Symposion

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Der Anfang des Symposions in der ältesten erhaltenen mittelalterlichen Handschrift, dem 895 geschriebenen Codex Clarkianus (Oxford, Bodleian Library, Clarke 39)

Das Symposion (griech. Συμπόσιον Sympósion „Gastmahl“ oder „Trinkgelage“, latinisiert Symposium) ist ein in Dialogform verfasstes Werk des griechischen Philosophen Platon. Darin berichtet ein Erzähler vom Verlauf eines Gastmahls, das schon mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt. An jenem denkwürdigen Tag hielten die Teilnehmer der Reihe nach Reden über die Erotik. Sie hatten sich die Aufgabe gestellt, das Wirken des Gottes Eros zu würdigen. Dabei trugen sie von unterschiedlichen Ansätzen aus teils gegensätzliche Theorien vor. Jeder beleuchtete das Thema unter einem besonderen Aspekt. Es handelt sich nicht um einen Bericht über ein historisches Ereignis, sondern um einen fiktionalen, literarisch gestalteten Text.

Allgemeines

Einige der Redner gingen auf konventionelle Weise vor, indem sie den Liebesgott verherrlichten und segensreiche Auswirkungen der erotischen Liebe schilderten und priesen. Verschiedentlich wurde aber auch vor den üblen Folgen einer schädlichen Erotik gewarnt. Zwei Redner – der Komödiendichter Aristophanes und Platons Lehrer Sokrates – präsentierten originelle Deutungen des Eros. Aristophanes erzählte den nachmals berühmten Mythos von den Kugelmenschen. Ihm zufolge hatten die Menschen ursprünglich kugelförmige Rümpfe. Später wurden sie vom Göttervater Zeus zur Strafe für ihren Übermut in zwei Teile geschnitten. Der Mythos deutet die erotische Begierde als Ausdruck des Strebens der halbierten Menschen nach Wiedervereinigung mit der jeweils fehlenden Hälfte. Die Rede des Sokrates, der als letzter das Wort ergriff, bildete den Höhepunkt des Gastmahls. Sokrates behauptete, er berichte nur von seinen lange zurückliegenden Unterhaltungen mit Diotima, einer weisen Frau, die ihn einst über die Liebe belehrt habe. Ihre Sichtweise habe er sich zu eigen gemacht.

Das Eros-Konzept der Diotima entspricht Platons eigenem Verständnis der Erotik, für das sich seit der Renaissance die Bezeichnung platonische Liebe eingebürgert hat. Es beinhaltet einen philosophischen Erkenntnisweg, einen Aufstieg, der vom Besonderen zum Allgemeinen, vom Vereinzelten zum Umfassenden führt. Der Liebende richtet den erotischen Drang im Lauf seines gestuften Erkenntnisprozesses auf immer umfassendere, allgemeinere, höherrangige und daher lohnendere Objekte. Der Weg beginnt mit der spontanen Begierde nach einem einzelnen schönen Körper und endet mit dem würdigsten Ziel, der Wahrnehmung des nur geistig erfassbaren „Schönen an sich“. Mit dieser „Schau“ des absolut Schönen erreicht die Sehnsucht des Erotikers ihre Erfüllung.

Im letzten Teil des Dialogs wird das unerwartete Ende der Redenreihe geschildert: Der prominente Politiker Alkibiades, der später als Feldherr berühmt wurde, kam betrunken ins Haus, nachdem Sokrates seine Ausführungen beendet hatte. Alkibiades hielt ebenfalls eine Lobrede, aber nicht auf Eros, sondern auf Sokrates. Auch hierbei ging es um die Liebesthematik, denn zwischen Sokrates und Alkibiades bestand eine homoerotische Anziehung.

Das Symposion bietet die erste ausgearbeitete metaphysische Lehre vom Eros. Es gilt als literarisches Meisterwerk und zählt zu Platons einflussreichsten Schriften. Seine stärkste Nachwirkung erzielte es erst in der Neuzeit, wobei der Renaissance-Humanist Marsilio Ficino mit seiner Interpretation des Dialogs wegweisend war.

Im Laufe der Zeit kam es zu einem Bedeutungswandel des Begriffs platonische Liebe, dessen Endergebnis eine fundamentale Umdeutung ist. Daher hat die heute gängige Begriffsverwendung – eine Liebesbeziehung ohne sexuelle Komponente – nur noch entfernte Ähnlichkeit mit Platons Konzept des Aufstiegs zum Schönen.

Zu vielen weiteren Themen siehe auch

Siehe auch

Zitate

  • Im Symposion von Platon ist Eros tatsächlich die ursprüngliche Liebe, eine Begehren, im Schönen zu zeugen... Dieses sinnliche Begehren richtet sich auf die schönen Leiber zumeist des anderen Geschlechts. Aber im alten Griechenland war auch die Knabenliebe weit verbreitet und gesellschaftlich anerkannt.

Ausgaben und Übersetzungen

Ausgaben mit Übersetzung

  • Franz Boll, Wolfgang Buchwald (Hrsg.): Platon: Symposion. 8., aktualisierte Auflage, Artemis, München/Zürich 1989, ISBN 3-7608-1576-6 (griechischer Text mit sehr knappem kritischem Apparat; Übersetzung von Boll und Buchwald)
  • Annemarie Capelle (Hrsg.): Platon: Das Gastmahl. 2. Auflage, Meiner, Hamburg 1973 (Nachdruck der 1960 erschienenen 2. Auflage mit Ergänzungen zur Literaturübersicht; griechischer Text nach der Ausgabe von John Burnet, 1901, ohne den kritischen Apparat; Übersetzung von Otto Apelt, 1928, bearbeitet)
  • Gunther Eigler (Hrsg.): Platon: Werke in acht Bänden. Band 3, 5. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, ISBN 3-534-19095-5, S. 209–393 (bearbeitet von Dietrich Kurz; Abdruck der kritischen Ausgabe von Léon Robin, 8. Auflage, Paris 1966; deutsche Übersetzung von Friedrich Schleiermacher)
  • Thomas Paulsen, Rudolf Rehn (Hrsg.): Platon: Symposion. Reclam, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-15-018435-6 (griechischer Text nach der Ausgabe von John Burnet, 1901, ohne den kritischen Apparat, bearbeitet; Übersetzung von Paulsen und Rehn)
  • Léon Robin, Paul Vicaire (Hrsg.): Platon: Œuvres complètes. Band 4, Teil 2: Le Banquet. Les Belles Lettres, Paris 1989, ISBN 2-251-00216-2 (Einleitung von Robin, kritische Edition mit französischer Übersetzung von Vicaire)
  • Rudolf Rufener (Übersetzer): Platon: Symposion. Artemis & Winkler, Düsseldorf/Zürich 2002, ISBN 3-7608-1730-0 (unkritische Ausgabe des griechischen Textes mit Rufeners Übersetzung; Einführung von Wolfgang Buchwald, nicht – wie auf dem Titelblatt versehentlich falsch angegeben – von Thomas A. Szlezák)
  • Barbara Zehnpfennig (Hrsg.): Platon: Symposion. 2., durchgesehene Auflage, Meiner, Hamburg 2012, ISBN 978-3-7873-2404-0 (griechischer Text nach der Ausgabe von John Burnet ohne den kritischen Apparat, Übersetzung und Einführung von Zehnpfennig)

Übersetzungen

  • Rudolf Kassner Platons Gastmahl. Eugen Diederichs, Leipzig 1903
  • Otto Apelt: Platon: Gastmahl. In: Otto Apelt (Hrsg.): Platon: Sämtliche Dialoge. Band 3, Meiner, Hamburg 2004, ISBN 3-7873-1156-4 (mit Einleitung und Erläuterungen; Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1926)
  • Kurt Hildebrandt: Platon: Das Gastmahl oder Von der Liebe. Reclam, Stuttgart 1979, ISBN 3-15-000927-8
  • Arthur Hübscher: Platon: Das Gastmahl oder Von der Liebe. 2. Auflage, Piper, München/Zürich 1987, ISBN 3-492-10672-2
  • Renate Johne: Platon: Das Gastmahl oder Über die Liebe. Dieterich, Leipzig 1979
  • Rudolf Rufener: Platon: Meisterdialoge (= Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke, Band 3). Artemis, Zürich/München 1974, ISBN 3-7608-3640-2, S. 105–181 (mit Einleitung von Olof Gigon S. XXXV–LX)
  • Albert von Schirnding: Platon: Symposion. Ein Trinkgelage. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63864-0
  • Ute Schmidt-Berger: Platon: Das Trinkgelage oder Über den Eros. Insel, Frankfurt/Leipzig 2004, ISBN 3-458-34741-0
  • Bruno Snell: Platon: Das Gastmahl. 3. Auflage, Marion von Schröder Verlag, Hamburg 1949
  • Franz Susemihl: Das Gastmahl. In: Erich Loewenthal (Hrsg.): Platon: Sämtliche Werke in drei Bänden. Band 1, unveränderter Nachdruck der 8., durchgesehenen Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17918-8, S. 657–727

Siehe auch

Literatur

Übersichtsdarstellungen und Einführungen

Untersuchungen und Kommentare

  • Daniel E. Anderson: The Masks of Dionysos. A Commentary on Plato’s Symposium. State University of New York Press, Albany 1993, ISBN 0-7914-1316-0.
  • Kevin Corrigan, Elena Glazov-Corrigan: Plato’s Dialectic at Play. Argument, Structure, and Myth in the Symposium. Pennsylvania State University Press, University Park 2004, ISBN 0-271-02462-3.
  • Richard Hunter: Plato’s Symposium. Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-516080-0.
  • Gerhard Krüger: Einsicht und Leidenschaft. Das Wesen des platonischen Denkens. 6. Auflage. Klostermann, Frankfurt am Main 1992, ISBN 978-3-465-02570-2
  • Giovanni Reale: Eros, dèmone mediatore e il gioco delle maschere nel Simposio di Platone. Tascabili Bompiani, Milano 2005, ISBN 88-452-3471-1 (Darstellung aus der Sicht der „Tübinger und Mailänder Schule“)
  • James M. Rhodes: Eros, Wisdom, and Silence. Plato’s Erotic Dialogues. University of Missouri Press, Columbia/London 2003, ISBN 0-8262-1459-2, S. 182–410
  • Stanley Rosen: Plato’s Symposium. 2. Auflage, Yale University Press, New Haven 1987, ISBN 0-300-03762-7.
  • Gary Alan Scott, William A. Welton: Erotic Wisdom. Philosophy and Intermediacy in Plato’s Symposium. State University of New York Press, Albany 2008, ISBN 978-0-7914-7583-6.
  • Frisbee C. C. Sheffield: Plato’s Symposium: The Ethics of Desire. Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-928677-9.
  • Kurt Sier: Die Rede der Diotima. Untersuchungen zum platonischen Symposion. Teubner, Stuttgart 1997, ISBN 3-519-07635-7.

Aufsatzsammlungen

  • Pierre Destrée, Zina Giannopoulou (Hrsg.): Plato’s Symposium. A Critical Guide. Cambridge University Press, Cambridge 2017, ISBN 978-1-107-11005-2
  • Aleš Havlíček, Martin Cajthaml (Hrsg.): Plato’s Symposium. Proceedings of the Fifth Symposium Platonicum Pragense. Oikoumene, Prag 2007, ISBN 978-80-7298-293-6.
  • Christoph Horn (Hrsg.): Platon: Symposion. Akademie Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-05-004345-6.
  • James H. Lesher u. a. (Hrsg.): Plato’s Symposium. Issues in Interpretation and Reception. Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts) 2006, ISBN 0-674-02375-7.

Rezeption

  • Thomas L. Cooksey: Plato’s Symposium. A Reader’s Guide. Continuum, London/New York 2010, ISBN 978-0-8264-4417-2, S. 133–155
  • Sabrina Ebbersmeyer: Sinnlichkeit und Vernunft. Studien zur Rezeption und Transformation der Liebestheorie Platons in der Renaissance. Wilhelm Fink, München 2002, ISBN 3-7705-3604-5.
  • Vanessa Kayling: Die Rezeption und Modifikation des platonischen Erosbegriffs in der französischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der antiken und italienischen Tradition. Romanistischer Verlag, Bonn 2010, ISBN 978-3-86143-190-9
  • Stefan Matuschek (Hrsg.): Wo das philosophische Gespräch ganz in Dichtung übergeht. Platons Symposion und seine Wirkung in der Renaissance, Romantik und Moderne. Winter, Heidelberg 2002, ISBN 3-8253-1279-8.
  • Jochen Schmidt: Wirkungsgeschichte. In: Ute Schmidt-Berger (Hrsg.): Platon: Das Trinkgelage oder Über den Eros. Insel, Frankfurt am Main/Leipzig 2004, ISBN 3-458-34741-0, S. 160–187.
  • Achim Wurm: Platonicus amor. Lesarten der Liebe bei Platon, Plotin und Ficino. De Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-020425-4.

Weblinks

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