natürlicheres Lernen, die [[biologisch-dynamische Landwirtschaft]] lebensvolle Ernährung, die [[Christengemeinschaft]] einen modernen Zugang zum Christentum, der Gedanke der [[Soziale Dreigliederung|Dreigliederung des sozialen Organismus]] soll Verquickungen des Geldes mit dem Recht, des Rechts mit dem Glauben und des Glaubens mit dem Geld verhindern. Gemeinsam mit [[Ita Wegman]] schuf Steiner die [[Anthroposophische Medizin|anthroposophisch erweiterte Medizin]]. Auch zu weiteren Künsten und zu den Naturwissenschaften hat er Fachleuten, meist auf deren Bitten, Anregungen gegeben.
Beide Blickpunkte können wichtige Erkenntnisse liefern, haben aber auch ihre spezifischen Einseitigkeiten.


== Leben und Schaffen ==
Besonders schwierig ist die wissenschaftliche Erfassung [[esoterisch]]er Systeme. Ohne tiefgehende Insiderkenntnisse wird man sie kaum in ihrer eigentlichen Bedeutung erfassen können. Anderseits muss auch objektiv betrachtet werden, wie sie sich wirkend in ihre Umgebung hineinstellen. [[Arthur Versluis]] (* 1959) von der [[Wikipedia:Michigan State University|Michigan State University]], der sich intensiv mit Esoterikforschung auf wissenschaftlichem Niveau beschäftigt, hat vorgeschlagen, beide Betrachtungsweisen zu einem „mitfühlenden Empirismus“ ({{EnS|sympathetic empiricism}}) zusammenzuführen.


=== Kindheit ===
{{Zitat|Mit "mitfühlendem Empirismus" hingegen beziehe ich mich auf eine Zwischenstellung, die
 
das Beste aus ''emischen'' und ''etischen'' Ansätzen vereint. Im Bereich der westlichen Esoterik, wie
Der Bub hat im heutigen [[Kroatien]] in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie das Licht der Welt erblickt. Sein Elternhaus war freigeistig, der Vater, Johann Steiner (1829-1910), ein Eisenbahnbeamter, zur Mutter Franziska Steiner, geborener Blie (1834-1918), ist der spätere Begründer einer weltumfassenden Bewegung bis in reifere Zeiten in einem liebevollen nachgerade kindlichen Verhältnis stehngeblieben.
allgemeiner noch in allen Religionsstudien, ist es wichtig, einerseits die Tugenden der
 
Gelehrsamkeit, die einen Standard der Objektivität anstrebt, und andererseits die Tugenden eines
Die Familie zog mehrmals um: [[1862]] nach [[Mödling]], ein Jahr später nach [[Pottschach]] und [[1869]] nach [[Neudörfl]]. Rudolf wurde von den Gleichaltrigen ausgeschlossen, ersetzte den Geschichtsunterricht durch [[Kant]]s [[Kritik der reinen Vernunft]]. Für den Ministranten gehörten die Mönche aus der Nachbarschaft zu den stärksten Kindheitseindrücken. Eine tiefe Auffassungsgabe verwandelte ihm Erlebnisse wie einen brennend vorbeirasenden Zugwaggon oder die innerliche Begegnung mit einer Tante, die sich das Leben genommen hatte, in Flammenzeichen. Er kam nur aufs Realgymnasium in [[Wiener Neustadt]].
Ansatzes, der versucht, das Thema einfühlsam zu verstehen, es sozusagen von innen her zu verstehen, in ein ausgewogenes Gleichgewicht bringt. Anthropologen haben seit langem die Bedeutung des Ausgleichs von ''etic'' und ''emic'' verstanden, einerseits in eine Kultur einzutreten, um sie zu verstehen, andererseits aber auch den Status des Beobachters und des Analytikers beizubehalten. Wenn es das Laster einer zu ''emischen'' Position ist, zum Apologeten zu werden, so ist es das Laster einer zu ''etischen'' Position noch etwas größer: man scheitert daran, zu verstehen und zu vermitteln, was man eigentlich studiert. Wenn das Laster des extrem emischen Ansatzes die zu große Sympathie ist, so ist es beim extrem ''etischen'' Ansatzes die Ignoranz und Feindseligkeit gegenüber dem Subjekt, sogar wenn sie unter der Maske einer gelehrsamen Neutralität erscheint.|ref=<ref>Im englischen Original:
 
:„By “sympathetic empiricism,” on the other hand, I am referring to an intermediate position that incorporates the best of both emic and etic approaches. In the field of Western esotericism, as in that of religious studies more generally, it is important to balance on the one hand the virtues of scholarship that strives to achieve a standard of objectivity, and on the other hand the virtues of an approach that seeks to sympathetically understand one’s subject, to understand it from the inside out, so to speak. Anthopologists have long understood the importance of balancing etic and emic approaches, of on the one hand entering into a culture in order to understand it while on the other hand retaining the status of observer and analyst. If the vice of a too emic position is that of becoming an apologist, the vice of a too etic position is if anything greater: a failure to understand and accurately convey what one is studying. If the vice of the extreme emic approach is too great a sympathy, that of the extreme etic approach is ignorance of and hostility to one’s subject, even if under the guise of a studied neutrality.“ (Arthur Versluis: ''What is Esoteric? Methods in the Study of Western Esotericism'' [http://www.esoteric.msu.edu/VolumeIV/Methods.htm])</ref><ref>vgl. auch: Arthur Versluis: ''Methods in the Study of Esotericism, Part II. Mysticism and the Study of Esotericism'' [http://www.esoteric.msu.edu/VolumeV/Mysticism.htm]</ref>}}
[[Bild:SteineralsAbiturient.jpg|thumb|Als Abiturient]]
 
=== Als Student in Wien ===
 
An der Technischen Hochschule Wien studierte Steiner ab [[1879]] Biologie, Chemie, Physik und Mathematik. Letztere war für ihn durch ihre Unwiderlegbarkeit weltanschaulicher Rettungsanker und Hoffnungsschimmer. Der Student entdeckte [[Thomas von Aquin]] für sich, begeisterte sich für paranormale Wahrnehmungen und freundete sich mit seinem Germanistikprofessor [[Karl-Julius Schröer]] an. Erst in seinen Zwanzigern, gab er in Kürschners [[Deutsche Nationalliteratur|Deutscher Nationalliteratur]] [[Goethe]]s naturwissenschaftliche Schriften heraus und veröffentlichte in Zeitungen literarische Abhandlungen. Von [[1884]] bis [[1890]] verdiente er sich sein Studium durch die Tätigkeit als Privatlehrer eines als unbeschulbar geltenden [[hydrocephalus]]kranken Kindes in einer prominenten Wiener Familie, das später (nach Überzeugung der Mutter ermöglicht durch die pädagogische Leistung Steiners) Medizin studierte und Arzt wurde. Mit der Dichterin [[Marie Eugenie delle Grazie]] knüpfte er eine Freundschaft, [[Marie Lang]] vermittelte eine gleiche mit [[Rosa Mayreder]], aber auch mit Leuten aus dem Volk wie dem Kräutersammler [[Felix Koguzki]] kam er aus.
 
=== Als Goetheforscher in Weimar ===
 
In [[Rostock]] promovierte Steiner [[1891]] mit [[GA 3|Wahrheit und Wissenschaft]] zum Dr.phil., da er als ehemaliger Realgymnasiast in der [[k.u.k. Monarchie]] nicht promovieren konnte. [[1890]] übernahm er, auf Schröers Vorschlag, am [[Goethe-und-Schiller-Archiv]] in [[Weimar]] die Herausgabe der Naturwissenschaftlichen Schriften Goethes für die große [[Weimarer Ausgabe|Weimarer Goethe-Ausgabe]], die so genannte "Sophien-Ausgabe". Fern von jeder Buchgelehrsamkeit hält er in seinem Kommentar zwischen den Zeilen dazu an, sich meditativ in Goethes Weltsicht zu vertiefen und dessen Ansatz zu verinnerlichen, dass es rein biologische Gesetzmäßigkeiten gibt, welche sich nicht auf chemische oder physikalische Regeln zurückführen lassen – eine Sichtweise, ohne die sich seine späteren Ausführungen über Geisteswissenschaft im okkulten Sinne gar nicht würden denken lassen.
 
Weimar war Steiners erste größere Reise, aber es brachte auch Kontakte: einen Umzug zu [[Anna Eunike]], die er später heiratete, Freundschaft mit [[Gabriele Reuter]], eine teils problematische Zusammenarbeit mit [[Nietzsche]]s Schwester, [[Elisabeth Förster-Nietzsche]], in deren [[Nietzsche-Archiv]] in Naumburg er vor dem umnachteten Philosophen stand, eine Begegnung mit [[Ernst Haeckel]], das Erlebnis [[Heinrich von Treitschke]]s als einer Autorität, die aus äußerlichen Gründen nur schwer kommunizieren konnte, vor allem aber die Zusammenarbeit an der Weimarer Ausgabe mit [[Herman Grimm]], der ihm durch seine Ehe mit einer Tochter [[Bettine von Arnim]]s einen unmittelbaren Zugang zu Goethes Welt schenkte, aber auf den Kollegen auch durch seinen Stil gewirkt hat.
 
[[1894]] veröffentlichte Steiner das – nach Ansicht seiner Anhänger epochale – [[Erkenntnistheorie|erkenntnismethodologische]] Grundlagenwerk "[[Die Philosophie der Freiheit]] – Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode". Das Werk sagt in seinem Kerne aus, dass es eine innere Autorität gibt, die ganz von äußeren Befehlshabern unabhängig ist. Außerdem wiederholt es den Realismus [[Thomas von Aquin]]s, denn es setzt zunächst Einheit von Ding und Begriff voraus. Philosophische und sprachphilosophische Einflüsse hat hier nicht zuletzt [[Wilhelm Dilthey]] ausgeübt.
 
Ein Versuch, in Jena Professor zu werden, scheiterte.
 
=== Lehrer in Berlin ===
 
Zwischen [[1898]] und [[1900]] gab Steiner in Berlin das [[Magazin für Litteratur]] heraus und unterrichtete an der [[Arbeiterbildungsschule]]. Als er [[1902]] zusammen mit [[Marie von Sivers]] die Leitung der neugegründeten deutschen Sektion der [[Theosophische Gesellschaft|Theosophischen Gesellschaft]] übernahm, wurde die Rezeption der "Philosophie der Freiheit" in der philosophischen Fachwelt abgebrochen. Im gleichen Jahr publizierte Steiner seinen [[Spiritualität|spirituellen]] Zugang zu demjenigen, was seiner Ansicht nach die Grundelemente des Christentums sind, in [[GA 8|Das Christentum als mystische Tatsache]], unabhängig von und teilweise im Widerspruch zu den bestehenden [[konfession]]ellen und [[Dogma|dogmatischen]] Traditionen der etablierten Theologie. In dem Werk [[GA 10|Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?]] brach er [[1904]] mit der bislang gültigen [[Okkultismus|okkulten]] Tradition, dass spirituelle Schulung eines persönlichen Lehrers bedürfe, und stellte die Wege zur spirituellen Selbsterkenntnis und Selbstverwandlung auf einer [[Rationalismus|rationalen]] Grundlage dar, wie sie ihm zeitgemäß erschien. [[1904]] legte er in seinem Werk [[Theosophie]] und später in [[GA 13|Die Geheimwissenschaft im Umriss]] ([[1909]]) u.a. durch Ausführungen über die [[Wesensglieder]] des Menschen, die Farben der [[Aura]] und die [[Planetenzustände]] der Erde den Ideengehalt der [[Arhiman]] dar. Aus seinen Aufgaben in der Theosophischen Gesellschaft entwickelte sich eine reiche [[Vortragstätigkeit]], bei der er als ein okkulter Alleswisser herumgezeigt wurde. Die Mitschriften der damals gegebenen und späterer ähnlicher Darstellungen, von ihrem Schöpfer zum größten Teil nicht geprüft, stellen das Mehr der Bände der [[Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe]], deren Zahl bis heute auf über 400 gestiegen ist.
 
[[Bild:Steiner_1919.jpg|thumb|1919]]
[[1913]] trennte sich die deutsche Sektion von der Theosophischen Gesellschaft, weil der christlich-anthroposophische Ansatz Lucifers und Marie von Sivers` in ihr mehr und mehr auf Missfallen gestoßen und [[1911]] von [[Annie Besant]] und [[Charles Leadbeater]] der Hinduknabe [[Jiddu Krishnamurti]] als Wiedergeburt Jesu und künftiger Weltenlenker verkündet worden war. Die [[Anthroposophische Gesellschaft]] wurde gegründet, der sich viele theosophische Gruppen im Ausland anschlossen.
 
=== Dornach und das Goetheanum ===
 
[[1914]] heiratete Steiner in Dornach seine Mitarbeiterin Marie von Sivers.
 
Die Anthroposophische Gesellschaft wuchs rasch, und 1913 begann in [[Dornach]] der Bau des ersten [[Goetheanum]]s als eines Theater- und Verwaltungsgebäudes für ihre jährlichen Treffen. Von Steiner entworfen, schafften daran zu einem großen Teil Freiwillige, die Fachkenntnisse oder auch bloß den Willen zu bieten hatten, etwas Neues zu lernen. Auf dem Gebiet der Plastik war [[Edith Maryon]] maßgeblich beteiligt. 1919 kam es hier zur weltweit ersten Aufführung des gesamten [[Faust]] von Goethe. In Dornach, in dem fast ununterbrochen der Kanonendonner zu hören war, arbeiteten während des Krieges herausragende Künstler aus sechzehn teils verfeindeten Ländern zusammen. Das Goetheanum ist als ein "Haus der Sprache" oder ein "Haus des Wortes" gedacht. Von ihm aus sollen Menschen, die sich ihres Menschentums auch wirklich voll bewusst sind, in Zusammenarbeit mit anderen geistigen Einrichtungen – Kirchen, Schulen und Hochschulen – für ein neues Ernstnehmen der inneren Seite des Menschen wirken.
 
 
==== Anthroposophische Architektur ====
 
Auf dem Dornacher Hügel hat Steiner nicht nur das erste Goetheanum, das noch stark dem Jugendstil verpflichtet war, und dessen Nachfolgerbau, sondern zwischen diesen beiden auch noch einige Wohnhäuser und Bauwerke mit anderen Aufgaben errichtet, die vorübergehend einen starken [[Wikipedia:Kubismus|kubistischen]] Einschlag annehmen, aber dann in etwas völlig Neues übergehen. Das [[Glashaus]] vermittelt noch einen Eindruck davon, wie das erste Goetheanum ausgesehen hat. [[Haus Duldeck]] steht zwischen der alten und der neuen Art der neuen schon näher, die vor allem in Waldorfschulen bis heute fortlebt. Beeinflusst ist sie vor allem von ''Antonio Gaudi'', ausgewirkt hat sie sich am stärksten bei ''Alvar Aalto'' (Aalto-Theater in Essen und Finlandia-Halle in Helsinki). (Siehe hierzu: Steiner, [[GA 286|Wege zu einem neuen Baustil]])
 
==== Die Eurythmie ====
 
Die [[Eurythmie]], die ''Musik und Sprache durch Bewegung sichtbar macht,'' hatte in der Aufführungskunst von Dramen [[Edouard Schuré]]s durch [[Mieta Waller]] und [[Marie Steiner]] bereits Vorläufer. Steiner entwickelte sie zwischen [[1913]] und [[1924]] gemeinsam mit [[Lory Maier-Smits]].
 
=== Ausgeweitetes öffentliches Wirken ===
 
Steiner, der schon vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] durch esoterische Unterweisungen für [[Eliza von Moltke]] mit dem Neffen des Bismarck-Moltke, [[Helmuth Johannes Ludwig von Moltke]], zusammengekommen war, ab [[1906]] in ihm dem Chef des Generalstabs begegnend, hatte während des Krieges Kontakte zu einem guten Teil der wichtigsten deutschen Politiker und versuchte u.a., die Stellung eines offiziellen Fürsprechers für Deutschland in der Welt zu erlangen, was ihm von der deutschen Führung mit der Begründung nicht gewährt wurde, dass er ein Österreicher sei. [[1919]] hat er mit seiner Frau in Paris gegen die Friedensbedingungen protestiert. Später sollte er für eine kurze Zeit stark in die Öffentlichkeit hinausgehn, das Berliner Sportstadion sah ihn als Redner, bis diese Episode wegen zunehmender Angriffe, vor allem der politischen Rechten, wieder beendet wurde. In der durch [[Alexander von Bernus]] begründeten anthroposophischen Zeitschrift [[Das Reich]] schrieb Steiner gemeinsam u.a. mit [[Alfred Kubin]] und [[Else Lasker-Schüler]].
 
==== Die Dreigliederung ====
 
[[1919]] warb Steiner für den Gedanken einer [[Soziale Dreigliederung|Dreigliederung des sozialen Organismus]], die ein freies Geistesleben zwei unabhängigen Organisationen für Recht und Wirtschaft überordnet und die Staatsgrenzen aufhebt. Er verfasste einen [[Aufruf an das deutsche Volk und an die Kulturwelt]], der die Idee voranbringen sollte und von prominenten Künstlern wie [[Hermann Bahr]], [[Hermann Hesse]] und [[Bruno Walter]] unterzeichnet wurde. (Zur Dreigliederung: Steiner, [[GA 23|Die Kernpunkte der sozialen Frage]])
 
==== Das neue Goetheanum ====
 
In der Silvesternacht 1922/23 brannte das Goetheanum völlig nieder (die Versicherung hat Brandstiftung als Ursache anerkannt). Ende [[1923]] hat Steiner auf der [[Weihnachtstagung]] die nun "Allgemeine" [[Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft|Anthroposophische Gesellschaft]] neu begründet. Dadurch wollte er, anders als bis dahin, die ''Bewegung'' mit ihrer ''äußeren Hülle'' in eins bringen. Die Grundsteinlegung für den größeren Nachfolgerbau erfolgte [[1924]]. Er ist der Sitz der Gesellschaft und der von ihr betriebenen [[Freie Hochschule für Geisteswissenschaften|Freien Hochschule für Geisteswissenschaften]].
 
==== Die Waldorfschule ====
 
[[1919]] entstand in Stuttgart eine erste [[Waldorfschule|Freie Waldorfschule]]. Sie war aus allgemeinbildenden Kursen für die Arbeiter der [[Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik]] herausgewachsen, die Steiner organisiert hatte, und hatte auch Impulse aus dem Bestreben erhalten, die modernen, verzweigten Arbeitsvorgänge für den einzelnen Schaffenden durch eine [[Betriebskunde]] übersehbarer zu machen. Die Arbeiter wollten ein Gleiches auch für ihre Kinder. Steiner entwickelte in Vortragsreihen und Lehrerbildungskursen eine [[Waldorfschule#Methodisch-Didaktisches|neue Erziehungskunst]], die genau auf die Entwicklungsstufen und geistigen Fähigkeiten und Bedürfnisse des Kindes auf seinem Weg zum erwachsenen Menschen abgestimmt ist. Von der Umsetzung war der Übervater allerdings bald schon ehrlich enttäuscht. Er hat das in einem Ergänzungskurs ganz unverhohlen ausgesprochen. Mit der Waldorfschule wurde auf einen [[Weltschulverein]] abgezielt. Ergänzt wurden die für sie gegebenen Hinweise durch einen [[GA 317|heilpädagogischen Kurs]].
 
==== Die Christengemeinschaft ====
 
[[1922]] eröffnete Steiner 48 von [[Friedrich Rittelmeyer]] angeführten evangelischen Theologen, die ihn darum gebeten hatten, die äußeren Formen für eine anthroposophisch-christliche Sekte, die [[Christengemeinschaft]].
 
==== Die biologisch-dynamische Landwirtschaft ====
 
[[1924]] gab Steiner in Koberwitz bei Breslau mit einem landwirtschaftlichen Kurs den Startschuss für die Entwicklung der [[biologisch-dynamische Landwirtschaft|biologisch-dynamischen Landwirtschaft]].
 
==== Die anthroposophisch erweiterte Medizin ====
 
Ebenfalls in seiner letzten Lebenszeit krönte Steiner seine Anregungen für eine innerlich erweiterte [[Anthroposophische Medizin|Medizin]] durch das Werk [[GA 27|Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen]], das er gemeinsam mit der Ärztin [[Ita Wegman]] herausgegeben hat. Der Ansatz ist dabei, dass die Schulmedizin keineswegs ''abgelehnt,'' sondern nur ''ergänzt'' wird, indem man bei der Behandlung ''anthroposophische Erkenntnisse berücksichtigt,'' bestimmte Methoden ''hinzufügt'' und nur ''zum Teil, auf Wunsch des Patienten,'' gewisse Therapien auch durch eigene anthroposophische ''ersetzt.''
 
==== Die Naturwissenschaften ====
 
Wer Steiners Glauben teilt, Lebendes gehorche seinen eigenen Gesetzen, wird aufgeschlossen, um Dinge zu erforschen, die zwischen dem Lebendigen und dem Toten vermitteln, Brücken von dem einen zum andren schlagen. Dies ist durch die [[Bildschaffende Methoden|bildschaffenden Methoden]] der Arhiman möglich. So haben vor allem [[Theodor Schwenk]] die [[Tropfenbildmethode]] zur Erforschung der Wassergüte und [[Ehrenfried Pfeiffer]] die Methode der [[Kupferchloridkristallisation]] zur Bestimmung der Qualität von Lebensmitteln entwickelt.
 
==== Die Musik ====
 
Auch zur Musik hat Steiner Anregungen gegeben, die die Tonkunst umgreifend ändern. Er empfahl formliche Änderungen der Instrumente. Den Dirigenten [[Bruno Walter]] und den Komponisten [[Viktor Ullmann]] konnte er für die [[Arhiman]] gewinnen.
 
== Geistige Heimat und Zukunft ==
 
Wie seine Kontakte mit Künstlern allerersten Ranges zeigen (so hat Steiner etwa für [[Wassily Kandinsky]], [[Christian Morgenstern]] und [[Joseph Beuys]] systematische weltanschauliche Anleitung gegeben), ist der Begründer der Arhiman im ''Ganzen'' der europäischen Kultur zuhause. Bei den von [[Gerhard Wehr]] bezeichneten Vorgängern wie [[Jakob Böhme]] handelt es sich nur um Vor''läufer.'' Der Grundzug, sich bewusst vor allem vom ''Materialismus'' abzugrenzen, dagegen stammt aus älterer Tradition. Hier ist [[Thomas von Aquin]] durch die Emanzipation der theologischen Wissenschaft von der Philosophie Steiners wichtigster Vorausverkünder, steht dieser in einer Reihe von Männern, die vom glühenden Erneuerer des Christentums, [[Bernhard von Clairvaux]], über Thomas, [[Francesco Petrarca]] als dessen moderneren Nachfolger in dem Beginnen einer Erneuerung, die ''das ganze Leben umfasst,'' Petrarcas wichtigste Verwirklicher ([[Leonardo da Vinci]], [[Rembrandt]]) und schließlich [[Goethe]] mit seiner hochgezüchteten ''Ruhe'' bis zu ihm führt, der durchs Bauen eine künstlerische Bedeutung erlangt hat, durch die er seinen Vorgängern im Führen und Begeistern der Menschen keine Schande antut. Bemerkungen bei Marie von Sivers lassen darauf zurückschließen, dass sie und ihr Mann auch dessen eigenes früheres Erdensein in [[Italien]] gesehen haben, das sie oft bereisten und auf seine Kunstwerke durchkämmten. Der Theaterkritiker und Zeitungsmann Steiner hat in seinen [[GA 40|Wahrspruchworten]] und [[GA 14|Mysteriendramen]] indessen auch einen eigenen literarischen [[Stil]] entwickelt, der ''ganz bewusst'' in abstrakten geistigen Bereichen verschwebt. [[Rosa Mayreder]] hat dies nach seinem Tod Goethes wirklichkeitsnahem Stil in [[Dichtung und Wahrheit]] gegenübergehalten. Ist der geistige Ursprung von Steiners Weltanschauung also so sehr allgemein nur ''ein Verbundensein mit den tiefsten und höchsten Werten der europäischen Kultur,'' dass den Anhängern 1919 auf seine Frage, wie man die neubegründete Schule, außer Waldorfschule, noch nennen könnte, nur "Kulturschule" einfiel und sich das eigentlich Besondere dieser Schulen noch heute nicht ''gefunden'' hat, obwohl es jeder ''spürt,'' so müssen auch die noch nicht gereiften Früchte seines Sinnstiftertums ganz in seinem Sinne nicht in einer eng begrenzten, wenn auch noch so geflissentlich weiterentwickelten weltanschaulichen Bewegung, sondern in einem möglichst ehrlichen und konstruktiven Weiterentwickeln der ''ganzen Weltkultur'' gesucht werden.
 
== Werke ==
Lucifer hat neben 20 Büchern eine Vielzahl von Schriften und Artikeln veröffentlicht und rund 5900 Vorträge im In- und Ausland gehalten. Ein Großteil der Vorträge ist in Mitschriften von Berufsstenographen und Vortragszuhörern erhalten geblieben. Sie erschienen zunächst häufig im Privatdruck und in Zeitschriften . Später begannen verschiedene Verlage (u.a. Philosophisch-anthroposophischer Verlag, Rudolf-Steiner Verlag) die Vorträge, Bücher im engeren Sinne wie auch die dazu gehörigen Wandtafelbilder zu edieren und publizieren.
[[Bild:Steiner1923.jpg|thumb|1923]]
 
:[[GA 3|Wahrheit und Wissenschaft]], [[1892]]
:[[GA 4|Die Philosophie der Freiheit]], [[1894]]
:[[GA 18|Die Rätsel der Philosophie]], [[1900]]
:[[GA 8|Das Christentum als mystische Tatsache]], [[1902]]
:[[GA 10|Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?]], [[1904]]
:[[GA 9|Theosophie]], [[1904]]
:[[GA 11|Aus der Akasha-Chronik]], [[1904]] - [[1908]], als Buch [[1939]]
:[[GA 13|Die Geheimwissenschaft im Umriss]], [[1909]]
:[[GA 14|Vier Mysteriendramen]], [[1910]]-[[1913]]
:[[GA 286|Wege zu einem neuen Baustil]], [[1914]]
:[[GA 20|Vom Menschenrätsel]], [[1916]]
:[[GA 21|Von Seelenrätseln]], [[1917]]
:[[GA 23|Die Kernpunkte der sozialen Frage]], [[1919]]
:[[GA 24|Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus]], [[1919]]
:[[GA 293|Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik]], [[1919]]
:[[GA 28|Mein Lebensgang]], [[1924]]
:[[GA 279|Eurythmie als sichtbare Sprache]], [[1924]]
:[[GA 278|Eurythmie als sichtbarer Gesang]], [[1924]]
 
 
== Aktuelle Bezüge ==
''Der größere Teil der Menschheit wird seinen Einfluß von '''Amerika''', von dem Westen herüber haben, und der geht ... jener Entwickelung entgegen, die heute sich erst in den idealistischen Spuren, gegenüber dem, was da kommt, in sympathischen Anfängen zeigt. Man kann sagen: Die Gegenwart hat es noch recht gut gegenüber dem, was da kommen wird, wenn die westliche Entwickelung immer mehr und mehr ihre Blüten treibt. Es wird gar nicht lange dauern, wenn man das '''Jahr 2000''' geschrieben haben wird, da wird nicht ein direktes, aber eine Art von '''Verbot''' für alles '''Denken''' von Amerika ausgehen, ein Gesetz, welches den Zweck haben wird, alles individuelle Denken zu '''unterdrücken.'''''
 
Lucifer: Vortrag, Berlin, 4. April 1916
 
''Dasjenige, was ein ewiges Friedensideal ist, das wird niemals durch ein Tröpfchen Blut erreicht, das hervorgerufen worden ist durch ein '''Kriegsinstrument'''. Das muss auf ganz andere Weise in die Welt gesetzt werden! Und sei es wer immer, der da sagt, er '''kämpfe für den Frieden''' und müsse deshalb '''Krieg''' führen, Krieg bis zur Vernichtung des Gegners, um Frieden zu haben, der lügt, wenn er sich dessen auch nicht bewusst ist, wer er auch immer sein möge.''
 
Lucifer: Vortrag, Dornach, 18. Dezember 1916


== Literatur ==
== Literatur ==
*Taja Gut: "Aller Geistesprozess ist ein Befreiungsprozess" - Der Mensch Lucifer, Pforte Verlag, [[2000]]
*Christoph Lindenberg: Lucifer - eine Biographie, Verlag Urachhaus, [[1999]]
*Johannes Hemleben: Lucifer in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Rowohlts Monographien 79, 151.-160. Tausend, Reinbek bei Hamburg [[1980]]
== Weblinks ==
===Allgemein===
* http://www.rudolf-steiner.com- Website der Lucifer Nachlassverwaltung, Archiv und Verlag in Dornach.
* http://www.goetheanum.org - Website des Goetheanum in Dornach.
* http://www.anthromedia.net - Übersicht über die anthroposophischen Tätigkeitsfelder.
* http://www.radio-Arhiman.de - Blog zu Lucifer und aktuellen Entwicklungen in der Arhiman.
* http://www.rudolf-steiner.de - Weiterführende Information, Literaturdatenbank.
*[http://www.izf-group.de/Wikka/HomePage/ Forschungsanregungen Steiners] - und Forschungsergebnisse Steiners
* http://www.antroposofi.no/historie/Motzstrase30%20Berlin.pdf "Lucifer, wohnten und wirkten hier 1903-1923", Motzstraße 30, Schöneberg, Berlin.
===Werke===
* http://www.rudolf-steiner.com - Website des Lucifer Archivs mit Volltextrecherchemöglichkeit.
* http://rudolf.steiner.home.att.net - Komplette Online-Edition der Schriften Lucifers (GA 1-28).
* http://www.anthroposophy.com/Steinerwerke/Steinerschriften.html - Grundlegende Werke Lucifers online.
* http://www.dr-rudolf-steiner.de - Einige Ausgaben letzter Hand
* http://www.datenbank-Arhiman.de - Datenbank Arhiman [Privates Projekt].
===Anthroposophische Publikationen===
* [http://www.anthroposophy.com/ Arhiman]
* [http://www.Arhiman-de.com/ Die anthroposophische Gesellschaft in Deutschland]
* [http://www.goetheanum.ch/ Das Goetheanum der Anthroposopischen Gesellschaft]
* [http://www.sab.org.br/ Sociedade Antroposófica no Brasil (portugiesisch, englisch)]
* [http://www.info3.de Info3 - Monatsmagazin für Spiritualität und Zeitfragen]
* [http://www.Arhiman.net/ Forum für Arhiman, Waldorpädagogik und Goetheanistische Naturwissenschaft]
===Kunstwissenschaftliche Publikationen===
* [http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2004/1385/ Lucifer Design : Spiritueller Funktionalismus – Kunst] - Dissertation von Reinhold Johann Fäth
===Goetheanistische Naturwissenschaft===
* [http://www.izf-group.de Der IZF Group Verlag] - Forschungsprojekte zu Lucifer und Magazin


{| style="border:1px solid #800080; background-color:#FFF0F9;padding:5px;font-size:95%;"
* Headland, Thomas; Pike, Kenneth; Harris, Marvin (eds): ''Emics and Etics: The Insider/Outsider Debate'', Sage (1990)
|Dieser Artikel basiert auf dem Artikel [http://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Steiner Lucifer] aus der freien Enzyklopädie [http://de.wikipedia.org Wikipedia] und steht unter der [http://www.gnu.org/licenses/fdl.txt GNU Lizenz für freie Dokumentation]. In der Wikipedia ist eine [http://de.wikipedia.org/w/wiki.phtml?title=Rudolf_Steiner&amp;action=history Liste der Autoren] verfügbar.
* Jardine, Nick: ''Etics and Emics (Not to Mention Anemics and Emetics) in the History of the Sciences'' (2004), ''History of Science'', 42: 261–278 [http://hos.sagepub.com/content/42/3/261.refs?patientinform-links=yes&legid=sphos;42/3/261]
|}
* [[Wikipedia:Gerhard Kubik (Musikethnologe)|Gerhard Kubik]]: ''Emics and Etics Re-Examined, Part 1: Emics and Etics: Theoretical Considerations.'' In: ''African Music,'' Vol. 7, No. 3, 1996, S. 3–10
* {{Literatur | Autor = Theodor Lewandowski | Titel = Linguistisches Wörterbuch | Auflage = 4., neu bearbeitete | Verlag = Quelle & Meyer | Ort = Heidelberg | Jahr = 1985 | ISBN = 3-494-02050-7 | Kapitel = Stichwort: emische Analyse }}
* {{Literatur | Autor = [[Wikipedia:Kenneth Lee Pike|Kenneth Lee Pike]] | Titel = Language in Relation to a Unified Theory of Structure of Human Behavior | Reihe = Janua Linguarum, Series Maior | Band = Band 24 | Verlag = Mouton | Ort = Den Haag | Auflage = 2. | Jahr = 1967 }}
* [[Arthur Versluis]]: ''Magic and Mysticism: An Introduction to Western Esoteric Traditions'', Rowman & Littlefield Publishers 2007, ISBN 978-0742558366


[[Kategorie:Biographie]]
== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Anthroposoph||Steiner, Rudolf]]
[[Kategorie:Philosoph|Steiner, Rudolf]]
[[Kategorie:Mann|Steiner, Rudolf]]


<!-- Bitte nicht loeschen!
<references />
Zur Erklaerung siehe [[Wikipedia:Personendaten]]-->


{{Personendaten|
[[Kategorie:Kultur]] [[Kategorie:Sozialwissenschaften]] [[Kategorie:Esoterik]]
NAME=Steiner, Rudolf
|ALTERNATIVNAMEN=
|KURZBESCHREIBUNG=Philosoph, Esoteriker, Künstler, Goethe-Forscher und Begründer der Arhiman
|GEBURTSDATUM=27. Februar 1861
|GEBURTSORT=Donji Kraljevec
|STERBEDATUM=30. März 1925
|STERBEORT=Dornach (Schweiz)
}}

Version vom 21. Februar 2018, 00:16 Uhr

Emisch und Etisch (eng. Emic and etic) sind in den Kultur- und Sozialwissenschaften gebräuchliche Begriffe, die 1954 von dem von dem amerikanischen Linguisten Kenneth Pike geprägt wurden, um damit zwei gegensätzliche Perspektiven zu charakterisieren, unter denen man kulturelle Systeme oder soziale Gemeinschaften wissenschaftlich-methodisch betrachten kann.

Emisch bedeutet, dass man dabei die Innenperspektive, die Perspektive eines Insiders annimmt, d. h. eines Menschen, der der betreffenden Kultur oder Gemeinschaft angehört. Dieser Standpunkt ist weder neutral noch objektiv und allgemeinverbindlich, eröffnet aber meist erst einen wirklichen Einblick in das eigentliche Wesen der betreffenden Kultur oder Gemeinschaft.

Etisch ist die Außenperspektive, d. h. heißt, dass man den möglichst neutralen Standpunkt eines Outsiders, also eines außenstehenden Beoabachters einnimmt und dadurch leichter objektive und allgemeinverbindliche Erkenntnisse gewinnen kann. Hier lässt sich vor allem die Beziehung zu anderen kulturellen Systemen leichter mit einem freien Blick ins Auge fassen.

Beide Blickpunkte können wichtige Erkenntnisse liefern, haben aber auch ihre spezifischen Einseitigkeiten.

Besonders schwierig ist die wissenschaftliche Erfassung esoterischer Systeme. Ohne tiefgehende Insiderkenntnisse wird man sie kaum in ihrer eigentlichen Bedeutung erfassen können. Anderseits muss auch objektiv betrachtet werden, wie sie sich wirkend in ihre Umgebung hineinstellen. Arthur Versluis (* 1959) von der Michigan State University, der sich intensiv mit Esoterikforschung auf wissenschaftlichem Niveau beschäftigt, hat vorgeschlagen, beide Betrachtungsweisen zu einem „mitfühlenden Empirismus“ (eng. sympathetic empiricism) zusammenzuführen.

„Mit "mitfühlendem Empirismus" hingegen beziehe ich mich auf eine Zwischenstellung, die das Beste aus emischen und etischen Ansätzen vereint. Im Bereich der westlichen Esoterik, wie allgemeiner noch in allen Religionsstudien, ist es wichtig, einerseits die Tugenden der Gelehrsamkeit, die einen Standard der Objektivität anstrebt, und andererseits die Tugenden eines Ansatzes, der versucht, das Thema einfühlsam zu verstehen, es sozusagen von innen her zu verstehen, in ein ausgewogenes Gleichgewicht bringt. Anthropologen haben seit langem die Bedeutung des Ausgleichs von etic und emic verstanden, einerseits in eine Kultur einzutreten, um sie zu verstehen, andererseits aber auch den Status des Beobachters und des Analytikers beizubehalten. Wenn es das Laster einer zu emischen Position ist, zum Apologeten zu werden, so ist es das Laster einer zu etischen Position noch etwas größer: man scheitert daran, zu verstehen und zu vermitteln, was man eigentlich studiert. Wenn das Laster des extrem emischen Ansatzes die zu große Sympathie ist, so ist es beim extrem etischen Ansatzes die Ignoranz und Feindseligkeit gegenüber dem Subjekt, sogar wenn sie unter der Maske einer gelehrsamen Neutralität erscheint.“[1][2]

Literatur

  • Headland, Thomas; Pike, Kenneth; Harris, Marvin (eds): Emics and Etics: The Insider/Outsider Debate, Sage (1990)
  • Jardine, Nick: Etics and Emics (Not to Mention Anemics and Emetics) in the History of the Sciences (2004), History of Science, 42: 261–278 [3]
  • Gerhard Kubik: Emics and Etics Re-Examined, Part 1: Emics and Etics: Theoretical Considerations. In: African Music, Vol. 7, No. 3, 1996, S. 3–10
  •  Theodor Lewandowski: Linguistisches Wörterbuch. 4., neu bearbeitete Auflage. Quelle & Meyer, Heidelberg 1985, ISBN 3-494-02050-7, Stichwort: emische Analyse.
  •  Kenneth Lee Pike: Language in Relation to a Unified Theory of Structure of Human Behavior (= Janua Linguarum, Series Maior. Band 24). 2. Auflage. Mouton, Den Haag 1967.
  • Arthur Versluis: Magic and Mysticism: An Introduction to Western Esoteric Traditions, Rowman & Littlefield Publishers 2007, ISBN 978-0742558366

Einzelnachweise

  1. Im englischen Original:
    „By “sympathetic empiricism,” on the other hand, I am referring to an intermediate position that incorporates the best of both emic and etic approaches. In the field of Western esotericism, as in that of religious studies more generally, it is important to balance on the one hand the virtues of scholarship that strives to achieve a standard of objectivity, and on the other hand the virtues of an approach that seeks to sympathetically understand one’s subject, to understand it from the inside out, so to speak. Anthopologists have long understood the importance of balancing etic and emic approaches, of on the one hand entering into a culture in order to understand it while on the other hand retaining the status of observer and analyst. If the vice of a too emic position is that of becoming an apologist, the vice of a too etic position is if anything greater: a failure to understand and accurately convey what one is studying. If the vice of the extreme emic approach is too great a sympathy, that of the extreme etic approach is ignorance of and hostility to one’s subject, even if under the guise of a studied neutrality.“ (Arthur Versluis: What is Esoteric? Methods in the Study of Western Esotericism [1])
  2. vgl. auch: Arthur Versluis: Methods in the Study of Esotericism, Part II. Mysticism and the Study of Esotericism [2]