Reinkarnation und Katharer: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Reinkarnation''' oder '''Palingenese''' ([[Wikipedia:Altgriechische Sprache|altgriech.]], zusammengesetzt aus πάλιν, ''pálin'' „wiederum“, „abermals“ und γένεσις, ''génesis'' „Erzeugung“, „Geburt“) bedeutet, dass ein [[Individuum|individuelles]] [[Geist|geistiges]] [[Wesen]] im Zug seiner Entwicklung mehrmals zu [[physisch]]en Daseinsformen heruntersteigt, zwischen denen jeweils eine rein geistige Existenz liegt. Das [[Schicksal]] ([[Sanskrit|skrt.]] [[Karma]]) in späteren irdischen [[Inkarnation]]en wird dabei wesentlich mitbestimmt durch die Taten in früheren Erdenleben. Nach [[anthroposophisch]]er Auffassung ist es der [[Unsterblichkeit|unsterbliche]] individuelle [[Geist]], das [[Ich]] des [[Mensch]]en, das sich wiederverkörpert und, von Ausnahmefällen abgesehen<ref>Vgl. dazu auch das [[Prinzip der spirituellen Ökonomie]].</ref>, ''nicht'' die weitgehend vergängliche [[Seele]], die sich nach dem [[Tod]] bis auf einen unvergänglichen Rest in der allgemeinen [[Astralwelt]] zerstreut und für die nächste irdische Inkarnation neu und mit anderen Eigenschaften wieder aufgebaut werden muss. Die [[Persönlichkeit und Individualität|persönliche]] [[Unsterblichkeit]] - das über den [[Tod]] hinaus fortdauernde [[Bewusstsein]] von der [[Persönlichkeit]] - hat der sich der Mensch überhaupt erst durch die [[Bewusstseinsseele]] errungen, insofern sich diese bereits auf das [[Geist]]ige richtet und dadurch bereits mit dem unvergänglichen [[Geistselbst]] ([[Manas]]) eine Einheit bildet. Die Lehre von der Reinkarnation des Geistes ist darum auch streng zu unterscheiden von  der [[Seelenwanderung]] oder [[Metempsychose]]. Der [[Leib]] unterliegt der [[Vererbung]], die [[Seele]] dem selbstgeschaffenen Schicksal und der [[Geist]] entwickelt sich durch die aufeinanderfolgenden Inkarnationen weiter.
[[Datei:Pedro Berruguete - St Dominic and the Albigenses - WGA02083.jpg|mini|hochkant=1.2|Der heilige [[Wikipedia:Dominikus|Dominikus]] und die Albigenser in [[Wikipedia:Albi|Albi]] (1207): Katholische und katharische Schriften werden ins Feuer geworfen, doch nur letztere verbrennen ([[Wikipedia:Pedro Berruguete|Pedro Berruguete]], um 1495).<ref>[http://www.wga.hu/html/b/berrugue/pedro/dominic2.html St Dominic and the Albigenses] in der [http://www.wga.hu/frames-e.html?/html/b/berrugue/pedro/dominic2.html WEB Gallery of Art].</ref>]]


== Grundlagen ==
Der Begriff '''Katharer''' (von {{ELSalt|καθαρός}} ''katharós'' „rein“) steht im ursprünglichen Sinn für einen [[Mensch]]en, der sich einer umfangreichen [[Katharsis]], d.h. der Läuterung seines [[Astralleib]]s, unterzogen hat und dadurch für eine wahre [[Geistesschülerschaft]] vorbereitet war. Daraus wurde dann die Bezeichnung für die Anhänger einer [[christlich]]en Glaubensbewegung, die sich vom 12. Jahrhundert bis zum 14. Jahrhundert, vornehmlich im Süden [[Frankreich]]s, aber auch in [[Italien]], [[Spanien]] und [[Deutschland]] ausbreitete. Verbreitet ist auch die Bezeichnung '''Albigenser''' (gelegentlich auch: Albingenser) nach der südfranzösischen Stadt [[Wikipedia:Albi|Albi]], einer ehemaligen Katharerhochburg. Sie selbst nannten sich ''veri christiani'' („die wahren Christen“) oder ''boni homines'' bzw. ''Bonhommes'' („gute Menschen“). Gebräuchlich waren auch die Bezeichnungen ''Patarener'' bzw. ''Pateriner''.


Ein klare [[Erkenntnis]] der Reinkarnation gab es nach [[Rudolf Steiner]] nur bis etwa [[1860 v. Chr.]] Danach war sie nur mehr als ein immer dumpfer werdendes, instinktives Gefühl vorhanden, das schließlich für weite Teile der [[Menschheit]], namentlich [[Europa]]s, ganz im Dunkel des [[Unterbewusstsein]]s verschwand. Das Bewusstsein für die Reinkarnation wieder zu wecken, war eine, wenn nicht ''die'' zentrale Lebensaufgabe, die sich Rudolf Steiner gesetzt hat. {{Lit|Meyer, Vorwort zur Neuauflage, II}}.
Die Katharer wurden im Zuge des [[Wikipedia:Albigenserkreuzzug|Albigenserkreuzzug]]s (1209 bis 1229) und weiterer Feldzüge sowie durch die [[Wikipedia:Inquisition|Inquisition]] als [[Häretiker]] verfolgt und vernichtet.


<div style="margin-left:20px">
Aus dem Wort Katharer wurde später auch die abwertende Bezeichnung ''[[Ketzer]]'' für alle Abweichler von einem herrschenden Glauben abgeleitet. Die [[Wikipedia:römisch-katholische Kirche|römisch-katholische Kirche]] verwendete in ihrer [[Wikipedia:Propaganda|Propaganda]] auch die [[Wikipedia:Volksetymologie|volksetymologische]] Ableitung von [[lat.]] ''Cattari'' (lat. ''cattus'', die ''Katze''). Danach würden die Katharer die Katze als Tier [[Satan]]s auf das Hinterteil küssen.
"In vorchristlichen Zeiten ist die
Reinkarnation als Gefühl vorhanden gewesen, denn eine Erkenntnis
war sie nur vor dem Jahre 1860 vor dem Christentum; nach dem Jahre
1860 war sie im ganzen Ägypten, in vorderasiatischen, römischen Zeiten
nur ein instinktives Gefühl. Jetzt aber kommt die Zeit, wo die Anschauung
von dem Menschen als einem geistigen Wesen, das eine Entwickelung
durchmacht zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, ein
lebendiges Gefühl, eine lebendige Empfindung wird, wo man in der
Vorstellung leben muß von der überirdischen Bedeutung der Menschenseelen.
Denn ohne diese Vorstellung wird die Kultur der Erde ertötet.
Man wird nicht eine praktische Tätigkeit entfalten können in der Zukunft,
ohne daß man aufblicken kann zu der geistigen Bedeutung der
Tatsache, daß jeder Mensch ein geistiges Wesen ist." {{Lit|{{G|196|161f}}}}
</div>


Die [[Individualität]] des Menschen, sein [[Ich]], das sich durch seine einzigartige, unverwechselbare [[Biographie]] kundgibt, lässt sich weder aus der [[Vererbung]], noch aus äußeren Einflüssen, etwa durch die [[Erziehung]], erklären.
== Lehre ==
Die Lehre der Katharer ist zeitlich und regional zu differenzieren. Es gab innerhalb der Katharer insbesondere in der späteren Zeit viele verschiedene Gruppen, so dass man nicht von einer einheitlichen Lehre sprechen kann. Alle Gruppen verband jedoch eine gemeinsame [[Dualismus (Religion)|dualistische]], [[Gnosis|gnostisch]]-[[Manichäismus|manichäische]] Grundüberzeugung, wonach nur die jenseitige geistige Welt gottgeschaffen war, während die irdisch-materielle Welt als Produkt eines bösen Prinzips gesehen wurde.<ref>Daniela Müller: ''Katharer.'' In: ''Theologische Real-Enzyklopädie.'' (TRE), Band 18, Berlin 1989, S. 334.</ref> Ihre dualistische  Form des [[Christentum]] wurde von den balkanischen [[Bogomilen]] beeinflusst. Die Katharer hatten direkte Verbindungen zu den Bogomilen: Die [[Interrogatio Johannis]], eine [[Apokryphen|apokryphe Schrift]] bogomilischer Herkunft, erhielt der italienische Katharerbischof Nazarius von Bogomilen aus Bulgarien.<ref>Malcolm Lambert: ''Geschichte der Katharer.'' 2001, S. 60.</ref>


<div style="margin-left:20px">
Im [[Neues Testament|Neuen Testament]] hatte das [[Johannesevangelium]] für sie eine herausragende Rolle. Das Leben des Katharers war darauf ausgelegt, das Gute im Menschen (die [[Seele]]) aus der bösen Welt in den Himmel zu bringen. Der Katharismus war eine Erlösungsreligion und basierte auf der [[Offenbarung des Johannes|Offenbarung]]. Sein Heiliges Buch war das [[Neues Testament|Neue Testament]], sein einziges Gebet das [[Vaterunser|Pater Noster]].<ref>Roquebert: ''Die Religion der Katharer.'' S. 2.</ref>
"Als physischer Mensch stamme ich von anderen physischen Menschen ab, denn ich habe
dieselbe Gestalt wie die ganze menschliche Gattung. Die Eigenschaften der Gattung
konnten also innerhalb der Gattung durch Vererbung erworben werden. Als geistiger
Mensch habe ich meine eigene Gestalt, wie ich meine eigene Biographie habe. Ich kann
also diese Gestalt von niemand anderm haben als von mir selbst. Und da ich nicht mit
unbestimmten, sondern mit bestimmten seelischen Anlagen in die Welt eingetreten
bin, da durch diese Anlagen mein Lebensweg, wie er in der Biographie zum Ausdruck
kommt, bestimmt ist, so kann meine Arbeit an mir nicht bei meiner Geburt begonnen
haben. Ich muß als geistiger Mensch vor meiner Geburt vorhanden gewesen sein. In
meinen Vorfahren bin ich sicher nicht vorhanden gewesen, denn diese sind als geistige
Menschen von mir verschieden. Meine Biographie ist nicht aus der ihrigen erklärbar Ich
muß vielmehr als geistiges Wesen die Wiederholung eines solchen sein, aus dessen
Biographie die Meinige erklärbar ist. Der andere zunächst denkbare Fall wäre der, daß
ich die Ausgestaltung dessen, was Inhalt meiner Biographie ist, nur einem geistigen
Leben vor der Geburt (beziehungsweise der Empfängnis) verdanke. Zu dieser
Vorstellung hätte man aber nur Berechtigung, wenn man annehmen wollte, daß, was auf
die Menschenseele aus dem physischen Umkreis herein wirkt, gleichartig sei mit dem,
was die Seele aus einer nur geistigen Welt hat. Eine solche Annahme widerspricht der
wirklich genauen Beobachtung. Denn was aus dieser physischen Umgebung bestimmend
für die Menschenseele ist, das ist so, daß es wirkt wie ein später im physischen Leben
Erfahrenes auf ein in gleicher Art früher Erfahrenes. Um diese Verhältnisse richtig zu
beobachten, muß man sich den Blick dafür aneignen, wie es im Menschenleben wirksame
Eindrücke gibt, die so auf die Anlagen der Seele wirken wie das Stehen vor einer zu
verrichtenden Tat gegenüber dem, was man im physischen Leben schon geübt hat; nur
daß solche Eindrücke eben nicht auf ein in diesem unmittelbaren Leben schon Geübtes
auftreffen, sondern auf Seelenanlagen, die sich so beeindrucken lassen wie die durch
Übung erworbenen Fähigkeiten. Wer diese Dinge durchschaut, der kommt zu der
Vorstellung von Erdenleben, die dem gegenwärtigen vorangegangen sein müssen. Er
kann denkend nicht bei rein geistigen Erlebnissen vor diesem Erdenleben stehenbleiben. -
die physische Gestalt, die Schiller an sich getragen hat, die hat er von seinen Vorfahren
ererbt. Sowenig aber diese physische Gestalt aus der Erde gewachsen sein kann, sowenig
kann es die geistige Wesenheit Schillers sein. Er muß die Wiederholung einer andern
geistigen Wesenheit sein, aus deren Biographie die Seinige erklärbar wird, wie die
physische Menschengestalt Schillers durch menschliche Fortpflanzung erklärbar ist. - So
wie also die physische Menschengestalt immer wieder und wieder eine Wiederholung,
eine Wiederverkörperung der menschlichen Gattungswesenheit ist, so muß der geistige
Mensch eine Wiederverkörperung desselben geistigen Menschen sein. Denn als geistiger
Mensch ist eben jeder eine eigene Gattung.


Man kann gegen das hier Gesagte einwenden: das seien reine Gedankenausführungen;
Die Katharer sahen sich selbst als die „wahre“ christliche Kirche. Ihr Ziel war die Befreiung der Seele durch die Erlangung des ''Consolamentums'' (siehe unten). Die Katharer unterschieden sich von der damaligen christlichen Kirche auch durch die Ablehnung des [[Altes Testament|Alten Testaments]] der [[Bibel]], in dem sie den [[Demiurg|Schöpfergott]] einer bösen Welt beschrieben sahen.<ref>Malcolm Lambert: ''Geschichte der Katharer.'' 2001, S. 33 und S. 81.</ref> In ihren Predigten kamen viele Bibelzitate vor, die Auslegung war oft nicht eng an den Text gebunden, was sich auch bei den Bibelübersetzungen feststellen lässt.
und man kann äußere Beweise verlangen, wie man sie von der gewöhnlichen
Naturwissenschaft her gewohnt ist. Dagegen muß gesagt werden, daß die
Wiederverkörperung des geistigen Menschen doch ein Vorgang ist, der nicht dem Felde
äußerer physischer Tatsachen angehört, sondern ein solcher, der sich ganz im geistigen
Felde abspielt. Und zu diesem Felde hat keine andere unserer gewöhnlichen Geisteskräfte
Zutritt als allein das Denken. Wer der Kraft des Denkens nicht vertrauen will, der kann
sich über höhere geistige Tatsachen eben nicht aufklären. - Für denjenigen, dessen
geistiges Auge erschlossen ist, wirken die obigen Gedankengänge genau mit
derselben Kraft, wie ein Vorgang wirkt, der sich vor seinem physischen Auge abspielt.
Wer einem sogenannten «Beweise», der nach der Methode der gewöhnlichen
naturwissenschaftlichen Erkenntnis aufgebaut ist, mehr Überzeugungskraft zugesteht als
den obigen Ausführungen über die Bedeutung der Biographie, der mag im gewöhnlichen
Wortsinn ein großer Wissenschaftler sein: von den Wegen der echt geistigen Forschung
ist er aber sehr weit entfernt." {{Lit|{{G|009|72ff}}}}
</div>


== Wiedergeburt als zeitlich begrenztes Phänomen innerhalb der Menschheitsentwickelung ==
Abgesehen von einer grundsätzlich dualistischen Weltsicht und der Ablehnung des Alten Testaments lassen sich über die katharische Lehre kaum für alle Untergruppen gemeinsame theologische Aussagen finden. Die Katharer wurden und werden gerne in die Traditionen des [[Manichäismus]] und der [[Gnosis]] gestellt. Eine direkte Verbindung lässt sich allerdings nicht nachweisen, obwohl theologische Parallelen augenscheinlich sind.<ref>Auch der Philosoph [[Wikipedia:Hans Jonas|Hans Jonas]] erinnert in seinem Text „Gnosis“ (siehe Lit.) daran, dass die Lehre der Katharer enge Beziehungen zur Gnosis aufweist.</ref>


Die Tatsache, dass der Mensch '''wiederholte Erdenleben''' durchmacht, ist nur für eine bestimmte Zeitspanne der [[Erdentwicklung|irdischen Entwicklung]] gültig. Die Folge der Reinkarnationen hat in der [[Lemuria|lemurischen Zeit]] begonnen und wird am Beginn der [[Sechste Wurzelrasse|sechsten Wurzelrasse]] wieder aufhören. Der [[Mensch]] wird dann in ein geistigeres Dasein übertreten und nicht mehr unmittelbar an einen [[Physischer Leib|physischen Körper]] gebunden sein.
== Zusammenhang mit der Entstehung der Gotik ==


<div style="margin-left:20px">
[[Rudolf Steiner]] hat darauf hingewiesen, dass die geistige Gesinnung der Katharer eine tiefen Einfluss auf die die Entstehung der [[Gotik]] hatte.  
"Die Reinkarnation hat
in der lemurischen Zeit angefangen und wird im Beginne der sechsten
Rasse auch wiederum aufhören. Es ist nur eine gewisse Zeitspanne in
der irdischen Entwickelung, innerhalb welcher der Mensch sich wiederverkörpert.
Vorausgegangen war ein überaus geistiger Zustand, der
keine Wiederverkörperung nötig machte, und folgen wird wiederum
ein geistiger Zustand, der auch keine Wiederverkörperung bedingt." {{Lit|{{G|093|25}}}}
</div>


== Überlieferte Kenntnis der Wiedergeburt ==
{{GZ|Der eigentümliche Baustil des Mittelalters, den man
fälschlich den gotischen nennt, kam aus Südfrankreich, entstammte
Gegenden, wo solche frommen Ketzer lebten wie
die Katharer, die Waldenser, die bestrebt waren, das innere
Leben zu vertiefen und mit dem üppigen Leben der Bischöfe
und des Klerus zu brechen. Ein eigentümliches geistiges
Leben breitet sich von dorther aus; die deutsche Mystik
wird stark davon beeinflußt.


=== Hinduismus ===
Welch tiefen Einfluß diese Gesinnung auch auf die äußere
Gestalt dieser Kirchen hatte, geht daraus hervor, daß alle
diese gotischen Münster einen mystischen Schmuck besaßen
in den wunderbaren Glasmalereien. Diese Kunst, die
im 17. Jahrhundert vollständig verlorengegangen ist, war
nicht artistische Allegorie, sondern die Sinnbilder, die dort
eingemalt waren, übten wirklich einen mystischen Einfluß
aus auf die Menge, wenn der Sonnenschein durch sie hereinschien
in die dämmerigen hohen Kirchen.|51|177}}


In den ältesten [[Wikipedia:Hinduismus|hinduistischen]] Schriften, den [[Veden]], wird die Reinkarnation noch nicht thematisiert. [[Himmel]] und [[Hölle]] sind hier die dauerhaften Aufenthaltsorte nach dem [[Tod]]. Erst in den ab etwa [[Wikipedia:800 v. Chr.|800 v. Chr.]] niedergeschriebenen [[Upanishaden]] wird die Lehre von Reinkarnation und [[Karma]] entwickelt, der [[Atma]], der unsterbliche Wesenskern des Menschen, unterworfen ist.
== Kult und religiöse Praxis ==
Eines der ältesten Zeugnisse dazu ist die [[Brihadāranyaka Upanishad]].
Die katharischen Priester (sowohl Männer als auch Frauen) predigten in der Volkssprache, nicht in der traditionelle Kirchensprache [[Latein]], und erreichten dadurch weite Bevölkerungsschichten. Armut, Bescheidenheit und Enthaltsamkeit (auch in der Sexualität) galten als erstrebenswert und trugen zur Popularität der Bewegung bei, während die römische Kirche aufgrund der Lebensweise vieler ihrer Funktionsträger abgelehnt wurde.


{{Zitat|3. Wie eine Raupe, nachdem sie zur Spitze des Blattes
Der katharische [[Kult]] ist dem Kern nach bogomilischer Tradition, was sich vor allem in der Tatsache äußert, dass die Vergebung der Sünden nur durch die Aufnahme in die Kirche der Katharer erfolgen konnte. In ihrem kultischen Leben kannten die Katharer neben ihrem einzigen [[sakrament]]sähnlichen Ritus, der Geisttaufe (''Consolamentum''), noch eine Reihe an kultischen Handlungen.<ref>Daniela Müller: ''Ketzer und Kirche: Beobachtungen aus zwei Jahrtausenden.'' Lit-Verlag 2014. S. 165, S. 169.</ref>
gelangt ist, einen andern Anfang ergreift und sich selbst dazu
hinüberzieht, so auch die Seele, nachdem sie den Leib abgeschüttelt
und das Nichtwissen [zeitweilig] losgelassen hat, ergreift
sie einen andern Anfang und zieht sich selbst dazu
hinüber.


4. Wie ein Goldschmied von einem Bildwerke den Stoff
=== Consolamentum ===
nimmt und daraus eine andre, neuere, schönere Gestalt hämmert, so auch diese Seele, nachdem sie den Leib abgeschüttelt
und das Nichtwissen [zeitweilig] losgelassen hat, so schafft sie
sich eine andre, neuere, schönere Gestalt, sei es der Väter
oder der Gandharven oder der Götter oder des Prajapati oder
des Brahman oder andrer Wesen.<ref>Die Wanderungen der Seele erstrecken sich durch alle Welten von
der Brahmanwelt abwärts bis zur Welt der Pflanzen.</ref>


5. Wahrlich dieses Selbst ist das Brahman, bestehend aus
Die ''Geisttaufe'' oder auch Consolamentum (lat.: „Tröstung“, nach [[Wikipedia:Römerbrief|Römerbrief]] Kapitel 1 Vers 12 und [[Wikipedia:Kolosserbrief|Kolosserbrief]] Kapitel 2 Vers 2) war der entscheidende Schritt, um Mitglied der katharischen Kirche zu werden, und der einzige Zugang zum Heil. Wollten Frauen oder Männer das Consolamentum erhalten, wurde von ihnen verlangt, sich in einer Art [[Wikipedia:Noviziat|Noviziat]] auf das Leben eines Katharers vorzubereiten. Nach der Geisttaufe durch Handauflegen musste das neue Mitglied der Bewegung sein restliches Leben als Katharer führen, um das Heil zu erlangen. Wer einmal das Consolamentum erhalten hatte, konnte es weitergeben, also weitere Personen in die katharische Kirche aufnehmen und so ihre Seelen retten.
Erkenntnis, aus Manas, aus Leben, aus Auge, aus Ohr, bestehend
aus Erde, aus Wasser, aus Wind, aus Äther, bestehend
aus Feuer und nicht aus Feuer, aus Lust und nicht aus Lust,
aus Zorn und nicht aus Zorn, aus Gerechtigkeit und nicht aus
Gerechtigkeit, bestehend aus allem. Je nachdem einer nun
besteht aus diesem oder aus jenem, je nachdem er handelt,
je nachdem er wandelt, danach wird er geboren; wer Gutes
tat, wird als Guter geboren, wer Böses tat, wird als Böser
geboren, heilig wird er durch heiliges Werk, böse durch böses.
Darum, fürwahr, heifst es: «Der Mensch ist ganz und gar
gebildet aus Begierde (''[[kâma]]''); je nachdem seine Begierde ist,
danach ist seine Einsicht (''kratu''), je nachdem seine Einsicht
ist, danach tut er das Werk (''[[karman]]''), je nachdem er das
Werk tut, danach ergehet es ihm».|[[Wikipedia:Paul Deussen|Paul Deussen]]|''Sechzig Upanishad's des Veda'', Leipzig 1921, S. 475f [http://archive.org/stream/sechzigupanishad00deusuoft#page/474/mode/2up]}}


Wie später im [[Buddhismus]] wird auch hier nach der Erlösung ([[Moksha]]) aus dem Kreislauf der Wiedergeburten gestrebt:
Das Consolamentum wurde in einem feierlichen Akt vollzogen, an dem – unter der Leitung des Bischofs oder des ältesten Katharers der Gemeinde oder der Umgebung – alle Katharer teilnahmen, die das Consolamentum schon erhalten hatten. Die Katharer, die in den engeren Kreis der katharischen Kirche aufgenommen wurden, hießen ''Perfecti'' oder ''Perfectae'' (''Vollkommene''). Die Übergabe des Consolamentums vollzog sich, nach Vergebung der Sünden und der Übergabe des [[Vaterunser]]s an den [[Wikipedia:Novize|Novize]]n, durch Auflegen des Johannesevangeliums auf den Kopf des Kandidaten. Nacheinander berührten die Anwesenden den Kopf des Novizen und übertrugen somit den Geist der Erkenntnis auf ihn. Beging ein Perfectus eine Sünde, war nicht nur sein Consolamentum hinfällig, sondern auch diejenigen Geisttaufen, die von dem Sünder gespendet worden waren.


{{Zitat|Nunmehr von dem Nichtverlangenden (akämayamäna).
Nach dem Empfang des Consolamentums hatten die Perfecti ein entbehrungsreiches Leben zu führen. Neben dem Verbot der Ehe und der geschlechtlichen Beziehungen mussten auch strenge Speisevorschriften befolgt werden, z.&nbsp;B. war die Kost stets fleischlos; das töten von Menschen, vierbeinigen Tieren und Vögeln war verboten, außerdem durften sie weder fluchen, lügen noch einen Eid leisten und waren zur Arbeit verpflichtet. Frauen konnten ebenso wie Männer das Consolamentum erhalten, um gerettet zu werden. Jedoch war der Ritus für Frauen etwas abgeändert: Sie durften während der Zeremonie nicht berührt werden. Daher wurde ein Tuch über sie gedeckt. Da die Katharer annahmen, dass die Seele von Natur aus männlich sei, wurde nach Ansicht der Katharer beim Tod einer Perfecta ihre Seele in den ursprünglichen Zustand versetzt – sie wurde männlich. Die Perfecta wurde der Theorie nach zu einem asexuellen Wesen, ihr Geist löste sich vom Körper und erinnerte sich seines ursprünglich männlichen Zustandes. Schwangeren Frauen durfte kein Consolamentum erteilt werden, da sie nach Ansicht der Katharer einen [[Dämon]] im Leib hatten. Die Katharer lehnten generell die Zeugung von Kindern ab ([[Antinatalismus]]), da Adam und Eva ursprünglich ohne [[Sexualität]] gelebt hätten und vom [[Teufel]] zur Sünde der Reproduktion verführt worden seien.
Wer ohne Verlangen, frei von Verlangen, gestillten Verlangens,
selbst sein Verlangen ist, dessen Lebensgeister ziehen
nicht aus; sondern Brahman ist er, und in Brahman geht
er auf.


7. Darüber ist dieser Vers:
=== Das Gebet ===
:::Wenn alle Leidenschaft schwindet,
Das vor dem Consolamentum übergebene Vaterunser war das einzige [[Gebet]] der Katharer.<ref>Daniela Müller: ''Ketzer und Kirche: Beobachtungen aus zwei Jahrtausenden.'' Lit-Verlag 2014. S. 169.</ref> Der Tagesablauf der Katharer war durch das Gebet bestimmt. Mit dem Consolamentum erhielten sie die Erlaubnis, das Vaterunser in verschiedenen Formeln zu beten, was Ausdruck der Zugehörigkeit zur ''ecclesia Dei'' (‚Kirche Gottes‘) war.
:::Die nistet in des Menschen Herz,
:::Dann wird, wer sterblich, unsterblich,
:::Schon hier erlangt das Brahman er.


Wie eine Schlangenhaut tot und abgeworfen auf einem
=== Das Apparellamentum ===
Ameisenhaufen liegt, also liegt dann dieser Körper; aber das
Ebenso wie das oben genannte Gebet war das sogenannte ''Apparellamentum'' den bekennenden Katharern vorbehalten. Das ''Apparellamentum'' war ein monatlicher Bußgottesdienst, der zur Reinigung von den  beeinträchtigenden Beeinflussungen des irdischen Lebens diente und sie vor dem Rückfall in den Sündenstand bewahren sollte; sie beichteten ihre Verfehlungen einem Diakon. Ebenso wurde durch das ''Apparellamentum'' eine Unterwerfung unter die katharische Gemeinschaft vollzogen.
Körperlose, das Unsterbliche, das Leben ist lauter Brahman,
ist lauter Licht.|[[Wikipedia:Paul Deussen|Paul Deussen]]|''Sechzig Upanishad's des Veda'', S. 477 [http://archive.org/stream/sechzigupanishad00deusuoft#page/476/mode/2up]}}


=== Buddhismus ===
=== Der Friedenskuss ===
Der Friedenskuss steht in unmittelbarer Beziehung zum Melioramentum (der ''Ehrenbezeugung'') und diente in erster Linie zur Begrüßung zweier Perfecti bzw. zweier Perfectae untereinander, oder auch der Begrüßung eines Gläubigen, allerdings nur in dem Fall, dass der Kuss vom Perfectus ausgegangen war. Friedensküsse gab es also nur unter Katharern gleichen Geschlechts. Statt zur Begrüßung einen Kuss auszutauschen, wurde die Perfecta vom Perfectus am Arm berührt. Eine andere, noch bessere Lösung zur Übergabe des Friedenskusses war, den Kuss auf das Johannesevangelium zu drücken und dieses dann der Frau zu überreichen.


In den altorientalischen Kulturen, wo man noch ein sehr starkes Bewusstsein vom geistigen Ursprung des Menschen hatte, wurde die Wiederverkörperung und das irdische Dasein überhaupt als vorwiegend leidvoll empfunden. [[Buddha]] hat die Ursachen dieses Leidens aufgezeigt, die ihre Wurzeln in dem [[Begierde|begierdevollen]] Haften an der sinnlichen Welt haben, und mit dem von gelehrten [[Achtgliedriger Pfad|achtgliedrigen Pfad]] den Weg gewiesen, das [[Rad der Wiedergeburten]] anzuhalten und für immer in ein rein geistiges Dasein zurückzukehren. Wenn sich künftig einmal die Reihe der irdischen Geburten des Menschen ihrem Ende zuneigt, wird der [[Buddhismus]] in zeitgemäß erneuerter Form wieder von großer Bedeutung werden, denn dieser Prozess, durch den der Mensch dann in eine neue Daseinsform übertreten wird, kann nur dann zum Heil des Menschen ablaufen, wenn er selbst geistig aktiv und bewusst daran mitwirkt.
=== Radikaler Dualismus ===
Zirka 1176 schwor der Bogumilenbischof [[Wikipedia:Niketas (Bogumilenbischof)|Niketas]], als Abgesandter der drughuntisch-häretischen Kirche von [[Wikipedia:Konstantinopel|Konstantinopel]] den Führer der moderaten Katherer im [[Wikipedia:Languedoc|Languedoc]] auf den radikalen [[Dualismus]] ein.<ref>Malcolm Barber: ''Die Katharer. Ketzer des Mittelalters''. Patmos Verlag, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-491-96220-0. S. 57.</ref> Deggau schreibt: {{"|Im strengen Sinne kann man bei dem radikalen Dualismus der Katharer nicht von einer Moral sprechen. Denn moralische Vorschriften waren für einen Vollkommenen (perfectus) […] weder möglich noch nötig. Er ''konnte'' nicht mehr sündigen [] Umgekehrt konnte es für den einfachen Gläubigen in der Welt des Bösen keine verbindlichen Vorschriften geben […] Es wären nur Regeln des Bösen für das Böse.}}<ref>Hans-Georg Deggau: ''Kleine Geschichte der Katharer.'' Verlag Herder, Freiburg i. Breisgau 2005, S. 77.</ref>


=== Judentum ===
=== Speisevorschriften und die Brotsegnung ===
Aus der Ablehnung der Fortpflanzung als Teufelswerk kann bis zu einem gewissen Maße die Ablehnung sämtlicher Speisen, die aus der Fortpflanzung entstanden sind, also von Tierfleisch, [[Fett|Fetten]] und Milchprodukten, begründet werden. Eine weitaus stärkere Begründung für die Ablehnung dieser Speisen war die Annahme, dass sich in den Tierkörpern die Seelen verstorbener Menschen aufhielten. Wer ein Tier tötete, um es zu verspeisen, stand also in der Gefahr, einen Mord an einer Engelsseele zu begehen, die in einem Tierkörper Zuflucht gesucht hatte. Fische hingegen durften von den Katharern verzehrt werden, da sie der (im Mittelalter weit verbreiteten) Ansicht waren, Fische seien kein Zeugungsprodukt, sondern gingen aus dem Wasser hervor. Außerdem war das Trinken gegorener Getränke (vor allem von Wein) verboten. Mit der Brotsegnung, die im Rahmen einer Mahlzeit stattfand, sollte dem Beispiel Christi gedacht und nachgeeifert werden. Die Betrachtung der [[Hostie]] als Leib Christi lehnten die Katharer jedoch ab: Für sie war sie nur ein Stück Brot.


Der [[Begriff]] [[Gilgul Neschamot]] ({{HeS|גִלְגּוּל נְשָמוֹת}}, wörtl. das ''Rollen der Seelen''), mit dem im [[Judentum]] die Reinkarnations- bzw. Seelenwanderungslehre bezeichnet wird, kommt zwar im [[Wikipedia:Tanach|Tanach]], der [[Hebräer|hebräischen]] [[Bibel]] nicht vor, wird aber in den Überlieferungen des [[Wikipedia:Talmud|Talmud]] an einzelnen Stellen kontrovers diskutiert und ist ein zentrales Element der [[Kabbala]], so etwa im [[Sefer ha-Bahir]] („Buch der Erleuchtung“), das als ältestes kabbalistisches Werk gilt, und in dem Ende des 13. Jahrhunderts weithin bekannten [[Sefer ha-Sohar]] („Buch des Glanzes“), das die Seelenwanderungslehre für eine Weile zum Allgemeingut des osteuropäischen [[Judentum]]s machte.
=== Das Melioramentum und die Credentes ===
Die Gläubigen drückten ihre Verehrung gegenüber dem Guten Christen (Perfectus)  durch Kniebeugen und Verneigungen, dem so genannten ''Melioramentum'' aus. Dadurch wurde die Hinwendung zum Katharismus nach außen bezeugt. Durch die Abgabe des Melioramentums wurde ein gewöhnlicher Mensch zu einem Credens, also einem Gefolgsmann der Katharer. Zwar galten die Credentes nicht als Mitglieder der katharischen Kirche, da sie das Consolamentum nicht erhalten hatten, aber das Melioramentum war ein Zeugnis dafür, dass die Credentes eines Tages das Consolamentum erhalten würden. Die Zeremonie des Melioramentums wurde durch das dreimalige Kniebeugen vor einem Perfectus und durch das dreimalige Bitten um seinen Segen vollzogen.


In dem auf den Lehren [[Wikipedia:Rabbi|Rabbi]] [[Isaak Luria]]s (1534–1572) beruhendem [[Schaar ha-Gilgulim]] („Tor der Wiedergeburten“) werden umfassend und präzise die verwickelten Gesetzmäßigkeiten der kabbalistischen Wiedergeburtslehre im Sinne der [[Seelenwanderung]] beschrieben, wobei ausdrücklich auf einzelne Verse im [[Wikipedia:Tanach|Tanach]] verwiesen wird. Geschildert wird die Wiedergeburt von fünf verschiedenen Seelenteilen, die den höheren [[seelisch]]en und [[geist]]igen [[Wesensglieder]]n entprechen: [[Nephesch]] ([[Empfindungsseele]]), [[Ruach]] ([[Verstandes- und Gemütsseele]], [[Neschama]] ([[Bewusstseinsseele]]/[[Geistselbst]]), [[Chaya]] ([[Lebensgeist]]) und [[Yechida]] ([[Geistesmensch]]).
Obwohl die Credentes Verpflichtungen gegenüber den Perfecti hatten, kann das Melioramentum nicht als geschäftlicher Vertrag angesehen werden; vielmehr war es Ausdruck enger sozialer und ideologischer Bindung an die katharische Kirche und deren Vertreter.


Auch heute noch ist die Wiedergeburtslehre im [[Wikipedia:Orthodoxes Judentum|orthodoxen Judentum]] weit verbreitet, namentlich bei den [[Wikipedia:Chassidim|Chassidim]], wo sie schon von dem Begründer der osteuropäischen chassidischen Bewegung, Rabbi [[Israel ben Elieser|Israel ben Elieser]] (1698–1760), ausgeht.
=== Die Endura ===
Endura (lat. ''abstinentia'') bezeichnete ursprünglich die Probezeit der mindestens achtzehn Jahre alten katharischen [[Wikipedia:Novize|Novize]]n auf das Amt des/der Perfectus/a. Hierbei musste der Anwärter ein Jahr [[fasten]], wonach er (mitunter nach weiterer Prüfungszeit) durch das Consolamtentum und die Einkleidung mit einem schwarzen Gewand in den Kreis der Perfecti/ae aufstieg.<ref>[[Wikipedia:Arno Borst|Arno Borst]]: ''Die Katharer''. 2. Auflage. Herder Verlag, Freiburg i.Br. 1992, ISBN 3-451-04025-5, S. 145.</ref> Die Endura als Fasten-Prüfungszeit gewann in der Spätzeit in einer radikalen Variante eine neue Bedeutung, als sie mit einer Sonderform des Consolamentums, dem ''Kranken-Consolamentum'' verknüpft wurde: Kranke oder Sterbende, die sich erst am Ende ihres Lebens entschieden, das Consolamentum zu empfangen, jedoch nun nicht mehr die Möglichkeit hatten, ein strenges asketisches Leben als Perfecti/ae zu leben, konnten dadurch noch ihre Seele retten und die Vollkommenenwürde erlangen, indem sie keinerlei Nahrungsmittel mehr zu sich nahmen und dadurch, so sie nicht zuvor verstarben, [[Hunger|verhungerten]]. Bei der Ausführung dieser Art der Endura kamen auch Kinder, bei denen eine längere Fastenzeit ebenfalls nicht in Frage kam, ums Leben.<ref>Arno Borst: ''Die Katharer''. 2. Auflage. Herder Verlag, Freiburg i.Br. 1992, ISBN 3-451-04025-5, S. 146f.</ref>


=== Frühes Christentum ===
== Die katharische Hierarchie ==
Die katharische Bewegung hatte bereits Mitte des zwölften Jahrhunderts eine ''fertig organisierte [[Wikipedia:Kirche (Organisation)|Kirche]] mit eigener Hierarchie''<ref name="lam25">Malcolm Lambert: ''Geschichte der Katharer.'' 2001, S. 25.</ref> gebildet. Die katharische Kirche besaß Diözesen, Bischöfe und Diakone und hielt selbst [[Wikipedia:Konzil|Konzil]]ien zu Glaubensfragen ab.<ref>So etwa das Konzil von [[Wikipedia:Mirepoix (Ariège)|Mirepoix]] 1206, vgl. Malcolm Lambert: ''Geschichte der Katharer.'' 2001, S. 62.</ref> Bis zum [[Wikipedia:Albigenserkreuzzug|Albigenserkreuzzug]] (1209–1229) konnten die Katharer ihre Organisation ausbauen und in Okzitanien unter dem Schutz des Adels und dem Wohlwollen großer Teile der Bevölkerung ihre Religion über mehrere Jahrzehnte lang weitgehend frei und öffentlich praktizieren. Vielerorts wurden Gemeinschaftshäuser als Zentren des Gebets und als Lebens- und Arbeitsorte für Perfecti und Perfectae eröffnet. Obwohl dieselben tatsächlich in persönlicher Armut lebten, konnte ihre Organisation, die katharische Kirche, in dieser Phase ein beträchtliches Vermögen erwirtschaften, und zwar vor allem durch Spenden, die im Zuge der Erteilung des Consolamentums am Kranken- oder Sterbebett (siehe oben: [[#Die Endura|Endura]]) der Gemeinschaft überlassen wurden, oft in Form von stattlichen Summen oder der Überschreibung des gesamten Erbes. So verfügte die Bewegung über große Mengen an festen und beweglichen Gütern. Die katharische Kirche, in der es kein [[Wikipedia:Zinsverbot|Zinsverbot]] gab, war – besonders in Südfrankreich – bisweilen überaus reich: Die Organisation kaufte für ihre Zwecke Häuser, Weinberge oder Äcker, investierte in den Ausbau von Festungen und gab hohe Summen als Bestechungsgelder für Amtsträger der gegnerischen Kirche aus.<ref>Arno Borst: ''Die Katharer.'' 1992, S. 86 und 98.</ref>


Erstmals in der [[Urpersische Kultur|urpersischen Kultur]] und später namentlich im [[Christentum]] erkannte man den besonderen Wert des irdischen Daseins für die geistige Entwicklung des Menschen. Damit trat aber auch das Wissen um die wiederholten Erdenleben in den Hintergrund und das Bewusstsein richtete sich immer mehr auf das einzelne irdische Leben des Menschen. In der christlichen Lehre wird daher die Reinkarnationsidee weitgehend abgelehnt, obwohl sie keineswegs unvereinbar mit der biblischen Überlieferung ist. Einzelne Stellen im [[Wikipedia:Neues Testament|Neuen Testament]] weisen mehr oder weniger deutlich auf die Reinkarnation hin, am aller klarsten dort, wo der [[Christus]] [[Johannes der Täufer|Johannes den Täufer]] als den wiedergekommenen [[Elias]] bezeichnet, wobei er sich auf die [[Prophezeiung]] in {{B|Mal|3|23|LUT}} bezieht:
Anhand der Struktur der katharischen Kirche lässt sich anschaulich darstellen, wie sich die religiöse Praxis der Katharer ausgebildet hatte: Aufgrund ihrer strengen Hierarchie besaß sie nur eine kleine Spitze, die Bischöfe und ihre Stellvertreter, und führte von diesen hin zu einer breiten Basis, den Credentes und Sympathisanten. Ihre straffe Organisation verlieh der katharischen Kirche große Wirkmächtigkeit und Schlagkraft. In der Auseinandersetzung mit der [[Wikipedia:Inquisition|Inquisition]] geriet sie ihnen jedoch zum Nachteil, weil die Katharer nach der Beseitigung ihrer Führungseliten kaum über dezentrale Strukturen „im Untergrund“ verfügten, wie sie etwa die ebenfalls verfolgten [[Waldenser]] besaßen. Der römisch-katholischen Kirche schienen die Katharer aufgrund ihrer „Gegenkirche“, die sie spiegelbildlich zu ihrer Rivalin errichtet hatten, umso gefährlicher.


{{Zitat|23 Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia, ehe der große und schreckliche Tag des HERRN kommt.|[[Wikipedia:Buch Maleachi|Buch Maleachi]]|{{BB||Mal|3|23|LUT}}}}
=== Der Bischof und seine Stellvertreter ===
Der Bischof hatte in der katharischen Gegenkirche keine so weitreichenden Aufgaben wie ein Bischof in der römisch-katholischen Kirche. Sein vornehmliches Recht war, bei allen Riten der Katharer die erste Stelle einzunehmen, beispielsweise bei der Erteilung des Consolamentums oder beim Brotbrechen. Ansonsten wurden ihm keine weiteren nur ihm vorbehaltenen Rechte, wie etwa Priesterweihe oder Firmung, zugesprochen, so dass der katharische Bischof im Grunde nur der Gemeindevorstand war, der sich auch um den Besuch der Einzelgemeinden kümmern musste.


{{Zitat|7 Als sie fortgingen, fing Jesus an, zu dem Volk über Johannes zu reden: Was zu sehen seid ihr hinausgegangen in die Wüste? Ein Schilfrohr, das vom Wind bewegt wird?
Das Bischofsamt wurde nur von Männern bekleidet.
8 Oder was zu sehen seid ihr hinausgegangen? Einen Menschen in weichen Kleidern? Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige.
9 Oder was zu sehen seid ihr hinausgegangen? Einen Propheten? Ja, ich sage euch: Er ist mehr als ein Prophet.
10 Dieser ist's, von dem geschrieben steht: »Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.«
11 Wahrlich, ich sage euch: Unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer; der aber der Kleinste ist im Himmelreich, ist größer als er.
12 Aber von den Tagen Johannes des Täufers bis heute leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalt tun, reißen es an sich.
13 Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis hin zu Johannes;
14 und wenn ihr's annehmen wollt: Er ist Elia, der da kommen soll.
15 Wer Ohren hat, der höre!|[[Matthäus-Evangelium]]|{{BB|Mt|11|7-15}}}}


Und ähnlich nach Enthauptung des Täufers, der dann bei [[Verklärung Christi]] auf dem [[Berg Tabor]] in seiner Geistgestalt gemeinsam mit [[Moses]] erscheint:
In der ersten Zeit der katharischen Kirche wurde der Bischof noch von der Gemeinde gewählt, im 13. Jahrhundert hatte sich die Verkirchlichung der katharischen Bewegung aber so weit durchgesetzt, dass der Bischof einer Diözese nur von seinesgleichen geweiht werden durfte.


{{Zitat|2 Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus, Jakobus und Johannes und führte sie auf einen hohen Berg, nur sie allein. Und er wurde vor ihnen verklärt;
An der Seite des Bischofs standen seine zwei Stellvertreter: der ältere und der jüngere „Sohn“ (''filius major'' und ''filius minor''). Beide vertraten den Bischof in seiner Abwesenheit und bereisten die Gemeinden als seine Vertreter. Die eigentliche Pfarrseelsorge hingegen wurde vom Diakon übernommen. Die Aufgaben eines Bischofs und auch eines Diakons konnten nur von Personen übernommen werden, die das Consolamentum erhalten hatten.
3 und seine Kleider wurden hell und sehr weiß, wie sie kein Bleicher auf Erden so weiß machen kann.
4 Und es erschien ihnen Elia mit Mose, und sie redeten mit Jesus.
5 Und Petrus antwortete und sprach zu Jesus: Rabbi, hier ist für uns gut sein; wir wollen drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.
6 Er wusste aber nicht, was er redete; denn sie waren verstört.
7 Und es kam eine Wolke, die überschattete sie. Und eine Stimme geschah aus der Wolke: Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören!
8 Und auf einmal, als sie um sich blickten, sahen sie niemand mehr bei sich als Jesus allein.
9 Als sie aber vom Berg herabgingen, gebot ihnen Jesus, dass sie niemandem sagen sollten, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn auferstünde von den Toten.
10 Und sie behielten das Wort und befragten sich untereinander: Was ist das, auferstehen von den Toten?
11 Und sie fragten ihn und sprachen: Sagen nicht die Schriftgelehrten, dass zuvor Elia kommen muss?
12 Er aber sprach zu ihnen: Elia soll ja zuvor kommen und alles wieder zurechtbringen. Wie steht dann geschrieben von dem Menschensohn, dass er viel leiden und verachtet werden soll?
13 Aber ich sage euch: Elia ist gekommen, und sie haben ihm angetan, was sie wollten, wie von ihm geschrieben steht.|[[Markus-Evangelium]]|{{BB|Mk|9|2-13}}}}


Nach dem [[Johannes-Evangelium]] hatte allerdings Johannes vor der [[Jordan-Taufe]] des [[Jesus]] selbst bestritten, der wiedergekommene Elias zu sein:
=== Der Diakon ===
Der Aufgabenbereich eines Diakons einer katharischen Gemeinde war vielfältiger als der des Bischofs. Er hatte zwar nicht das Recht, als Erster das Consolamentum zu spenden oder das Brot zu brechen, aber er hatte die Aufgabe, im Fall von Unklarheiten oder Zweifeln bei den Gemeindegliedern schlichtend einzugreifen, diejenigen wieder zu konsolieren, die eine Sünde begangen hatten, und das Apparellamentum zu vollziehen.


{{Zitat|19 Dies ist das Zeugnis des Johannes: Als die Juden von Jerusalem aus Priester und Leviten zu ihm sandten mit der Frage: Wer bist du?,5
Eine weitere Verpflichtung des Diakons war, katharische Konvente zu leiten, die auch als Gästehäuser für Katharer bezeichnet werden können. Diese Aufgabe wurde auch von Frauen übernommen; allerdings war es Frauen untersagt zu predigen. In den Frauenkonventen, die der Leitung einer Frau unterstanden, wurden die Predigten entweder vom katharischen Bischof oder aber – in den meisten Fällen – vom Diakon der Gemeinde durchgeführt.
20 bekannte er und leugnete nicht; er bekannte: Ich bin nicht der Messias.6
21 Sie fragten ihn: Was bist du dann? Bist du Elija? Und er sagte: Ich bin es nicht. Bist du der Prophet? Er antwortete: Nein.
22 Da fragten sie ihn: Wer bist du? Wir müssen denen, die uns gesandt haben, Auskunft geben. Was sagst du über dich selbst?
23 Er sagte: Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft: Ebnet den Weg für den Herrn!, wie der Prophet Jesaja gesagt hat.
24 Unter den Abgesandten waren auch Pharisäer.
25 Sie fragten Johannes: Warum taufst du dann, wenn du nicht der Messias bist, nicht Elija und nicht der Prophet?
26 Er antwortete ihnen: Ich taufe mit Wasser. Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt
27 und der nach mir kommt; ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren.
28 Dies geschah in Betanien, auf der anderen Seite des Jordan, wo Johannes taufte.|[[Johannes-Evangelium]]|{{BB|Joh|19-27}}}}


[[Origenes]] († 253/54), anfangs noch ein angesehener Kirchenlehrer, hielt die Reinkarnation durchaus für wahrscheinlich, namentlich in Bezug auf [[Jesus]]:
Die Aufgaben eines Diakons, die mit Reisen verbunden waren, konnten von Frauen nicht übernommen werden, da es vor allem nach dem Albigenserkreuzzug und während der Inquisition für Frauen nicht möglich war, allein auf Reisen zu gehen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.


{{Zitat|Konnte wohl der, welcher die Seelen in die Körper der Menschen herabsendet, ihn, der so Großes wagen, der so viele belehren und viele Menschen aus der Flut der Sünde zur Besserung zurückführen sollte, in einen Ursprung hineinstoßen, der schimpflicher war als alle, und ihn nicht einmal durch eine rechtmäßige Ehe in das Menschenleben einführen? Oder ist es nicht viel begründeter, dass eine jede Seele, wenn sie nach gewissen verborgenen Gesetzen - ich sage das aber jetzt im Sinne des Pythagoras, Plato und Empedokles, die Celsus oft angeführt hat - in einen Körper eingefügt wird, ihre Wohnung nach Würdigkeit und mit Rücksicht auf ihren früheren Charakter erhält? Es ist also wahrscheinlich, dass diese Seele, die bei ihrem Verweilen im Leben der Menschen mehr Nutzen gebracht hat als viele Menschen - um nicht anmaßend zu scheinen, wenn ich sagen würde "alle" -, eines Körpers bedurfte, der sich nicht nur unter den Menschenkörpern auszeichnete, sondern auch besser und edler als alle war.|Origenes|''Gegen Celsus (Contra Celsum)'' I,32 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel137-31.htm]}}
=== Die Perfecti ===
Die Perfecti (weibliche Form: ''Perfectae'', Wortbedeutung: [[lat.]] „Vollkommene“; {{FrS|parfaits}}), bezeichnet auch als „gute Menschen“, ''Bonhommes'', ''Bonshommes'' bzw. ''boni homines'', bildeten den harten Kern der eigentlichen Mitglieder der katharischen Kirche.<ref>Arno Borst: ''Die Katharer.'' 1992, S. 151.</ref> Ihnen war erlaubt, das Vaterunser zu beten und das Consolamentum zu erteilen. Sie führten eine keusche und schlichte bis asketische Lebensweise in persönlicher Armut mit vielen Fastenregeln und standen vor den Gläubigen (Credentes), in denen sie eine „bemerkenswerte Hingabe“ erweckten, „in der machtvollen Tradition des Märtyrertums“.<ref name="lam25" /> Ihre Besitztümer überschrieben die Perfecti/ae bei ihrem Eintritt an die Gemeinschaft ihrer Kirche. Es hat wohl zu keiner Zeit mehr als zehntausend Perfecti gegeben; es kann sogar vermutet werden, dass die Zahl der Perfekten nicht mehr als viertausend betragen hat. Wenn die Perfecti/ae nicht auf Wanderschaft waren, um zu predigen, oder in ihrer Gemeinde unterwegs waren, lebten sie in eigenen Häusern, die der Gemeinschaft gehörten.


Als das Wissen um die Wiederverkörperung verloren ging, verlor man auch sehr bald das Bewusstsein für das rein geistige vorirdische Dasein des Menschen vor der Geburt, das für [[Platon]] noch von ganz zentraler Bedeutung war, und richtete das Augenmerk viel stärker auf das [[Leben nach dem Tod]].
Eine Perfecta durfte nur in der Gegenwart eines Diakons das Consolamentum spenden.


Ein geläufiges, auch heute noch oft gebrauchtes Argument gegen die „[[Seelenwanderung]]“ - gemeint ist die ''Reinkarnation'' - lieferte schon der frühchristliche [[Wikipedia:Kirchenvater|Kirchenvater]] [[Irenäus von Lyon]] († 202) in seiner Schrift ''Gegen die Häresien'':
=== Die Initiierten ===
Eine Stufe unter den Perfecti standen die Initiierten. Die Initiierten waren Gläubige, die danach strebten, das Consolamentum zu erhalten. Wie schon erwähnt, bestand die Übergabe des Consolamentums aus zwei Teilen, nämlich der Übergabe des Vaterunsers und der eigentlichen Geisttaufe, die aber nicht zeitnah durchgeführt werden mussten. Ein Initiierter hatte das Recht, das Vaterunser zu beten, stand also kurz davor, in den Stand eines Guten Menschen erhoben zu werden. Davor musste er sich jedoch über einen längeren Zeitraum moralisch bewähren – schon ein Initiierter hatte also nach den moralischen Grundsätzen der katharischen Kirche zu leben.


{{Zitat|Ihre Lehre aber von der Seelenwanderung wird dadurch widerlegt, daß sich die Seelen gar nicht mehr an das erinnern, was vordem gewesen ist. Wenn sie nämlich dazu ausgesandt wurden, um alles durchzumachen, dann müßten sie sich auch an das Vergangene erinnern können, um das Fehlende noch nachzuholen und nicht elendiglich immer um dasselbe sich abzumühen. Wenn sie deshalb auf die Erde kamen, dann konnte die Vereinigung mit dem Körper die Erinnerung und Erwägung der Vergangenheit nicht gänzlich auslöschen. Was nämlich jetzt die Seele, während der Körper schläft und ruht, bei sich sieht und im Traume erlebt, das teilt sie gemäß ihrer Erinnerung zum größten Teile dem Körper mit, und bisweilen erzählt einer wachend noch nach sehr langer Zeit, was er im Träume gesehen hat. So müßte sie sich auch dessen erinnern, was sie getan hat, bevor sie in den Körper kam. Wenn sie nämlich das, was sie während eines Augenblickes schaute und im Traume empfing, auch über den Traum hinaus noch weiß, nachdem sie sich dem Körper wieder mitgeteilt und in jedes Glied zerstreut hat, so müßte sie noch viel mehr das wissen, wo sie so lange Zeit und die ganze Ewigkeit des verflossenen Lebens gewesen ist.|Irenäus von Lyon|''Contra Haereses'' II 33,1 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel645.htm]}}
=== Die Credentes ===
Die Gläubigen fühlten sich noch nicht in der Lage, das von strengen Vorschriften geprägte Leben eines Perfectus zu führen. Sie standen aber der katharischen Kirche nahe und bezeugten das auch durch das Melioramentum. Dieser Gruppe, auch Credentes genannt, war zu verdanken, dass aus der katharischen Gegenkirche keine von der Welt abgesonderte, elitäre Mönchskirche, sondern eine Bewegung mit Massenanhang geworden war. Die Anzahl der Anhänger der katharischen Kirche wird auf „mehrere Hunderttausend“ geschätzt.


Tatsächlich ist es nicht möglich, sich mit dem gegenwärtigen gewöhnlichen [[Gedächtnis]] an frühere Erdenleben zu erinnern. Dazu ist eine [[Hellsehen|hellsichtige]] Erkenntnis notwendig, wie sie in alten vorchristlichen Zeiten viele Menschen noch naturgemäß hatten. Heute kann diese Erkenntnis nur mit vollem [[Ich-Bewusstsein]] auf dem geistigen [[Schulungsweg]] errungen werden. Verlässliche Ergebnisse erhält man dabei erst auf der höchsten Erkenntnisstufe, der [[Intuition]]. Erlebnisse, mit denen sich der Mensch ''heute'' mit vollem Ich-Bewusstsein verbindet, werden allerdings bereits in der nächsten Inkarnation ''unmittelbar'' und ohne besondere Schulung erinnert werden können. Die Gedächtnisfähigkeit wird sich entsprechend weiterentwickeln.
Die Credentes gehörten nicht zur katharischen Kirche und brauchten aus diesem Grund auch nicht die religiösen Vorschriften zu befolgen, die die Perfecti einzuhalten hatten. Eine der wichtigsten Aufgaben der Credentes war es, die Perfekten zu versorgen, und zur Zeit der Inquisition und des Albigenserkreuzzuges auch zu verstecken.


Auch [[Tertullian]] bringt in seiner Schrift ''Über die Seele'' (III 28ff [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1909-27.htm]) eine Fülle von Argumenten gegen die [[Pythagoras|pythagoräische]] [[Seelenwanderung]]slehre vor, die aber auch er nicht klar von der Reinkarnation unterscheidet.
Am Ende ihres Lebens wurde den Credentes das [[#Das Consolamentum|Consolamentum]] erteilt, d.&nbsp;h., sie wurden von der sündigen Welt erlöst. Nach Erteilung des Consolamentums durfte der Kranke nur noch Wasser erhalten, da weltliche Nahrung die Wirkung aufgehoben hätte. Somit kam der Empfang des Consolamentums einem Todesurteil gleich (vgl. oben: Endura).


[[Wikipedia:Hieronymus (Kirchenvater)|Hieronymus]] († 420) sprach sich in einem Brief an ''Demetrias'' ebenfalls entschieden gegen die Reinkarnations- und Seelenwanderungslehre aus:
== Literatur ==
=== Deutsch ===
* Eduard Cunitz: ''Ein katharisches Rituale'', Druck und Verlag von Friedrich Mauke, Jena 1852 [https://books.google.at/books?id=wVwrAAAAYAAJ google]
* [[Wikipedia:Lothar Baier|Lothar Baier]]: ''Die große Ketzerei: Verfolgung und Ausrottung der Katharer durch Kirche und Wissenschaft''. Wagenbach, Berlin 2002, ISBN 3-8031-2410-7.
* Malcolm Barber: ''Die Katharer. Ketzer des Mittelalters''. Patmos Verlag, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-491-96220-0.
* Matthias Benad: ''Domus und Religion in Montaillou.'' Tübingen 1990.
* [[Wikipedia:Arno Borst|Arno Borst]]: ''Die Katharer''. A. Hiersemann Verlag, Stuttgart 1953, ISBN 3-7772-5301-4.
** Neuauflage mit Nachträgen von [[Wikipedia:Alexander Patschovsky|Alexander Patschovsky]] und Gerhard Rottenwöhrer. Karolinger Verlag, Wien 2012, ISBN 978-3-85418-145-3.
* Heinrich Fichtenau: ''Ketzer und Professoren: Häresie und Vernunftglaube im Hochmittelalter.'' München, Beck 1992, ISBN 3-406-36458-6.
* [[Wikipedia:Hans Jonas|Hans Jonas]]: ''Gnosis: Die Botschaft des fremden Gottes''. Insel, Frankfurt 1999, ISBN 3-458-16944-X.
* Reiner Klein: ''Die Mysterien der Katharer''. Zeitenwende 2008, ISBN 978-3-934291-51-5.
* Malcolm Lambert: ''Geschichte der Katharer''. Primus Verlag, Darmstadt 2001, ISBN 3-89678-401-3.
* Malcolm Lambert: ''Häresie im Mittelalter: Von den Katharern bis zu den Hussiten''. Primus Verlag, Darmstadt 2001, ISBN 3-89678-184-7.
* [[Wikipedia:Emmanuel Le Roy Ladurie|Emmanuel Le Roy Ladurie]]: ''Montaillou – Ein Dorf vor dem Inquisitor 1294 bis 1324.'' (fr. 1975) Ullstein, Berlin 2000, ISBN 3-548-26571-5.
* Jörg Oberste: ''Ketzerei und Inquisition im Mittelalter''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007, ISBN 978-3-534-15576-7.
* Jörg Oberste: ''Der Kreuzzug gegen die Albigenser''. Primus Verlag, Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-464-1.
* [[Déodat Roché]]: ''Die Katharer-Bewegung. Ursprung und Wesen.'' Verlag am Goetheanum, Dornach 1997, ISBN 9783723508275
* Michel Roquebert: ''Die Religion der Katharer.'' Übersetzung von Rosi Hoffmann. Editions Loubatières, Portet-sur-Garonne 1988, {{Falsche ISBN|2-86266-102-8}}.
* Gerhard Rottenwöhrer: ''Der Katharismus''. 4 Bände, Bock & Herchen, Bad Honnef 1982f., ISBN 3-88347-103-8.
* Kurt Rudolph: ''Die Gnosis.'' Göttingen 1990.
* [[Wikipedia:Steven Runciman|Steven Runciman]]: ''Häresie und Christentum: Der mittelalterliche Manichäismus''. Wilhelm Fink Verlag, München 1988, ISBN 3-7705-2498-5.
* Gerd Schwerhoff: ''Die Inquisition: Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit''. C.H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-50840-5.
* Joseph Szöverffy: ''Maria und die Häretiker. Ein Zisterzienserhymnus zum Albigenserkrieg.'' In: ''[[Wikipedia:Analecta Cisterciensia|Analecta Cisterciensia]].'' 43 (1987), S. 223–232.
* Pierre des Vaux-de-Cernay: ''Kreuzzug gegen die Albigenser''. Manesse, Zürich 1997, ISBN 3-7175-8228-3 (Übersetzung der ''Historia Albigensis'' aus dem Lateinischen).
* Ernst Werner, Martin Erbstößer: ''Kleriker, Mönche, Ketzer: Das religiöse Leben im Hochmittelalter''. Herder, Freiburg 1994, ISBN 3-451-04284-3.
* Eugen Roll: ''Ketzer zwischen Orient und Okzident. Patarener, Paulikianer, Bogomilen'', J. Ch. Mellinger Verlag 1986, ISBN 978-3880691902
* Rudolf Steiner: ''Über Philosophie, Geschichte und Literatur'', [[GA 51]] (1983), ISBN 3-7274-0510-4 {{Vorträge|051}}


{{Zitat|Diese Art Leute hat nämlich die Gewohnheit, in allen Winkeln und ganz verstohlen ihre Ansichten an den Mann zu bringen und Gottes Gerechtigkeit ausklügeln zu wollen. „Warum“, so sprechen sie, „ist diese Seele in dieser Provinz geboren? Warum kommen die einen als Kinder christlicher Eltern zur Welt, während andere bei unzivilisierten und wilden Völkern ins Leben treten, die überhaupt keine Kenntnis von Gott haben?“ Wenn sie dann durch diesen Skorpionenstich harmlose Menschen verwundet und an der offenen Wunde sich weiter Raum geschaffen haben, dann streuen sie ihr Gift aus. „Glaubst du, daß ein kleines Kind, das kaum seine Mutter an ihrem Lachen und ihrem heiteren Gesichte erkennt, <ref>Vergil, Buc. IV 60.</ref> das bisher nichts Gutes und auch nichts Schlechtes getan hat, ohne eigene Schuld vom Teufel besessen oder von der Gelbsucht befallen wird und Leiden durchmachen muß, von denen nach unserer Erfahrung die Gottlosen verschont bleiben, während die Gotteskinder damit geplagt werden? Wenn aber“, so fahren sie fort, „Gottes Gerichte wahr und in sich selbst gerechtfertigt sind, <ref>{{B|Ps|18|10|LUT}}</ref> wenn ich also bei Gott keine Spur von Ungerechtigkeit finden kann, dann zwingt uns unsere Vernunft zu der Annahme, diese Seelen müssen schon einmal im Himmel existiert haben. Dort wurden sie wegen irgendwelcher früherer Fehler dazu verurteilt, in einem menschlichen Leibe gleichsam begraben zu werden, so daß wir in diesem Tränentale die Strafen einstiger Sünden abzubüßen haben. <ref>Origenes lehrte die Präexistenz der Seelen. Sie sind nach ihm gefallene Engel, welche zur Strafe in menschliche Leiber verbannt wurden.</ref> Deshalb spricht auch der Prophet: Bevor ich gedemütigt wurde, habe ich gesündigt. <ref>{{B|Ps|118|67|LUT}}</ref> Befreie meine Seele aus dem Kerker! <ref> Ebd. {{BB|Ps|141|8|LUT}}</ref> Hat er gesündigt, daß er vom Mutterschoß an blind war, oder taten es seine Eltern?“ <ref>{{B|Joh|9|2|LUT}}</ref> und ähnliches. Diese verderbliche und gottlose Lehre verbreitete sich einst in Ägypten und im Orient, <ref>In Ägypten war bis zum Jahre 399 der Patriarch Theophilus von Alexandrien eifriger Origenist, der von da an seine bisherigen Freunde, die origenistisch gesinnten Mönche der nitrischen Wüste, scharf bekämpfte. Im „Orient“ setzten sich Johannes von Jerusalem und Rufin für Origenes ein.</ref> und heute noch hat sie sozusagen in gewissen Natterhöhlen viele heimliche Anhänger. Sie vergiftet in jenen Gegenden die Reinheit des Glaubens und setzt sich einem Erbübel gleich in wenigen fest, um dann sehr viele anzustecken.|Hieronymus|''Briefe'' IIa 130,16 [https://www.unifr.ch/bkv/kapitel3105-16.htm]}}
{{GA}}


=== Islam ===
=== Französisch ===
* Martin Aurell: ''Les Cathares devant l'histoire''. Hydre Éd., Cahors 2005, ISBN 2-913703-57-7.
* Jacques Berlioz: ''„Tuez-les tous Dieu reconnaîtra les siens“: le massacre de Béziers et la croisade des Albigeois vus par Césaire de Heisterbach''. Loubatières, Portet-sur-Garonne 1994, ISBN 2-86266-215-1.
* Jean-Louis Biget, ''Hérésie et inquisition dans le Midi de la France'', Paris, Picard, 2007 [https://www.cairn.info/heresie-et-inquisition-dans-le-midi-de-la-france--9782708408036.htm, online].
* Richard Bordes: ''Cathares et Vaudois en Périgord, Quercy et Agenais''. Hydre Éd., Cahors 2005, ISBN 2-913703-30-5.
* Anne Brenon: ''Le Dico des cathares''. Editions Milan, Paris 2000, ISBN 2-84113-817-8.
* Anne Brenon: ''Les Femmes cathares''. Perrin, Paris 2004, ISBN 2-262-02269-0.
* Roger Caratini: ''Les cathares – de la gloire à la tragédie (1209–1244)''. Archipel, Paris 2005, ISBN 2-84187-589-X.
* Jean Duvernoy: ''Le Catharisme: La religion des cathares (tome 1)''. Éd. Privat, Toulouse 1996, ISBN 2-7089-5326-5.
* Jean Duvernoy: ''L'Histoire des cathares (tome 2)''. Neuauflage. Éd. Privat, Toulouse 2004, ISBN 2-7089-7523-4.
* [https://www.academia.edu/11602867/Mark_G._Pegg_Innocent_III_les_Pestilentiels_Proven%C3%A7aux_et_le_paradigme_%C3%A9puis%C3%A9_du_catharisme_dans_Innocent_III_et_le_Midi_._Cahiers_de_Fanjeaux_50_2015_p._277-307_trad._de_langlais_ Mark G. Pegg, "Innocent III, les 'Pestilentiels Provençaux' et le paradigme épuisé du catharisme", in ''Innocent III et le Midi''. ''Cahiers de Fanjeaux'' 50, 2015, p. 277-307, online].
* Michel Roquebert: ''Histoire des Cathares. Hérésie, Croisade, Inquisition du XIe au XIVe siècle''. Perrin, Paris 1999, ISBN 2-262-01894-4.


Wie bei den meisten anderen [[Abrahamitische Religionen|abrahamitischen Religionen]] lehnen die meisten [[Sunniten]] und [[Schiiten]], die die Hauptströmungen des [[Islam]] darstellen, die Reinkarnationslehre ab und halten sie, ähnlich wie die meisten [[Christentum|christlichen]] [[Konfession]]en, für unvereinbar mit dem Glauben an die [[Auferstehung]] und an das [[Jüngstes Gericht|Jüngste Gericht]]. Viele esoterische Orden der [[Sufi]] integrieren allerdings den Reinkarnationsgedanken problemlos in ihre Lehre und berufen sich dabei oftmals auf den 28. Vers der [[Wikipedia:2. Sure]] ([[Wikipedia:al-Baqara|al-Baqara]] „die Kuh“) des [[Koran]]: „Wie könnt ihr Allah leugnen, wo ihr doch tot waret und Er euch lebendig machte und euch dann sterben läßt und euch dann (am Jüngsten Tag) lebendig macht, an dem ihr zu Ihm zurückkehrt?“ {{Koran|2|28}}
=== Spanisch ===
* Jesús Ávila Granados: ''La mitología cátara : símbolos y pilares del catarismo occitano''. mr ed., Madrid 2005, ISBN 84-270-3126-2.


=== Der Gedanke in der europäischen Neuzeit ===
== Weblinks ==
 
Einzelne abendländische Denker, wie z.B. [[Gotthold Ephraim Lessing|Lessing]], haben den Reinkarnationsgedanken wieder aufgegriffen, weil sie eingesehen haben, dass der Mensch in einem einzelnen Erdenleben unmöglich alle geistigen Entwicklungsmöglichkeiten ausschöpfen kann, die das irdische Dasein bietet. Anders als die altorientalischen Weisen sehen sie in der Wiedergeburt weniger ein schreckliches Schicksalsverhängnis, sondern vielmehr die damit verbundenen gewaltigen geistigen Entwicklungschancen. Insbesondere wird es durch die Wiederverkörperung auch jenen Menschen, die bereits in vorchristlicher Zeit gelebt haben, möglich, sich mit dem auf die Erde herabgestiegenen und seit dem im Erdenkreis wirkenden [[Christus]] zu verbinden. So schreibt etwa Lessing in seinem religionsphilosophischen Hauptwerk "[[Die Erziehung des Menschengeschlechts]]":
 
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§ 92 Du hast auf deinem ewigen Wege so viel mitzunehmen! so viel Seitenschritte zu tun! - Und wie? wenn es nun gar so gut als ausgemacht wäre, daß das große langsame Rad, welches das Geschlecht seiner Vollkommenheit näher bringt, nur durch kleinere schnellere Räder in Bewegung gesetzt würde, deren jedes sein Einzelnes eben dahin liefert?
 
§ 93 Nicht anders! Eben die Bahn, auf welcher das Geschlecht zu seiner Vollkommenheit gelangt, muß jeder einzelne Mensch (der früher, der später) erst durchlaufen haben. - »In einem und eben demselben Leben durchlaufen haben? Kann er in eben demselben Leben
ein sinnlicher Jude und ein geistiger Christ gewesen sein? Kann er in eben demselben Leben beide überholet haben?«
 
§ 94 Das wohl nun nicht! - Aber warum könnte jeder einzelne Mensch auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt vorhanden gewesen sein?
 
§ 95 Ist diese Hypothese darum so lächerlich, weil sie die älteste ist? weil der menschliche Verstand, ehe ihn die Sophisterei der Schule zerstreut und geschwächt hatte, sogleich darauf verfiel?
 
§ 96 Warum könnte auch Ich nicht hier bereits einmal alle die Schritte zu meiner Vervollkommnung getan haben, welche bloß zeitliche Strafen und Belohnungen den Menschen bringen können?
 
§ 97 Und warum nicht ein andermal alle die, welche zu tun, uns die Aussichten in ewige Belohnungen, so mächtig helfen?
 
§ 98 Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf Einmal so viel weg, daß es der Mühe wieder zu kommen etwa nicht lohnet?
 
§ 99 Darum nicht? - Oder, weil ich es vergesse, daß ich schon da gewesen? Wohl mir, daß ich das vergesse. Die Erinnerung meiner vorigen Zustände, würde mir nur einen schlechten Gebrauch des gegenwärtigen zu machen erlauben. Und was ich auf itzt vergessen muß, habe ich denn das auf ewig vergessen?
 
§ 100 Oder, weil so zu viel Zeit für mich verloren gehen würde? - Verloren? - Und was habe ich denn zu versäumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein?
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Gelegentlich erwähnt [[Rudolf Steiner]] auch die [[Wikipedia:1851|1851]] veröffentlichte preisgekrönte Arbeit von Gustav Widenmann: ''Gedanken über die Unsterblichkeit als Wiederholung des Erdenleben'' {{Lit|Widenmann 1851}}. Widenmann vergleicht darin den Gedanken der [[Auferstehung]], die er erst am Ende der Erdentwicklung für möglich hält, mit der Möglichkeit wiederholter Erdenleben, durch die der Mensch an der gesamten Erdentwicklung teilhaben kann.
 
{{Zitat|Will man, abgesehen von der Wiederbelebung der menschlichen Stoffe,
am Ende der jetzt laufenden Planetengeschichte, vor demselben ein Wiederkommen der menschlichen Individuen annehmen, wie die h. Schrift zum tausendjährigen Reich, oder wie Lessing den Menschen wiederholt an der Planetengeschichte Theil nehmen läßt, so bleibt hiefür nur eine zweite Möglichkeit, die Vermuthung nämlich, daß analog dem Wiederaustreten thierischer Individualitäten die in Gott ruhende menschliche
Individualkraft in spätern Zeiten sich mit lebendem menschlichem Gattungsstoff anderer Individuen verbindet, d. h.
von andern Eltern vielleicht in einem andern Volke oder Erdtheil in dies Erdenleben wieder herein geboren wird.
So hat ohne Zweifel Lessing das Wiederkommen verstanden, so mußte es Christus meinen, als er für sich aus
einer Andeutung des Propheten Maleachi die Vermuthung aussprach, der Täuser Iohannes sei der wiedergekommene
Elias.|Gustav Widenmann|''Gedanken über die Unsterblichkeit als Wiederholung des Erdenleben'' (1851), S. 40f}}
 
== Der Zeitraum zwischen den irdischen Inkarnationen ==
 
Als Faustregel für die Zeit, die zwischen zwei [[Inkarnation]]en liegt, gilt, dass sich der Mensch etwa zweimal, einmal als [[Mann]] und einmal als [[Frau]], in jeder [[Kulturepochen|Kulturepoche]], die jeweils 2160 Jahre dauern (siehe -> [[Platonisches Weltenjahr]]), inkarniert, also etwa alle 1000 Jahre. Darauf wird auch in den [[Wikipedia:Buch der Psalmen|Psalmen]] hingedeutet:
 
{{Zitat|3 Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder!
4 Denn tausend Jahre sind vor dir / wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache.|[[Wikipedia:Altes Testament|Altes Testament]]|{{B|Ps|90|3-4|LUT}}}}
 
Diese Regel ist aber kein ehernes Gesetz, sondern wird häufig durchbrochen. Nicht immer wechseln einander in strenger Folge männliche und weibliche Inkarnationen ab; allerdings folgen einander niemals mehr als sieben gleichgeschlechtliche Wiederverkörperungen. Auch die Zeit, die zwischen zwei Inkarnationen liegt, schwankt beträchtlich. Heute liegen zwischen den einzelnen Erdenleben oft nur wenige Jahrzehnte.
 
== Zusammenhänge zwischen aufeinanderfolgenden Leben ==
 
Auch dafür, wie die nächste Inkarnation beschaffen sein wird, gibt es gewisse Grundregeln. Für seine nächste irdische Verkörperung wählt sich der Mensch jenes Elternpaar, dass ihm die geeignetsten physischen Organe für seine geistigen Anlagen darbieten kann. Allerdings bleibt oft eine gewisse Kluft zwischen den geistigen Bedürfnissen und der vererbten physischen Natur bestehen. Wie sich der Mensch im Erdenleben verhält, prägt die [[Physiognomie]] und besonders die [[Schädel]]bildung des nächsten Lebens. Die Taten, die er vollbracht hat, wirken vom [[Oberes Devachan|oberen Devachan]] aus und bestimmen den Ort und die weiteren physischen Verhältnisse für die nächste Wiedergeburt. Was der Mensch durch sein [[Temperament]] und seine bleibenden Gewohnheiten und Fähigkeiten dem [[Unteres Devachan|unteren Devachan]] eingeliedert hat, bestimmt den [[Ätherleib]] der nächsten Inkarnation. Und was er an [[Gedanke]]n und [[Gefühl]]en der [[Astralwelt]] eingeschrieben hat, baut den [[Astralleib]] für das nächste irdische Dasein auf. 
 
=== Metamorphose der menschlichen Gestalt in aufeinanderfolgenden Inkarnationen ===
 
In aufeinanderfolgenden Inkarnationen wandelt sich die Gestaltung der Leibesorganisation mit Ausnahme des Kopfes der einen Inkarnation in die Gestaltung der Hauptesorganisation der nächstfolgenden Inkarnation um.
 
<div style="margin-left:20px">
"Der
Mensch, wie wir ihn vor uns haben nach seiner Hauptesorganisation,
weist nach dem vorigen Erdenleben. - Wie unsere Intelligenz nach dem
fernen, urfernen vergangenen Sonnenleben weist, so weist unsere gegenwärtige
physische Hauptesorganisation mit der irdischen Artung der Erkenntnisfähigkeiten,
das heißt für die Hinorganisierung der Erkenntnisfähigkeiten
auf das Ich-Bewußtsein, zurück in unseren früheren Erdenlauf.
Ich habe schon früher darauf aufmerksam gemacht, was das menschliche
Haupt eigentlich ist. Schematisch können Sie sich folgendes
[[Datei:GA196_229.gif|center|600px]]
sagen: Der Mensch besteht aus dem Haupte und aus der übrigen Organisation.
- Sagen wir (siehe Zeichnung), das ist der jetzige Lebenslauf (Mitte), das ist der vorige Lebenslauf (links), das ist der folgende Lebenslauf (rechts). So können wir sagen: Das Haupt unseres gegenwärtigen
Lebenslaufes ist entstanden durch Metamorphose unserer übrigen
Leibesorganisation im vorhergehenden Lebenslauf, und unseren Kopf
vom vorigen Lebenslauf haben wir verloren. - Natürlich verstehe ich
da nicht - das ist ja handgreiflich - die physische Organisation, sondern
die Kräfte, die Formkräfte, die die physische Organisation wirklich hat.
Dasjenige, was wir außer der Hauptesorganisation, der Trägerin der
Erkenntnisfähigkeiten für das Ich, jetzt an uns tragen als übrige Menschenorganisation,
Rumpf mit Gliedmaßen, das wird Hauptesorganisation
unseres künftigen Erdenlebens.
 
[[Datei:GA199_216.gif|100px|left|Die übersinnliche [[Formgestalt]] des [[Physischer Leib|physischen Leibes]] erfüllt von [[Materie|materiellen]] Teilchen (Zeichnung aus [[GA 199]], S 216)]]
Sie alle tragen schon die Kräfte in sich, welche im Haupte konzentriert
sein werden in Ihrem späteren Erdenleben. Was Sie heute mit
Ihren Armen vollbringen, was Sie mit Ihren Beinen vollbringen, das
wird eingehen in die innere Organisation des Hauptes in Ihrem nächsten
Erdenleben.Und was an Kräften von Ihrem Haupte im nächsten Erdenleben
ausströmt, das wird Ihr Karma, Ihr Schicksal für das nächste
Erdenleben sein. Aber das, was da Ihr Schicksal im nächsten Erdenleben
sein wird, das wandert auf dem Umwege durch Ihre übrige Organisation,
durch die Sie sich hineinstellen ins Menschenleben heute, in Ihr
künftiges Hauptesleben hinüber." {{Lit|{{G|196|229f}}}}
 
<div style="margin-left:20px">
"Nun werden Sie sagen: Ja, aber der Mensch nimmt doch für das nächste Erdenleben seinen physischen Leib nicht mit, er legt ihn ja ab. — Das ist in bezug auf die Materie der Fall, aber ich möchte das noch einmal wiederholen, was ich vor einiger Zeit gesagt habe. Das was Sie eigentlich sehen als den physischen Leib in seiner Form, das ist ja nicht der physische Organismus des Menschen, das ist eben die Form (siehe Zeichnung). Und in diese Form ist nur hineingegliedert die Materie. Sie ist aufgefaßt von der
Form, und die Form ist etwas durchaus Geistiges, und diese Form meine ich, wenn ich jetzt von dem Einfluß des Geistgebietes auf den physischen Leib spreche. Das, was abgelegt wird, das sind ja nur die materiellen Teilchen, die eingegliedert sind. Die Form aber, die der Mensch hat, wird nicht abgelegt, sondern wirkt in das nächste Leben hinein - namentlich das, was der Mensch entwickelt durch die Behendigkeit und Beweglichkeit seiner Gliedmaßen, seiner Hände und Arme, seiner Füße und Beine - , das kommt in der Kopfbildung des nächsten Lebens zum Vorschein." {{Lit|{{G|199|216}}}}
</div>
 
== Erinnerung an frühere Erdenleben ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Es wird gewöhnlich der Einwand gemacht, daß sich
der Mensch nicht erinnere an diese wiederholten Erdenleben.
Das betrifft nur das gewöhnliche Bewußtsein. In
dem Moment, wo die Intuition eintritt, wird eben dasjenige,
was durch die wiederholten Erdenleben abläuft,
genau ebenso innere Seelenanschauung, wie sonst die
Erinnerung innerhalb des einen Erdenlebens. So ist es
auch hier so, daß Anthroposophie nicht wie die gewöhnliche
Philosophie durch abstrakte Beweise zu ihren Ergebnissen
kommt, sondern dadurch, daß sie die Seele
erst vorbereitet zur höheren Erkenntnis und dann diese
Dinge durch Anschauung erkennt. Dadurch aber erweist
sich eben diese anthroposophische Erkenntnis zwar als
eine Fortsetzung derjenigen Erkenntnis, die wir heute in
der Naturwissenschaft haben, aber doch eben als eine
Fortsetzung, die wiederum in ganz anderer Weise arbeiten
muß als die bloße naturwissenschaftliche Erkenntnis, die
heute anerkannt ist." {{Lit|{{G|082|200}}}}
</div>
 
Im tiefen [[Schlaf]] gehen wir in der Zeit tatsächlich rückwärts bis zu unserer früheren [[Inkarnation]], nur werden uns diese [[Erlebnis]]se normalerweise nicht bewusst. Das gelingt erst, wenn wir durch [[geistige Schulung]] die [[Fähigkeit]] der [[Intuition]] erworben haben.
 
[[Datei:GA 234 107.gif|500px|center|Zeit und Schlaf]]
 
<div style="margin-left:20px">
"... da ist der Mensch in seiner gegenwärtigen Inkarnation. (Es wird gezeichnet,
rechts Mitte.) Wenn er Imagination entwickelt, so schaut
er seinen Ätherleib etwas vor die Geburt oder Empfängnis hingehend
(gelb); aber sein astralischer Leib führt ihn durch Inspiration hinein
in die ganze Zeit, die verflossen ist zwischen dem letzten Tode und
dieser Geburt (rot). Und die Intuition führt ihn in das vorangehende
Erdenleben zurück (gelb).
 
Wenn Sie nun schlafen, so bedeutet das nichts anderes, als daß Sie
das Bewußtsein, das sonst im physischen Leibe ist, zurückverlegen,
zurückführen, daß Sie mit ihm zurückkehren. Der Schlaf ist also eigentlich
ein Zurücklaufen in der Zeit zu dem, wovon ich Ihnen schon
gesagt habe, daß es dem gewöhnlichen Bewußtsein als vergangen erscheint,
aber doch da ist. Sie sehen, man muß auch da, wenn man wirklich
zum Erfassen des Geistigen kommen will, die Begriffe ändern
gegenüber den Begriffen, die man gewöhnt ist im physischen Leben
zu verwenden. Man muß also eigentlich sich bewußt werden, daß der
Schlaf jedesmal ein Zurückgehen ist in die Gefilde, die man durchgemacht
hat im vorirdischen Dasein, oder sogar ein Zurückgehen ist
in frühere Inkarnationen. Der Mensch erlebt tatsächlich während des
Schlafes, nur kann er es nicht erfassen, dasjenige, was früheren Inkarnationen
angehört, was er durchgemacht hat auch im vorirdischen Dasein.
 
Über den Zeitbegriff muß man eine völlige Begriffsmetamorphose
durchmachen; der muß ein ganz anderer werden. Wenn man daher an
jemanden die Frage stellt: Ja, wo ist er denn, wenn er schläft? - dann
muß man sagen: Er ist eigentlich in seinem vorirdischen Dasein oder
sogar zurückgekehrt zu früheren Erdenleben. - Populär ausgedrückt
sagt man eben: Der Mensch ist außerhalb seines physischen und seines
Ätherleibes. Das Reale dazu ist das, was ich Ihnen auseinandergesetzt
habe. Das ist, was sich darstellt als der rhythmische Wechselzustand
zwischen Wachen und Schlafen." {{Lit|{{G|234|107f}}}}
</div>
 
== Anfang und Ende der irdischen Inkarnationen des Menschen ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Die Reinkarnation hat
in der lemurischen Zeit angefangen und wird im Beginne der sechsten
Rasse auch wiederum aufhören. Es ist nur eine gewisse Zeitspanne in
der irdischen Entwickelung, innerhalb welcher der Mensch sich wiederverkörpert.
Vorausgegangen war ein überaus geistiger Zustand, der
keine Wiederverkörperung nötig machte, und folgen wird wiederum
ein geistiger Zustand, der auch keine Wiederverkörperung bedingt." {{Lit|{{G|093|25}}}}
</div>
 
=== Das Ende der irdischen Inkarnationen um das Jahr 5700 ===
 
In späteren Vorträgen hat [[Rudolf Steiner]] den Zeitpunkt, in dem die irdischen Verkörperungen des Menschen enden werden, noch genauer angegeben. Im 6. Jahrtausend, etwa um das Jahr 5700, wird der Mensch durch seine natürliche leibgebundene Entwicklung nicht mehr bis zur [[Geschlechtsreife]] kommen - ein Phänomen, das nach Rudolf Steiner mit dem beständigen [[Jüngerwerden der Menschheit]] zusammenhängt. Die Menschen werden dann unfruchtbar werden und sich nicht mehr in [[Physischer Leib|physischen Leibern]] verkörpern können. Die Zeit der irdischen [[Inkarnation]]en ist dann vorbei.


<div style="margin-left:20px">
* [http://www.katharer.de/ katharer.de]
"Der gegenwärtige
Mensch bleibt entwicklungsfähig bis in das siebenundzwanzigste
Jahr hinein. Er fängt dann an, gewissermaßen sich in seinem Seelisch-
Geistigen ganz zu emanzipieren von dem Physisch-Leiblichen. Emanzipieren
von dem Physisch-Leiblichen ist also etwas, was immer mehr
und mehr hereinrückt. Sie sehen daraus, daß einmal der Zeitpunkt kommen
wird, wo die Menschen nur entwickelungsfähig sein werden bis
zu ihrem vierzehnten Jahre, wo das Geschlechtsreifezeitalter aufhören
wird, eine Bedeutung zu haben in der menschlichen Entwickelung.
Das ist ein Zeitraum, der ganz gewiß eintreten wird. Die Geologen
mögen noch so lange Zeiträume berechnen für die Entwickelung des
Menschtums auf der Erde, für die Entwickelung der physischen Menschheit
der Erde; diese physische Menschheit auf der Erde wird sich nicht
länger entwickeln als bis zu dem Moment, wo diese obere Altersgrenze
bis in das vierzehnte, dreizehnte Lebensjahr heruntergerückt ist. Denn
von diesem Zeitpunkte an wird sich die physische Menschheit auf der
Erde nicht mehr entwickeln können. Die Frauen werden keine Kinder
mehr gebären. Dann wird es mit der physischen Menschheit auf der
Erde zu Ende gegangen sein." {{Lit|{{G|196|59f}}}}
</div>


Der Mensch wird dann in einer viel freieren Beziehung zur [[physisch]]en [[Erde (Planet)|Erde]] stehen; er wird gleichsam, wie sich [[Rudolf Steiner]] ausdrückt, ''"in den Wolken, im Regen, in Blitz und Donner rumoren"'' (siehe Zitat unten). Das Verhältnis des Menschen zur Erde wird dann ähnlich sein dem Zustand, in dem sich jetzt der Mensch im [[Leben zwischen Tod und neuer Geburt]] befindet. Diese regelrechte Entwicklung könnte allerdings durch den Einfluss [[Ahriman]]s gestört und der Mensch dadurch länger an die physische [[Verkörperung]] gefesselt werden. Eine fortschreitende Vertierung des Menschenwesen wäre die Folge:
== Einzelnachweise ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Es wird ein Jahr kommen in der physischen Erdenentwickelung,
dieses Jahr wird, sagen wir, ungefähr das Jahr 5700 und
einiges sein, in diesem Jahre, oder um dieses Jahr herum, wird der
Mensch, wenn er seine richtige Entwickelung über die Erde hin
vollzieht, nicht mehr die Erde so betreten, daß er sich verkörpert in Leibern,
die von physischen Eltern abstammen. Ich habe öfters gesagt, die
Frauen werden in diesem Zeitalter unfruchtbar. Die Menschenkinder
werden dann nicht mehr in der heutigen Weise geboren, wenn die Entwickelung
über die Erde hin normal verläuft.
 
Über eine solche Tatsache darf man sich keinen Mißverständnissen
hingeben. Es könnte zum Beispiel auch folgendes eintreten: Es könnten
die ahrimanischen Mächte, welche unter dem Einfluß der gegenwärtigen
Menschenimpulse sehr stark werden, die Erdenentwickelung verkehren;
sie könnten die Erdenentwickelung in gewissem Sinne pervers machen.
Dadurch würde - gar nicht zum Menschenheile - über diese Jahre im
6. Jahrtausend hinaus die Menschheit in demselben physischen Leben
erhalten werden können. Sie würde nur sehr stark vertieren; aber sie
würde in diesem physischen Leben erhalten werden können. Das ist eine
der Bestrebungen der ahrimanischen Mächte, die Menschheit länger an
die Erde zu fesseln, um sie dadurch von ihrer Normalentwickelung abzubringen.
Aber wenn die Menschheit wirklich das ergreift, was in ihren
besten Entwickelungsmöglichkeiten liegt, so kommt einfach im 6. Jahrtausend
diese Menschheit zum Irdischen in eine Beziehung, die für weitere
zweieinhalb Jahrtausende so ist, daß der Mensch zwar noch mit der
Erde ein Verhältnis haben wird, aber ein Verhältnis, das sich nicht mehr
darin ausdrückt, daß physische Kinder geboren werden. Der Mensch
wird gewissermaßen als Geist-Seelenwesen - um es anschaulich auszudrücken,
will ich sagen: in den Wolken, im Regen, in Blitz und
Donner rumoren in den irdischen Angelegenheiten. Er wird gewissermaßen
die Naturerscheinungen durchvibrieren; und in einer noch späteren
Zeit wird das Verhältnis zum Irdischen noch geistiger werden.
 
Von allen diesen Dingen kann heute nur erzählt werden, wenn man
einen Begriff hat von dem, was geschieht zwischen dem Tode und einer
neuen Geburt. Obzwar nicht eine vollständige Gleichheit herrscht zwischen
der Art und Weise, wie der Mensch heute zwischen dem Tode und
einer neuen Geburt zu den irdischen Verhältnissen in Beziehung steht,
und der Art, wie er dann, wenn er sich gar nicht mehr physisch verkörpern
wird, dazu in Beziehung stehen wird, so ist doch eine Ähnlichkeit
vorhanden. Wir werden gewissermaßen, wenn wir verstehen, der
Erdenentwickelung ihren wirklichen Sinn zu geben, dann dauernd in
ein solches Verhältnis zu den irdischen Angelegenheiten kommen, wie
wir jetzt dazu bloß stehen, wenn wir zwischen dem Tod und einer
neuen Geburt leben. Es ist das jetzige Leben zwischen dem Tod und
einer neuen Geburt nur etwas, ich möchte sagen, geistiger, als es dann
sein wird, wenn der Mensch dauernd in diesen Verhältnissen sein wird."{{Lit|{{G|196|90f}}}}
</div>
 
== Individuum und Volksseele ==
 
Nur selten erscheint der Mensch in mehreren aufeinanderfolgenden Inkarnationen innerhalb der selben [[Volk]]sgemeinschaft. Eine gewisse Ausnahme machen dabei die mitteleuropäischen Völkerschaften. Hängt der Mensch einem ausgeprägten [[Nationalismus]] an und richtet in seinem Erdenleben einen ganz besonderen Haß gegen ein anderes Volk, so liegt das daran, dass sich unterbewusst sein höheres Selbst schon sehr entschieden mit gerade diesem Volk verbunden hat und sich dort reinkarnieren wird.
 
== Reinkarnation als kosmisches Phänomen ==
 
Das Reinkarnationsgesetz gilt nicht nur für den [[Mensch]]en, sondern auch die [[Planeten]] sind im weitesten Sinn der Reinkarnation unterworfen; jede [[Planetenkette]] entwickelt sich durch sieben aufeinanderfolgende planetare [[Weltentwicklungsstufen]]. [[Seele]]nwesen, die über keinen individuellen [[Geist]] verfügen, sondern einer [[Gruppenseele]] angehören, wie etwa die [[Tier]]e, unterliegen nicht der Reinkarnation.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Reinkarnation|}}
* [[Seelenwanderung]]
* [[Gilgul Neschamot]]
 
== Anmerkungen ==


<references />
<references />


== Literatur ==
[[Kategorie:Christentum]]
#[[Thomas Meyer]]: ''Rudolf Steiners „eigenste Mission“. Ursprung und Aktualität der geisteswissenschaftlichen Karmaforschung''. Perseus, Basel 2009, ISBN 978-3-907564-71-4
[[Kategorie:Häresie]]
#Gustav Widenmann: ''Gedanken über die Unsterblichkeit als Wiederholung des Erdenleben'', Wien 1851 [http://www.odysseetheater.org/jump.php?url=http://www.odysseetheater.org/ftp/bibliothek/Reinkarnation/Gustav_Widenmann_Gedanken_ueber_die_Unsterblichkeit_als_Wiederholung_des_Erdenlebens.pdf pdf]
[[Kategorie:Katharer]]
# [[Wikipedia:Helmut Obst|Helmut Obst]]: ''Reinkarnation: Weltgeschichte einer Idee'', Verlag C.H.Beck 2009, ISBN 978-3406584244
# Till Arend Mohr: ''Kehret zurück, ihr Menschenkinder! Die Grundlegung einer christlichen Reinkarnationslehre'', Aquamarin Verlag 2004, ISBN 978-3894272753
#Rudolf Steiner: ''Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung '', [[GA 9]] (2003), ISBN 3-7274-0090-0 {{Schriften|009}}
#Rudolf Steiner: ''Damit der Mensch ganz Mensch werde'', [[GA 82]] (1994), ISBN 3-7274-0820-0 {{Vorträge|082}}
#Rudolf Steiner: ''Die Tempellegende und die Goldene Legende '', [[GA 93]] (1991), ISBN 3-7274-0930-4 {{Vorträge|093}}
#Rudolf Steiner: ''Geistige und soziale Wandlungen in der Menschheitsentwickelung'', [[GA 196]] (1992), ISBN 3-7274-1960-1 {{Vorträge|196}}
#Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaft als Erkenntnis der Grundimpulse sozialer Gestaltung'', [[GA 199]] (1985), ISBN 3-7274-1990-3 {{Vorträge|199}}
#Rudolf Steiner: ''Anthroposophie – Eine Zusammenfassung nach einundzwanzig Jahren'', [[GA 234]] (1994), ISBN 3-7274-2342-0 {{Vorträge|234}}
 
{{GA}}
 
== Weblinks ==
 
* [http://anthroposophie.byu.edu/aufsaetze/a103.pdf Rudolf Steiner: ''Reinkarnation und Karma''] - Vom Standpunkte der Naturwissenschaft notwendige Vorstellungen (1903)
 
;Video
 
* [http://www.youtube.com/watch?v=CxqbkLZcSKY Grundlegung der christlichen Reinkarnationslehre] - ein Interview mit Dr. theol. Till Arend Mohr


[[Kategorie:Reinkarnation und Karma]]
{{Wikipedia}}

Version vom 1. Dezember 2017, 10:30 Uhr

Der heilige Dominikus und die Albigenser in Albi (1207): Katholische und katharische Schriften werden ins Feuer geworfen, doch nur letztere verbrennen (Pedro Berruguete, um 1495).[1]

Der Begriff Katharer (von griech. καθαρός katharós „rein“) steht im ursprünglichen Sinn für einen Menschen, der sich einer umfangreichen Katharsis, d.h. der Läuterung seines Astralleibs, unterzogen hat und dadurch für eine wahre Geistesschülerschaft vorbereitet war. Daraus wurde dann die Bezeichnung für die Anhänger einer christlichen Glaubensbewegung, die sich vom 12. Jahrhundert bis zum 14. Jahrhundert, vornehmlich im Süden Frankreichs, aber auch in Italien, Spanien und Deutschland ausbreitete. Verbreitet ist auch die Bezeichnung Albigenser (gelegentlich auch: Albingenser) nach der südfranzösischen Stadt Albi, einer ehemaligen Katharerhochburg. Sie selbst nannten sich veri christiani („die wahren Christen“) oder boni homines bzw. Bonhommes („gute Menschen“). Gebräuchlich waren auch die Bezeichnungen Patarener bzw. Pateriner.

Die Katharer wurden im Zuge des Albigenserkreuzzugs (1209 bis 1229) und weiterer Feldzüge sowie durch die Inquisition als Häretiker verfolgt und vernichtet.

Aus dem Wort Katharer wurde später auch die abwertende Bezeichnung Ketzer für alle Abweichler von einem herrschenden Glauben abgeleitet. Die römisch-katholische Kirche verwendete in ihrer Propaganda auch die volksetymologische Ableitung von lat. Cattari (lat. cattus, die Katze). Danach würden die Katharer die Katze als Tier Satans auf das Hinterteil küssen.

Lehre

Die Lehre der Katharer ist zeitlich und regional zu differenzieren. Es gab innerhalb der Katharer insbesondere in der späteren Zeit viele verschiedene Gruppen, so dass man nicht von einer einheitlichen Lehre sprechen kann. Alle Gruppen verband jedoch eine gemeinsame dualistische, gnostisch-manichäische Grundüberzeugung, wonach nur die jenseitige geistige Welt gottgeschaffen war, während die irdisch-materielle Welt als Produkt eines bösen Prinzips gesehen wurde.[2] Ihre dualistische Form des Christentum wurde von den balkanischen Bogomilen beeinflusst. Die Katharer hatten direkte Verbindungen zu den Bogomilen: Die Interrogatio Johannis, eine apokryphe Schrift bogomilischer Herkunft, erhielt der italienische Katharerbischof Nazarius von Bogomilen aus Bulgarien.[3]

Im Neuen Testament hatte das Johannesevangelium für sie eine herausragende Rolle. Das Leben des Katharers war darauf ausgelegt, das Gute im Menschen (die Seele) aus der bösen Welt in den Himmel zu bringen. Der Katharismus war eine Erlösungsreligion und basierte auf der Offenbarung. Sein Heiliges Buch war das Neue Testament, sein einziges Gebet das Pater Noster.[4]

Die Katharer sahen sich selbst als die „wahre“ christliche Kirche. Ihr Ziel war die Befreiung der Seele durch die Erlangung des Consolamentums (siehe unten). Die Katharer unterschieden sich von der damaligen christlichen Kirche auch durch die Ablehnung des Alten Testaments der Bibel, in dem sie den Schöpfergott einer bösen Welt beschrieben sahen.[5] In ihren Predigten kamen viele Bibelzitate vor, die Auslegung war oft nicht eng an den Text gebunden, was sich auch bei den Bibelübersetzungen feststellen lässt.

Abgesehen von einer grundsätzlich dualistischen Weltsicht und der Ablehnung des Alten Testaments lassen sich über die katharische Lehre kaum für alle Untergruppen gemeinsame theologische Aussagen finden. Die Katharer wurden und werden gerne in die Traditionen des Manichäismus und der Gnosis gestellt. Eine direkte Verbindung lässt sich allerdings nicht nachweisen, obwohl theologische Parallelen augenscheinlich sind.[6]

Zusammenhang mit der Entstehung der Gotik

Rudolf Steiner hat darauf hingewiesen, dass die geistige Gesinnung der Katharer eine tiefen Einfluss auf die die Entstehung der Gotik hatte.

„Der eigentümliche Baustil des Mittelalters, den man fälschlich den gotischen nennt, kam aus Südfrankreich, entstammte Gegenden, wo solche frommen Ketzer lebten wie die Katharer, die Waldenser, die bestrebt waren, das innere Leben zu vertiefen und mit dem üppigen Leben der Bischöfe und des Klerus zu brechen. Ein eigentümliches geistiges Leben breitet sich von dorther aus; die deutsche Mystik wird stark davon beeinflußt.

Welch tiefen Einfluß diese Gesinnung auch auf die äußere Gestalt dieser Kirchen hatte, geht daraus hervor, daß alle diese gotischen Münster einen mystischen Schmuck besaßen in den wunderbaren Glasmalereien. Diese Kunst, die im 17. Jahrhundert vollständig verlorengegangen ist, war nicht artistische Allegorie, sondern die Sinnbilder, die dort eingemalt waren, übten wirklich einen mystischen Einfluß aus auf die Menge, wenn der Sonnenschein durch sie hereinschien in die dämmerigen hohen Kirchen.“ (Lit.:GA 51, S. 177)

Kult und religiöse Praxis

Die katharischen Priester (sowohl Männer als auch Frauen) predigten in der Volkssprache, nicht in der traditionelle Kirchensprache Latein, und erreichten dadurch weite Bevölkerungsschichten. Armut, Bescheidenheit und Enthaltsamkeit (auch in der Sexualität) galten als erstrebenswert und trugen zur Popularität der Bewegung bei, während die römische Kirche aufgrund der Lebensweise vieler ihrer Funktionsträger abgelehnt wurde.

Der katharische Kult ist dem Kern nach bogomilischer Tradition, was sich vor allem in der Tatsache äußert, dass die Vergebung der Sünden nur durch die Aufnahme in die Kirche der Katharer erfolgen konnte. In ihrem kultischen Leben kannten die Katharer neben ihrem einzigen sakramentsähnlichen Ritus, der Geisttaufe (Consolamentum), noch eine Reihe an kultischen Handlungen.[7]

Consolamentum

Die Geisttaufe oder auch Consolamentum (lat.: „Tröstung“, nach Römerbrief Kapitel 1 Vers 12 und Kolosserbrief Kapitel 2 Vers 2) war der entscheidende Schritt, um Mitglied der katharischen Kirche zu werden, und der einzige Zugang zum Heil. Wollten Frauen oder Männer das Consolamentum erhalten, wurde von ihnen verlangt, sich in einer Art Noviziat auf das Leben eines Katharers vorzubereiten. Nach der Geisttaufe durch Handauflegen musste das neue Mitglied der Bewegung sein restliches Leben als Katharer führen, um das Heil zu erlangen. Wer einmal das Consolamentum erhalten hatte, konnte es weitergeben, also weitere Personen in die katharische Kirche aufnehmen und so ihre Seelen retten.

Das Consolamentum wurde in einem feierlichen Akt vollzogen, an dem – unter der Leitung des Bischofs oder des ältesten Katharers der Gemeinde oder der Umgebung – alle Katharer teilnahmen, die das Consolamentum schon erhalten hatten. Die Katharer, die in den engeren Kreis der katharischen Kirche aufgenommen wurden, hießen Perfecti oder Perfectae (Vollkommene). Die Übergabe des Consolamentums vollzog sich, nach Vergebung der Sünden und der Übergabe des Vaterunsers an den Novizen, durch Auflegen des Johannesevangeliums auf den Kopf des Kandidaten. Nacheinander berührten die Anwesenden den Kopf des Novizen und übertrugen somit den Geist der Erkenntnis auf ihn. Beging ein Perfectus eine Sünde, war nicht nur sein Consolamentum hinfällig, sondern auch diejenigen Geisttaufen, die von dem Sünder gespendet worden waren.

Nach dem Empfang des Consolamentums hatten die Perfecti ein entbehrungsreiches Leben zu führen. Neben dem Verbot der Ehe und der geschlechtlichen Beziehungen mussten auch strenge Speisevorschriften befolgt werden, z. B. war die Kost stets fleischlos; das töten von Menschen, vierbeinigen Tieren und Vögeln war verboten, außerdem durften sie weder fluchen, lügen noch einen Eid leisten und waren zur Arbeit verpflichtet. Frauen konnten ebenso wie Männer das Consolamentum erhalten, um gerettet zu werden. Jedoch war der Ritus für Frauen etwas abgeändert: Sie durften während der Zeremonie nicht berührt werden. Daher wurde ein Tuch über sie gedeckt. Da die Katharer annahmen, dass die Seele von Natur aus männlich sei, wurde nach Ansicht der Katharer beim Tod einer Perfecta ihre Seele in den ursprünglichen Zustand versetzt – sie wurde männlich. Die Perfecta wurde der Theorie nach zu einem asexuellen Wesen, ihr Geist löste sich vom Körper und erinnerte sich seines ursprünglich männlichen Zustandes. Schwangeren Frauen durfte kein Consolamentum erteilt werden, da sie nach Ansicht der Katharer einen Dämon im Leib hatten. Die Katharer lehnten generell die Zeugung von Kindern ab (Antinatalismus), da Adam und Eva ursprünglich ohne Sexualität gelebt hätten und vom Teufel zur Sünde der Reproduktion verführt worden seien.

Das Gebet

Das vor dem Consolamentum übergebene Vaterunser war das einzige Gebet der Katharer.[8] Der Tagesablauf der Katharer war durch das Gebet bestimmt. Mit dem Consolamentum erhielten sie die Erlaubnis, das Vaterunser in verschiedenen Formeln zu beten, was Ausdruck der Zugehörigkeit zur ecclesia Dei (‚Kirche Gottes‘) war.

Das Apparellamentum

Ebenso wie das oben genannte Gebet war das sogenannte Apparellamentum den bekennenden Katharern vorbehalten. Das Apparellamentum war ein monatlicher Bußgottesdienst, der zur Reinigung von den beeinträchtigenden Beeinflussungen des irdischen Lebens diente und sie vor dem Rückfall in den Sündenstand bewahren sollte; sie beichteten ihre Verfehlungen einem Diakon. Ebenso wurde durch das Apparellamentum eine Unterwerfung unter die katharische Gemeinschaft vollzogen.

Der Friedenskuss

Der Friedenskuss steht in unmittelbarer Beziehung zum Melioramentum (der Ehrenbezeugung) und diente in erster Linie zur Begrüßung zweier Perfecti bzw. zweier Perfectae untereinander, oder auch der Begrüßung eines Gläubigen, allerdings nur in dem Fall, dass der Kuss vom Perfectus ausgegangen war. Friedensküsse gab es also nur unter Katharern gleichen Geschlechts. Statt zur Begrüßung einen Kuss auszutauschen, wurde die Perfecta vom Perfectus am Arm berührt. Eine andere, noch bessere Lösung zur Übergabe des Friedenskusses war, den Kuss auf das Johannesevangelium zu drücken und dieses dann der Frau zu überreichen.

Radikaler Dualismus

Zirka 1176 schwor der Bogumilenbischof Niketas, als Abgesandter der drughuntisch-häretischen Kirche von Konstantinopel den Führer der moderaten Katherer im Languedoc auf den radikalen Dualismus ein.[9] Deggau schreibt: „Im strengen Sinne kann man bei dem radikalen Dualismus der Katharer nicht von einer Moral sprechen. Denn moralische Vorschriften waren für einen Vollkommenen (perfectus) […] weder möglich noch nötig. Er konnte nicht mehr sündigen […] Umgekehrt konnte es für den einfachen Gläubigen in der Welt des Bösen keine verbindlichen Vorschriften geben […] Es wären nur Regeln des Bösen für das Böse.“[10]

Speisevorschriften und die Brotsegnung

Aus der Ablehnung der Fortpflanzung als Teufelswerk kann bis zu einem gewissen Maße die Ablehnung sämtlicher Speisen, die aus der Fortpflanzung entstanden sind, also von Tierfleisch, Fetten und Milchprodukten, begründet werden. Eine weitaus stärkere Begründung für die Ablehnung dieser Speisen war die Annahme, dass sich in den Tierkörpern die Seelen verstorbener Menschen aufhielten. Wer ein Tier tötete, um es zu verspeisen, stand also in der Gefahr, einen Mord an einer Engelsseele zu begehen, die in einem Tierkörper Zuflucht gesucht hatte. Fische hingegen durften von den Katharern verzehrt werden, da sie der (im Mittelalter weit verbreiteten) Ansicht waren, Fische seien kein Zeugungsprodukt, sondern gingen aus dem Wasser hervor. Außerdem war das Trinken gegorener Getränke (vor allem von Wein) verboten. Mit der Brotsegnung, die im Rahmen einer Mahlzeit stattfand, sollte dem Beispiel Christi gedacht und nachgeeifert werden. Die Betrachtung der Hostie als Leib Christi lehnten die Katharer jedoch ab: Für sie war sie nur ein Stück Brot.

Das Melioramentum und die Credentes

Die Gläubigen drückten ihre Verehrung gegenüber dem Guten Christen (Perfectus) durch Kniebeugen und Verneigungen, dem so genannten Melioramentum aus. Dadurch wurde die Hinwendung zum Katharismus nach außen bezeugt. Durch die Abgabe des Melioramentums wurde ein gewöhnlicher Mensch zu einem Credens, also einem Gefolgsmann der Katharer. Zwar galten die Credentes nicht als Mitglieder der katharischen Kirche, da sie das Consolamentum nicht erhalten hatten, aber das Melioramentum war ein Zeugnis dafür, dass die Credentes eines Tages das Consolamentum erhalten würden. Die Zeremonie des Melioramentums wurde durch das dreimalige Kniebeugen vor einem Perfectus und durch das dreimalige Bitten um seinen Segen vollzogen.

Obwohl die Credentes Verpflichtungen gegenüber den Perfecti hatten, kann das Melioramentum nicht als geschäftlicher Vertrag angesehen werden; vielmehr war es Ausdruck enger sozialer und ideologischer Bindung an die katharische Kirche und deren Vertreter.

Die Endura

Endura (lat. abstinentia) bezeichnete ursprünglich die Probezeit der mindestens achtzehn Jahre alten katharischen Novizen auf das Amt des/der Perfectus/a. Hierbei musste der Anwärter ein Jahr fasten, wonach er (mitunter nach weiterer Prüfungszeit) durch das Consolamtentum und die Einkleidung mit einem schwarzen Gewand in den Kreis der Perfecti/ae aufstieg.[11] Die Endura als Fasten-Prüfungszeit gewann in der Spätzeit in einer radikalen Variante eine neue Bedeutung, als sie mit einer Sonderform des Consolamentums, dem Kranken-Consolamentum verknüpft wurde: Kranke oder Sterbende, die sich erst am Ende ihres Lebens entschieden, das Consolamentum zu empfangen, jedoch nun nicht mehr die Möglichkeit hatten, ein strenges asketisches Leben als Perfecti/ae zu leben, konnten dadurch noch ihre Seele retten und die Vollkommenenwürde erlangen, indem sie keinerlei Nahrungsmittel mehr zu sich nahmen und dadurch, so sie nicht zuvor verstarben, verhungerten. Bei der Ausführung dieser Art der Endura kamen auch Kinder, bei denen eine längere Fastenzeit ebenfalls nicht in Frage kam, ums Leben.[12]

Die katharische Hierarchie

Die katharische Bewegung hatte bereits Mitte des zwölften Jahrhunderts eine fertig organisierte Kirche mit eigener Hierarchie[13] gebildet. Die katharische Kirche besaß Diözesen, Bischöfe und Diakone und hielt selbst Konzilien zu Glaubensfragen ab.[14] Bis zum Albigenserkreuzzug (1209–1229) konnten die Katharer ihre Organisation ausbauen und in Okzitanien unter dem Schutz des Adels und dem Wohlwollen großer Teile der Bevölkerung ihre Religion über mehrere Jahrzehnte lang weitgehend frei und öffentlich praktizieren. Vielerorts wurden Gemeinschaftshäuser als Zentren des Gebets und als Lebens- und Arbeitsorte für Perfecti und Perfectae eröffnet. Obwohl dieselben tatsächlich in persönlicher Armut lebten, konnte ihre Organisation, die katharische Kirche, in dieser Phase ein beträchtliches Vermögen erwirtschaften, und zwar vor allem durch Spenden, die im Zuge der Erteilung des Consolamentums am Kranken- oder Sterbebett (siehe oben: Endura) der Gemeinschaft überlassen wurden, oft in Form von stattlichen Summen oder der Überschreibung des gesamten Erbes. So verfügte die Bewegung über große Mengen an festen und beweglichen Gütern. Die katharische Kirche, in der es kein Zinsverbot gab, war – besonders in Südfrankreich – bisweilen überaus reich: Die Organisation kaufte für ihre Zwecke Häuser, Weinberge oder Äcker, investierte in den Ausbau von Festungen und gab hohe Summen als Bestechungsgelder für Amtsträger der gegnerischen Kirche aus.[15]

Anhand der Struktur der katharischen Kirche lässt sich anschaulich darstellen, wie sich die religiöse Praxis der Katharer ausgebildet hatte: Aufgrund ihrer strengen Hierarchie besaß sie nur eine kleine Spitze, die Bischöfe und ihre Stellvertreter, und führte von diesen hin zu einer breiten Basis, den Credentes und Sympathisanten. Ihre straffe Organisation verlieh der katharischen Kirche große Wirkmächtigkeit und Schlagkraft. In der Auseinandersetzung mit der Inquisition geriet sie ihnen jedoch zum Nachteil, weil die Katharer nach der Beseitigung ihrer Führungseliten kaum über dezentrale Strukturen „im Untergrund“ verfügten, wie sie etwa die ebenfalls verfolgten Waldenser besaßen. Der römisch-katholischen Kirche schienen die Katharer aufgrund ihrer „Gegenkirche“, die sie spiegelbildlich zu ihrer Rivalin errichtet hatten, umso gefährlicher.

Der Bischof und seine Stellvertreter

Der Bischof hatte in der katharischen Gegenkirche keine so weitreichenden Aufgaben wie ein Bischof in der römisch-katholischen Kirche. Sein vornehmliches Recht war, bei allen Riten der Katharer die erste Stelle einzunehmen, beispielsweise bei der Erteilung des Consolamentums oder beim Brotbrechen. Ansonsten wurden ihm keine weiteren nur ihm vorbehaltenen Rechte, wie etwa Priesterweihe oder Firmung, zugesprochen, so dass der katharische Bischof im Grunde nur der Gemeindevorstand war, der sich auch um den Besuch der Einzelgemeinden kümmern musste.

Das Bischofsamt wurde nur von Männern bekleidet.

In der ersten Zeit der katharischen Kirche wurde der Bischof noch von der Gemeinde gewählt, im 13. Jahrhundert hatte sich die Verkirchlichung der katharischen Bewegung aber so weit durchgesetzt, dass der Bischof einer Diözese nur von seinesgleichen geweiht werden durfte.

An der Seite des Bischofs standen seine zwei Stellvertreter: der ältere und der jüngere „Sohn“ (filius major und filius minor). Beide vertraten den Bischof in seiner Abwesenheit und bereisten die Gemeinden als seine Vertreter. Die eigentliche Pfarrseelsorge hingegen wurde vom Diakon übernommen. Die Aufgaben eines Bischofs und auch eines Diakons konnten nur von Personen übernommen werden, die das Consolamentum erhalten hatten.

Der Diakon

Der Aufgabenbereich eines Diakons einer katharischen Gemeinde war vielfältiger als der des Bischofs. Er hatte zwar nicht das Recht, als Erster das Consolamentum zu spenden oder das Brot zu brechen, aber er hatte die Aufgabe, im Fall von Unklarheiten oder Zweifeln bei den Gemeindegliedern schlichtend einzugreifen, diejenigen wieder zu konsolieren, die eine Sünde begangen hatten, und das Apparellamentum zu vollziehen.

Eine weitere Verpflichtung des Diakons war, katharische Konvente zu leiten, die auch als Gästehäuser für Katharer bezeichnet werden können. Diese Aufgabe wurde auch von Frauen übernommen; allerdings war es Frauen untersagt zu predigen. In den Frauenkonventen, die der Leitung einer Frau unterstanden, wurden die Predigten entweder vom katharischen Bischof oder aber – in den meisten Fällen – vom Diakon der Gemeinde durchgeführt.

Die Aufgaben eines Diakons, die mit Reisen verbunden waren, konnten von Frauen nicht übernommen werden, da es vor allem nach dem Albigenserkreuzzug und während der Inquisition für Frauen nicht möglich war, allein auf Reisen zu gehen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.

Die Perfecti

Die Perfecti (weibliche Form: Perfectae, Wortbedeutung: lat. „Vollkommene“; franz. parfaits), bezeichnet auch als „gute Menschen“, Bonhommes, Bonshommes bzw. boni homines, bildeten den harten Kern der eigentlichen Mitglieder der katharischen Kirche.[16] Ihnen war erlaubt, das Vaterunser zu beten und das Consolamentum zu erteilen. Sie führten eine keusche und schlichte bis asketische Lebensweise in persönlicher Armut mit vielen Fastenregeln und standen vor den Gläubigen (Credentes), in denen sie eine „bemerkenswerte Hingabe“ erweckten, „in der machtvollen Tradition des Märtyrertums“.[13] Ihre Besitztümer überschrieben die Perfecti/ae bei ihrem Eintritt an die Gemeinschaft ihrer Kirche. Es hat wohl zu keiner Zeit mehr als zehntausend Perfecti gegeben; es kann sogar vermutet werden, dass die Zahl der Perfekten nicht mehr als viertausend betragen hat. Wenn die Perfecti/ae nicht auf Wanderschaft waren, um zu predigen, oder in ihrer Gemeinde unterwegs waren, lebten sie in eigenen Häusern, die der Gemeinschaft gehörten.

Eine Perfecta durfte nur in der Gegenwart eines Diakons das Consolamentum spenden.

Die Initiierten

Eine Stufe unter den Perfecti standen die Initiierten. Die Initiierten waren Gläubige, die danach strebten, das Consolamentum zu erhalten. Wie schon erwähnt, bestand die Übergabe des Consolamentums aus zwei Teilen, nämlich der Übergabe des Vaterunsers und der eigentlichen Geisttaufe, die aber nicht zeitnah durchgeführt werden mussten. Ein Initiierter hatte das Recht, das Vaterunser zu beten, stand also kurz davor, in den Stand eines Guten Menschen erhoben zu werden. Davor musste er sich jedoch über einen längeren Zeitraum moralisch bewähren – schon ein Initiierter hatte also nach den moralischen Grundsätzen der katharischen Kirche zu leben.

Die Credentes

Die Gläubigen fühlten sich noch nicht in der Lage, das von strengen Vorschriften geprägte Leben eines Perfectus zu führen. Sie standen aber der katharischen Kirche nahe und bezeugten das auch durch das Melioramentum. Dieser Gruppe, auch Credentes genannt, war zu verdanken, dass aus der katharischen Gegenkirche keine von der Welt abgesonderte, elitäre Mönchskirche, sondern eine Bewegung mit Massenanhang geworden war. Die Anzahl der Anhänger der katharischen Kirche wird auf „mehrere Hunderttausend“ geschätzt.

Die Credentes gehörten nicht zur katharischen Kirche und brauchten aus diesem Grund auch nicht die religiösen Vorschriften zu befolgen, die die Perfecti einzuhalten hatten. Eine der wichtigsten Aufgaben der Credentes war es, die Perfekten zu versorgen, und zur Zeit der Inquisition und des Albigenserkreuzzuges auch zu verstecken.

Am Ende ihres Lebens wurde den Credentes das Consolamentum erteilt, d. h., sie wurden von der sündigen Welt erlöst. Nach Erteilung des Consolamentums durfte der Kranke nur noch Wasser erhalten, da weltliche Nahrung die Wirkung aufgehoben hätte. Somit kam der Empfang des Consolamentums einem Todesurteil gleich (vgl. oben: Endura).

Literatur

Deutsch

  • Eduard Cunitz: Ein katharisches Rituale, Druck und Verlag von Friedrich Mauke, Jena 1852 google
  • Lothar Baier: Die große Ketzerei: Verfolgung und Ausrottung der Katharer durch Kirche und Wissenschaft. Wagenbach, Berlin 2002, ISBN 3-8031-2410-7.
  • Malcolm Barber: Die Katharer. Ketzer des Mittelalters. Patmos Verlag, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-491-96220-0.
  • Matthias Benad: Domus und Religion in Montaillou. Tübingen 1990.
  • Arno Borst: Die Katharer. A. Hiersemann Verlag, Stuttgart 1953, ISBN 3-7772-5301-4.
  • Heinrich Fichtenau: Ketzer und Professoren: Häresie und Vernunftglaube im Hochmittelalter. München, Beck 1992, ISBN 3-406-36458-6.
  • Hans Jonas: Gnosis: Die Botschaft des fremden Gottes. Insel, Frankfurt 1999, ISBN 3-458-16944-X.
  • Reiner Klein: Die Mysterien der Katharer. Zeitenwende 2008, ISBN 978-3-934291-51-5.
  • Malcolm Lambert: Geschichte der Katharer. Primus Verlag, Darmstadt 2001, ISBN 3-89678-401-3.
  • Malcolm Lambert: Häresie im Mittelalter: Von den Katharern bis zu den Hussiten. Primus Verlag, Darmstadt 2001, ISBN 3-89678-184-7.
  • Emmanuel Le Roy Ladurie: Montaillou – Ein Dorf vor dem Inquisitor 1294 bis 1324. (fr. 1975) Ullstein, Berlin 2000, ISBN 3-548-26571-5.
  • Jörg Oberste: Ketzerei und Inquisition im Mittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007, ISBN 978-3-534-15576-7.
  • Jörg Oberste: Der Kreuzzug gegen die Albigenser. Primus Verlag, Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-464-1.
  • Déodat Roché: Die Katharer-Bewegung. Ursprung und Wesen. Verlag am Goetheanum, Dornach 1997, ISBN 9783723508275
  • Michel Roquebert: Die Religion der Katharer. Übersetzung von Rosi Hoffmann. Editions Loubatières, Portet-sur-Garonne 1988, ISBN 2-86266-102-8 (formal falsche ISBN).
  • Gerhard Rottenwöhrer: Der Katharismus. 4 Bände, Bock & Herchen, Bad Honnef 1982f., ISBN 3-88347-103-8.
  • Kurt Rudolph: Die Gnosis. Göttingen 1990.
  • Steven Runciman: Häresie und Christentum: Der mittelalterliche Manichäismus. Wilhelm Fink Verlag, München 1988, ISBN 3-7705-2498-5.
  • Gerd Schwerhoff: Die Inquisition: Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit. C.H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-50840-5.
  • Joseph Szöverffy: Maria und die Häretiker. Ein Zisterzienserhymnus zum Albigenserkrieg. In: Analecta Cisterciensia. 43 (1987), S. 223–232.
  • Pierre des Vaux-de-Cernay: Kreuzzug gegen die Albigenser. Manesse, Zürich 1997, ISBN 3-7175-8228-3 (Übersetzung der Historia Albigensis aus dem Lateinischen).
  • Ernst Werner, Martin Erbstößer: Kleriker, Mönche, Ketzer: Das religiöse Leben im Hochmittelalter. Herder, Freiburg 1994, ISBN 3-451-04284-3.
  • Eugen Roll: Ketzer zwischen Orient und Okzident. Patarener, Paulikianer, Bogomilen, J. Ch. Mellinger Verlag 1986, ISBN 978-3880691902
  • Rudolf Steiner: Über Philosophie, Geschichte und Literatur, GA 51 (1983), ISBN 3-7274-0510-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
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Französisch

Spanisch

  • Jesús Ávila Granados: La mitología cátara : símbolos y pilares del catarismo occitano. mr ed., Madrid 2005, ISBN 84-270-3126-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. St Dominic and the Albigenses in der WEB Gallery of Art.
  2. Daniela Müller: Katharer. In: Theologische Real-Enzyklopädie. (TRE), Band 18, Berlin 1989, S. 334.
  3. Malcolm Lambert: Geschichte der Katharer. 2001, S. 60.
  4. Roquebert: Die Religion der Katharer. S. 2.
  5. Malcolm Lambert: Geschichte der Katharer. 2001, S. 33 und S. 81.
  6. Auch der Philosoph Hans Jonas erinnert in seinem Text „Gnosis“ (siehe Lit.) daran, dass die Lehre der Katharer enge Beziehungen zur Gnosis aufweist.
  7. Daniela Müller: Ketzer und Kirche: Beobachtungen aus zwei Jahrtausenden. Lit-Verlag 2014. S. 165, S. 169.
  8. Daniela Müller: Ketzer und Kirche: Beobachtungen aus zwei Jahrtausenden. Lit-Verlag 2014. S. 169.
  9. Malcolm Barber: Die Katharer. Ketzer des Mittelalters. Patmos Verlag, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-491-96220-0. S. 57.
  10. Hans-Georg Deggau: Kleine Geschichte der Katharer. Verlag Herder, Freiburg i. Breisgau 2005, S. 77.
  11. Arno Borst: Die Katharer. 2. Auflage. Herder Verlag, Freiburg i.Br. 1992, ISBN 3-451-04025-5, S. 145.
  12. Arno Borst: Die Katharer. 2. Auflage. Herder Verlag, Freiburg i.Br. 1992, ISBN 3-451-04025-5, S. 146f.
  13. 13,0 13,1 Malcolm Lambert: Geschichte der Katharer. 2001, S. 25.
  14. So etwa das Konzil von Mirepoix 1206, vgl. Malcolm Lambert: Geschichte der Katharer. 2001, S. 62.
  15. Arno Borst: Die Katharer. 1992, S. 86 und 98.
  16. Arno Borst: Die Katharer. 1992, S. 151.


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