Zeit

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Die Sanduhr, ein einfaches Messinstrument und zugleich Symbol für die unaufhaltsam dahinfließende Zeit.

Die Zeit (griech. Χρόνος, Chronos; lat. Tempus), die uns im irdischen Erleben als eine unaufhaltsame, unumkehrbare, lineare, von der Vergangenheit durch die Gegenwart in die Zukunft gerichtete Abfolge von Ereignissen erscheint, hat ihre wahre Ursache in dem Zusammenwirken einer Summe niederer und höherer geistiger Wesen.

Zeit und Zeitlosigkeit

Frühe Eisenuhr aus der Uhrensammlung Kellenberger, Winterthur/Schweiz

Die Tätigkeit der Hierarchien an sich ist zeitlos, so wie auch beim Menschen die höchsten geistigen Vorgänge zeitlos sind. Es gäbe keine Zeit, wenn alle Wesen auf gleicher Entwicklungsstufe stünden. Von der Entstehung der Zeit kann man schwer reden, denn im Wort Entstehen ist schon der Zeitbegriff mit enthalten; man kann also nur über das Wesen der Zeit sprechen. Und das ergibt sich eben daraus, dass im Zeitlosen durchaus verschiedene Entwicklungsgrade möglich sind, die durch ihr Zusammenspiel die wesenhafte Zeit möglich machen.

"... die höchsten geistigen Vorgänge beim Menschen führen zu dem Begriff, daß sie zeitlos verlaufen. Die Tätigkeiten der Hierarchien sind zeitlos. - Von Zeit-Entstehen ist schwer zu reden: in dem Worte «entstehen» ist schon der Begriff der Zeit enthalten; man müßte eher sagen: das Wesen der Zeit, und darüber ist nicht so leicht zu sprechen. Es gäbe keine Zeit, wenn alle Wesen auf gleicher Entwickelungsstufe stehen würden. Durch das Zusammenwirken einer Summe niederer und einer Summe höherer Wesen entsteht Zeit. Im Zeitlosen sind verschiedene Entwickelungsgrade möglich; durch ihr Zusammenspiel wird Zeit möglich." (Lit.: GA 110, S. 176)

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Die Vergangenheit erstrahlt gedanklich in der Schönheit des Lichts, in der Finsternis offenbart sich die Willenskraft, die in die Zukunft führt,

"Sie schauen hinaus in die Welt: Sie sind vom Licht umflossen. In dem Lichte erstirbt eine vorzeitige Welt. Sie treten auf den harten Stoff auf - die Stärke der Welt trägt Sie. In dem Lichte erstrahlt gedanklich die Schönheit. In dem Erglänzen der Schönheit erstirbt die vorzeitige Welt. Die Welt geht auf in ihrer Stärke, in ihrer Kraft, in ihrer Gewalt, aber auch in ihrer Finsternis. In Finsternis geht sie auf, die zukünftige Welt, im stofflich-willensartigen Elemente.

Wenn die Physiker einmal ernsthaft reden werden, dann werden sie sich nicht jenen Spekulationen hingeben, in denen heute von den Atomen und Molekülen gefaselt wird, sondern sie werden sagen: Die äußere Welt besteht aus Vergangenheit, und im Inneren trägt sie nicht Moleküle und Atome, sondern Zukunft. Und wenn man einmal sagen wird: Uns erscheint strahlend die Vergangenheit in der Gegenwart, und die Vergangenheit hüllt die Zukunft überall ein - , dann wird man von der Welt richtig reden, denn die Gegenwart ist überall nur dasjenige, was Vergangenheit und Zukunft zusammen wirken. Die Zukunft ist dasjenige, was eigentlich in der Stärke des Stoffes liegt. Die Vergangenheit ist dasjenige, was in der Schönheit des Lichtes erglänzt, wobei Licht für alles Sich-Offenbarende gesetzt ist, denn natürlich, auch was im Tone erscheint, was in der Wärme erscheint, ist hier unter dem Lichte gemeint.

Und so kann sich der Mensch nur selber verstehen, wenn er sich auffaßt als Zukunftskern, der umhüllt ist von dem, was ihm von der unten Vergangenheit herrührt, von der Lichtaura des Gedankens. Man kann sagen: Geistig gesehen ist der Mensch Vergangenheit, wo er in seiner Schönheitsaura erstrahlt, aber eingegliedert ist dieser Vergangenheitsaura, was als Finsternis sich beimischt dem Lichte, das aus der Vergangenheit herüberstrahlt, und was in die Zukunft hinüberträgt. Das Licht ist dasjenige, was aus der Vergangenheit herüberstrahlt, die Finsternis, was in die Zukunft hinüberweist. Das Licht ist gedanklicher Natur, die Finsternis ist willensartiger Natur." (Lit.: GA 202, S. 78f)

Ahura Mazdao und Ahriman

"So muß man qualitativ den Kosmos betrachten, nicht bloß quantitativ, dann kommt man mit diesem Kosmos zurecht. Dann gliedert sich aber auch hinein in diesen Kosmos ein fortwährendes Ersterben, ein Ersterben der Vorzeit im Lichte, ein Aufgehen der Zukunft in der Finsternis. Die alten Perser nannten aus ihrem instinktiven Hellsehen heraus das, was sie als die ersterbende Vorzeit im Lichte fühlten, Ahura Mazdao, was sie als die Zukunft im finstern Willen fühlten, Ahriman." (Lit.: GA 202, S. 82f)

Physikalische und lebendige Zeit

Die Physik beschreibt die Zeit als unumkehrbare Abfolge von Ereignissen, die nach den Gesetzen der Thermodynamik durch die Zunahme der Entropie bestimmt ist. Nach dem Kausalitätsprinzip geht dabei stets die Ursache der Wirkung voran, weswegen nur die Zukunft von der Gegenwart aus kausal beeinflusst werden kann, die Vergangenheit aber unveränderlich ist. Nach der Relativitätstheorie wird allerdings die zeitliche Abfolge von relativ zueinander bewegten Beobachtern unterschiedlich gesehen und es gibt auch keine universelle Gleichzeitigkeit von Ereignissen, sondern nur eine Relativität der Gleichzeitigkeit. In der Quantenphysik gibt es starke Hinweise darauf, dass die Zeit im Bereich der Planck-Zeit (ca. 5,391•10-44 s) kein Kontinuum mehr ist.

Absolute und relative Zeit

Astronomische Uhr, Prag

Völlig untauglich aus geistiger Sicht ist der von Newton geprägte und zur Grundlage der klassischen Physik gewordene Begriff der absoluten Zeit, die völlig unabhängig von allen äußeren Gegenständen völlig gleichförmig dahinfließen soll.

„Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand.“

Isaac Newton: Mathematische Prinzipien der Naturlehre; London 1687

Dass dieser absolute Zeitbegriff selbst aus physikalischer Perspektive nicht haltbar ist, hat schon Albert Einstein durch seine 1905 veröffentlichte spezielle Relativitätstheorie gezeigt. Raum und Zeit sind hier nicht mehr unabhängig voneinander, sondern werden zum vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum verflochten. Absolut im Sinne der Relativitätstheorie ist nur die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c=229.792.458 m/s, die damit zur fundamentalen Naturkonstante wird - mit beachtlichen Folgen. Raum und Zeit werden dadurch zu relativen Projektionen, die vom Bewegungszustand des Beobachters abhängen. Das führt zu messbaren Phänomenen wie der Längenkontraktion und Zeitdilatation und der vollständigen Äquivalenz von Masse und Energie, die in der berühmten Einstein-Formel E=mc2 knapp zusammengefasst wird. Im Rahmen der von Einstein ab 1915 veröffentlichten allgemeinen Relativitätstheorie deutete er die Gravitation abstrakt als geometrische Eigenschaft der gekrümmten vierdimensionalen Raumzeit - wiederum mit bemerkenswerten Konsequenzen, die die Vorstellung eines statischen Universums ins Wanken brachte. Die Lösungen der vereinfachten Feldgleichung (Friedmann-Gleichung) implizieren nämlich für eine materieerfüllte Welt eine Phase der Expansion des Universums, die 1929 von Edwin Hubble auch tatsächlich entdeckt wurde, worauf die moderne Urknalltheorie aufbaut.

Zeitmessung

Atomuhr

Zeit ist nur in Relationen quantitativ zu erfassen, z.B. durch die Beziehung des irdischen Geschehens auf die periodisch wiederkehrenden kosmischen Verhältnisse - aber diese kehren nie in genau gleicher Weise wieder und laufen auch nicht in einem starr gleichförmigen Takt, sondern sind innerhalb gewisser Grenzen lebendig beweglich. Damit ist zugleich die ganze Problematik der Zeitmessung angesprochen. Zwar hat man heute mit den Atomuhr einen weitgehend starren Taktgeber gefunden, aber damit entfernt man sich von der Wirklichkeit, die den lebendigen Zeitphänomenen zugrunde liegt, nur noch mehr. Im SI-Einheitensystem wird die Zeit in Sekunden (Einheitenzeichen s) gemessen.

"Denn wenn wir etwas auf der Erde feststellen, wenn wir mit noch so genauen Präzisionsinstrumenten rechnen, von dem Himmel aus angesehen ist es immer um ein paar Tage falsch, weil die Himmelszeit anders als die Erdenzeit verläuft. Die Erdenzeit suchen wir möglichst gleichmäßig verlaufen zu lassen. Das ist gar nicht der Fall mit der Himmelszeit, die schneller und langsamer verläuft, weil sie in sich lebendig ist. Wir Menschen selber machen die Erdenzeit tot, daher verläuft sie ganz gleichmäßig." (Lit.: GA 226, S. 105)

Die Zeit als vierte Dimension

"Indem die Pflanze wächst, durchbricht sie den dreidimensionalen Raum. Jedes Wesen, das in der Zeit lebt, durchbricht die drei [gewöhnlichen] Dimensionen. Die Zeit ist die vierte Dimension. Sie steckt unsichtbar in den drei Dimensionen des gewöhnlichen Raumes darinnen. Sie können sie aber nur durch hellseherische Kraft wahrnehmen.

Ein bewegter Punkt erzeugt eine Linie; bewegt sich eine Linie, so entsteht eine Fläche; und bewegt sich ein Fläche, so ensteht der dreidimensionale Körper. Lassen wir nun den dreidimensionalen Raum sich bewegen, so haben wir Wachstum [und Entwicklung]. Sie haben dadurch den vierdimensionalen Raum, die Zeit [hineinprojiziert in den dreidimensionalen Raum als Bewegung, Wachstum, Entwicklung].

[Die geometrische Betrachtung zum Aufbau der drei gewöhnlichen Dimensionen] finden Sie fortgesetzt im wirklichen Leben. Die Zeit steht senkrecht auf den drei Dimensionen, sie ist die vierte, sie wächst. Wenn Sie die Zeit in sich lebendig machen, entsteht die Empfindung. Vermehren Sie die Zeit in sich, bewegen Sie sie in sich selbst, so haben Sie das empfindende Tierwesen, das in Wahrheit fünf Dimensionen hat. Das Menschenwesen hat in Wahrheit sechs Dimensionen." (Lit.: GA 324a, S. 98f)

Die Geschwindigkeit als eigentliche Wirklichkeit

Was wir im Erdenleben als Zeit empfinden, ist eine Täuschung; Wirklichkeit hat nur die Geschwindigkeit:

"Ich habe davon gesprochen, daß die Zeit, so wie wir sie erleben, eigentlich eine Täuschung ist, daß die Zeit in Wirklichkeit etwas ganz anderes ist, als sie der Mensch erlebt, weil der Mensch die Zeit nicht perspektivisch nimmt, so sagte ich dazumal. Den Raum erlebt der Mensch schon perspektivisch; die ferneren Bäume sieht er kleiner als die nahen Bäume. In Wirklichkeit ist auch die Zeit ebenso perspektivisch zu sehen. Die in der Zeit entfernten Ereignisse sind anders zu sehen als die in der Zeit nahen Ereignisse. Es ist aber nur die Grundlage dafür, daß die Zeit wirklich das ist, als was die Forscher aller Zeiten sie angesehen haben: die Zeit ist das wichtigste Medium der menschlichen Täuschung. Wir denken uns, daß zum Beispiel die Wesen der höheren Hierarchien auch so durch die Zeit fließen, wie unser eigenes Seelenleben durch die Zeit fließt: es ist keine Wahrheit darin. In Wahrheit liegt das Wesen der höheren Hierarchien in abgeflossenen Zeiten, aber sie wirken herüber aus den abgeflossenen Zeiten, wie im Räume von einem entfernten Orte man herüberwirken kann, meinetwegen durch Lichtsignale oder so etwas, auf in einem nahen Orte im Räume liegende Wesen. Die Zeit ist nicht das, als was sie die Menschen ansehen, die Zeit ist auch nicht das, als was sie solche Philosophen wie Kant ansehen, sondern die Zeit ist in ihrer Wirklichkeit etwas ganz anderes. Und das, was der Mensch als Wirklichkeit ansieht, ist eben auch eine Maja, eine große Täuschung. Vor allen Dingen bleibt immer das stehen, wovon wir glauben, indem wir in der Zeit als Täuschung leben, daß es vergangen sei. Es bleibt aber da; die Zeit wird wirklich zu etwas wie zu einem Räume. Und man sieht auf die rückwärtigen Ereignisse so, wie man auf entfernte Gegenstände im Raume sieht, wenn man wahrhaftig sieht. Die Zeit ist eine Täuschung.

Und weiter weiß die Geisteswissenschaft, daß die Quellen zu andern großen Täuschungen in menschlichen Weltanschauungen davon herrühren, daß der Mensch in bezug auf die Zeit der Täuschung unterliegt. Wenn unter Ihnen viele Physiker wären, würde ich selbst rein physikalisch mich hier aussprechen können. Ich würde Ihnen an physikalischen Formeln zeigen können, daß so, wie der Physiker die Zeit - das t, wie er es bloß nennt - in die physikalischen Formeln einführt, diese Zeit nur eine Zahl ist, also etwas ganz Unbekanntes, keine Wirklichkeit, sondern ein reiner Schein ist. Ein Wirkliches ist immer nur die Geschwindigkeit, aber die gerade sieht der Physiker als eine Folge der Zeit an. Da Sie ja keine Physiker sind und sich wahrscheinlich auf das Verständnis der Sache nicht einlassen werden, will auch ich mich nicht weiter darauf einlassen.

Die Zeit ist Täuschung, das ist eine schwerwiegende Wahrheit, weil die Zeit als Täuschung vielen andern Täuschungen des Lebens zugrunde Hegt. So zum Beispiel sieht man alle Dinge falsch, wenn man im geschichtlichen Leben die Zeit falsch anwendet. So denken etwa die Menschen, in den ersten drei christlichen Jahrhunderten hätten sich gewisse Dinge zugetragen, die seien jetzt vorbei. - In Wirklichkeit müßten sie denken: Der Erzengel oder die Wesenheit aus der Hierarchie der Archai, die dazumal die Ereignisse geleitet hat, ist noch da; das wirkt in anderer Weise weiter. - Das Vergangensein ist nur eine Täuschung. Es hängt viel davon ab, daß man gegenüber der geistigen Wirklichkeit gerade den perspektivischen Charakter der Zeit kennenlernt, daß man weiß, man muß sich über die Ereignisse im Zeitenlaufe ebenso täuschen - während man das nicht glaubt -, wie man sich über die Ereignisse im Räume täuscht, wenn man keine Perspektive zugibt. Denken Sie einmal, wie groß die Täuschung wäre, wenn Sie keine Perspektive zugeben würden, wenn Sie das Entfernte im Räume als so wirksam auf sich selbst betrachten würden wie das Nahe. Sie schauen auf einen fernen Berg hin. Von der Luft, die Sie umgibt, hängt wesentlich Ihre Gesundheit ab; von der Luft auf dem fernen Berge nicht, denn wollen Sie sie als gesundheitsfördernd haben, so müssen Sie hingehen. Die Wirklichkeit hängt im wesentlichen, sobald es um die Wirklichkeit im Leben sich handelt, mit der Perspektive zusammen. So ist es aber auch mit Bezug auf die Zeit. Wir leben richtig in der Gegenwart, wenn wir nicht glauben, daß die ferneren Ereignisse der Vergangenheit ebenso gewogen werden können wie die nahen Ereignisse. Wenn wir im dritten nachatlantischen Zeitraum die ägyptisch-chaldäische Zeit betrachten und nur dasjenige ins Auge fassen, was die Dokumente liefern, und sie so registrieren, wie sie die Torengeschichte registriert, die Fable convenue, die sich eben heute Geschichte nennt, dann machen wir den perspektivischen Fehler. Denn es hat überhaupt für das heutige Leben gar keine Bedeutung, was die Menschen äußerlich an Taten während der ägyptischen Zeit gemacht haben, aber was die Engel und Erzengel und Archai gemacht haben, das hat Bedeutung; das tritt aber nur in der perspektivisch gebildeten Betrachtung hervor. Daher ist es ein Grundsatz, und nicht nur heute, wo wir alle diese Dinge wiederentdecken müssen auf dem Boden der Anthroposophie, sondern in allen Zeiten war es ein Grundsatz für alle geistigen Forscher, daß die Zeit als solche eine Täuschung ist, und niemals wurde von einem wirklichen Kenner der Wirklichkeit mit der Zeit so gerechnet, daß sie für eine Wahrheit gehalten wurde, daß sie selbst für eine wahre Wirklichkeit gehalten worden wäre." (Lit.: GA 184, S. 71ff)

Zeitlinie und Zeitknäuel

Der alltägliche Zeitbegriff, nach dem die Zeit linear von der Vergangenheit über den Moment der Gegenwart in die Zukunft läuft, ist untauglich, um geistige Zusammenhänge zu erfassen:

"Ich will durch diesen Strich andeuten, daß irgend etwas, was heute mit dem Menschen geschieht, von den geistigen Wesen so ausgestaltet wird, daß das andere, was als Ausgleichendes dazugehört, in dreitausend Jahren eintritt. Das ist der normale Prozeß. Aber sehen Sie, im gewöhnlichen Leben kennt man ja die Zeit nur sehr ungenau. Wie stellt man sich im gewöhnlichen Leben die Zeit vor? Wie eine von der vergangenen Unendlichkeit durch die Gegenwart in die Zukunft hineinlaufende Linie. So ungefähr stellt man sich die Zeit vor, allerdings eine dicke Linie, nicht eine Linie, sondern ein dickes Seil, denn sie enthält alles, was man überhaupt wahrnimmt in der Welt, zugleich in jedem einzelnen Augenblick der Gegenwart. Man stellt sie sich so vor, wenn man überhaupt sich etwas vorstellt. Die meisten Menschen stellen sich das überhaupt gar nicht vor. Geistig angesehen, ist die Sache nicht so. Und man lernt schwer Verständnis finden für geistige Verläufe, die ja in allen physischen Verläufen drinnen sind, wenn man sich die Zeit nur so vorstellen kann.

Zeitlinie und Zeitknäuel
Zeitlinie und Zeitknäuel

Aber die Zeit ist in der Realität nicht so, sondern der ganze Faden, den ich da an die Tafel gezeichnet habe, der kann verwickelt zu einem Knäuel werden. In diesem Knäuel ist die ganze Zeitlinie drinnen, die dreitausend Jahre sind in einem Knäuel. Die Zeit kann sich verknäueln, und wenn sie sich für irgendeine Evolution verknäuelt, diese Zeit, dann kann der Knäuel eben in einem Menschen leben. Bei der heiligen Theresia lebte eine verknäuelte Zeit in dem irdischen Leben. Das ist eigentlich das Mysterium, daß Dinge, die sonst in dem Karma weit auseinanderrücken, zusammengeschoben werden. (Siehe Zeichnung.)" (Lit.: GA 318, S. 44f)

Die Zeit als lebendiger Organismus

Nur im physisch-sinnlichen Erleben ist die Gegenwart das einzig Reale. Aus der Perspektive der höheren Welten ist das Vergangene nicht einfach vergangen und das Zukünftige noch nicht da, sondern sie schließen sich zu einem lebendigen Zeitorganismus zusammen. Ein solcher in sich zusammenhängender Zeitorganismus ist insbesondere auch der Ätherleib des Menschen.

"Beim Zeitorganismus ist das so, daß, trotzdem wir ein Später und ein Früher haben, Später und Früher in organischer Weise zusammenhängen." (Lit.: GA 082, S. 234)

Die Zeit in den höheren Welten

Der ätherische und der gegenläufige astralische Zeitstrom

Das gegenwärtige Bewusstsein als Zusammenfluss der ätherischen Strömung aus der Vergangenheit und der astralischen Strömung aus der Zukunft (GA 115, S 190)

Aus höherer Sicht ist es auch nicht richtig, dass die Zeit einseitig von der Vergangenheit in die Zukunft fließt. Das ist nur im Ätherischen der Fall. Auf dem Astralplan hingegen fließt die Zeit in umgekehrter Richtung:

"Zum Beispiel sehen wir im Physischen zuerst die Henne und dann das Ei. Im Astralischen sieht man umgekehrt erst das Ei und dann die Henne, welche das Ei gelegt hat. Im Astralen bewegt sich die Zeit zurück; erst sieht man die Wirkung und dann die Ursache. Daher der prophetische Blick; niemand könnte künftige Ereignisse voraussehen ohne dieses Rückwärtsgehen von Zeitereignissen." (Lit.: GA 095, S. 22)

Zeit und Bewusstsein

Das Phänomen des menschlichen Bewusstseins wird man nur verstehen, wenn man berücksichtigt

"... daß der Strom des Seelenlebens nicht nur von der Vergangenheit in die Zukunft, sondern auch von der Zukunft in die Vergangenheit fließt, daß wir zwei Zeitströmungen haben: das Ätherische, das in die Zukunft geht, während dasjenige, was wir als Astralisches dagegen haben, von der Zukunft in die Vergangenheit zurückfließt." (Lit.: GA 124, S. 64f)

Alles Vorstellungsmäßige hängt mit dem ätherischen Strom aus der Vergangenheit zusammen, alles Begehren, alle Wünsche, die Phänomene von Liebe und Hass, alle Willensimpulse kommen uns mit dem astralischen Strom aus der Zukunft entgegen. Das Übereinanderschlagen dieser beiden Strömungen, der ätherischen und der astralischen, die gleichsam einen «Wirbel» bilden (Lit.: GA 059, S. 109), ist das gegenwärtig empfundene Bewusstsein (Lit.: GA 115, S. 190ff).

Aber nicht nur die Richtung, auch die Geschwindigkeit (s.o.) der verschiedenen Seelentätigkeiten ist sehr unterschiedlich. Die grundlegenden Willensimpulse verändern sich sehr viel langsamer als das dahineilende Denken.

"Unser seelisches Leben beruht darauf, daß zum Beispiel das Denken, das Vorstellen, mit einer ganz anderen Geschwindigkeit abläuft als das Fühlen, und dieses wiederum mit einer ganz anderen Geschwindigkeit als das Wollen. Diese Dinge - daß innerlich im Seelenleben verschiedene ineinandergeschichtete Geschwindigkeiten sind - bewirken gerade das innere Entstehen des Bewußtseins. Bewußtsein entsteht nur da, wo irgend etwas sich stört. Daher ist Bewußtsein sogar verwandt mit dem Tode: weil der Tod das Leben stört." (Lit.: GA 073, S. 50)

"Denn der Wille bewegt sich nämlich wesentlich langsamer in der menschlichen Evolution als die Gedanken. Bitte, fassen Sie das als eine sehr wichtige Wahrheit auf: Der Wille bewegt sich viel langsamer als die Gedanken. So daß zum Beispiel bei den Menschen, die sich mehr den allgemeinen Gewohnheiten überlassen haben, die nicht dazumal gerade in den vierziger Jahren [des 19. Jahrhunderts] Rebellen oder Revolutionäre waren, sondern die sich so mehr den allgemeinen Gewohnheiten, den patriarchischen, biederen Gewohnheiten der dreißiger, vierziger Jahre überlassen haben, diese Gewohnheiten fortlebten bis in die Jahrzehnte, die ich jetzt meine. Aber die Gedanken schritten weiter. Und dadurch treten fortwährend in der Evolution Diskrepanzen auf zwischen dem Gedankenleben und dem Willensleben, die nicht in allen Sphären des Lebens, aber in gewissen Sphären des Lebens erscheinen." (Lit.: GA 177, S. 258)

Zeit und Schlaf

Zeit und Schlaf
Zeit und Schlaf

Im Schlaf gehen wir in der Zeit rückwärts bis zu unserer früheren Inkarnation.

"... da ist der Mensch in seiner gegenwärtigen Inkarnation. (Es wird gezeichnet, rechts Mitte.) Wenn er Imagination entwickelt, so schaut er seinen Ätherleib etwas vor die Geburt oder Empfängnis hingehend (gelb); aber sein astralischer Leib führt ihn durch Inspiration hinein in die ganze Zeit, die verflossen ist zwischen dem letzten Tode und dieser Geburt (rot). Und die Intuition führt ihn in das vorangehende Erdenleben zurück (gelb).

Wenn Sie nun schlafen, so bedeutet das nichts anderes, als daß Sie das Bewußtsein, das sonst im physischen Leibe ist, zurückverlegen, zurückführen, daß Sie mit ihm zurückkehren. Der Schlaf ist also eigentlich ein Zurücklaufen in der Zeit zu dem, wovon ich Ihnen schon gesagt habe, daß es dem gewöhnlichen Bewußtsein als vergangen erscheint, aber doch da ist. Sie sehen, man muß auch da, wenn man wirklich zum Erfassen des Geistigen kommen will, die Begriffe ändern gegenüber den Begriffen, die man gewöhnt ist im physischen Leben zu verwenden. Man muß also eigentlich sich bewußt werden, daß der Schlaf jedesmal ein Zurückgehen ist in die Gefilde, die man durchgemacht hat im vorirdischen Dasein, oder sogar ein Zurückgehen ist in frühere Inkarnationen. Der Mensch erlebt tatsächlich während des Schlafes, nur kann er es nicht erfassen, dasjenige, was früheren Inkarnationen angehört, was er durchgemacht hat auch im vorirdischen Dasein.

Über den Zeitbegriff muß man eine völlige Begriffsmetamorphose durchmachen; der muß ein ganz anderer werden. Wenn man daher an jemanden die Frage stellt: Ja, wo ist er denn, wenn er schläft? - dann muß man sagen: Er ist eigentlich in seinem vorirdischen Dasein oder sogar zurückgekehrt zu früheren Erdenleben. - Populär ausgedrückt sagt man eben: Der Mensch ist außerhalb seines physischen und seines Ätherleibes. Das Reale dazu ist das, was ich Ihnen auseinandergesetzt habe. Das ist, was sich darstellt als der rhythmische Wechselzustand zwischen Wachen und Schlafen." (Lit.: GA 234, S. 107f)

Dauer und Vorsehung im Devachan und auf dem Buddhiplan

Ouroboros aus einem alchemistischen Manuskript als Symbol der zyklisch in sich selbst zurücklaufenden Zeit, der Ewigkeit.

Im Devachan, in der eigentlichen geistigen Welt, herrschen hingegen Dauer und Vorsehung, wobei letztere vom Buddhiplan, der Welt der Vorsehung, hereinwirkt:

"In dem Augenblick, wo man in die geistige Welt hineinschaut, ist es, wenn man in das Vergangene hineinsieht, so, daß das Vergangene wie stehengeblieben ist. Das ist noch da. Die Zeit wird zum Raume. Das Vergangene hört auf, unmittelbar Vergangenes zu sein. Dann hört der Begriff der Notwendigkeit auch auf einen Sinn zu haben. Man hat nicht ein Vergangenes, ein Gegenwärtiges, ein Zukünftiges, sondern man hat ein Dauerndes. Luzifer ist meinetwillen in der Mondenentwickelung so stehengeblieben, wie einer stehenbleibt, der mit einem anderen gegangen ist, und während der andere weitergeht, bleibt er, weil er zu bequem geworden ist, oder weil er wunde Füße bekommen hat, stehen. So wenig derjenige, der da stehengeblieben ist, mit dem Ort etwas zu tun hat, an dem der andere angekommen ist nach einiger Zeit, so wenig hat Luzifer direkt mit unserem Erdendasein etwas zu tun. Er ist eben im Mondendasein stehengeblieben. Da steht er heute noch. In der geistigen Welt können wir nicht sprechen von einem vergangenen, sondern nur von einem dauernden Dinge. Der Luzifer ist so da, wie er damals da war. Blickt man in die geistige Welt, so ändern sich alle Begriffe von Notwendigem und Zufälligem, da herrscht Vorsehung." (Lit.: GA 163, S. 89f)

Es ist nicht so, dass es in der Region der Dauer keine Bewegung gäbe. Das Wesen des Geistes, der der Ewigkeit angehört, ist rastlose unaufhörliche, zyklisch in sich selbst zurücklaufende Bewegung, die aber zugleich als absolute Ruhe empfunden wird, solange alle Wesen diese Bewegung gleichmaßen mitmachen. Erst wo Bewegungsunterschiede entstehen, weil nicht mehr alle Wesen dieses rastlose Tempo mitmachen können, wird die Bewegung auch als solche empfunden - und damit tritt die Zeit in Erscheinung.

Zeit und Reinkarnation

Die zyklisch in sich selbst zurücklaufende Zeit bestimmt auch das Reinkarnationsgeschehen.

"Nicht wahr, man sagt, weil man die Sache zunächst von der physischen Welt ansieht, mit Recht: Der Mensch macht wiederholte Erdenleben durch. - Das ist richtig. Aber warum macht er wiederholte Erdenleben durch? Indem er hier zwischen Geburt und Tod lebt, lebt er ein gewisses Stück Zeit durch. Dann geht er durch die Pforte des Todes in die geistige Welt ein, macht einen Umkreis durch, kommt aber in dem Umkreis wiederum auf dasselbe Stück Zeit zurück. Und immer wiederum, wenn wir ein Leben durchleben, sind wir eigentlich an derselben Weltstelle. Das ist sehr interessant! Im Reiche des Geistes herrscht nicht eigentlich die Zeit, sondern die Dauer. Wir kommen wiederum an dieselbe Stelle zurück. Wir wiederholen tatsächlich in denselben Verhältnissen mit dem, was wir mittlerweile durchgemacht haben, an derselben Stelle der Welt das Leben. Wir gehen immer wiederum zum Ausgangspunkt zurück. Wir vollführen wirkliche Umkreise." (Lit.: GA 168, S. 216f)

Und karmisch gesehen gibt es nicht nur den Zeitstrom aus der Gegenwart in die Zukunft ("Vergangenheitskarma"), sondern gleichzeitig auch die aus der Zukunft kommende karmische Vorwegnahme eines zukünftigen ("vorweggenommenes Karma") Geschehens.

Der Ursprung der Zeit auf dem alten Saturn

Der alte Saturn war die erste Verkörperung unserer Erde bzw. unseres ganzen Planetensystems. Er ist aus der Region der Dauer, der Ewigkeit, hervorgetreten, die durch den Tierkreis repräsentiert wird. Die Zeit entstand erst im Laufe der Saturnentwicklung - darum wird der Saturn in der griechischen Mythologie als Chronos bezeichnet. Auf dem alten Saturn gab es noch keinen Raum im eigentlichen Sinn, alle räumlichen Schilderungen können hier nur einen vergleichsweisen Charakter haben.

"Wenn wir also in urferne Vergangenheit zurückblicken, so schauen wir auf den ersten Zustand unserer Erde, den des alten Saturns, der im Anfange seines Daseins noch nicht einmal leuchtete. Er war eine Art Wärmezustand. Sie hätten ihn nicht so sehen können wie eine glänzende Kugel, sondern wenn Sie sich dem Saturn genähert hätten, würden Sie in einen wärmeren Raum hineingekommen sein, weil er eben bloß in einem Wärmezustand war.

Nun könnte man fragen: Hat denn mit dem Saturn das Weltwerden begonnen? Haben nicht andere Zustände vielleicht erst das herbeigeführt, was Saturn geworden ist? Gingen dem Saturn nicht noch andere Verkörperungen voran? — Es würde schwer sein, vor den Saturn zurückzugehen, weil nämlich erst beim Saturn etwas beginnt, ohne das wir gar nicht hinter den Saturn zurückgehen können. Mit dem Saturn beginnt nämlich erst das, was wir Zeit nennen. Vorher gab es andere Formen des Seins, das heißt, eigentlich können wir gar nicht von vorher sprechen, weil noch keine Zeit da war. Die Zeit hat auch einmal angefangen. Vor dem Saturn gab es keine Zeit, da gab es nur Ewigkeit, Dauer. Da war alles gleichzeitig. Daß die Vorgänge einander folgen, das trat erst mit dem Saturn ein. In derjenigen Weltenlage, wo nur Ewigkeit, Dauer ist, da gibt es auch keine Bewegung. Denn zur Bewegung gehört Zeit. Da gibt es keinen Umlauf, da ist Dauer und Ruhe, wie man auch sagt im Okkultismus: Da ist selige Ruhe in der Dauer. Das ist der Ausdruck dafür. Selige Ruhe in der Dauer ging dem Saturnzustand voran. Die Bewegung der Weltenkörper trat erst mit dem Saturn ein, und man faßte die Bahn, die angedeutet wird durch die zwölf Zeichen des Tierkreises, als Anzeichen dafür auf. Und während ein Planet in einem solchen Sternbilde lief, sprach man von einer Weltenstunde. Man betrachtete das als eine Weltenstunde. Zwölf Weltenstunden, Tagstunden zwölf und Nachtstunden zwölf! Einem jeden Weltenkörper, dem Saturn, der Sonne und dem Monde wird zugezählt eine Aufeinanderfolge von Weltenstunden, die sich zu Weltentagen gruppieren, und zuletzt so, daß von diesen zwölf Zeiträumen sieben äußerlich wahrnehmbar sind und fünf mehr oder weniger äußerlich unwahrnehmbar verlaufen. Man unterscheidet daher sieben Saturnkreisläufe oder sieben große Saturntage und fünf große Saturnnächte. Sie können auch sagen, fünf Tage und sieben Nächte, denn der erste und letzte Tag sind Dämmerungstage. Man ist gewohnt, solche sieben Kreisläufe, sieben Weltentage «Manvantara» zu nennen und die fünf Weltennächte «Pralaya»." (Lit.: GA 104, S. 60f)

So wie wir heute die Zeit erleben, konnte man sie allerdings auf dem alten Saturn noch nicht erleben, auch nicht auf der alten Sonne; ein Zeiterleben, wie wir es heute kennen, entwickelte sich erst auf dem alten Mond.

"Dadurch daß die Aufeinanderfolge des Werdens von Saturn, Sonne, Mond vor sich gegangen ist, ist eigentlich erst eingetreten, und zwar während des Mondendaseins, die Zeit in die Anschauungen, die der Mensch hat, und während des Erdendaseins eigentlich erst der Raum. Wenn wir von Saturn, Sonne und Mond sprechen, und dabei räumliche Vorstellungen zu Hilfe nehmen, so reden wir wirklich nur bildlich, nur in Imaginationen, und wir müssen uns durchaus bewußt sein, daß, wenn wir von diesen drei Welten in Raumesvorstellungen sprechen, diese Raumesvorstellungen so viel zu tun haben mit dem, was da früher sich vollzogen hat, sagen wir, wie die Formen unserer Buchstaben mit dem Sinn des Wortes. Wir dürfen nicht die heutigen Vorstellungen als solche nehmen, sondern müssen sie als Zeichen, als Bilder nehmen für dasjenige, was daraus folgt. Denn der Raum hat nur eine Bedeutung für das, was sich innerhalb des Erdendaseins entwickelt, und die Zeit hat eigentlich erst eine Bedeutung seit der Loslösung des alten Mondes von der Sonne. Das ist der strikte Punkt, in welchem sich ablöst der Mond, der alte, von der Sonne. Da erst ist es möglich, von solchen in der Zeit verlaufenden Vorgängen zu sprechen, wie wir heute davon sprechen." (Lit.: GA 162, S. 244f)

Zeitwesen

Die Archai als die eigentlichen Zeitwesen

Auf dem alten Saturn trat die wesenhafte Zeit, also die Gemeinschaft der Archai, in Erscheinung, indem die Throne ihre Willenssubstanz als Wärme den Cherubim hinopferten und dadurch die Evolution unseres ganzen Planetensystems in Gang brachten. Das Zeitwesen und das Wärmewesen stehen dadurch in enger Beziehung zueinander. (Lit.: GA 132, S. 9) Auf die erste Verkörperung unseres Planetensystems folgten weitere. Unser gegenwärtiges Sonnensystem stellt die vierte Entwicklungsstufe dar, drei weitere werden noch kommen.

Gemäß der urpersischen Mythologie ist die ganze Schöpfung aus Zaruana Akarana, der unerschaffenen Zeit, hervorgetreten.

Die Archangeloi als Boten der Urbeginne

Einen bestimmten Erzengel beispielsweise wird man nicht finden, wenn man ihn unmittelbar in der Gegenwart sucht. Man muss vielmehr in der Zeit zurückgehen, z.B. ins 15. Jahrhundert, denn sein Bewusstsein ist einer ganz bestimmten Zeit konzentriert, die nicht die jetzige ist. Darum nennt man die Erzengel auch «Archangeloi», denn sie sind Boten des Anfangs, der wesenhaften Urbeginne, der Archai.

"Sie heißen «Engel des Anfangs», das heißt, sie sind immer an den Anfängen von Zeiträumen, sagen wir, wo Völker entstehen, wo Völker zum ersten Mal in die Weltgeschichte eintreten, da sind sie mit ihrem vollen Bewußtsein, mit ihrem eigenen Selbst vorhanden. Das bleibt in der übrigen Zeit vorhanden in den Wirkungen. Die Wirkungen fließen in die Zeit hinein. Und will man sie finden, so darf man nicht bloß in der Gleichzeitigkeit bleiben, sondern man muß aus der Zeit herausgehen, die Zeitanfänge aufsuchen." (Lit.: GA 156, S. 68f)

Zeitempfinden und Luzifer

Das Zeitempfinden ist durch den luziferischen Einfluss bedingt, der im Menschen die Sehnsucht nach dem selbständigen Konzentriertsein in sich selbst hervorruft. Das ganze Spektrum des Zeiterlebens, das sich zwischen Ewigkeit (Christus) und Augenblick (Luzifer) ausspannt, ist das Ergebnis eines wesenhaften Zusammenwirkens (Lit.: GA 138, S. 79ff). Es macht keinen Sinn, von der Zeit im allgemeinen zu sprechen, sondern sie muss immer auf eine Wesengemeinschaft bezogen werden, die eine gemeinsame Entwicklung durchmacht. Für unser Planetensystem, dem eine solche sich gemeinsam entwickelnde Wesensgemeinschaft zugrunde liegt, offenbart sich die wesenhafte Zeit durch die Hierarchie der Archai (Urengel, Urbeginne), die auf dem alten Saturn ihre Ich-Entwicklung durchmachten. Sie sind vom Urbeginn unserer Entwicklung die wesenhaft waltenden Zeitgeister. Wenn es in der Genesis heißt: Im Urbeginn schufen die Götter Himmel und Erde (1 Moses 1,1), dann wird mit dem Wort Urbeginn (oder Anfang nach anderen Übersetzungen) bereits auf die Archai hingewiesen. Ebenso wird mit den Schöpfungstagen auf eine Siebenzahl höchstentwickelter Zeitgeister verwiesen. Das hebräische Wort Jom (= Tag), das hier verwendet wird, meint nicht das, was wir heute als Tag verstehen, sondern bezeichnet diese Archai.

Sieben - die Zahl der Zeit

Die Zahl der Zeit ist die Sieben. Sie gibt einen geeigneten Leitfaden für alles, was sich im Zeitenlauf nacheinander entwickelt. Die Sieben kann daher auch als Zahl der Entwicklung aufgefasst werden:

"Was in der Zeit verläuft, baut sich nach dem Gerüste der Siebenzahl auf; was sich wiederholt in verschiedenen Formen, das betrachtet man gut dadurch, daß man die Sieben zugrunde legt und die entsprechenden Gestaltungen dann aufsucht. - So ist es gut, sich zu sagen: Weil die Erde verschiedene Verkörperungen durchmacht, suchen wir ihre sieben Verkörperungen: Saturn, Sonne, Mond, Erde, Jupiter, Venus und Vulkan. Weil die menschlichen Kulturen sieben Verkörperungen durchmachen, suchen wir ihren Zusammenhang, indem wir wiederum die Siebenzahl zugrunde legen. - Wir gehen zum Beispiel zur ersten Kultur in der nachatlantischen Zeit. Die altindische Kulturperiode ist die erste, die zweite ist die urpersische, die dritte die chaldäisch-ägyptische, die vierte die griechisch-lateinische, die fünfte unsere eigene, und wir erwarten die zwei folgenden, welche als die sechste und siebente die unsere ablösen werden. Da haben wir wiederum die Siebenzahl in aufeinanderfolgenden Kulturverkörperungen zugrunde gelegt. Wir können aber auch in dem Karma eines Menschen uns zurecht finden, wenn wir zurückzublicken suchen auf seine drei vorhergehenden Inkarnationen. Wenn man die Inkarnation eines Menschen der Gegenwart nimmt und überblickt von dieser Gegenwart ausgehend die drei vorhergehenden Inkarnationen, dann ist es möglich, gewisse Schlüsse zu ziehen für die drei nächstfolgenden Inkarnationen. Die drei vorhergehenden Inkarnationen und die jetzige mit den drei folgenden geben wiederum sieben. So ist die Siebenzahl ein Leitfaden für alles zeitliche Geschehen." (Lit.: GA 113, S. 175)

Die dreifache Sieben, 7-7-7, gilt als Zahl der Vollendung, weil nach 7*7*7 = 343 Entwicklungstufen das Ziel einer Entwicklungsreihe erreicht ist. Alles, was danach kommt, gehört bereits einer völlig neuen Entwicklungslinie an. Die Ausdrucksweise danach darf daher auch nur im uneigentlichen Sinn verstanden werden, denn man hat es dann bereits mit einem völlig neuen Zeitwesen zu tun, das nicht unmittelbar auf jenes bezogen werden kann, das sich bereits vollendet hat.

Siehe auch

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Metamorphosen des Seelenlebens – Pfade der Seelenerlebnisse. Zweiter Teil, GA 59 (1984), ISBN 3-7274-0595-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Die Ergänzung heutiger Wissenschaften durch Anthroposophie, GA 73 (1987), ISBN 3-7274-0730-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Damit der Mensch ganz Mensch werde, GA 82 (1994), ISBN 3-7274-0820-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Vor dem Tore der Theosophie, GA 95 (1990), ISBN 3-7274-0952-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  5. Rudolf Steiner: Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt, GA 110 (1981)
  6. Rudolf Steiner: Der Orient im Lichte des Okzidents. Die Kinder des Luzifer und die Brüder Christi., GA 113 (1982), Neunter Vortrag, München, 31. August 1909
  7. Rudolf Steiner: Anthroposophie – Psychosophie – Pneumatosophie, GA 115 (2001), ISBN 3-7274-1150-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  8. Rudolf Steiner: Exkurse in das Gebiet des Markus-Evangeliums, GA 124 (1995), ISBN 3-7274-1240-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  9. Rudolf Steiner: Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen, GA 132 (1987), Erster Vortrag, Berlin, 31. Oktober 1911
  10. Rudolf Steiner: Von der Initiation. Von Ewigkeit und Augenblick. Von Geisteslicht und Lebensdunkel., GA 138 (1986)
  11. Rudolf Steiner: Okkultes Lesen und okkultes Hören, GA 156 (2003), ISBN 3-7274-1561-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  12. Rudolf Steiner: Kunst- und Lebensfragen im Lichte der Geisteswissenschaft, GA 162 (2000), ISBN 3-7274-1620-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  13. Rudolf Steiner: Zufall, Notwendigkeit und Vorsehung , GA 163 (1986), ISBN 3-7274-1630-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  14. Rudolf Steiner: Die Verbindung zwischen Lebenden und Toten, GA 168 (1995), ISBN 3-7274-1680-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  15. Rudolf Steiner: Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis, GA 177 (1999), ISBN 3-7274-1771-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  16. Rudolf Steiner: Die Polarität von Dauer und Entwickelung im Menschenleben. Die kosmische Vorgeschichte der Menschheit., GA 184 (2002), ISBN 3-7274-1840-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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  19. Rudolf Steiner: Anthroposophie – Eine Zusammenfassung nach einundzwanzig Jahren, GA 234 (1994), ISBN 3-7274-2342-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  20. Rudolf Steiner: Das Zusammenwirken von Ärzten und Seelsorgern, GA 318 (1994), ISBN 3-7274-3181-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  21. Rudolf Steiner: Die vierte Dimension, GA 324a (1995), ISBN 3-7274-3245-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Weblinks

  1. GA 110: Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt - Der gesamte Vortragszyklus online.