Dietrich Bonhoeffer und Ernst Troeltsch: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1987-074-16, Dietrich Bonhoeffer.jpg|miniatur|Dietrich Bonhoeffer im August 1939<ref>''Dietrich Bonhoeffer: Bilder aus seinem Leben'', Christian Kaiser Verlag, München 1986, ISBN 3-459-01613-2, S.&nbsp;181.</ref>]]
'''Ernst Troeltsch''' (* [[17. Februar]] [[1865]] in [[Augsburg-Haunstetten-Siebenbrunn|Haunstetten]]; † [[1. Februar]] [[1923]] in [[Berlin]]) war ein deutscher [[Protestantismus|protestantischer]] [[Theologe]], Kulturphilosoph und liberaler Politiker.
[[Datei:Bonhoeffer-tablica.JPG|miniatur|Gedenktafel am Geburtshaus Bonhoeffers, Bartel-Straße&nbsp;7 in Breslau]]
'''Dietrich Bonhoeffer''' (* [[4. Februar]] [[1906]] in [[Breslau]]; † [[9. April]] [[1945]] im [[KZ Flossenbürg]]) war ein [[Evangelisch-lutherische Kirchen|lutherischer]] [[Theologe]], profilierter Vertreter der [[Bekennende Kirche|Bekennenden Kirche]] und am deutschen [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus]] beteiligt.


Mit 24 Jahren [[habilitiert]], wurde Bonhoeffer nach Auslandsaufenthalten [[Privatdozent]] für [[Evangelische Theologie]] in [[Berlin]] sowie Jugendreferent in der Vorgängerorganisation des [[Ökumenischer Rat der Kirchen|Ökumenischen Rates der Kirchen]]. Ab April 1933 nahm er öffentlich Stellung gegen die nationalsozialistische [[Antisemitismus (bis 1945)|Judenverfolgung]] und engagierte sich im [[Kirchenkampf]] gegen die [[Deutsche Christen|Deutschen Christen]] und den [[Arierparagraph]]en im [[Berufsbeamtengesetz]]. Ab 1935 leitete er das [[Predigerseminar]] der Bekennenden Kirche in [[Zdroje (Stettin)|Finkenwalde]], das, später illegal, bis 1940 bestand. Etwa ab 1938 schloss er sich dem Widerstand um [[Wilhelm Franz Canaris]] an. 1940 erhielt er [[Redeverbot]] und 1941 Schreibverbot. Am 5.&nbsp;April 1943 wurde er verhaftet und zwei Jahre später auf [[Führerbefehl|ausdrücklichen Befehl]] [[Adolf Hitler]]s als einer der letzten NS-Gegner, die mit dem [[Attentat vom 20. Juli 1944]] in Verbindung gebracht wurden, hingerichtet.
== Leben ==
Troeltsch wurde am 17. Februar 1865 als ältester Sohn einer Arztfamilie in Haunstetten – heute ein Stadtteil von [[Augsburg]] – geboren. Er besuchte das Augsburger [[Gymnasium bei St. Anna (Augsburg)|Gymnasium bei St.&nbsp;Anna]], wo er sich als Klassenbester durch sehr gute schulische Leistungen hervortat.<ref>http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Der-grosse-evangelische-Vordenker-id33023287.html abgerufen am 14. Februar 2015</ref> Er studierte in [[Universität Augsburg|Augsburg]], [[Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg|Erlangen]], [[Humboldt-Universität zu Berlin|Berlin]] und [[Georg-August-Universität Göttingen|Göttingen]]. Ebendort war er 1891 als Privatdozent tätig. In Erlangen trat er im Wintersemester 1884/85 der [[Uttenruthia]] im [[Schwarzburgbund|SB]] bei.


Als gegenüber seinen Lehrern eigenständiger Theologe betonte Bonhoeffer die Gegenwart [[Jesus Christus|Jesu Christi]] in der weltweiten [[Oikumene|Gemeinschaft der Christen]], die Bedeutung der [[Bergpredigt]] und [[Nachfolge Jesu]] und die Übereinstimmung von Glauben und Handeln, die er persönlich vorlebte, insbesondere in der [[Zeit des Nationalsozialismus]]. In seinen Gefängnisbriefen entwickelte er einflussreiche, wenn auch fragmentarische Gedanken für eine künftige Ausrichtung der Kirche nach außen in Solidarität mit den Bedürftigen und zu einer [[Religionsloses Christentum|nichtreligiösen Interpretation]] von [[Bibel]], [[Tradition#Tradition im Christentum|kirchlicher Tradition]] und [[Gottesdienst]].
1892 wurde Troeltsch ordentlicher [[Professor]] für [[Systematische Theologie]] in [[Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn|Bonn]]. 1894 wechselte er in gleicher Stellung an die [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Universität Heidelberg]]. Zu seinen Schülern in Heidelberg zählte [[Josef Hromádka (Theologe, 1889)|Josef Hromádka]].<ref>Dorothea Neumärker: ''Josef L. Hromádka. Theologie und Politik im Kontext des Zeitgeschehens''. Chr. Kaiser Verlag, München 1974, ISBN 3-459-00907-1, S. 38.</ref> Von 1909 bis 1914 war er deren Abgeordneter in der Ersten Kammer der [[Badische Ständeversammlung|Badischen Ständeversammlung]].<ref>[http://digital.blb-karlsruhe.de/Drucke/nav/classification/792873 Digitale Sammlung badischer Landtagsprotokolle bei der Badischen Landesbibliothek. Verzeichnis der Mitglieder beider Kammern]</ref> 1912 erfolgte die Ernennung zum korrespondierenden Mitglied der [[Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften|Preußischen Akademie der Wissenschaften]]. Während der Heidelberger Jahre verband ihn eine enge Arbeitsgemeinschaft mit [[Max Weber]]. Seit 1915 hatte Troeltsch eine Professur für „Religions-‚ Sozial- und Geschichts-Philosophie und christliche Religionsgeschichte“ an der Philosophischen Fakultät der [[Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin|Universität Berlin]] inne.
[[Datei:Invalidenfriedhof, Grab Troeltsch.jpg|mini|Grab auf dem [[Invalidenfriedhof]] in Berlin; Restitutionsstein von 1991]]
 
Im Ersten Weltkrieg gehörte Troeltsch zunächst zu den Verfechtern der [[Ideen von 1914]]. Im Jahr 1917 war Troeltsch maßgeblich an der Gründung des [[Volksbund für Freiheit und Vaterland|Volksbundes für Freiheit und Vaterland]] beteiligt, der ein Gegengewicht zur extremistischen [[Deutsche Vaterlandspartei|Deutschen Vaterlandspartei]] bilden sollte. Von 1919 bis 1921 war er für die [[Deutsche Demokratische Partei|DDP]] Mitglied der [[Preußische Landesversammlung|Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung]] und zugleich neben [[Rudolf Wildermann]] Unterstaatssekretär bzw. ab dem 1. Juli 1920 „parlamentarischer“ Staatssekretär im [[Preußisches Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten|Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung]].<ref>Gerhard Schulze (Bearb.): ''Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38.'' Band 11/I, 14. November 1918 bis 31. März 1925. ''Acta Borussica, Neue Folge''. Hrsgg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Hildesheim 2004, S. 184, Dokument Nr. 136/1 ([http://preussenprotokolle.bbaw.de/bilder/Band%2011-1.pdf#page=200 PDF; 2,6&nbsp;MB]).</ref> Begraben wurde Troeltsch auf dem [[Invalidenfriedhof]] (Feld B) in Berlin.
 
== Theologie ==
Troeltsch gilt als der Systematiker der [[Religionsgeschichtliche Schule|Religionsgeschichtlichen Schule]]. Bedeutend sind in diesem Zusammenhang seine Arbeiten zu Wesen und Geltung des Christentums, zum Verhältnis von [[Historismus (Geschichtswissenschaft)|Historismus]] und [[Theologie]] sowie von [[Staat und Kirche]]. Große Wirkung erzielte eine 1902 (erneut 1912) erschienene Abhandlung unter dem Titel ''Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte''. Troeltschs Sorge galt der Zukunft der entscheidend durch das Christentum geprägten Kultur Europas und der [[Moderne]], von denen er meinte, dass sie aufeinander angewiesen seien. Ihm ging es um die Bewahrung der Substanz des Christentums, die er aber mit der intellektuellen Form der Moderne versöhnen wollte.
 
In seinem Aufsatz ''Christentum und Religionsgeschichte'' aus dem Jahr 1897 reagiert Troeltsch zum einen auf die Infragestellungen christlicher Theologie durch Materialismus und Naturwissenschaft. Er stellt diesbezüglich fest, dass „der Geist eine aus der Natur unableitbare selbständige Kraft ist,“ aus der „in Wechselwirkung mit den Anforderungen der sinnlichen Wirklichkeit“ die Geschichte entsteht.<ref>{{Literatur|Autor=Ernst Troeltsch|Titel=Christentum und Religionsgeschichte|Hrsg=Ernst Troeltsch|Sammelwerk=Gesammelte Schriften|Band=Zur religiösen Lage, Religionsphilosophie und Ethik|Nummer=2|Auflage=1|Verlag=Mohr|Ort=Tübingen|Datum=1913|Seiten=328-363, hier: 333|ISBN=3-511-06212-8}}</ref> Damit schließt sich Troeltsch der entwicklungs- und [[Ideengeschichte|ideengeschichtlichen Historiographie]] an. Da der Geist als eigenständig wirksame Kraft von der Natur kategorial unterschieden wird, gäbe es keinen Widerspruch zwischen Naturwissenschaften und Religion.
 
Zum anderen antwortet Troeltsch auf die Herausforderungen, die sich durch die globale Religionsgeschichte für das Christentum ergeben. Durch die Entdeckung und Beschreibung anderer Religionen, insbesondere der indischen Religion, entstehe laut Troeltsch der Anschein, Religionen seien „nur auf- und niederbrausende Wellen […], endlos verschieden und ohne Bestand.“<ref>{{Literatur|Autor=Troeltsch|Titel=Christentum und Religionsgeschichte|Hrsg=|Sammelwerk=|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=|Ort=Tübingen|Datum=1913|Seiten=335|ISBN=}}</ref> Diesem Anschein setzt Troeltsch die These entgegen, dass es in allen Religionen einen „Kern“ gebe, „ein nicht weiter zu analysierendes Erlebnis“.<ref>{{Literatur|Autor=Ernst Troeltsch|Titel=Christentum und Religionsgeschichte|Hrsg=|Sammelwerk=|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=|Ort=Tübingen|Datum=1913|Seiten=339|ISBN=}}</ref> Dieses religiöse Erleben entstehe einerseits durch äußere (in Natur und Geschichte), andererseits durch innere Reize (im Gewissen und Herzen).<ref>{{Literatur|Autor=Ernst Troeltsch|Titel=Christentum und Religionsgeschichte|Hrsg=|Sammelwerk=|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=|Ort=Tübingen|Datum=1913|Seiten=346|ISBN=}}</ref> Der Zentralgedanke aller Religionen bilde sich in deren Entwicklung heraus und sei nicht in einem „Abstraktum von Religion“, sondern nur in einer „besonders stark und rein ausgeprägten konkreten Religiosität“ zu finden.<ref>{{Literatur|Autor=Ernst Troeltsch|Titel=Christentum und Religionsgeschichte|Hrsg=|Sammelwerk=|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=|Ort=Tübingen|Datum=1913|Seiten=341|ISBN=}}</ref> Religiöse Institutionen wie die Kirche spielen für Troeltsch, der das konfessionelle Christentum zu überwinden sucht, keine Rolle. Im Gegenteil: In allen Religionen lasse sich eine „Tendenz auf rein innerliche Allgemeingültigkeit“,<ref>{{Literatur|Autor=Ernst Troeltsch|Titel=Christentum und Religionsgeschichte|Hrsg=|Sammelwerk=|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=|Ort=Tübingen|Datum=1913|Seiten=355|ISBN=}}</ref> auf „Vergeistigung Verinnerlichung, Versittlichung und Individualisierung und […] Herausbildung eines immer tieferen Erlösungsglaubens“ beobachten.<ref>{{Literatur|Autor=Ernst Troeltsch|Titel=Christentum und Religionsgeschichte|Hrsg=|Sammelwerk=|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=|Ort=Tübingen|Datum=1913|Seiten=353|ISBN=}}</ref> Die Verwirklichung dieser Grundgedanken geschehe jedoch in den verschiedenen Religionen auf unterschiedlichen Stufen. Allein im Christentum sei die Ablösung von der Natur hin zur Vergeistigung, die Ablösung alles Partikularen hin zur rein innerlichen Allgemeingültigkeit „historische Macht geworden“.<ref>{{Literatur|Autor=Ernst Troeltsch|Titel=Christentum und Religionsgeschichte|Hrsg=|Sammelwerk=|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=|Ort=Tübingen|Datum=1913|Seiten=357; vgl. 351; 355–358|ISBN=}}</ref>
 
Nach [[Michael Bergunder]] lässt sich Troeltschs Aufsatz globalgeschichtlich in die Reihe von Reaktionen einordnen, mit denen Vertreter der Weltreligionen Buddhismus, (protestantisches) Christentum, Hinduismus und Islam ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Herausforderungen des naturwissenschaftlichen Materialismus und der allgemeinen Religionsgeschichte antworten<ref>{{Literatur|Autor=Michael Bergunder|Titel="Religion" and "Science" within a Global Religious History|Hrsg=|Sammelwerk=Aries - Journal for the study of Western Esotericism|Band=|Nummer=16|Auflage=|Verlag=|Ort=|Datum=2016|Seiten=86-141, hier: 86f; 95f.; 100|ISBN=}}</ref> – zumeist indem Religion allgemein über Kriterien der Innerlichkeit und Universalität definiert und die eigene Tradition im Gegenüber zu anderen als vollständige Erfüllung dieser Kriterien dargestellt wird.
 
Troeltsch fasste Religion als „eine innere Berührung mit der Gottheit“.<ref>Troeltsch, Christentum und Religionsgeschichte, in: ders., GS 2, S. 328–363, S. 343.</ref> Mit dieser Definition konnte er das Christentum als höchste Religion postulieren, da „es allein unter allen Religionen die Tendenz auf Erlösung [vollendet], wie es im Zusammenhang damit allein die Tendenz auf rein innerliche Allgemeingültigkeit vollendet hat.“<ref>Troeltsch, Christentum und Religionsgeschichte, in: ders., GS 2, S. 328–363, S. 355.</ref>
 
Troeltsch vertrat die konsequente methodische Trennung von Exegese und Systematischer Theologie, die er mit unterschiedlichen Rationalitätsstandards beider Teilgebiete begründete. Er fordert eine religionsgeschichtliche Theologie unter Anerkennung der Konsequenzen der historischen Methoden.<ref>Ernst Troeltsch: ''Über historische und dogmatische Methode in der Theologie.'', S. 738.</ref>
 
== Wirkung ==
Für die Entwicklung der protestantischen Theologie im späten 20. Jahrhundert war die Anknüpfung an Troeltsch von besonderer Bedeutung. Sein Konzept einer sich selbst historisierenden Theologie bildet den Ausgangspunkt für unterschiedliche Modelle, das Verhältnis von Christentum und Moderne zu beschreiben. Absolutistische, auf einen autoritären [[Offenbarung]]sbegriff gegründete Standpunkte, wie sie in Deutschland noch lange nach 1945 in der Spätwirkung der [[Dialektische Theologie|Dialektischen]] und der Lutherischen Theologie ([[Paul Althaus]], [[Werner Elert]] und andere) vertreten worden waren, lassen sich von Troeltschs Christentumstheorie aus nicht formulieren. Statt dessen geht es um eine Bestimmung der Rolle christlicher Religiosität in der Vielfalt der religiösen sowie nicht- und quasireligiösen Weltanschauungen schlechthin. Doch auch für die theologische Auffassung von [[Glaube]] und [[Frömmigkeit]], für die Beziehung zwischen individueller und gemeinschaftlicher Religiosität ([[Kirche (Organisation)|Kirche]]) und die Eigenart theologischer Reflexion selbst hat Troeltsch wichtige Beiträge geleistet.
 
Der wissenschaftlichen Pflege des Werkes von Troeltsch widmet sich die [[Ernst-Troeltsch-Gesellschaft]]. Seit 1995 wird an der [[Ludwig-Maximilians-Universität München|Universität München]] und der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]], der er seit 1914 als korrespondierendes Mitglied angehörte, an einer kritischen Gesamtausgabe seiner Werke gearbeitet.<ref>siehe  {{Webarchiv|text=Die Arbeit an der Ernst-Troeltsch-Gesamtausgabe, Seite der Fakultät für evangelische Theologie |url=http://www.st.evtheol.uni-muenchen.de/troeltsch/kga/arbeit/index.html |wayback=20150924105409 |archiv-bot=2018-03-25 18:28:33 InternetArchiveBot }}, abgerufen 23. Juni 2015</ref> Die Ausgabe wurde teilweise von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und auch über das Akademienprogramm von Bund und Ländern finanziert.<ref> siehe [http://www.akademienunion.de/forschung/forschungsprojekte-im-akademienprogramm/ www.akademienunion.de, Suche nach Troeltsch]</ref><ref> siehe auch die Normdaten der Gesamtausgabe in der DNB unter http://d-nb.info/953920054 </ref>
 
== Sonstiges ==
In Berlin gibt es an der Humboldt Universität eine Ernst-Troeltsch-Honorarprofessur.<ref>{{Internetquelle |autor=Moritz Wiederaenders |url=https://www.theologie.hu-berlin.de/de/professuren/s-professuren/etp |titel=Hauptebene — Ernst-Troeltsch-Honorarprofessur |zugriff=2018-05-09 |sprache=de}}</ref>


== Werke ==
== Werke ==
Ein Großteil der veröffentlichten Werke Bonhoeffers wurde nach dem Tod aus verschiedenen Unterlagen zusammengestellt. Diese Quellen und ihre Herkunft machte die neue Werkausgabe (DBW) umfassend zugänglich.
; Einzelausgaben
* ''Bonhoeffer in Finkenwalde. Briefe, Predigten, Texte aus dem Kirchenkampf gegen das NS-Regime 1935–1942.'' Studienausgabe mit Hintergrunddokumenten und Erläuterungen, hrsg. von Karl Martin unter Mitarbeit von L.-Maximilian Rathke. Fenestra-Verlag, Wiesbaden/Berlin 2012.
* ''Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt.'' Schutterwald/Baden 1997, ISBN 3-928640-28-3.
* ''Dietrich Bonhoeffer: Werke.'' (DBW) 17 Bände und 2&nbsp;Ergänzungsbände. Hrsg. von Eberhard Bethge u.&nbsp;a.; Kaiser, Gütersloh 1986–1999.<br />Diese kritische Gesamtausgabe ist als Grundlage für alle Arbeiten über Bonhoeffer geeignet.
* ''Atheismus, Theologie und Christentum. Drei Aufsätze.'' Schutterwald/Baden 2000, ISBN 3-928640-57-7.
* ''Sanctorum Communio.'' Dissertation. 1927, ISBN 3-579-01871-X.
* ''Luther und die moderne Welt.'' Schutterwald/Baden 2000, ISBN 3-928640-63-1.
* ''Akt und Sein. Transzendentalphilosophie und Ontologie in der systematischen Theologie.'' Habilitationsschrift. 1930, ISBN 3-579-01872-8.
* ''Protestantisches Christentum und Kirche in der Neuzeit.'' Teubner, Berlin 1906.
* ''Die Kirche vor der Judenfrage.'' 1933. (PDF; 34&nbsp;kB)
* ''Meine Bücher.'' In: ''Die deutsche Philosophie der Gegenwart.'' Bd. 2 (1921), S. 161–173.
* ''Nachfolge.'' 1937, ISBN 3-579-01874-4; TB, ISBN 3-579-00455-7.
* ''Vernunft und Offenbarung bei Johann Gerhard und Melanchthon.'' Huth, Göttingen 1891.
* ''Ethik.'' 1949, ISBN 3-579-01876-0; TB, ISBN 3-579-05161-X.
* ''Die Fehlgeburt einer Republik : Spektator in Berlin 1918 bis 1922'', zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen von Johann Hinrich Claussen, Frankfurt am Main : Eichborn 1994, Reihe Die Andere Bibliothek, ISBN 978-3-8218-4109-0.
* ''Beten und Tun des Gerechten. Glaube und Verantwortung im Widerstand.'' ISBN 3-7655-1107-2.
 
* ''Schöpfung und Fall. Theologische Auslegung von Genesis 1–3.'' Evangelischer Verlag A.&nbsp;Lempp, München 1937.
; Werkausgaben
* ''Schöpfung und Fall. Versuchung.'' Kaiser, München 1968, ISBN 3-579-01873-6.
* Hrsg. Gangolf Hübinger in Zusammenarbeit mit Nikolai Wehrs: ''Spectator-Briefe und Berliner Briefe 1919–1922''. De Gruyter, Berlin/Boston (Massachusetts) 2015, ISBN 978-3-11-041151-5.
* ''Die Weisheit Gottes – Jesus Christus.'' Hrsg. von Manfred Weber. Kiefel, Gütersloh 1998, ISBN 3-579-05606-9.
* Christian Albrecht, Friedrich Wilhelm Graf, Volker Drehsen, Gangolf Hübinger, Trutz Rendtorff (Hrsg.): ''[http://www.st.evtheol.uni-muenchen.de/troeltsch/kga/index.html Kritische Gesamtausgabe Ernst Troeltsch].'' De Gruyter, Berlin 1998/2000, ISBN 3-11-015423-4 (17 Bde.).
* ''Gemeinsames Leben'' (=&nbsp;''Theologische Existenz heute'', Heft 61). Chr. Kaiser Verlag, München 1939, ISBN 3-579-01875-2; TB, ISBN 3-579-00452-2.
* Friedemann Voigt (Hrsg.): ''Ernst Troeltsch Lesebuch. Ausgewählte Texte'' (= ''[[Uni-Taschenbücher|UTB]].'' Bd. 2452). Mohr Siebeck, Tübingen 2003, ISBN 3-8252-2452-X.
* ''Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft.'' Hrsg. von Eberhard Bethge.<br />Gesammelte Werke Bd.&nbsp;8; Kaiser, Gütersloh 1998, ISBN 3-579-01878-7;<br />''Auswahl als Taschenbuchausgabe:'' Gütersloher Taschenbücher 457; Gütersloher Verlags-Haus, Gütersloh <sup>17</sup>2002, ISBN 3-579-00457-3.
* ''Gesammelte Schriften.'' Scientia, Aalen 1977 (Nachdruck der Ausgabe Tübingen 1922).
* ''Brautbriefe Zelle 92. Dietrich Bonhoeffer – Maria von Wedemeyer 1943–1945.'' C.&nbsp;H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54440-1.
# ''Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen.'' ISBN 3-511-06211-X.
* ''Das Gebetbuch der Bibel. Eine Einführung in die Psalmen.'' 10. Auflage. Hänssler, Neuhausen/Stuttgart 1980, ISBN 3-7751-0343-0. Zuerst als Nr.&nbsp;8 der Reihe ''Hinein in die Schrift,'' MBK-Verlag, Bad Salzuflen 1940.
# ''Zur religiösen Lage. Religionsphilosophie und Ethik.'' ISBN 3-511-06212-8.
* ''Fragmente aus Tegel. Drama und Roman.'' Chr. Kaiser Verlag, München 1978, ISBN 3-459-01164-5.
# ''Der Historismus und seine Probleme.'' ISBN 3-511-06213-6.
* ''Schweizer Korrespondenz 1941/42. Im Gespräch mit Karl Barth.'' Kaiser, München 1982, ISBN 3-459-01465-2.
# ''Aufsätze zur Geistesgeschichte und Religionssoziologie.'' ISBN 3-511-06214-4.
* ''Christologie.'' Kaiser, München 1981, ISBN 3-459-01351-6.
* ''Versuchung.'' Bearbeitet und hrsg. von Eberhard Bethge. 3. Auflage. Kaiser, München 1956.
* ''Die Antwort auf unsere Fragen. Gedanken zur Bibel.'' 9.&nbsp;Auflage. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2005, ISBN 978-3-579-02272-7.
* ''Von guten Mächten wunderbar geborgen.'' Mosaik bei Goldmann, München 2010, ISBN 978-3-442-17163-7 (mit Kurzbiographie und einem Nachwort von Manfred Weber).


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Dietrich Bonhoeffer}}
* {{WikipediaDE|Ernst Troeltsch}}
* {{WikipediaDE|Dietrich Bonhoeffer}}
 
== Literatur ==
; Aufsätze
* Friedrich Wilhelm Graf: ''Ernst Troeltsch. Theologie als Kulturwissenschaft des Historismus.'' In: Peter Neuner (Hrsg.): ''Theologen des 20. Jahrhunderts. Eine Einführung.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, ISBN 3-534-14963-7, S. 53–69.
* Philipp W. Hildmann: ''„Die immer quälender werdende Last des Schulsacks“. Zur Rezeption Ernst Troeltschs in Erich Kästners früher Publizistik.'' In: ''Literatur in Bayern. Vierteljahresschrift für Literatur, Literaturkritik und Literaturwissenschaft.'' Bd. 83 (2006), {{ISSN|0178-6857}}, S. 51–55.
* Trutz Rendtorff: ''Troeltsch, Ernst.'' In: ''Theologische Realenzyklopädie.'' Bd. 34 (2002), S. 130–143.
* Gustav Schmidt: ''Ernst Troeltsch.'' In: Hans-Ulrich Wehler ''Deutsche Historiker.'' Bd. 3, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1972, S. 325–342.
* Christoph Strohm: ''Nach hundert Jahren. Ernst Troeltsch, der Protestantismus und die Entstehung der modernen Welt.'' In: ''Archiv für Reformationsgeschichte.'' Bd. 99 (2008), S. 6–35 {{ISSN|0003-9381}}.
* {{BBKL|archiveurl=https://web.archive.org/web/20070613175209/http://www.bautz.de/bbkl/t/troeltsch_e.shtml |band=12|autor=Klaus-Gunther Wesseling|spalten=497–562}}
 
; Monographien
* Steffen Bruendel: ''Volksgemeinschaft oder Volksstaat. Die „Ideen von 1914“ und die Neuordnung Deutschlands im Ersten Weltkrieg.'' Akademie Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-05-003745-8.
* Tae-Kwan Choi: ''Die Bedeutung der Frage der Absolutheit des Christentums bei Ernst Troeltsch im Blick auf den Wahrheitsanspruch des Christentums im religiösen Pluralismus'' (= ''Forum Religionsphilosophie.'' Bd. 21). Lit, Münster 2010, ISBN 978-3-643-10641-4.
* Hans-Georg Drescher: ''Ernst Troeltsch. Leben und Werk.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1991, ISBN 3-525-55418-4.
* Martin Harant: ''Religion, Kultur, Theologie. Eine Untersuchung zu ihrer Verhältnisbestimmung im Werke Ernst Troeltschs und Paul Tillichs im Vergleich.'' Lang, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-631-59284-7 (zugl. Dissertation, Universität Marburg, 2008).
* Friedrich Wilhelm Graf (Hrsg.): ''„Geschichte durch Geschichte überwinden“. Ernst Troeltsch in Berlin'' (= ''Troeltsch-Studien.'' N.F., Bd. 1). Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2006, ISBN 3-579-05429-5.
* Peter Hoeres: ''Der Krieg der Philosophen. Die deutsche und britische Philosophie im Ersten Weltkrieg.'' Schöningh, Paderborn usw. 2004, ISBN 3-506-71731-6.
* Walther Köhler: ''Ernst Troeltsch.'' Tübingen 1941.
* Hartmut Kreß (Hrsg.): ''Theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten in der Perspektive von Ernst Troeltsch, Adolf von Harnack und Hans von Schubert'' (= ''Theologische Studien-Texte.'' Bd. 16). Spenner, Waltrop 2004, ISBN 3-933688-98-1.
* Shinichi Sato: ''Die historischen Perspektiven von Ernst Troeltsch'' (= ''Schriften der Hans-Ehrenberg-Gesellschaft.'' Bd. 13). Spenner, Waltrop 2007, ISBN 978-3-89991-068-1.
* Wolfgang Schluchter, Friedrich Wilhelm Graf (Hrsg.): ''Asketischer Protestantismus und der „Geist“ des modernen Kapitalismus. Max Weber und Ernst Troeltsch.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148546-7.
 
== Weblinks ==
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* {{DNB-Portal|118624024}}
* {{DDB|Person|118624024}}
* [http://www.gleichsatz.de/b-u-t/spdk/troeltsch1.html Ernst Troeltsch - Die Logik des historischen Entwicklungsbegriffs]
* [http://www.st.evtheol.uni-muenchen.de/troeltsch/index.html Ernst Troeltsch Forschungsstelle] an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Systematische Theologie
* Ernst Troeltsch: [http://www.scribd.com/doc/30925656/Troeltsch-Historisch-kritische-Methode Überblick zur historisch-kritischen Methode].


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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Aktuelle Version vom 10. November 2018, 00:13 Uhr

Ernst Troeltsch (* 17. Februar 1865 in Haunstetten; † 1. Februar 1923 in Berlin) war ein deutscher protestantischer Theologe, Kulturphilosoph und liberaler Politiker.

Leben

Troeltsch wurde am 17. Februar 1865 als ältester Sohn einer Arztfamilie in Haunstetten – heute ein Stadtteil von Augsburg – geboren. Er besuchte das Augsburger Gymnasium bei St. Anna, wo er sich als Klassenbester durch sehr gute schulische Leistungen hervortat.[1] Er studierte in Augsburg, Erlangen, Berlin und Göttingen. Ebendort war er 1891 als Privatdozent tätig. In Erlangen trat er im Wintersemester 1884/85 der Uttenruthia im SB bei.

1892 wurde Troeltsch ordentlicher Professor für Systematische Theologie in Bonn. 1894 wechselte er in gleicher Stellung an die Universität Heidelberg. Zu seinen Schülern in Heidelberg zählte Josef Hromádka.[2] Von 1909 bis 1914 war er deren Abgeordneter in der Ersten Kammer der Badischen Ständeversammlung.[3] 1912 erfolgte die Ernennung zum korrespondierenden Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Während der Heidelberger Jahre verband ihn eine enge Arbeitsgemeinschaft mit Max Weber. Seit 1915 hatte Troeltsch eine Professur für „Religions-‚ Sozial- und Geschichts-Philosophie und christliche Religionsgeschichte“ an der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin inne.

Grab auf dem Invalidenfriedhof in Berlin; Restitutionsstein von 1991

Im Ersten Weltkrieg gehörte Troeltsch zunächst zu den Verfechtern der Ideen von 1914. Im Jahr 1917 war Troeltsch maßgeblich an der Gründung des Volksbundes für Freiheit und Vaterland beteiligt, der ein Gegengewicht zur extremistischen Deutschen Vaterlandspartei bilden sollte. Von 1919 bis 1921 war er für die DDP Mitglied der Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung und zugleich neben Rudolf Wildermann Unterstaatssekretär bzw. ab dem 1. Juli 1920 „parlamentarischer“ Staatssekretär im Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung.[4] Begraben wurde Troeltsch auf dem Invalidenfriedhof (Feld B) in Berlin.

Theologie

Troeltsch gilt als der Systematiker der Religionsgeschichtlichen Schule. Bedeutend sind in diesem Zusammenhang seine Arbeiten zu Wesen und Geltung des Christentums, zum Verhältnis von Historismus und Theologie sowie von Staat und Kirche. Große Wirkung erzielte eine 1902 (erneut 1912) erschienene Abhandlung unter dem Titel Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte. Troeltschs Sorge galt der Zukunft der entscheidend durch das Christentum geprägten Kultur Europas und der Moderne, von denen er meinte, dass sie aufeinander angewiesen seien. Ihm ging es um die Bewahrung der Substanz des Christentums, die er aber mit der intellektuellen Form der Moderne versöhnen wollte.

In seinem Aufsatz Christentum und Religionsgeschichte aus dem Jahr 1897 reagiert Troeltsch zum einen auf die Infragestellungen christlicher Theologie durch Materialismus und Naturwissenschaft. Er stellt diesbezüglich fest, dass „der Geist eine aus der Natur unableitbare selbständige Kraft ist,“ aus der „in Wechselwirkung mit den Anforderungen der sinnlichen Wirklichkeit“ die Geschichte entsteht.[5] Damit schließt sich Troeltsch der entwicklungs- und ideengeschichtlichen Historiographie an. Da der Geist als eigenständig wirksame Kraft von der Natur kategorial unterschieden wird, gäbe es keinen Widerspruch zwischen Naturwissenschaften und Religion.

Zum anderen antwortet Troeltsch auf die Herausforderungen, die sich durch die globale Religionsgeschichte für das Christentum ergeben. Durch die Entdeckung und Beschreibung anderer Religionen, insbesondere der indischen Religion, entstehe laut Troeltsch der Anschein, Religionen seien „nur auf- und niederbrausende Wellen […], endlos verschieden und ohne Bestand.“[6] Diesem Anschein setzt Troeltsch die These entgegen, dass es in allen Religionen einen „Kern“ gebe, „ein nicht weiter zu analysierendes Erlebnis“.[7] Dieses religiöse Erleben entstehe einerseits durch äußere (in Natur und Geschichte), andererseits durch innere Reize (im Gewissen und Herzen).[8] Der Zentralgedanke aller Religionen bilde sich in deren Entwicklung heraus und sei nicht in einem „Abstraktum von Religion“, sondern nur in einer „besonders stark und rein ausgeprägten konkreten Religiosität“ zu finden.[9] Religiöse Institutionen wie die Kirche spielen für Troeltsch, der das konfessionelle Christentum zu überwinden sucht, keine Rolle. Im Gegenteil: In allen Religionen lasse sich eine „Tendenz auf rein innerliche Allgemeingültigkeit“,[10] auf „Vergeistigung Verinnerlichung, Versittlichung und Individualisierung und […] Herausbildung eines immer tieferen Erlösungsglaubens“ beobachten.[11] Die Verwirklichung dieser Grundgedanken geschehe jedoch in den verschiedenen Religionen auf unterschiedlichen Stufen. Allein im Christentum sei die Ablösung von der Natur hin zur Vergeistigung, die Ablösung alles Partikularen hin zur rein innerlichen Allgemeingültigkeit „historische Macht geworden“.[12]

Nach Michael Bergunder lässt sich Troeltschs Aufsatz globalgeschichtlich in die Reihe von Reaktionen einordnen, mit denen Vertreter der Weltreligionen Buddhismus, (protestantisches) Christentum, Hinduismus und Islam ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Herausforderungen des naturwissenschaftlichen Materialismus und der allgemeinen Religionsgeschichte antworten[13] – zumeist indem Religion allgemein über Kriterien der Innerlichkeit und Universalität definiert und die eigene Tradition im Gegenüber zu anderen als vollständige Erfüllung dieser Kriterien dargestellt wird.

Troeltsch fasste Religion als „eine innere Berührung mit der Gottheit“.[14] Mit dieser Definition konnte er das Christentum als höchste Religion postulieren, da „es allein unter allen Religionen die Tendenz auf Erlösung [vollendet], wie es im Zusammenhang damit allein die Tendenz auf rein innerliche Allgemeingültigkeit vollendet hat.“[15]

Troeltsch vertrat die konsequente methodische Trennung von Exegese und Systematischer Theologie, die er mit unterschiedlichen Rationalitätsstandards beider Teilgebiete begründete. Er fordert eine religionsgeschichtliche Theologie unter Anerkennung der Konsequenzen der historischen Methoden.[16]

Wirkung

Für die Entwicklung der protestantischen Theologie im späten 20. Jahrhundert war die Anknüpfung an Troeltsch von besonderer Bedeutung. Sein Konzept einer sich selbst historisierenden Theologie bildet den Ausgangspunkt für unterschiedliche Modelle, das Verhältnis von Christentum und Moderne zu beschreiben. Absolutistische, auf einen autoritären Offenbarungsbegriff gegründete Standpunkte, wie sie in Deutschland noch lange nach 1945 in der Spätwirkung der Dialektischen und der Lutherischen Theologie (Paul Althaus, Werner Elert und andere) vertreten worden waren, lassen sich von Troeltschs Christentumstheorie aus nicht formulieren. Statt dessen geht es um eine Bestimmung der Rolle christlicher Religiosität in der Vielfalt der religiösen sowie nicht- und quasireligiösen Weltanschauungen schlechthin. Doch auch für die theologische Auffassung von Glaube und Frömmigkeit, für die Beziehung zwischen individueller und gemeinschaftlicher Religiosität (Kirche) und die Eigenart theologischer Reflexion selbst hat Troeltsch wichtige Beiträge geleistet.

Der wissenschaftlichen Pflege des Werkes von Troeltsch widmet sich die Ernst-Troeltsch-Gesellschaft. Seit 1995 wird an der Universität München und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der er seit 1914 als korrespondierendes Mitglied angehörte, an einer kritischen Gesamtausgabe seiner Werke gearbeitet.[17] Die Ausgabe wurde teilweise von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und auch über das Akademienprogramm von Bund und Ländern finanziert.[18][19]

Sonstiges

In Berlin gibt es an der Humboldt Universität eine Ernst-Troeltsch-Honorarprofessur.[20]

Werke

Einzelausgaben
  • Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt. Schutterwald/Baden 1997, ISBN 3-928640-28-3.
  • Atheismus, Theologie und Christentum. Drei Aufsätze. Schutterwald/Baden 2000, ISBN 3-928640-57-7.
  • Luther und die moderne Welt. Schutterwald/Baden 2000, ISBN 3-928640-63-1.
  • Protestantisches Christentum und Kirche in der Neuzeit. Teubner, Berlin 1906.
  • Meine Bücher. In: Die deutsche Philosophie der Gegenwart. Bd. 2 (1921), S. 161–173.
  • Vernunft und Offenbarung bei Johann Gerhard und Melanchthon. Huth, Göttingen 1891.
  • Die Fehlgeburt einer Republik : Spektator in Berlin 1918 bis 1922, zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen von Johann Hinrich Claussen, Frankfurt am Main : Eichborn 1994, Reihe Die Andere Bibliothek, ISBN 978-3-8218-4109-0.
Werkausgaben
  • Hrsg. Gangolf Hübinger in Zusammenarbeit mit Nikolai Wehrs: Spectator-Briefe und Berliner Briefe 1919–1922. De Gruyter, Berlin/Boston (Massachusetts) 2015, ISBN 978-3-11-041151-5.
  • Christian Albrecht, Friedrich Wilhelm Graf, Volker Drehsen, Gangolf Hübinger, Trutz Rendtorff (Hrsg.): Kritische Gesamtausgabe Ernst Troeltsch. De Gruyter, Berlin 1998/2000, ISBN 3-11-015423-4 (17 Bde.).
  • Friedemann Voigt (Hrsg.): Ernst Troeltsch Lesebuch. Ausgewählte Texte (= UTB. Bd. 2452). Mohr Siebeck, Tübingen 2003, ISBN 3-8252-2452-X.
  • Gesammelte Schriften. Scientia, Aalen 1977 (Nachdruck der Ausgabe Tübingen 1922).
  1. Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen. ISBN 3-511-06211-X.
  2. Zur religiösen Lage. Religionsphilosophie und Ethik. ISBN 3-511-06212-8.
  3. Der Historismus und seine Probleme. ISBN 3-511-06213-6.
  4. Aufsätze zur Geistesgeschichte und Religionssoziologie. ISBN 3-511-06214-4.

Siehe auch

Literatur

Aufsätze
  • Friedrich Wilhelm Graf: Ernst Troeltsch. Theologie als Kulturwissenschaft des Historismus. In: Peter Neuner (Hrsg.): Theologen des 20. Jahrhunderts. Eine Einführung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, ISBN 3-534-14963-7, S. 53–69.
  • Philipp W. Hildmann: „Die immer quälender werdende Last des Schulsacks“. Zur Rezeption Ernst Troeltschs in Erich Kästners früher Publizistik. In: Literatur in Bayern. Vierteljahresschrift für Literatur, Literaturkritik und Literaturwissenschaft. Bd. 83 (2006), ISSN 0178-6857, S. 51–55.
  • Trutz Rendtorff: Troeltsch, Ernst. In: Theologische Realenzyklopädie. Bd. 34 (2002), S. 130–143.
  • Gustav Schmidt: Ernst Troeltsch. In: Hans-Ulrich Wehler Deutsche Historiker. Bd. 3, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1972, S. 325–342.
  • Christoph Strohm: Nach hundert Jahren. Ernst Troeltsch, der Protestantismus und die Entstehung der modernen Welt. In: Archiv für Reformationsgeschichte. Bd. 99 (2008), S. 6–35 ISSN 0003-9381.
  • Klaus-Gunther Wesseling: Ernst Troeltsch In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 12, Bautz, Herzberg 1997, ISBN 3-88309-068-9, Sp. 497–562.
Monographien
  • Steffen Bruendel: Volksgemeinschaft oder Volksstaat. Die „Ideen von 1914“ und die Neuordnung Deutschlands im Ersten Weltkrieg. Akademie Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-05-003745-8.
  • Tae-Kwan Choi: Die Bedeutung der Frage der Absolutheit des Christentums bei Ernst Troeltsch im Blick auf den Wahrheitsanspruch des Christentums im religiösen Pluralismus (= Forum Religionsphilosophie. Bd. 21). Lit, Münster 2010, ISBN 978-3-643-10641-4.
  • Hans-Georg Drescher: Ernst Troeltsch. Leben und Werk. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1991, ISBN 3-525-55418-4.
  • Martin Harant: Religion, Kultur, Theologie. Eine Untersuchung zu ihrer Verhältnisbestimmung im Werke Ernst Troeltschs und Paul Tillichs im Vergleich. Lang, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-631-59284-7 (zugl. Dissertation, Universität Marburg, 2008).
  • Friedrich Wilhelm Graf (Hrsg.): „Geschichte durch Geschichte überwinden“. Ernst Troeltsch in Berlin (= Troeltsch-Studien. N.F., Bd. 1). Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2006, ISBN 3-579-05429-5.
  • Peter Hoeres: Der Krieg der Philosophen. Die deutsche und britische Philosophie im Ersten Weltkrieg. Schöningh, Paderborn usw. 2004, ISBN 3-506-71731-6.
  • Walther Köhler: Ernst Troeltsch. Tübingen 1941.
  • Hartmut Kreß (Hrsg.): Theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten in der Perspektive von Ernst Troeltsch, Adolf von Harnack und Hans von Schubert (= Theologische Studien-Texte. Bd. 16). Spenner, Waltrop 2004, ISBN 3-933688-98-1.
  • Shinichi Sato: Die historischen Perspektiven von Ernst Troeltsch (= Schriften der Hans-Ehrenberg-Gesellschaft. Bd. 13). Spenner, Waltrop 2007, ISBN 978-3-89991-068-1.
  • Wolfgang Schluchter, Friedrich Wilhelm Graf (Hrsg.): Asketischer Protestantismus und der „Geist“ des modernen Kapitalismus. Max Weber und Ernst Troeltsch. Mohr Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148546-7.

Weblinks

Commons: Ernst Troeltsch - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Der-grosse-evangelische-Vordenker-id33023287.html abgerufen am 14. Februar 2015
  2. Dorothea Neumärker: Josef L. Hromádka. Theologie und Politik im Kontext des Zeitgeschehens. Chr. Kaiser Verlag, München 1974, ISBN 3-459-00907-1, S. 38.
  3. Digitale Sammlung badischer Landtagsprotokolle bei der Badischen Landesbibliothek. Verzeichnis der Mitglieder beider Kammern
  4. Gerhard Schulze (Bearb.): Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38. Band 11/I, 14. November 1918 bis 31. März 1925. Acta Borussica, Neue Folge. Hrsgg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Hildesheim 2004, S. 184, Dokument Nr. 136/1 (PDF; 2,6 MB).
  5.  Ernst Troeltsch: Christentum und Religionsgeschichte. In: Gesammelte Schriften. 1 Auflage. Zur religiösen Lage, Religionsphilosophie und Ethik, Nr. 2, Mohr, Tübingen 1913, ISBN 3-511-06212-8, S. 328-363, hier: 333.
  6.  Troeltsch: Christentum und Religionsgeschichte. Tübingen 1913, S. 335.
  7.  Ernst Troeltsch: Christentum und Religionsgeschichte. Tübingen 1913, S. 339.
  8.  Ernst Troeltsch: Christentum und Religionsgeschichte. Tübingen 1913, S. 346.
  9.  Ernst Troeltsch: Christentum und Religionsgeschichte. Tübingen 1913, S. 341.
  10.  Ernst Troeltsch: Christentum und Religionsgeschichte. Tübingen 1913, S. 355.
  11.  Ernst Troeltsch: Christentum und Religionsgeschichte. Tübingen 1913, S. 353.
  12.  Ernst Troeltsch: Christentum und Religionsgeschichte. Tübingen 1913, S. 357; vgl. 351; 355–358.
  13.  Michael Bergunder: "Religion" and "Science" within a Global Religious History. In: Aries - Journal for the study of Western Esotericism. Nr. 16, 2016, S. 86-141, hier: 86f; 95f.; 100.
  14. Troeltsch, Christentum und Religionsgeschichte, in: ders., GS 2, S. 328–363, S. 343.
  15. Troeltsch, Christentum und Religionsgeschichte, in: ders., GS 2, S. 328–363, S. 355.
  16. Ernst Troeltsch: Über historische und dogmatische Methode in der Theologie., S. 738.
  17. siehe Die Arbeit an der Ernst-Troeltsch-Gesamtausgabe, Seite der Fakultät für evangelische Theologie (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis), abgerufen 23. Juni 2015
  18. siehe www.akademienunion.de, Suche nach Troeltsch
  19. siehe auch die Normdaten der Gesamtausgabe in der DNB unter http://d-nb.info/953920054
  20. Moritz Wiederaenders: Hauptebene — Ernst-Troeltsch-Honorarprofessur. Abgerufen am 9. Mai 2018.


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