Reines Denken und Kundalini: Unterschied zwischen den Seiten

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[[File:William Turner, Light and Colour (Goethe's Theory).JPG|thumb|250px|[[Wikipedia:William Turner|Joseph Mallord William Turner]], Light and Colour (Goethe's Theory) - the Morning after the Deluge, Moses Writing the Book of Genesis (1843)]]
[[Datei:Chakras.jpg|thumb|250px|Die 7 [[Lotosblumen|Hauptchakras]] des [[Mensch]]en. Die Kundalinkraft ruht in schlangenartiger Gestalt zusammengerollt im untersten Chakra, dem vierblättrigen [[Wurzelchakra]].]]
Mit dem '''reinen Denken''', wenn es zugleich ein '''aktives''', '''bildhaftes''' und '''lebendiges Denken''' ist, beginnt die unmittelbare geistige Erfahrung. Es unterscheidet sich dadurch von der gewöhnlichen Verstandestätigkeit, durch die wir die sinnlichen Erfahrungen [[denken]]d zu durchdringen versuchen. Wir bedienen uns bei dieser des physischen [[Gehirn]]s als Werkzeug. Zwar ist es nicht das Gehirn, das denkt, aber das Gehirn spiegelt uns unsere eigene geistige Tätigkeit in Form der Verstandesgedanken zurück und bringt sie uns erst dadurch zu [[Bewusstsein]]. Durch den vorurteilslosen [[Verstand]] können wir zwar, wie [[Rudolf Steiner]] immer wieder sehr nachdrücklich betont hat, grundsäzlich geistige Inhalte ''begreifen'', aber doch nicht unmittelbar ''erleben''. Das wird erst durch das reine, '''sinnlichkeitsfreie Denken''' möglich, das ein [[leibfreies Erleben]] voraussetzt und damit zugleich ein '''leibfreies Denken''' ist.
'''Kundalini''' ([[Sanskrit|skrt.]], f., कुण्डलिनी, {{IAST|kuṇḍalinī}}, von ''kundala'' "gerollt, gewunden") auch ''Kundalini-Schlange'', ''Schlangenkraft'' oder [[Shakti]] (eine Erscheinungsform der Göttin [[Devi]]) und gelegentlich auch [[Ishvari]] ([[Sanskrit|skrt.]] ईश्वरी īśvarī  „Herrin, Gebieterin“) genannt, ist nach der [[Tantra|tantrischen]] Lehre die göttliche Kraft in ihrer [[individuell]]en [[Inkarnation]] im [[Mensch]]en, die schlafende [[Lebenskraft]] oder [[Prana]] in seiner potentiellen, ruhenden Form, die [[Energie]] und [[Essenz]] des [[Leben]]s gleichermaßen, und hängt eng mit den (mütterlichen) [[Reproduktionskräfte]]n zusammen. Sie ist die Kraft im Menschen, die der ''mater'', der [[Materie]], am nächsten steht und bildet die Brücke zwischen der [[physisch]]en und [[astral]]en [[Substanz]]. Zugleich ist sie das innerlich erregte [[Astrallicht]], das die äußere [[Seelenwelt]] erleuchtet und dem [[Hellsehen|hellsichtigen Blick]] sichtbar macht.  


{{LZ|Reines Denken ist ein Denken, in dem keine
== Die Kundalini-Kraft ==
Einflüsse aus den Sinnen, aus der Gefühls- und Wunschsphäre und
aus der Erinnerung eine Rolle spielen. Das Denken bewegt sich ausschließlich
in reinen Worten, Bildern und Begriffen. Es ist darin nichts
anwesend, was noch eine Verbindung mit der heutigen Persönlichkeit
auf Erden hat. Es wirkt nichts aus dieser Persönlichkeit heraus, was
den Gang des Denkens bestimmen könnte.|Mosmuller 2015, S. 49}}


== Die Vernunft als keimhafter Anfang eines neuen Hellsehens ==
=== Die Schlangenkraft ===
Die '''Kundalini-Kraft''' ruht am unteren Ende der [[Wirbelsäule]], symbolisiert durch die in dreieinhalb Windungen zusammengerollte Schlange, die im [[Wurzelchakra]], der [[Vierblättrige Lotosblume|vierblättrigen Lotosblume]] bewusstlos schläft. Einmal erweckt, kann sie zur höchsten Kraft der [[Liebe]] ''oder'' zur im höchsten Maß gesteigerten reinen [[Begierde]] werden. In [[Goethes Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie]] wird diese tief unbewusste Kraft durch die [[grüne Schlange]] repräsentiert. Man beachte auch die zwei Schlangen des [[Merkurstab]]es, die u.a. auch für die ''unbewusste'' (schwarz) und für die ''bewusste'' (weiß) Seite der Kundalinikraft stehen.


<div style="margin-left:20px">
=== Kundalini-Feuer und Kundalini-Licht ===
"Kein Mensch könnte eigentlich zu wirklichem Hellsehen kommen, wenn er nicht zunächst ein Winziges an Hellsehen in der Seele hätte. Wenn es wahr wäre, was ein allgemeiner Glaube ist, daß die Menschen, wie sie sind, nicht hellsichtig seien, dann könnten sie überhaupt nicht hellsichtig werden. Denn wie der Alchimist meint, daß man etwas Gold haben muß, um viele Mengen Goldes hervorzuzaubern, so muß man unbedingt etwas hellsehend schon sein, damit man dieses Hellsehen immer weiter und weiter ins Unbegrenzte hinein ausbilden kann.
Das '''Kundalinifeuer''' ist das Band, das den [[Physischer Leib|physischen Leib]] während des ganzen irdischen Lebens mit dem [[Astralleib]] verbindet, die sogenannte [[Silberschnur]]. Wenn im [[Schlaf]] die oberen Teile des Astralleibs aus dem [[Leib]] herausgehoben sind, erscheint die ''Silberschnur'' dem [[Hellsehen|hellsichtigen Blick]] als feines silbrig leuchtendes Band, das in der [[Milz]]gegend in den Leib einmündet. Beim [[Tod]] reißt diese ''silberne Perlenschnur'' und der Astralleib kann nicht mehr in den [[Leib]] zurückkehren.


Nun könnten Sie ja die Alternative aufstellen und sagen: Also glaubst du, daß wir schon alle hellsichtig sind, wenn auch nur ein Winziges, oder daß diejenigen unter uns, die nicht hellsichtig sind, es auch nie werden können? - Sehen Sie, darauf kommt es an, daß man versteht, daß der erste Fall der Alternative richtig ist: Es gibt wirklich keinen unter Ihnen, der nicht - wenn er sich dessen auch nicht bewußt ist - diesen Ausgangspunkt hätte. Sie haben ihn alle. Keiner von Ihnen ist in der Not, weil Sie alle ein gewisses Quantum Hellsehen haben. Und was ist dieses Quantum? Das ist dasjenige, was gewöhnlich gar nicht als Hellsehen geschätzt wird.
{{GZ|Ich habe öfter gesagt, daß des Nachts des Menschen Astralleib herausgeht
aus dem physischen Leib. Der Astralleib hängt dann im
Schlafe nur durch einen dem Hellseher wahrnehmbaren astralischen
Strang in der Gegend der Milz mit dem physischen Leibe zusammen.
Die Milz hat nicht nur eine physische Aufgabe, sondern es ist auch
ihre Funktion, den Zusammenhang des Physischen mit dem geistigseelischen
Teil des Menschen zu vermitteln. Die Milz ist der Anknüpfungspunkt
des physischen Leibes an den Astralleib. Daher können
Sie in jedem Lehrbuch der Anatomie lesen, daß man über die Milz
nichts Rechtes weiß. Die Milz ist eines derjenigen Organe, die an der
Grenze der physischen Organe stehen. Der Astralleib, der also während
des Schlafes nur durch die Milz mit dem physischen Leib verbunden
ist, arbeitet daran, die Ermüdungsstoffe aus dem physischen
Leib hinwegzuschaffen. Für den Hellseher erscheint der schlafende
Mensch wie in eine merkwürdige Wolke gehüllt, die an dem physischen
Leib fortwährend arbeitet.|96|238}}


Verzeihen Sie einen etwas groben Vergleich: Wenn eine Perle am Wege liegt und ein Huhn findet sie, so schätzt das Huhn die Perle nicht besonders. Solche Hühner sind die modernen Menschen zumeist. Sie schätzen die Perle, die ganz offen daliegt, gar nicht, sie schätzen etwas ganz anderes, sie schätzen nämlich ihre Vorstellungen. Niemand könnte abstrakt denken, wirkliche Gedanken und Ideen haben, wenn er nicht hellsichtig wäre, denn in den gewöhnlichen Gedanken und Ideen ist die Perle der Hellsichtigkeit von allem Anfange an. Diese Gedanken und Ideen entstehen genau durch denselben Prozeß der Seele, durch den die höchsten Kräfte entstehen. Und es ist ungeheuer wichtig, daß man zunächst verstehen lernt, daß der Anfang der Hellsichtigkeit etwas ganz Alltägliches eigentlich ist: man muß nur die übersinnliche Natur der Begriffe und Ideen erfassen. Man muß sich klar sein, daß aus den übersinnlichen Welten die Begriffe und Ideen zu uns kommen, dann erst sieht man recht. Wenn ich Ihnen erzähle von Geistern der höheren Hierarchien, von den Seraphim, Cherubim, von den Thronen herunter bis zu den Archangeloi und Angeloi, so sind das Wesenheiten, die aus geistigen, höheren Welten zu der Menschenseele sprechen müssen. Aus eben diesen Welten kommen der Seele die Ideen und Begriffe, sie kommen geradezu in die Seele aus höheren Welten herein und nicht aus der Sinnenwelt.
{{GZ|Wenn der Mensch im gewöhnlichen Zustand des Schlafens ist, so
ist in der Regel der Astralkörper außerhalb des physischen Körpers.
Je höher der Mensch entwickelt ist, desto weiter kann sich der
Astralkörper entfernen. Die vollständige psychische Entwicklung
besteht darin, daß man den Körper zurückläßt und im Astralen frei
herumspaziert. Es gibt noch weitere Stadien. Der Astralkörper kann,
während man schläft, die sonderbarsten Wanderungen machen, nur
erinnern Sie sich nicht an diese nächtlichen Wanderungen. Sie können
während der Nacht ein Bewußtsein davon haben, es aber nicht
mitbringen in den Tag. Das höchste Stadium ist, wenn Sie sowohl im
Schlafe als auch im physischen Leibe sich des astralen Bewußtseins
bewußt sind. Sie können während der Nacht bekannte Menschen
aufsuchen; sie werden aber nicht Erfahrungen von ähnlicher Art wie
im Physischen machen können. Sie werden zum Beispiel nicht erfahren,
was jetzt eine Person in Asien tut - das können Sie nicht erfahren.
Wenn Sie aber von ihr etwas lernen wollen, so können Sie das,
wenn Sie das in Ihr Tagesbewußtsein vollständig herübernehmen.
Der Chela könnte nicht erfahren, ob ein Meister in Asien schreibt
oder nicht schreibt oder ob und was er ißt und trinkt. Aber er kann
unterrichtet werden im astralen Raum und das bewußt mitherübernehmen
in das Tagesbewußtsein.


Es wurde als ein großes Wort eines großen Aufklärers gehalten, das dieser gesagt hat im achtzehnten Jahrhundert: Mensch, erkühne dich, deiner Vernunft dich zu bedienen. - Heute muß ein größeres Wort in die Seelen klingen, das heißt: Mensch, erkühne dich, deine Begriffe und Ideen als die Anfänge deines Hellsehertums anzusprechen. - Das, was ich jetzt ausgesprochen habe, habe ich schon vor vielen Jahren ausgesprochen, ausgesprochen in aller Öffentlichkeit, nämlich in meinen Büchern «[[Wahrheit und Wissenschaft]]» und «[[Philosophie der Freiheit], wo ich gezeigt habe, daß die menschlichen Ideen aus übersinnlichem, geistigem Erkennen kommen...
Wenn Sie einen solchen Astralleib ansehen, so haben Sie an
einem Ort den physischen Körper mit seinen Nervenzentren, der
für das physische Auge so aussieht, wie er bei Tage aussieht, und
Sie haben irgendwo den Astralkörper mit seinen Sinnesorganen,
so daß Sie sehen können: zu diesem Zentrum [des Astralkörpers]
gehört der Sehnerv und zu diesem der Hörnerv.
Nun entsteht die Frage: Was besteht für eine Verbindung zwischen
dem Astralleib und dem physischen Leib, was kettet das
astrale Ohr an das physische Ohr? Und warum kehrt der Astralkörper,
[der während des Schlafens vom physischen Körper getrennt
ist], wieder zurück? Es könnten interessante Fragen aufgeworfen
werden. Nehmen wir zum Beispiel an, ein Mensch fühlte
sich furchtbar unglücklich. Nun ist er während der Nacht in
seinem Astralleib. Das Leid hat seinen Ursprung im Physischen. Er
könnte nun den Entschluß fassen, [mit seinem Astralleib] nicht
mehr zurückzukehren, dann wäre das ausgeführt, was man einen
astralen Selbstmord nennen würde.


Für den heutigen Menschen ist eines notwendig, wenn er zu einer innerlich erlebten Wahrheit kommen will. Wenn er wirklich einmal innerlich Wahrheit erleben will, dann muß der Mensch einmal durchgemacht haben das Gefühl der Vergänglichkeit aller äußeren Verwandlungen, dann muß der Mensch die Stimmung der unendlichen Trauer, der unendlichen Tragik und das Frohlocken der Seligkeit zugleich erlebt haben, erlebt haben den Hauch, den Vergänglichkeit aus den Dingen ausströmt. Er muß sein Interesse haben fesseln können an diesen Hauch des Werdens, des Entstehens und der Vergänglichkeit der Sinnenwelt. Dann muß der Mensch, wenn er höchsten Schmerz und höchste Seligkeit an der Außenwelt hat empfinden können, einmal so recht allein gewesen sein, allein gewesen sein nur mit seinen Begriffen und Ideen; dann muß er einmal empfunden haben: Ja, in diesen Begriffen und Ideen, da fassest du doch das Weltengeheimnis, das Weltgeschehen an einem Zipfel - derselbe Ausdruck, den ich einstmals gebraucht habe in meiner «Philosophie der Freiheit» -. Aber erleben muß man dieses, nicht bloß verstandesmäßig begreifen, und wenn man es erleben will, erlebt man es in völligster Einsamkeit.
Also, was verbindet den astralischen Leib mit dem physischen
Leib und seinen Organen, und was führt ihn wieder zurück? Da
besteht eine Art von Band, eine Verbindung, die eine Zwischenmaterie
ist zwischen physischer und astraler Materie. Und das
nennt man das Kundalinifeuer. Wenn Sie einen schlafenden Menschen
haben, so können Sie im Astralen immer den Astralkörper
verfolgen. Sie haben einen leuchtenden Streifen bis dahin, wo der
Astralkörper ist. Es ist immer der Ort aufzufinden. Wenn sich der
Astralkörper entfernt, dann wird in demselben Maße das Kundalinifeuer
dünner und dünner. Eine immer dünnere und dünnere Spur
ist es; es wird immer mehr wie ein dünner Nebel. Wenn Sie nun
dieses Kundalinifeuer genau ansehen, dann ist es nicht gleichförmig.
Es werden in demselben gewisse Stellen leuchtender und dichter
sein, und das sind die Stellen, welche das Astrale wieder zu dem
Physischen hinführen. Der Sehnerv ist also durch ein dichteres
Kundalinifeuer verbunden mit einem astralen Nerven.


Und man hat dann noch ein Nebengefühl. Auf der einen Seite erlebt man die Grandiosität der Ideenwelt, die sich ausspannt über das All, auf der anderen Seite erlebt man mit der tiefsten Bitternis, daß man sich trennen muß von Raum und Zeit, wenn man mit seinen Begriffen und Ideen Zusammensein will. Einsamkeit! Man erlebt die frostige Kälte. Und weiter enthüllt sich einem, daß die Ideenwelt sich jetzt wie in einem Punkte zusammengezogen hat, wie in einem Punkte dieser Einsamkeit. Man erlebt: Jetzt bist du mit ihr allein. - Man muß das erleben können. Man erlebt dann das Irrewerden an dieser Ideenwelt, ein Erlebnis, das einen tief aufwühlt in der Seele. Dann erlebt man es, daß man sich sagt: Vielleicht bist du das alles doch nur selber, vielleicht ist an diesen Gesetzen nur wahr, daß es lebt in dem Punkte deiner eigenen Einsamkeit. - Dann erlebt man, ins Unendliche vergrößert, alle Zweifel am Sein.
Leadbeater wollte [in seinem Buch «Die Astral-Ebene»] nicht
darauf eingehen zu sagen, ob ein solcher astraler Selbstmord möglich
ist. Es kann das Kundalinifeuer mit dem Astralkörper nicht
ganz aus dem physischen Leib herausgehoben werden. Würde es
nun eintreten, daß ein Mensch den Entschluß faßt, nicht mehr
zurückzukommen, so würde das Kundalinifeuer ihn fortwährend
hinabziehen; es ist so, als ob er noch zum physischen Leib gehörte.
Es ist die Spur des Kundalinifeuers, die er verfolgt. Wenn die Lebenskraft
noch nicht erschöpft ist, so ist es sehr schwer, den Astralkörper
aus dem physischen Körper herauszuheben. Es ist sehr
schwer, wenn jemand an dem physischen Körper hängt, den er
nicht mehr gebrauchen kann. In dieser Beziehung ist das Schicksal
des Selbstmörders und das des Verunglückten nicht in erheblichem
Maße voneinander verschieden.


Wenn man dieses Erlebnis in seiner Ideenwelt hat, wenn sich aller Zweifel am Sein schmerzlich und bitter abgeladen hat auf die Seele, dann erst ist man im Grunde reif dazu, zu verstehen, wie es doch nicht die unendlichen Räume und die unendlichen Zeiten der physischen Welt sind, die einem die Ideen gegeben haben. Jetzt erst, nach dem bitteren Zweifel, öffnet man sich den Regionen des Spirituellen und weiß, daß der Zweifel berechtigt war, und wie er berechtigt war. Denn er mußte berechtigt sein, weil man geglaubt hat, daß die Ideen aus den Zeiten und Räumen in die Seele gekommen seien. Aber was empfindet man jetzt? Als was empfindet man die Ideenwelt, nachdem man sie erlebt hat aus den spirituellen Welten heraus? Jetzt fühlt man sich zum ersten Male inspiriert, jetzt beginnt man, während man früher wie einen Abgrund die unendliche Öde um sich ausgedehnt empfunden hat, jetzt beginnt man sich zu fühlen wie auf einem Felsen stehend, der aus dem Abgrunde emporwächst, und man fühlt sich so, daß man weiß: Jetzt bist du in Verbindung mit den geistigen Welten, diese und nicht die Sinnenwelt haben dich mit der Ideenwelt beschenkt." {{Lit|{{G|146|34ff}}}}
Nun, bei dem höherentwickelten Menschen, an dem sich die
</div>
Chakrams bewegen, da findet noch ein anderer Vorgang statt/' Er
hat die Möglichkeit, das Kundalinifeuer willkürlich zurückzuziehen
aus dem Organismus; gleichzeitig eröffnen sich von innen
heraus entgegengesetzte Strömungen: Das, was früher bloß von
außen hereingeströmt ist, das kann der Mensch jetzt willkürlich
von innen heraus regeln; der ganze Vorgang kann jetzt willkürlich
herbeigeführt werden.


== Herzdenken ==
Nun hat der Mensch eine vollkommene Verfügungsmöglichkeit
über den Astralkörper erlangt. Nun bitte ich zu beachten, daß dieser
Zustand immer mehr und mehr in der menschlichen Entwicklung
eintritt. Heute sind es die psychisch Entwickelten, die einen
solchen Astralkörper haben, aber der Mensch eilt allgemein einem
solchen Zustand entgegen. Er wird die Möglichkeit zur Benützung
seines Astralkörpers in der sechsten Rasse haben. Er wird einen
physischen Körper und innerhalb desselben einen Astralkörper
haben, den er auf diese Weise benützen kann. In der nächsten
Runde aber werden die Menschen keinen physischen Körper, sondern
nur noch einen Astralkörper haben, den sie dann frei benützen
können, so wie wir Menschen heute den physischen Körper
benutzen. Der physische Körper wird dann nicht mehr da sein; der
unterste Körper wird dann der Astralkörper sein.|88|236ff}}


{{Hauptartikel|Herzdenken}}
Als '''Kundalinilicht''' offenbart sich Kundalini als das [[Astrallicht]], das aus dem Inneren kommt, und die [[geistige Welt]] beleuchtet und so die [[Hellsehen|geistige Wahrnehmung]] erweckt. In einem Notizbuch Steiners aus dem Jahr [[Wikipedia:1906|1906]] heißt es:


Das [[Herzdenken]] ist eine Fähigkeit, über die die Menschen in alten Zeiten auf ''unbewusste'' Art verfügten. Es war mit einem sicheren [[Wahrheit]]sgefühl verbunden, das zwar noch nicht in klare, bewusste Konturen gefasst werden konnte, aber doch gewisse Einblicke in die höheren, [[Geistige Welt|geistigen Welten]] ermöglichte. Selbst [[Aristoteles]] hat noch das [[Herz]] als das Zentralorgan des [[Denken]]s angesehen. Er hat aber zugleich mit seiner [[Logik]] die sichere Basis für das [[Verstand]]esdenken gelegt, das nicht mehr im Herzen, sondern im [[Kopf]] zentriert ist.  
{{BZ|Man muß im Astralkörper selbst eine zweite Hälfte unterscheiden:
wie der andere Pol beim Magneten.


In Zukunft wird sich eine neue Art des Herzdenkens entwickeln, das mit dem vollwachen Ich-Bewusstsein vereinbar ist, und so auf ganz bewusste und besonnene Weise den Einblick in rein geistige Zusammenhänge erlaubt. Es wird sich wesentlich von unserem gegenwärtigen Verstand unterscheiden, indem es kein [[diskursiv]]es, ableitendes Denken ist, sondern die Wahrheit mit einem Blick überschaut. Dieses neue Herzdenken entfaltet sich nicht in einer Kette logisch aneinander gefügter [[Begriff]]e, sondern in innerlich erlebten [[Seele|seelischen]] Sinnbildern, die mit einem Schlag die geistigen Zusammenhänge offenbaren. Es ist zugleich ein sinnlichkeitsfreies, d.h. reines Denken.
Beim Manne ist der zweite Astralkörper weiblich; beim Weibe ist der
zweite Astralkörper männlich, das heißt der Astralkörper ist hermaphroditisch.
Das Kundalinifeuer ist nun die im zweiten Astralkörper erregte Tätigkeit,
die zunächst Wärme und Licht ist.


== Reines Denken und Ätherleib ==
Solange das Kundalinifeuer nicht erregt wird, tastet man zwischen den
Im reinen Denken spiegelt sich unsere [[Denktätigkeit]], die aus der Quelle des Ichs entspringt, nicht am [[Physischer Leib|physischen Leib]], sondern am [[Ätherleib]].
Gegenständen und Wesen der höheren Welt; wie in der Nacht zwischen
den physischen Gegenständen. Ist das Kundalinifeuer da, so beleuchtet
man sich selbst die Gegenstände.|51/52|21}}


<div style="margin-left:20px">
Dass sich Kundalini als Kundalini''licht'' und als Kundalini''feuer'' offenbart, weist auf die Polarität von [[Licht]] und [[Liebe]], die sich im Zuge der [[Schulungsweg|geistigen Entwicklung]] durchdringen und zu ''einer'' Kraft verbinden müssen. Das ist auch das Hauptthema von Steiners erstem [[Mysteriendrama]] [[Die Pforte der Einweihung]]. Im 11. Bild sagt [[Theodosius]], der den ''Geist der Liebe'' repräsentiert, zur [[Die andre Maria|andren Maria]], deren Urbild sich im Verlauf des Dramas als ''Seele der Liebe'' offenbart {{Lit|{{G|14|150f}}}}:
"Bei unserem Gehirndenken geht das so vor sich, daß die Gedankentätigkeit sich entwickelt in dem ätherischen Gehirn, an dem physischen Nervensystem zurückprallt, und daß uns dadurch die Gedanken zum Bewußtsein kommen. Beim Hellsehen stoßen wir gleichsam das Gehirn zurück. Wir denken mit dem astralischen Leibe, und es wird uns schon das Denken zurückgeworfen durch den Ätherleib." {{Lit|{{G|161|246}}}}
</div>


{{GZ|Wer nun meine «[[Philosophie der Freiheit]]» durchliest, wird finden,
<table align="center"><tr><td><poem>
wie diese Wege zur Ergründung der Natur des menschlichen
Es war dein Schicksal eng verbunden
Denkens gesucht worden sind. Und für mich stellte es sich heraus,
Mit deiner höhern Schwester Leben.
daß nur derjenige das menschliche Denken richtig verstehen könne,
Ich konnte ihr der Liebe Licht,
welcher in den höchsten Äußerungen dieses Denkens etwas sieht,
Doch nicht der Liebe Wärme geben,
das sich unabhängig von unserer Körperlichkeit, von unserer leiblichen
So lange du beharren wolltest,
Organisation vollzieht. Und ich glaube, es gelang mir nachzuweisen,
Dein Edles aus dem dunklen Fühlen nur
daß die Vorgänge des reinen Denkens im Menschen sich
In dir erstehn zu lassen,
unabhängig von den leiblichen Vorgängen vollziehen. In den leiblichen
Und nicht in vollem Weisheitslichte
Vorgängen walten Naturnotwendigkeiten. Was aus diesen
Es klar zu schauen dir erstrebtest.
leiblichen Vorgängen hervorgeht an trüben Instinkten, an Willensimpulsen
In dunkler Triebe Wesen reicht
und so weiter, es ist in einer gewissen Beziehung naturnotwendig
Des Tempels Einfluß nicht,
bestimmt. Was der Mensch in seinem Denken vollzieht,
Auch wenn sie Gutes wirken wollen.  
von dem stellt sich zuletzt doch heraus, daß es ein Vorgang ist, der
</poem></td></tr></table>
unabhängig von der physischen Organisation des Menschen abläuft.
Und ich glaube, daß sich mir durch diese «Philosophie der
Freiheit» nichts Geringeres ergeben hat als die übersinnliche Natur
des menschlichen Denkens. Und hatte man diese übersinnliche
Natur des menschlichen Denkens erkannt, dann war damit der
Beweis geliefert, daß der Mensch im gewöhnlichsten Alltagsleben,
wenn er sich nur erhebt zum wirklichen Denken, durch das er
durch nichts anderes als durch die Motive des Denkens selbst bestimmt
wird, daß er dann ein übersinnliches Element in diesem
Denken vor sich hat. Richtet er sich dann im Leben nach diesem
Denken, entwickelt er sich so, wird er so erzogen, daß er über die
Motive seiner physischen Organisation, über Triebe, Emotionen,
Instinkte hinaus Motive des reinen Denkens seinen Handlungen
zugrunde legt, dann darf er ein freies Wesen genannt werden. Den
Zusammenhang zwischen dem übersinnlich reinen Denken und der
Freiheit darzulegen, das machte ich mir dazumal zur Aufgabe.


Man kann nun dabei stehenbleiben, einen solchen Gedankengang
=== Das Kundalini-Feuer als Grundlage einer spirituellen Anatomie ===
bloß theoretisch zu verfolgen. Wenn man aber einen solchen
Gedankengang nicht bloß theoretisch verfolgt, sondern wenn er
einem Erfüllung des ganzen Lebens wird, wenn man in ihm geradezu
eine Offenbarung der menschlichen Natur selber sieht, dann
verfolgt man ihn nicht bloß theoretisch weiter, dann verfolgt man
ihn praktisch weiter. Was ist dieses praktische Weiterverfolgen?
Nun, man lernt erkennen - hat man einmal die übersinnliche Natur
des Denkens erfaßt -, daß der Mensch imstande ist, sich in einer
gewissen Betätigung unabhängig von seiner Leibesorganisation zu
machen. Man kann nun den Versuch anstellen, ob der Mensch
außer dem reinen Denken noch fähig ist, eine solche Tätigkeit zu
entfalten, welche nach dem Muster dieses reinen Denkens ist. Wer
dasjenige, was ich als Forschungsmethode meiner anthroposophischen
Geisteswissenschaft zugrunde lege, Hellsehen nennt, der
muß auch schon das gewöhnliche reine Denken, das durchaus aus
dem Alltagsleben heraufströmt in das menschliche Bewußtsein, das
hineinströmt in das menschliche Handeln, Hellsehen nennen. Ich
selber sehe qualitativ keinen Unterschied zwischen dem reinen
Denken und demjenigen, was ich als Hellsehen bezeichne. Ich sehe
die Sache so, daß der Mensch sich zuerst an dem Vorgang des
reinen Denkens eine Praxis heranbilden kann, wie man in seinen
inneren Vorgängen unabhängig wird von seiner Leibesorganisation,
wie man in dem reinen Denken etwas vollführt, woran der Leib
keinen Anteil hat. Ich habe 1911 auf dem [[Bologna-Vortrag|Philosophenkongreß in Bologna]] auf eine ganz philosophische Weise auseinandergesetzt,
daß schon das reine Denken etwas ist, was im Menschen vollzogen
wird, ohne daß die Leibesorganisation daran Anteil hat.|255b|299ff}}


== Lebendiges Denken ==
{{GZ|Es gibt eine Beschreibung des Menschen auf Grund der äußerlichen
[[Bild:Urpflanze.jpg|thumb|220px|[[Rudolf Steiner]], [[Urpflanze]], Aquarell 1924]]
Untersuchung der einzelnen Teile seines Organismus. Aber in
Wir erleben dabei zunächst die lebendigen Formen, die unser Denken dem [[Wärmeäther]] einprägt. Das reine Denken wird damit zum ''lebendigen Denken'', dass sich nicht in starren Begriffen und Definitionen, sondern in entwicklungsfähigen, sich lebendig metamorphosierenden Gedankenformen vollzieht. Ohne genügender Herzenswärme können diese nicht als leibfreie Gedanken überleben; sie erkalten und erstarren sonst und verbinden sich dann notwendig mit dem physischen Leib. Die reinen Gedanken sind also in gewissem Sinn ätherische Wärmelebewesen und damit verwandt den [[Elementarwesen|Naturelementarwesen]], die im [[Feuer]] leben – den [[Salamander]]n, die die Früchte und Samen reifen lassen. Diese lebendigen reinen Gedanken werden als feurige Begeisterung des Denkens erlebt. Und dieses Feuer erweist sich sogleich als die ihnen innewohnende unbändige [[Wille]]nskraft, die so stark gefühlt werden kann, dass man sie als wirklicher als die äußere Sinneswelt erlebt. Hier ist der Punkt, wo man sich der eigenständigen Wirklichkeit des Geistigen erstmals aus eigener Erfahrung mit absoluter Sicherheit bewusst wird. Die Gedankenlebewesen machen sehr stark ihren Eigenwillen deutlich, so dass wir jetzt wissen: ''Es denkt in mir''. Indem wir uns ihnen objektiv gegenüberstellen, lassen sie uns dennoch völlig frei. Sie zwingen uns ebensowenig als wir sie zu zwingen vermögen. So intensiv und großartig dieses Erlebnis des reinen Denkens ist – es ist in diesem Sinne nicht ''überwältigend''!
alten mystischen und okkulten Werken kann man den Menschen
ebenfalls beschrieben finden. Diese Beschreibungen sind aber auf ganz
andere Weise zustande gekommen als durch anatomische Untersuchungen.
Sie sind sogar weit genauer und viel richtiger, als was
der Anatom von heute beschreibt, denn dieser beschreibt nur den
Leichnam. Die alten Beschreibungen sind so gewonnen, daß die
Schüler durch Meditation, durch innere Erleuchtung sich selbst
sichtbar wurden. Durch das sogenannte Kundalinifeuer kann der
Mensch sich von innen heraus betrachten. Es gibt verschiedene
Stufen dieser Betrachtung. Die genaue, richtige Betrachtung tritt
zuerst symbolisch auf. Wenn der Mensch sich zum Beispiel auf sein
Rückenmark konzentriert, sieht er in der Tat immer die Schlange.
Er träumt vielleicht auch von der Schlange, weil diese das Wesen
ist, das äußerlich in die Welt hinausversetzt wurde, als das Rückenmark
sich bildete und auf dieser Stufe stehengeblieben ist. Die
Schlange ist das äußerliche, in die Welt hinausversetzte Rückenmark.
Diese bildhafte Art, die Dinge zu sehen, ist das astrale Schauen
(Imagination). Aber erst durch das mentale Schauen (Inspiration)
ergibt sich die völlige Bedeutung.|93a|19}}


Nur im reinen, lebendigen Denken lässt sich [[Leben]]diges erfassen, wie es etwa [[Goethe]] in der [[Anschauung]] der [[Urpflanze]] gelungen ist.
{{GZ|Alle Dinge, die jetzt durch die Anatomie allein bekannt sind, wurden
damals auf ganz andere Weise bekannt. Die okkulten Forscher
untersuchten mit Hilfe des Kundalinilichtes. Ein Schüler wurde in
folgender Weise darauf vorbereitet. Er kam zu einem Meister. Wurde
er von diesem als zuverlässig erkannt, so bekam er als Unterricht nicht
etwa eine Lehre - heute ist das anders geworden, heute muß der
Mensch durch den Verstand und die Begriffe seinen Weg nehmen -,
sondern der Meister sagte ihm etwa: Du mußt jeden Tag mehrere
Stunden, zunächst etwa sechs Wochen lang, in Meditation verbringen
und dich einem der ewigen Sätze hingeben, dich ganz in ihn vertiefen. -
Heutzutage kann der Mensch das nicht, weil das Leben mit der heutigen
Kultur zu viele Anforderungen an ihn stellt. Damals aber meditierte
der Schüler sechs bis zehn Stunden täglich. Er kann das jetzt
nicht, ohne sich aus der Kultur herauszuziehen. Damals brauchte der
Schüler fast keine Zeit für die Kultur. Seine Nahrung fand er draußen.
Er verwendete daher seine Zeit zur Meditation, vielleicht zehn
Stunden ununterbrochen. Da kam er sehr bald dazu, daß er den
damals noch nicht so dicht gewordenen Körper dahin brachte, daß
im Inneren das Kundalinilicht erwachte. Dieses ist für das Innere,
was für die Außenwelt das Sonnenlicht ist. In Wahrheit sehen wir
auch draußen nicht Gegenstände, sondern das zurückgestrahlte Sonnenlicht.
In dem Augenblicke, wo wir imstande sind, mit Hilfe des
Kundalinilichtes die Seele zu beleuchten, wird die Seele so sichtbar,
wie ein von der Sonne beschienener Gegenstand. So erleuchtet sich
für den Jogaschüler allmählich der ganze innere Leib. Alle alten
Anatomien sind von innen, durch innere Beleuchung gesehen. So
redeten die [indischen] Mönche, die ihre Erfahrungen in Legenden
umsetzten, von dem, was sie durch das Kundalinilicht geschaut
hatten.|93a|91f}}


<div style="margin-left:20px">
== Die Erweckung der Kundalini-Kraft ==
"Wenn man in dem Sinn, wie ich es charakterisiert
habe, versucht, zu einer geistigen Anschauung aufzusteigen,
dann kommt man, indem man durchaus von
dem geschulten naturwissenschaftlichen Denken der Gegenwart
ausgeht, zu dem, was ich charakterisierte als ein
lebendiges Denken, als ein bildhaftes Denken. Mit diesem
bildhaften Denken fühlt man sich nun auch gerüstet,
dasjenige, ich möchte sagen, wie mathematisch,
aber jetzt qualitativ, zu begreifen, was mit der gewöhnlichen
Mathematik und Geometrie nicht zu begreifen ist:
das Lebendige." {{Lit|{{G|83|94}}}}
</div>


=== Lebendiges Denken als Aufstieg vom Reich der Geister der Form zu dem der Geister der Bewegung ===
Die Erweckung der Kundalini-Kraft erfolgt auf einem entsprechenden [[Schulungsweg]], etwa auf dem des [[Kundalini-Yoga]]. Dabei steigt die Kundalini-Kraft in der Regel schrittweise von unten nach oben auf, wobei nach und nach die über dem [[Wurzelchakra]] liegenden [[Lotosblumen]] im Prozess des [[Satchakrabedha]] ([[Sanskrit|skrt.]] ''Sechschakrendurchstechen'') "durchstochen" werden. Erst wenn die Kundalini-Kraft das [[Scheitelchakra]] erreicht, vereinigt sie sich mit den kosmisch-spirituellen Kräften, der [[Weltseele]], denen Kundalini ihren Ursprung verdankt und dann erwacht das [[astral]]e [[Hellsehen]]. Das Scheitelchakra ist allerdings nur schwer zu erreichen, oft zieht sich die Kundalinikraft auch wieder zurück, ehe sie noch das zehnblättrige [[Nabelchakra]] erreicht. Deswegen, und weil dieser Weg, unmittelbar vom Wurzelchakra aufzusteigen,  mit Gefahren verbunden ist, da diese tief unbewussten Kräfte nur schwer zu beherrschen sind und sehr leicht eine zerstörerische Wirkung bis in die [[Physischer Leib|Physis]] hinein hervorrufen können, wird in vielen Schulen daher zuerst das [[Herzzentrum]] entwickelt, von dem aus die Entwicklung viel bewusster geführt werden kann.


<div style="margin-left:20px">
Die Erweckung der Kundalini führt zu einer ''nicht'' fieberartigen Erhöhung der Körpertemperatur, die vorallem als aufsteigende [[Wärme]] entlang der [[Wirbelsäule]] spürbar wird. Manchmal kündigt sich das Erwachen der Kundalini auch in den [[Traumbewusstsein|Träumen]] an. Gelegentlich kann die Kundalini auch spontan ohne entsprechende Schulung erwachen, was oft von Fieberschüben und dem Hören von Stimmen, intensiven [[Vision]]en oder einem [[Wikipedia:Euphorie|euphorischen]] Glücksgefühl begleitet sein kann, die leicht als Anzeichen geistiger Erkrankungen missdeutet werden können. Das Erwachen der Kundalinikraft kann von Hitzewallungen, aber auch von Kälteschüben begleitet sein. Auch unwillkürliche Zuckungen, spontane Nickbewegungen des Kopfes und starkes Zittern am ganzen Körper können auftreten, ein Taubheitsgefühl in den Extremitäten, Schwankungen des [[Sexualität|Sexualtriebs]], manchmal auch zeitweilige oder sogar auch chronische, schwer fassbare stechende Schmerzempfindungen am ganzen Körper, sowie plötzliche Lautäußerungen, spontanes Lachen und/oder Weinen<ref>Bonnie Greenwell: ''Kundalini'', Lübbe Verlag (1998), ISBN 3-7857-0915-3</ref>.
"Der Mensch erlebt in sich das, was wir den Gedanken nennen können, und in dem Gedanken kann sich der Mensch als etwas unmittelbar Tätiges, als etwas, was seine Tätigkeit überschauen kann, erfühlen. Wenn wir irgendein äußeres Ding betrachten, zum Beispiel eine Rose oder einen Stein, und wir stellen dieses äußere Ding vor, so kann jemand mit Recht sagen: Du kannst niemals eigentlich wissen, wieviel du in dem Steine oder in der Rose, indem du sie vorstellst, von dem Ding, von der Pflanze, eigentlich hast. Du siehst die Rose, ihre äußere Röte, ihre Form, wie sie in einzelne Blumenblätter abgeteilt ist, du siehst den Stein mit seiner Farbe, mit seinen verschiedenen Ecken, aber du mußt dir immer sagen: Da kann noch etwas drinnenstecken, was dir nicht nach außen hin erscheint. Du weißt nicht, wieviel du in deiner Vorstellung von dem Steine, von der Rose eigentlich hast.


Wenn aber jemand einen Gedanken hat, dann ist er es selber, der diesen Gedanken macht. Man möchte sagen, in jeder Faser dieses seines Gedankens ist er drinnen. Daher ist er für den ganzen Gedanken ein Teilnehmer seiner Tätigkeit. Er weiß: Was in dem Gedanken ist, das habe ich so in den Gedanken hineingedacht, und was ich nicht in den Gedanken hineingedacht habe, das kann auch nicht in ihm drinnen sein. Ich überschaue den Gedanken. Keiner kann behaupten, wenn ich einen Gedanken vorstelle, da könnte in dem Gedanken noch so und so viel anderes drinnen sein wie in der Rose und in dem Stein; denn ich habe ja selber den Gedanken erzeugt, bin in ihm gegenwärtig, weiß also, was drinnen ist.
Manche Schulen des [[Wikipedia:Vajrayana|tibetischen Buddhismus]] geben spezielle Meditationstechniken, durch die gezielt die intensive körperliche "Erhitzung" hervorgerufen wird, etwa durch die klassische Methode des [[Tummo]], bei der die bewusste Beherrschung des leiblichen Wärmehaushalts unter extremen Bedingungen angestrebt wird; die Mönche hüllen dazu im tiefsten Winter ihren Körper in mit Eiswasser getränkte Wolldecken und steigern durch Meditation und Atemübungen die Körpertemperatur, bis die feuchten Decken zu dampfen beginnen.


Wirklich, der Gedanke ist unser Ureigenstes. Finden wir die Beziehung des Gedankens zum Kosmos, zum Weltall, dann finden wir die Beziehung unseres Ureigensten zum Kosmos, zum Weltall... Das also, was eben gesagt worden ist, verspricht uns, daß der Mensch, wenn er sich an das hält, was er im Gedanken hat, eine intime Beziehung seines Wesens zum Weltall, zum Kosmos, finden kann.
Über die Aktivierung der [[Lotosblumen]] und die Ausbildung des [[Herzzentrum]]s schreibt [[Rudolf Steiner]].


Nur hat die Sache eine Schwierigkeit, wenn wir uns auf diesen Gesichtspunkt begeben wollen, eine große Schwierigkeit. Ich meine nicht für unsere Betrachtung, aber für den objektiven Tatbestand hat es eine große Schwierigkeit. Und diese Schwierigkeit besteht darin, daß es zwar wahr ist, daß man in jeder Faser des Gedankens drinnen lebt und daher den Gedanken, wenn man ihn hat, vor allen Vorstellungen am intimsten kennen muß; aber, ja aber - die meisten Menschen haben keine Gedanken! Und dies wird gewöhnlich nicht mit aller Gründlichkeit durchdacht, daß die meisten Menschen keine Gedanken haben. Aus dem Grunde wird es nicht mit aller Gründlichkeit durchdacht, weil man dazu - eben Gedanken brauchte! Auf eines muß zunächst aufmerksam gemacht werden. Was im weitesten Umkreise unseres Lebens die Menschen verhindert, Gedanken zu haben, das ist, daß die Menschen für den gewöhnlichen Gebrauch des Lebens gar nicht immer das Bedürfnis haben, wirklich bis zum Gedanken vorzudringen, sondern daß sie statt des Gedankens sich mit dem Worte begnügen. Das meiste von dem, was man im gewöhnlichen Leben Denken nennt, verläuft nämlich in Worten. Man denkt in Worten. Viel mehr, als man glaubt, denkt man in Worten. Und viele Menschen sind, wenn sie nach einer Erklärung von dem oder jenem verlangen, damit zufrieden, daß man ihnen irgendein Wort sagt, das einen für sie bekannten Klang hat, das sie an dieses oder jenes erinnert; und dann halten sie das, was sie bei einem solchen Wort empfinden, für eine Erklärung und glauben, sie hätten dann den Gedanken.
{{GZ|Je weiter nun der Mensch in seiner Seelenentwickelung
fortschreitet, desto regelmäßiger gegliedert wird sein
Seelenorganismus. Beim Menschen mit einem unentwikkelten
Seelenleben ist er verworren, ungegliedert. Aber
auch in einem solchen ungegliederten Seelenorganismus
kann der Hellseher ein Gebilde wahrnehmen, das sich
deutlich von der Umgebung abhebt. Es verläuft vom Innern
des Kopfes bis zur Mitte des physischen Körpers. Es
nimmt sich aus wie eine Art selbständiger Leib, welcher
gewisse Organe hat. Diejenigen Organe, die hier zunächst
besprochen werden sollen, werden in der Nähe folgender
physischer Körperteile geistig wahrgenommen: das erste
zwischen den Augen, das zweite in der Nähe des Kehlkopfes,
das dritte in der Gegend des Herzens, das vierte
liegt in der Nachbarschaft der sogenannten Magengrube,
das fünfte und sechste haben ihren Sitz im Unterleibe.
Diese Gebilde werden von den Geheimkundigen «Räder»
(Chakrams) oder auch «Lotusblumen» genannt. Sie heißen
so wegen der Ähnlichkeit mit Rädern oder Blumen;
doch muß man sich natürlich klar darüber sein, daß ein
solcher Ausdruck nicht viel zutreffender ist, als wenn man
die beiden Lungenteile «Lungenflügel» nennt. Wie man
sich hier klar ist, daß man es nicht mit «Flügeln» zu tun
hat, so muß man auch dort nur an eine vergleichsweise
Bezeichnung denken. Diese «Lotusblumen» sind nun
beim unentwickelten Menschen von dunklen Farben und
ruhig, unbewegt. Beim Hellseher aber sind sie in Bewegung
und von leuchtenden Farbenschattierungen. Auch
beim Medium ist etwas Ähnliches der Fall, doch in anderer
Art. Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden.
- Wenn nun ein Geheimschüler mit seinen Übungen
beginnt, so ist das erste, daß sich die Lotusblumen aufhellen;
später beginnen sie sich zu drehen. Wenn dies letztere
eintritt, so beginnt die Fähigkeit des Hellsehens. Denn
diese «Blumen» sind die Sinnesorgane der Seele. Und
ihre Drehung ist der Ausdruck dafür, daß im Übersinnlichen
wahrgenommen wird. Niemand kann etwas Übersinnliches
schauen, bevor sich seine astralen Sinne in
dieser Art ausgebildet haben.|10|116ff}}


Ja, das, was ich eben gesagt habe, das hat in der Entwickelung des menschlichen Geisteslebens zu einer bestimmten Zeit dazu geführt, eine Ansicht heraufzubringen, welche heute noch viele Menschen, die sich Denker nennen, teilen. In der Neuauflage meiner «Welt- und Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert» habe ich versucht, dieses Buch ganz gründlich umzugestalten, indem ich eine Entwickelungsgeschichte des abendländischen Gedankens vorausgeschickt habe, angefangen vom 6. vorchristlichen Jahrhundert bis herauf ins 19. Jahrhundert, und indem ich dann am Schlüsse zu dem, was gegeben war, als das Buch zuerst erschien, hinzufügte eine Darstellung des, sagen wir, gedanklichen Geisteslebens bis in unsere Tage herein. Auch der Inhalt, der schon da war, ist vielfach umgestaltet worden. Da habe ich denn zu zeigen gehabt, wie der Gedanke in einem bestimmten Zeitalter eigentlich erst entsteht. Er entsteht wirklich erst, man könnte sagen, um das 6. oder 8. vorchristliche Jahrhundert. Vorher erlebten die menschlichen Seelen gar nicht das, was man im rechten Sinne des Wortes Gedanken nennen kann. Was erlebten die menschlichen Seelen vorher? Sie erlebten vorher Bilder. Und alles Erleben der Außenwelt geschah in Bildern. Von gewissen Gesichtspunkten aus habe ich das oftmals gesagt. Dieses Bilder-Erleben ist die letzte Phase des alten hellseherischen Erlebens. Dann geht für die menschliche Seele das Bild in den Gedanken über.
{{GZ|Die Lotusblumen werden an dem astralischen Leibe bewußt. In dem Zeitpunkte, in dem man die eine oder die andere entwickelt hat, weiß man auch, daß man sie hat. Man fühlt, daß man sich ihrer bedienen kann und daß man durch ihren Gebrauch in eine höhere Welt wirklich eintritt. Die Eindrücke, welche man von dieser Welt erhält, gleichen in mancher Beziehung noch denen der physisch-sinnlichen. Wer imaginativ erkennt, wird von der neuen höheren Welt so sprechen können, daß er die Eindrücke als Wärme- oder Kälteempfindungen, Ton- oder Wortwahrnehmungen, Licht- oder Farbenwirkungen bezeichnet. Denn wie solche erlebt er sie. Er ist sich aber bewußt, daß diese Wahrnehmungen in der imaginativen Welt etwas anderes ausdrücken als in der sinnlich-wirklichen. Er erkennt, daß hinter ihnen nicht physisch-stoffliche Ursachen, sondern seelisch-geistige stehen. Wenn er etwas wie einen Wärmeeindruck hat, so schreibt er diesen nicht zum Beispiel einem heißen Stück Eisens zu, sondern er betrachtet ihn als Ausfluß eines seelischen Vorganges, wie er ihn bisher nur in seinem seelischen Innenleben gekannt hat. Er weiß, daß hinter den imaginativen Wahrnehmungen seelische und geistige Dinge und Vorgänge stehen, wie hinter den physischen Wahrnehmungen stofflich-physische Wesen und Tatsachen.|13|259f}}


Was ich in diesem Buche beabsichtigte, ist, dieses Ergebnis der Geisteswissenschaft einmal rein durch Verfolgung der philosophischen Entwickelung zu zeigen. Ganz nur auf dem Boden der philosophischen Wissenschaft bleibend, wird gezeigt, daß der Gedanke einmal im alten Griechenland geboren worden ist, daß er entsteht dadurch, daß er herausspringt für das menschliche Seelenerleben aus dem alten sinnbildlichen Erleben der Außenwelt. Dann versuchte ich zu zeigen, wie dieser Gedanke weitergeht in Sokrates, in Plato, Aristoteles, wie er bestimmte Formen annimmt, wie er sich weiter heraufentwickelt und dann im Mittelalter zu dem führt, was ich jetzt erwähnen will.
{{GZ|Wenn die Geheimschulung so weit gekommen ist, daß
die in den vorhergehenden Abschnitten gekennzeichneten
Lotusblumen sich zu bewegen beginnen, dann hat der
Schüler auch bereits manches von dem vollzogen, was zur
Hervorrufung ganz bestimmter Strömungen und Bewegungen
in seinem Ätherkörper führt. Der Zweck dieser
Entwickelung ist, daß sich in der Gegend des physischen
Herzens eine Art Mittelpunkt bildet, von dem Strömungen
und Bewegungen in den mannigfaltigsten geistigen
Farben und Formen ausgehen. Dieser Mittelpunkt ist in
Wirklichkeit kein bloßer Punkt, sondern ein ganz kompliziertes Gebilde, ein wunderbares Organ. Es leuchtet
und schillert geistig in den allerverschiedensten Farben
und zeigt Formen von großer Regelmäßigkeit, die sich mit
Schnelligkeit verändern können. Und weitere Formen und
Farbenströmungen laufen von diesem Organ nach den Teilen
des übrigen Körpers und auch noch über diesen hinaus,
indem sie den ganzen Seelenleib durchziehen und durchleuchten.
Die wichtigsten dieser Strömungen aber gehen
zu den Lotusblumen. Sie durchziehen die einzelnen Blätter
derselben und regeln ihre Drehung; dann strömen sie
an den Spitzen der Blätter nach außen, um sich im äußeren
Raum zu verlieren. Je entwickelter ein Mensch ist,
desto größer wird der Umkreis, in dem sich diese Strömungen
verbreiten.


Zu dem Zweifel führt die Entwickelung des Gedankens, ob es dasjenige überhaupt geben könne in der Welt, was man allgemeine Gedanken, allgemeine Begriffe nennt, zu dem sogenannten Nominalismus, zu der philosophischen Anschauung, daß die allgemeinen Begriffe nur Namen sein können, also überhaupt nur Worte. Es gab also für diesen allgemeinen Gedanken sogar die philosophische Anschauung, und viele haben sie noch heute, daß diese allgemeinen Gedanken überhaupt nur Worte sein können.
In einer besonders nahen Beziehung steht die zwölfblätterige
Lotusblume zu dem geschilderten Mittelpunkte.
In sie laufen unmittelbar die Strömungen ein. Und durch
sie hindurch gehen auf der einen Seite Strömungen zu der
sechzehnblätterigen und der zweiblätterigen, auf der anderen
(unteren) Seite zu den acht-, sechs- und vierblätterigen
Lotusblumen. In dieser Anordnung liegt der Grund,
warum auf die Ausbildung der zwölfblätterigen Lotusblume
bei der Geheimschulung eine ganz besondere Sorgfalt
verwendet werden muß. Würde hier etwas verfehlt,
so müßte die ganze Ausbildung des Apparates eine unordentliche
sein.|10|140ff}}


Nehmen wir einmal, um uns das zu verdeutlichen, was eben gesagt worden ist, einen leicht überschaubaren und zwar allgemeinen Begriff; nehmen wir den Begriff «Dreieck» als allgemeinen Begriff. Derjenige nun, der da mit seinem Standpunkte des Nominalismus kommt, der nicht hinwegkommen kann von dem, was als Nominalismus sich in dieser Beziehung ausgebildet hat in der Zeit des 11. bis 13. Jahrhunderts, der sagt etwa folgendes: Zeichne mir ein Dreieck hin! - Gut, ich werde ihm ein Dreieck hinzeichnen, zum Beispiel ein solches:
{{GZ|Hat es der Geheimschüler zu einem solchen Leben in seinem höheren Ich gebracht, dann - oder vielmehr schon während der Aneignung des höheren Bewusstseins - wird ihm klar, wie er die geistige Wahrnehmungskraft in dem in der Herzgegend erzeugten Organ zum Dasein erwecken und durch die in den vorigen Kapiteln charakterisierten Strömungen leiten kann. Diese Wahrnehmungskraft ist ein Element von höherer Stofflichkeit, das von dem genannten Organ ausgeht und in leuchtender Schönheit durch die sich bewegenden Lotusblumen und auch durch die anderen Kanäle des ausgebildeten Ätherleibes strömt. Es strahlt von da nach außen in die umgebende geistige Welt und macht sie geistig sichtbar, wie das von außen auf die Gegenstände fallende Sonnenlicht diese physisch sichtbar macht.


[[Datei:GA151_012.gif|center|150px|]]
Wie diese Wahrnehmungskraft im Herzorgane erzeugt wird, das kann nur allmählich im Ausbilden selbst verstanden werden.  


Schön, sagt er, das ist ein besonderes, spezielles Dreieck mit drei spitzen Winkeln, das gibt es. Aber ich werde dir ein anderes hinzeichnen. - Und er zeichnet ein Dreieck hin, das einen rechten Winkel hat, und ein solches, das einen sogenannten stumpfen Winkel hat.
Deutlich als Gegenstände und Wesen wahrnehmbar wird die geistige Welt eigentlich erst für einen Menschen, der in solcher Art das charakterisierte Wahrnehmungsorgan durch seinen Ätherleib und nach der Außenwelt senden kann, um damit die Gegenstände zu beleuchten. - Man sieht daraus, dass ein vollkommenes Bewusstsein von einem Gegenstande der geistigen Welt nur unter der Bedingung entstehen kann, dass der Mensch selbst das Geisteslicht auf ihn wirft. In Wahrheit wohnt nun das «Ich», welches dieses Wahrnehmungsorgan erzeugt, gar nicht im physischen Menschenkörper, sondern, wie gezeigt worden ist, außerhalb desselben. Das Herzorgan ist nur der Ort, wo der Mensch von außen her dieses geistige Lichtorgan entfacht. Würde er es nicht hier, sondern an einem anderen Orte entzünden, so hätten die durch dasselbe zustande gebrachten geistigen Wahrnehmungen keinen Zusammenhang mit der physischen Welt. Aber der Mensch soll ja alles höhere Geistige eben auf die physische Welt beziehen und durch sich in die letztere hereinwirken lassen. Das Herzorgan ist gerade dasjenige, durch welches das höhere Ich das sinnliche Selbst zu seinem Werkzeug macht und von dem aus dies letztere gehandhabt wird.|10|163ff}}


[[Datei:GA151_013.gif|center|300px|]]
{{GZ|Durch diejenigen Übungen, welche zur Erlangung von Inspiration und Intuition unternommen werden, treten im menschlichen Äther- oder Lebensleib besondere Bewegungen, Gestaltungen und Strömungen auf, welche vorher nicht da waren. Sie sind eben die Organe, durch welche der Mensch das «Lesen der verborgenen Schrift» und das, was darüber hinausliegt, in den Bereich seiner Fähigkeiten aufnimmt. Für das übersinnliche Erkennen stellen sich die Veränderungen im Ätherleibe eines Menschen, der zur Inspiration und Intuition gelangt ist, in der folgenden Art dar. Es wird, ungefähr wie in der Gegend nahe dem physischen Herzen, ein neuer Mittelpunkt im Ätherleibe bewußt, der sich zu einem ätherischen Organe ausgestaltet. Von diesem laufen Bewegungen und Strömungen nach den verschiedenen Gliedern des menschlichen Leibes in der mannigfaltigsten Weise. Die wichtigsten dieser Strömungen gehen zu den Lotusblumen, durchziehen dieselben und ihre einzelnen Blätter und gehen dann nach außen, wo sie wie Strahlen sich in den äußeren Raum ergießen. Je entwickelter der Mensch ist, desto größer ist der Umkreis um ihn herum, in dem diese Strömungen wahrnehmbar sind. Der Mittelpunkt in der Gegend des Herzens bildet sich aber bei regelrechter Schulung nicht gleich im Anfang aus. Er wird erst vorbereitet. Zuerst entsteht als ein vorläufiger Mittelpunkt ein solcher im Kopfe; der rückt dann hinunter in die Kehlkopfgegend und verlegt sich zuletzt in die Nähe des physischen Herzens. Würde die Entwickelung unregelmäßig sein, so könnte sogleich in der Herzgegend das in Rede stehende Organ gebildet werden. Dann läge die Gefahr vor, daß der Mensch, statt zur ruhigen, sachgemäßen übersinnlichen Schauung zu kommen, zum Schwärmer und Phantasten würde. In seiner weiteren Entwickelung gelangt der Geistesschüler dazu, die ausgebildeten Strömungen und Gliederungen seines Ätherleibes unabhängig zu machen von dem physischen Leibe und sie selbständig zu gebrauchen. Es dienen ihm die Lotusblumen dabei als Werkzeuge, durch welche er den Ätherleib bewegt. Bevor dieses geschieht, müssen sich aber in dem ganzen Umkreis des Ätherleibes besondere Strömungen und Strahlungen gebildet haben, welche ihn wie durch ein feines Netzwerk in sich abschließen und zu einer in sich geschlossenen Wesenheit machen. Wenn das geschehen ist, können ungehindert die im Ätherleibe sich vollziehenden Bewegungen und Strömungen sich mit der äußeren seelisch-geistigen Welt berühren und mit ihnen sich verbinden, so daß äußeres geistig-seelisches Geschehen und inneres (dasjenige im menschlichen Ätherleibe) ineinanderfließen. Wenn das geschieht, ist eben der Zeitpunkt eingetreten, in dem der Mensch die Welt der Inspiration bewußt wahrnimmt. Dieses Erkennen tritt in einer anderen Art auf als das Erkennen in bezug auf die sinnlich-physische Welt. In dieser bekommt man durch die Sinne Wahrnehmungen und macht sich dann über diese Wahrnehmungen Vorstellungen und Begriffe. Beim Wissen durch die Inspiration ist es nicht so. Was man erkennt, ist unmittelbar, in einem Akte da; es gibt nicht ein Nachdenken nach der Wahrnehmung. Was für das sinnlich-physische Erkennen erst hinterher im Begriffe gewonnen wird, ist bei der Inspiration zugleich mit der Wahrnehmung gegeben. Man würde deshalb mit der seelisch-geistigen Umwelt in eins zusammenfließen, sich von ihr gar nicht unterscheiden können, wenn man das oben charakterisierte Netzwerk im Ätherleibe nicht ausgebildet hätte.|13|273ff}}


So, jetzt nennen wir das erste ein spitzwinkliges Dreieck, das zweite ein rechtwinkliges und das dritte ein stumpfwinkliges. Da sagt der Betreffende: Das glaube ich dir, es gibt ein spitzwinkliges, ein rechtwinkliges und ein stumpfwinkliges Dreieck. Aber das alles ist ja nicht das Dreieck. Das allgemeine Dreieck muß alles enthalten, was ein Dreieck enthalten kann. Unter den allgemeinen Gedanken des Dreiecks muß das erste, das zweite und das dritte Dreieck fallen. Es kann aber doch nicht ein Dreieck, das spitzwinklig ist, zugleich rechtwinklig und stumpfwinklig sein. Ein Dreieck, das spitzwinklig ist, ist ein spezielles, ist nicht ein allgemeines Dreieck; ebenso ist ein rechtwinkliges und ein stumpfwinkliges Dreieck ein spezielles. Ein allgemeines Dreieck kann es aber nicht geben. Also ist das allgemeine Dreieck ein Wort, das die speziellen Dreiecke zusammenfaßt. Aber den allgemeinen Begriff des Dreiecks gibt es nicht. Das ist ein Wort, das die Einzelheiten zusammenfaßt.
== Die Schlange als Symbol für das selbstständige [[Ich]] ==


Das geht natürlich weiter. Nehmen wir an, es spricht jemand das Wort Löwe aus. Nun sagt der, welcher auf dem Standpunkt des Nominalismus steht: Im Berliner Tiergarten ist ein Löwe, im Hannoverschen Tiergarten ist auch ein Löwe, im Münchner Tiergarten ist auch einer. Die einzelnen Löwen gibt es; aber einen allgemeinen Löwen, der etwas zu tun haben sollte mit dem Berliner, Hannoverschen und Münchner Löwen, den gibt es nicht. Das ist ein bloßes Wort, das die einzelnen Löwen zusammenfaßt. Es gibt nur einzelne Dinge, und es gibt außer den einzelnen Dingen, so sagt der Nominalist, nichts als Worte, welche die einzelnen Dinge zusammenfassen.
{{GZ|In der Entwickelung der Erde kam nun ein Zeitpunkt, wo in dem
gemeinsamen Leben und Weben des Erdengeistes eine Besonderung
eintrat. Es schloß sich ein Teil ab, wie in ein Rohr hinein. Erst als
dieser Zeitpunkt eintrat, war es überhaupt möglich, daß Wesen entstehen,
die auch Sonderwesen werden können. Die anderen sind Glieder
einer Erdenseele. Jetzt erst beginnt ein besonderer Grad von
Sonderung. Jetzt beginnt erst die Möglichkeit, daß einmal etwas zu
sich «Ich» sagen kann. Diese Tatsache, daß zwei Epochen auf der
Erde sind, erstens die Epoche, in der es auf der Erde noch keine
Tiere gab mit einem in ein Knochenrohr eingeschlossenen Nervensystem,
zweitens die Epoche, in welcher dann solche entstanden,
wird in allen Religionen besonders ausgedrückt. Die Schlange
schließt zuerst das selbstlose, ungesonderte Schauen des Erdengeistes
in ein Rohr ein, und bildet so den Grund zur Ichheit. Das prägten
die esoterischen Lehrer den Schülern ein, so daß sie es empfinden
konnten: Seht ihr die Schlange an, so seht ihr das Merkzeichen für
euer Ich. - Dabei mußten sie lebhaft empfinden, daß das zusammengehört,
das selbständige Ich und die Schlange.|93a|18f}}


Diese Anschauung, wie gesagt, ist heraufgekommen; sie vertreten heute noch scharfsinnige Logiker. Und wer sich die Sache, die jetzt eben auseinandergesetzt worden ist, ein wenig überlegt, wird sich auch im Grunde genommen gestehen müssen: Es liegt da doch etwas Besonderes vor; ich kann nicht so ohne weiteres darauf kommen, ob es nun wirklich diesen «Löwen im allgemeinen» und das «Dreieck im allgemeinen» gibt, denn ich sehe es ja nicht recht. Wenn nun wirklich jemand käme, der sagen würde: Sieh einmal, lieber Freund, ich kann dir nicht zubilligen, daß du mir den Münchner, den Hannoverschen oder den Berliner Löwen zeigst. Wenn du behauptest, es gäbe den Löwen «im allgemeinen», so mußt du mich irgendwo hinführen, wo es den «Löwen im allgemeinen» gibt. Wenn du mir aber den Münchner, den Hannoverschen und den Berliner Löwen zeigst, so hast du mir nicht bewiesen, daß es den «Löwen im allgemeinen» gibt. - Wenn jemand käme, der diese Anschauung hat, und man sollte ihm den «Löwen im allgemeinen» zeigen, so würde man zunächst etwas in Verlegenheit geraten. Es ist nicht so leicht, die Frage zu beantworten, wo man den Betreffenden hinführen soll, dem man den «Löwen im allgemeinen» zeigen soll.
== Die zukünftige Bedeutung der Kundalini-Kraft ==


Nun, wir wollen jetzt nicht zu dem gehen, was uns die Geisteswissenschaft gibt; das wird schon noch kommen. Wir wollen einmal beim Denken bleiben, wollen bei dem bleiben, was durch das Denken erreicht werden kann, und wir werden uns sagen müssen: Wenn wir auf diesem Boden bleiben wollen, so geht es eben nicht recht, daß wir irgendeinen Zweifler zum «Löwen im allgemeinen» hinführen. Das geht wirklich nicht. Hier liegt eine der Schwierigkeiten vor, die man einfach zugeben muß. Denn will man auf dem Gebiete des gewöhnlichen Denkens diese Schwierigkeit nicht zugeben, dann läßt man sich eben nicht auf die Schwierigkeit des menschlichen Denkens überhaupt ein.
Die Kundalini-Kraft wirkt heute noch weitgehend unbewusst im Menschen. Sie wird aber künftig noch eine viel größere Bedeutung  bekommen, wenn wir lernen sie bewusst zu beherrschen. Es liegt darin eine harmonisierende Kraft, die die ganze Menschheit zur [[Brüderlichkeit]] führen kann - und diese Entwicklung nimmt ihren Ausgang von der [[Musik]]:


Bleiben wir beim Dreieck; denn schließlich ist es für die allgemeine Sache gleichgültig, ob wir uns die Sache am Dreieck, am Löwen oder an etwas anderem klarmachen. Zunächst erscheint es aussichtslos, daß wir ein allgemeines Dreieck hinzeichnen, das alle Eigenschaften, alle Dreiecke enthält. Und weil es aussichstlos nicht nur erscheint, sondern für das gewöhnliche menschliche Denken auch ist, deshalb steht hier alle äußere Philosophie an einer Grenz -scheide und ihre Aufgabe wäre es, sich einmal wirklich zu gestehen, daß sie als äußere Philosophie an einer Grenzscheide steht. Aber diese Grenzscheide ist eben nur diejenige der äußeren Philosophie. Über diese Grenzscheide gibt es doch eine Möglichkeit, hinüberzukommen, und mit dieser Möglichkeit wollen wir uns jetzt einmal bekanntmachen.
{{GZ|Wenn die fünfte Wurzelrasse
ihr Ende erreicht haben wird und die sechste Wurzelrasse im
Aufgang sein wird, wird sich auf dem Gebiete des bewußten Verstandes
ein Einfluß herausgebildet haben, der jetzt während der
fünften Unterrasse noch sehr zurücktritt, der sich aber bereits herausbildet.
Es ist etwas, was vom Musikalischen ausgeht. Die Bedeutung
der Musik wird in der fünften Unterrasse immer mehr
und mehr zum Ausdruck kommen. Die Musik wird nicht bloß
Kunst sein, sondern Ausdrucksmittel werden für ganz andere Dinge
als rein Künstlerische. Hier liegt etwas, was hindeutet auf den
Einfluß eines ganz bestimmten Prinzipes auf den physischen Plan.
Es werden auf dem Gebiete der Musik oder des Musik-Ähnlichen
die bedeutsamsten Impulse von den Initiierten der fünften Wurzelrasse
gegeben werden. Was einfließen muß in die fünfte Wurzelrasse,
und zwar auf dem Gebiete des bewußten Verstandeslebens, das
ist das, was man das Kundalinifeuer nennt. Das ist eine Kraft, die
jetzt noch im Menschen schlummert, aber immer mehr und mehr
Bedeutung gewinnen wird. Heute hat sie schon einen großen Einfluß,
eine große Bedeutung in dem, was durch den Sinn des Gehöres
wahrgenommen wird. Während der weiteren Entwicklung in
der sechsten Unterrasse der fünften Wurzelrasse wird dieses
Kundalinifeuer großen Einfluß gewinnen auf das, was im menschlichen
Herzen lebt. Das menschliche Herz wird wirklich jenes
Kundalinifeuer in sich haben. Der Mensch wird dann durchdrungen
sein von einer besonderen Kraft, die in seinem Herzen leben
wird, so daß er in der sechsten Wurzelrasse nicht mehr unterscheiden
wird sein eigenes Wohl von dem Wohle der Gesamtheit. Der
Mensch wird von dem Kundalinilicht so durchdrungen sein, daß er
das Prinzip der Liebe als seine ureigenste Natur haben wird.


Denken wir uns, wir zeichnen das Dreieck nicht einfach so hin, daß wir sagen: Jetzt habe ich dir ein Dreieck hingezeichnet, und da ist es. - Da wird immer der Einwand gemacht werden können: Das ist eben ein spitzwinkliges Dreieck, das ist kein allgemeines Dreieck. Man kann das Dreieck nämlich auch anders hinzeichnen. Eigentlich kann man es nicht; aber wir werden gleich sehen, wie sich dieses Können und Nichtkönnen zueinander verhalten. Nehmen wir an, dieses Dreieck, das wir hier haben, zeichnen wir so hin und erlauben jeder einzelnen Seite, daß sie sich nach jeder Richtung, wie sie will, bewegt. Und zwar erlauben wir ihr, daß sie sich mit verschiedenen Schnelligkeiten bewege. (An der Tafel zeichnend gesprochen):
In der siebenten Unterrasse wird zwar die ganze große Menschheit
in einem wahren Chaos sein, denn die Wurzelrasse wird dann
nahe dem Untergange sein. Aber ein kleiner Teil der Menschen der
siebenten Unterrasse werden die wahren Söhne des Kundalinifeuers
sein. Sie werden durchdrungen sein mit allen Kräften des Kundalinifeuers;
sie werden den Stoff abgeben zur nächsten Wurzelrasse, für
diejenigen, welche die Weiterentwicklung der Menschheit lenken.
So steuert die fünfte Wurzelrasse zu jenen Höhen, wo das göttliche
Feuer, das Kundalinifeuer, mit heiligem Pathos das göttliche Prinzip
im Innern der Menschen anfachen wird, so daß nicht mehr der
Mensch vom Menschen getrennt sein wird, sondern, soweit der denkende
Verstand reicht, eine Brüderlichkeit herbeigeführt sein wird.
Dieses Feuer wird dereinst in den Menschen leben. Und in denjenigen
Menschen, welche im Verlaufe der fünften Wurzelrasse initiiert
werden, lebt schon eine Andeutung dieses göttlichen Feuers, in dem
die Kraft der Brüderlichkeit ist und das die Abgesondertheit der
Menschen aufheben wird. Aber es arbeitet sich erst durch, es kommt
erst in den Anfängen heraus, es ist noch verhüllt, verschleiert durch
das, was die sondernden Leidenschaften der Menschen, die trennenden
Gewalten des Kama sind. Und da, wo es als Vorverkünder einer
kommenden Zeit im Einzelnen auftritt, nimmt es eine andere Gestalt,
einen ganz anderen Charakter an. Auf dem Plane der Täuschung
ist das göttliche Feuer der göttliche Zorn. Erst dann, wenn
die Brüderlichkeit die ganze Menschheit durchfluten wird, ist es die
göttliche Liebe. Solange es aber im Einzelnen als Eifer sich geltend
macht, ist es der göttliche Zorn, und er macht sich gerade dadurch
als starke Gewalt im Einzelnen geltend, weil die übrige Menschheit
noch nicht reif ist.|92|101ff}}


[[Datei:GA151_015.gif|center|300px|]]
== Literatur ==


Diese Seite bewegt sich so, daß sie im nächsten Augenblick diese Lage einnimmt, diese so, daß sie im nächsten Augenblick diese Lage einnimmt. Diese bewegt sich viel langsamer, diese bewegt sich schneller und so weiter. Jetzt kehrt sich die Richtung um.
* [[Wikipedia:Carl Gustav Jung|Carl Gustav Jung]]: ''Die Psychologie des Kundalini-Yoga'', Walter Verlag, Zürich 1998, ISBN 3-530-40684-8
* Sir John Woodroffe: ''The Serpent Power'', Madras: Ganesh & Co., 1978
* [[Rudolf Steiner]]: ''Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?'', [[GA 10]] (1993), ISBN 3-7274-0100-1; '''Tb 600''', ISBN 978-3-7274-6001-2 {{Schriften|010}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Geheimwissenschaft im Umriß'', [[GA 13]] (1989), ISBN 3-7274-0130-3; '''Tb 601''', ISBN 978-3-7274-6011-1 {{Schriften|013}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Vier Mysteriendramen'', [[GA 14]] (1998), ISBN 3-7274-0140-0; '''Tb 607''' (I + II), ISBN 978-3-7274-6070-8 + '''Tb 608''' (III + IV), ISBN 978-3-7274-6080-7
* [[Rudolf Steiner]]: ''Über die astrale Welt und das Devachan'', [[GA 88]] (1999), ISBN 3-7274-0880-4
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die okkulten Wahrheiten alter Mythen und Sagen'', [[GA 92]] (1999), ISBN 3-7274-0920-7 {{Vorträge|092}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Grundelemente der Esoterik'', [[GA 93a]] (1987), ISBN 3-7274-0935-5 {{Vorträge|093a}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), ISBN 3-7274-0961-4 {{Vorträge|096}}
* ''Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe'', Heft 51/52: Der Weg zur höheren Erkenntnis im Lebenswerk und Lebensgang Rudolf Steiners, Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung, Dornach 1975 {{BE|51/52}}


Kurz, wir begeben uns in die unbequeme Vorstellung hinein, daß wir sagen: Ich will nicht nur ein Dreieck hinzeichnen und es so dann stehen lassen, sondern ich stelle an dein Vorstellen gewisse Anforderungen. Du mußt dir denken, daß die Seiten des Dreiecks fortwährend in Bewegung sind. Wenn sie in Bewegung sind, dann kann ein rechtwinkliges oder ein stumpfwinkliges Dreieck oder jedes andere gleichzeitig aus der Form der Bewegungen hervorgehen. Zweierlei kann man machen und auch verlangen auf diesem Gebiete. Das erste, was man verlangen kann, ist, daß man es hübsch bequem hat. Wenn jemand einem ein Dreieck aufzeichnet, dann ist es fertig, und man weiß, wie es aussieht; jetzt kann man hübsch ruhen in seinen Gedanken, denn man hat, was man will. Man kann aber auch das andere machen: Das Dreieck gleichsam als einen Ausgangspunkt betrachten und jeder Seite erlauben, daß sie sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten und nach verschiedenen Richtungen dreht. In diesem Falle hat man es aber nicht so bequem, sondern man muß in seinen Gedanken Bewegungen ausführen. Aber dafür hat man auch wirklich den allgemeinen Gedanken Dreieck darinnen; er ist ja nur nicht zu erreichen, wenn man bei einem Dreieck abschließen will. Der allgemeine Gedanke Dreieck ist da, wenn man den Gedanken in fortwährender Bewegung hat, wenn er versatil ist.
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Weil die Philosophen das, was ich eben jetzt ausgesprochen habe, den Gedanken in Bewegung zu bringen, nicht gemacht haben, deshalb stehen sie notwendigerweise an einer Grenzscheide und begründen den Nominalismus. Jetzt wollen wir uns das, was ich eben jetzt ausgesprochen habe, in eine uns bekannte Sprache übersetzen, in eine uns längst bekannte Sprache.
 
Gefordert wird von uns, wenn wir von dem speziellen Gedanken zu dem allgemeinen Gedanken aufsteigen sollen, daß wir den speziellen Gedanken in Bewegung bringen, so daß der bewegte Gedanke der allgemeine Gedanke ist, der von einer Form in die andere hineinschlüpft. Form sage ich; richtig gedacht ist: Das ganze bewegt sich, und jedes einzelne, was da herauskommt durch die Bewegung, ist eine in sich abgeschlossene Form. Früher habe ich nur Einzelformen hingezeichnet, ein spitzwinkliges, ein rechtwinkliges und ein stumpfwinkliges Dreieck. Jetzt zeichne ich etwas auf - ich zeichne es eigentlich nicht auf, das sagte ich schon, aber vorstellen kann man sich das -, was die Vorstellung hervorrufen soll, daß der allgemeine Gedanke in Bewegung ist und die einzelne Form durch sein Stillestehen erzeugt - «die Form erzeugt», sage ich.
 
Da sehen wir, die Philosophen des Nominalismus, die notwendig an einer Grenzscheide stehen, bewegen sich in einem gewissen Reiche, in dem Reiche der Geister der Form. Innerhalb des Reiches der Geister der Form, das um uns herum ist, herrschen die Formen; und weil die Formen herrschen, sind in diesem Reiche einzelne, streng in sich abgeschlossene Einzeldinge. Daraus ersehen Sie, daß die Philosophen, die ich meine, niemals den Entschluß gefaßt haben, aus dem Reiche der Formen herauszugehen, und daher in den allgemeinen Gedanken nichts anderes haben können als Worte, richtig bloße Worte. Würden sie herausgehen aus dem Reiche der speziellen Dinge, das heißt der Formen, so würden sie in ein Vorstellen hineinkommen, das in fortwährender Bewegung ist, das heißt, sie würden in ihrem Denken eine Vergegenwärtigung des Reiches der Geister der Bewegung haben, der nächsthöheren Hierarchie. Dazu lassen sich aber die meisten Philosophen nicht herbei. Und als sich einmal einer in der letzten Zeit des abendländischen Denkens herbeigelassen hat, so recht in diesem Sinne zu denken, da wurde er wenig verstanden, obwohl viel von ihm gesprochen und gefaselt wird. Man schlage auf, was Goethe in seiner «Metamorphose der Pflanzen» geschrieben hat, was er die «Urpflanze» nannte; man schlage dann das auf, was er das «Urtier» nannte, und man wird finden, daß man mit diesen Begriffen «Urpflanze», «Urtier» nur zurechtkommt, wenn man sie beweglich denkt. Wenn man diese Beweglichkeit aufnimmt, von der Goethe selber spricht, dann hat man nicht einen abgeschlossenen, in seinen Formen begrenzten Begriff, sondern man hat das, was in seinen Formen lebt, was durchkriecht in der ganzen Entwickelung des Tierreiches oder des Pflanzenreiches, was sich in diesem Durchkriechen ebenso verändert, wie das Dreieck sich in ein spitzwinkliges oder ein stumpfwinkliges verändert, und was bald «Wolf» und «Löwe», bald «Käfer» sein kann, je nachdem die Beweglichkeit so eingerichtet ist, daß die Eigenschaften sich abändern in dem Durchgehen durch die Einzelheiten. Goethe brachte die starren Begriffe der Formen in Bewegung. Das war sein große, zentrale Tat. Das war das Bedeutsame, was er in die Naturbetrachtung seiner Zeit eingeführt hat. Sie sehen hier an einem Beispiele, wie das, was wir Geisteswissenschaft nennen, tatsächlich dazu geeignet ist, die Menschen aus dem herauszuführen, woran sie notwendig heute haften müssen, selbst wenn sie Philosophen sind. Denn ohne Begriffe, die durch die Geisteswissenschaft gewonnen werden, ist es gar nicht möglich, wenn man ehrlich ist, etwas anderes zuzugeben, als daß die allgemeinen Gedanken bloße Worte seien. Das ist der Grund, warum ich sagte: Die meisten Menschen haben nur keine Gedanken. Und wenn man ihnen von Gedanken spricht, so lehnen sie das ab.
 
Wann spricht man zu den Menschen von Gedanken? Wenn man zum Beispiel sagt, die Tiere und Pflanzen hätten Gruppenseelen. Ob man sagt allgemeine Gedanken oder Gruppenseelen - wir werden im Laufe der Vorträge sehen, was für eine Beziehung zwischen den beiden ist -, das kommt für das Denken auf dasselbe hinaus. Aber die Gruppenseele ist auch nicht anders zu begreifen als dadurch, daß man sie in Bewegung denkt, in fortwährender äußerlicher und innerlicher Bewegung; sonst kommt man nicht zur Gruppenseele. Aber das lehnen die Menschen ab. Daher lehnen sie auch die Gruppenseele ab, lehnen also den allgemeinen Gedanken ab.
 
Zum Kennenlernen der offenbaren Welt braucht man aber keine Gedanken; da braucht man nur die Erinnerung an das, was man gesehen hat im Reiche der Form. Und das ist das, was die meisten Menschen überhaupt nur wissen: was sie gesehen haben im Reiche der Form. Da bleiben dann die allgemeinen Gedanken bloße Worte. Daher konnte ich sagen: Die meisten Menschen haben keine Gedanken. Denn die allgemeinen Gedanken bleiben für die meisten Menschen nur Worte. Und wenn es unter den mancherlei Geistern der höheren Hierarchien nicht auch den Genius der Sprache geben würde, der die allgemeinen Worte für die allgemeinen Begriffe bildet, die Menschen selber würden das nicht tun. Also richtig aus der Sprache heraus bekommen die Menschen zunächst ihre allgemeinen Gedanken, und sie haben auch nicht viel anderes als die in der Sprache aufbewahrten allgemeinen Gedanken.
 
Daraus ersehen wir aber, daß es doch etwas Eigenes sein muß mit dem Denken von wirklichen Gedanken. Daß es etwas ganz Eigentümliches damit sein muß, das können wir uns daraus verständlich machen, daß wir sehen, wie schwer es eigentlich den Menschen wird, auf dem Felde des Gedankens zur Klarheit zu kommen. So im äußeren trivialen Leben wird man vielleicht oftmals behaupten, wenn man ein bißchen renommieren will, das Denken sei leicht. Aber es ist nicht leicht. Denn es erfordert das wirkliche Denken immer ein ganz enges, in gewisser Beziehung unbewußtes Berührtsein von einem Hauch aus dem Reiche der Geister der Bewegung. Würde das Denken so ganz leicht sein, so würden nicht so kolossale Schnitzer auf dem Gebiete des Denkens gemacht werden, und man plagte sich nicht so lange mit allerlei Problemen und Irrtümern herum. So plagt man sich jetzt seit mehr als einem Jahrhundert mit einem Gedanken, den ich schon öfter angeführt habe und den Kant ausgesprochen hat.
 
Kant wollte den sogenannten ontologischen Gottesbeweis aus der Welt schaffen. Dieser ontologische Gottesbeweis stammt auch aus der Zeit des Nominalismus, wo man sagte, daß es für die allgemeinen Begriffe nur Worte gäbe und daß nicht etwas Allgemeines existiere, das den einzelnen Gedanken entsprechen würde wie die einzelnen Gedanken den Vorstellungen. Diesen ontologischen Gottesbeweis will ich als ein Beispiel anführen, wie gedacht wird.
 
Er sagt ungefähr: Wenn man einen Gott annehme, so müsse er das allervollkommenste Wesen sein. Wenn er das allervollkommen-ste Wesen ist, dann dürfe ihm nicht das Sein fehlen, die Existenz; denn sonst gäbe es ja ein noch vollkommeneres Wesen, das diejenigen Eigenschaften hätte, die man denkt, und das außerdem existieren würde. Also muß man das vollkommenste Wesen so denken, daß es existiere. Man kann also den Gott gar nicht anders denken als existierend, wenn man ihn als allervollkommenstes Wesen denkt. Das heißt, man kann aus dem Begriffe selbst ableiten, daß es nach dem ontologischen Gottesbeweis den Gott geben muß.


Kant wollte diesen Beweis widerlegen, indem er zu zeigen versuchte, daß man aus einem Begriffe heraus überhaupt nicht die Existenz eines Dinges beweisen kann. Er hat dazu das berühmte Wort geprägt, das ich auch schon öfter angedeutet habe: Hundert wirkliche Taler seien nicht mehr und nicht weniger als hundert mögliche Taler. Das heißt, wenn ein Taler dreihundert Pfennige hat, so müsse man hundert wirkliche Taler zu je dreihundert Pfennigen rechnen, und ebenso müsse man hundert mögliche Taler zu je dreihundert Pfennigen rechnen. Es enthalten also hundert mögliche Taler ebensoviel wie hundert wirkliche Taler; das heißt, es ist kein Unterschied, ob ich hundert wirkliche oder hundert mögliche Taler denke. Daher darf man nicht aus dem bloßen Gedanken des allervollkommensten Wesens die Existenz herausschälen, weil der bloße Gedanke eines möglichen Gottes dieselben Eigenschaften hätte wie der Gedanke eines wirklichen Gottes.
== Einzelnachweise ==
 
<references/>
Das erscheint sehr vernünftig. Und seit einem Jahrhundert plagen sich die Menschen herum, wie es mit den hundert möglichen und den hundert wirklichen Talern ist. Nehmen wir aber einen naheliegenden Gesichtspunkt, nämlich den des praktischen Lebens. Kann man von diesem Gesichtspunkte aus sagen, daß hundert wirkliche Taler nicht mehr enthalten als hundert mögliche? Man kann sagen, daß hundert wirkliche Taler just um hundert Taler mehr enthalten als hundert mögliche Taler! Es ist doch ganz klar: Hundert mögliche Taler auf der einen Seite gedacht und hundert wirkliche auf der anderen Seite, das ist ein Unterschied! Es sind auf der anderen Seite gerade hundert Taler mehr. Und auf die hundert wirklichen Taler scheint es doch gerade in den meisten Fällen des Lebens anzukommen.
 
Aber die Sache hat doch auch einen tieferen Aspekt. Man kann nämlich die Frage stellen: Worauf kommt es denn an bei dem Unterschied von hundert möglichen und hundert wirklichen Talern? Ich denke, es wird jeder zugeben: Für den, der die hundert Taler haben kann, ist zweifellos ein großer Unterschied zwischen hundert möglichen und hundert wirklichen Talern vorhanden. Denn denken Sie sich, Sie brauchen hundert Taler, und jemand stellt Ihnen die Wahl, ob er Ihnen hundert mögliche oder hundert wirkliche Taler geben soll. Wenn Sie sie haben können, scheint es doch auf den Unterschied anzukommen. Aber nehmen Sie an, Sie wären in dem Fall, daß Sie die hundert Taler wirklich nicht haben könnten; dann könnte es sein, daß es für Sie höchst gleichgültig ist, ob Ihnen jemand hundert mögliche oder hundert wirkliche Taler nicht gibt. Wenn man sie nicht haben kann, dann enthalten tatsächlich hundert wirkliche und hundert mögliche Taler ganz gleich viel.
 
Das hat doch eine Bedeutung. Die Bedeutung hat es nämlich, daß so, wie Kant über den Gott gesprochen hat, nur in einer Zeit gesprochen werden konnte, als man durch menschliche Seelenerfahrung den Gott nicht mehr haben konnte. Als er nicht erreichbar war als eine Wirklichkeit, da war der Begriff des möglichen Gottes oder des wirklichen Gottes gerade so einerlei, wie es einerlei ist, ob man hundert wirkliche Taler oder hundert mögliche Taler nicht haben kann. Wenn es für die Seele keinen Weg gibt zu dem wirklichen Gott, dann führt ganz gewiß auch keine Gedankenentwickelung dazu, die im Stile Kants gehalten ist.
 
Da sehen Sie, daß die Sache doch auch eine tiefere Seite hat. Ich führe es aber nur an, weil ich dadurch klarmachen wollte, daß, wenn die Frage nach dem Denken kommt, man schon etwas tiefer schürfen muß. Denn Denkfehler schleichen sich durch die erleuchtetsten Geister fort, und man sieht lange nicht ein, worin eigentlich das Brüchige eines solchen Gedankens besteht, wie zum Beispiel des kantischen Gedankens von den hundert möglichen und den hundert wirklichen Talern. Es kommt beim Gedanken auch immer darauf an, daß man die Situation berücksichtigt, in welcher der Gedanke gefaßt wird.
 
Aus der Natur des allgemeinen Gedankens zuerst und dann aus dem Dasein eines solchen Denkfehlers wie des kantischen im besonderen versuchte ich Ihnen zu zeigen, daß die Wege des Denkens dennoch nicht so ganz ohne Vertiefung in die Dinge betrachtet werden können. Ich will noch von einer dritten Seite aus mich der Sache nähern.
 
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Nehmen wir einmal an, hier wäre ein Berg oder ein Hügel (siehe Zeichnung, rechts) und hier sei ein schroffer Abhang (Zeichnung, links). An diesem schroffen Abhänge entspringe eine Quelle; die Quelle stürzt senkrecht wie ein richtiger Wasserfall den Abhang hinunter. Unter den ganz gleichen Verhältnissen wie da sei auf der andern Seite auch eine Quelle. Die will ganz dasselbe wie die erstere; aber sie tut es nicht. Sie kann nämlich nicht als Wasserfall hinunterstürzen, sondern rinnt ganz hübsch in Form eines Baches oder Flusses hinunter. - Hat das Wasser andere Kräfte bei der zweiten Quelle als bei der ersten? Ganz offenbar nicht. Denn die zweite Quelle würde ganz dasselbe tun wie die erste, wenn der Berg sie nicht hinderte und nicht seine Kräfte hinaufschicken würde. Sind die Kräfte, die der Berg hinaufschickt, die Haltekräfte, nicht vorhanden, so wird sie wie die erste Quelle hinunterstürzen. Es kommen also zwei Kräfte in Betracht: Die Haltekraft des Berges und die Schwerkraft der Erde, vermöge der die eine Quelle hinunterstürzt. Die ist aber bei der anderen Quelle genau ebenso vorhanden, denn man kann sagen: Sie ist da, ich sehe, wie sie die Quelle herunterzieht. Wenn nun jemand ein Skeptiker wäre, so könnte er dies bei der zweiten Quelle leugnen und sagen: Da sieht man zunächst nichts, während bei der ersten Quelle jedes Wasserstäubchen heruntergezogen wird. Man muß also bei der zweiten Quelle in jedem Punkte hinzufügen die Kraft, welche der Schwerkraft entgegenwirkt, die Haltekraft des Berges.
 
Nehmen wir nun an, es käme jemand und sagte: Was du mir da von der Schwerkraft erzählst, glaube ich nicht recht, und das, was du mir von deiner Haltekraft sagst, glaube ich dir auch nicht. Ist der Berg dort die Ursache, daß die Quelle jenen Weg nimmt? Ich glaube es nicht. - Nun könnte man diesen fragen: Was glaubst du denn dann? - Er könnte antworten: Ich glaube, da unten ist etwas von dem Wasser; gleich darüber ist ebenso etwas von dem Wasser, darüber wieder und so weiter. Ich glaube, daß das Wasser, welches unten ist, von dem Wasser darüber hinuntergestoßen wird, und dieses obere Wasser wird von dem über ihm hinuntergestoßen. Jede darüberliegende Wasserpartie stößt immer die vordere hinunter. - Das ist ein beträchtlicher Unterschied. Der erste Mensch behauptet: Die Schwerkraft zieht die Wassermassen herunter. Der zweite dagegen sagt: Das sind Wasserpartien, die schieben immer die unter ihnen liegenden hinunter, und dadurch geht dann das darüberliegende Wasser hinterher.
 
Nicht wahr, es wäre ein Mensch recht albern, der von einer solchen Schieberei sprechen würde. Aber nehmen wir an, es handle sich nicht um einen Bach oder einen Strom, sondern um die Geschichte der Menschheit, und es würde ein solcher zuletzt Charakterisierter sagen: Das einzige, was ich dir glaube, ist dies: Jetzt leben wir im 20. Jahrhundert, da haben sich gewisse Ereignisse abgespielt; die sind bewirkt von solchen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts; diese letzteren sind wieder verursacht von denen im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts und diese wieder von denen aus dem ersten Drittel. - Das nennt man pragmatische Geschichtsauffassung, wo man in dem Sinne von Ursachen und Wirkungen spricht, daß man immer aus den betreffenden vorhergehenden Ereignissen die folgenden erklärt. So wie jemand die Schwerkraft leugnen und sagen kann, da schiebe bei den Wasserpartien immer jemand nach, so ist es auch, wenn jemand pragmatische Geschichte treibt und den Zustand im 19. Jahrhundert als eine Folge der Französischen Revolution erklärt. Wir freilich sagen: Nein, es sind noch andere Kräfte da außer denen, die da hinten schieben, die überhaupt gar nicht einmal im richtigen Sinne vorhanden sind. Denn geradesowenig wie jene Kräfte beim Bergstrome dahinten schieben, sowenig schieben die dahinterstehenden Ereignisse in der Geschichte der Menschheit; sondern es kommen immer neue Einflüsse aus der geistigen Welt, wie bei der Quelle die Schwerkraft immerfort wirkt; und mit anderen Kräften kreuzen sie sich, wie sich die Schwerkraft bei dem Strom kreuzt mit der Haltekraft des Berges. Wäre nur die eine Kraft vorhanden, dann würdest du sehen, daß die Geschichte ganz anders verläuft. Aber du siehst nicht die einzelnen Kräfte darin. Du siehst nicht das, was physische Weltentwickelung ist, was beschrieben wurde als Folge der Saturn-, Sonnen-, Mond- und Erdenentwickelung; und du siehst nicht das, was fortwährend mit den Menschenseelen vorgeht, welche die geistige Welt durchleben und wieder herunterkommen, was aus den geistigen Welten immer wieder in diese Entwickelung hereinkommt. Das leugnest du einfach.
 
Aber wir haben eine solche Geschichtsauffassung, die sich ausnimmt, wie wenn jemand mit solchen eben charakterisierten Anschauungen kommen würde, und sie ist nicht so besonders selten. Sie wurde sogar im 19. Jahrhundert als ungeheuer geistreich aufgefaßt. Was würden wir aber dazu sagen können von dem eben gewonnenen Gesichtspunkte aus? Wenn jemand von dem Bergstrome dasselbe behauptete wie von der Geschichte, so würde er einen absoluten Unsinn behaupten. Was liegt denn aber da vor, daß er denselben Unsinn behauptet in bezug auf die Geschichte? - Die Geschichte ist so kompliziert, daß man nicht merkt, daß sie als pragmatische Geschichte fast überall so vorgetragen wird; man merkt es nur nicht.
 
Wir sehen daraus, daß allerdings die Geisteswissenschaft, welche für die Auffassung des Lebens gesunde Prinzipien zu gewinnen hat, auf den mannigfaltigen Gebieten des Lebens etwas zu tun hat; daß tatsächlich eine gewisse Notwendigkeit besteht, das Denken erst zu lernen, sich erst bekanntzumachen mit den inneren Gesetzen und Impulsen des Denkens. Sonst kann einem nämlich allerlei Groteskes passieren. So zum Beispiel holpert, stolpert, humpelt einer gerade an dem Problem Denken und Sprache heute daher. Das ist der berühmte Sprachkritiker Fritz Mauthner, der jetzt auch ein großes philosophisches Wörterbuch geschrieben hat. Die dicke Mauthnersche «Kritik der Sprache» hat jetzt schon die zweite Auflage erlebt; es ist also ein berühmtes Buch für unsere Zeitgenossen geworden. Viel Geistreiches ist in diesem Buche enthalten, aber auch schreckliehe Dinge. So zum Beispiel kann man darin den kuriosen Denkfehler finden - und man stolpert fast nach jeder fünften Zeile über einen solchen Denkfehler -, daß der gute Mauthner die Nützlichkeit der Logik anzweifelt. Denn für ihn ist Denken überhaupt nur Sprechen, und dann hat es keinen Sinn, Logik zu treiben, dann treibt man nur Grammatik. Aber außerdem sagt er: Da es also eine Logik mit Recht gar nicht geben kann, so sind also die Logiker alle Toren gewesen. Schön. Und dann sagt er: Im gewöhnlichen Leben entstehen ja aus Schlüssen Urteile und aus Urteilen erst Vorstellungen. So machen es die Menschen. Wozu braucht man dann erst eine Logik, wenn die Menschen es so machen, daß sie aus Schlüssen Urteile, aus Urteilen Vorstellungen entstehen lassen? Wozu brauchen wir da eine Logik? - Es ist das ebenso geistreich, als wenn jemand sagte: Wozu braucht man eine Botanik? Im vorigen Jahr und vor zwei Jahren sind noch immer die Pflanzen gewachsen! - Aber solche Logik findet man bei dem, der die Logik verpönt. Es ist ja begreiflich, daß er sie verpönt. Man findet noch viel merkwürdigere Dinge in diesem sonderbaren Buche, das mit Bezug auf das Verhältnis zwischen Denken und Sprechen nicht zur Klarheit, sondern zur Konfusion kommt.
 
Ich sagte, daß wir einen Unterbau brauchen für die Dinge, die uns allerdings zu den Höhen geistiger Betrachtung führen sollen. Ein Unterbau, wie er heute ausgeführt worden ist, mag manchem etwas abstrakt erscheinen; aber wir werden ihn brauchen. Und ich denke, ich versuche die Sache doch so leicht zu machen, daß durchsichtig sein kann, worauf es ankommt. Besonders möchte ich Wert darauf legen, daß man schon durch solche einfachen Betrachtungen einen Begriff davon bekommen kann, wo die Grenze liegt zwischen dem Reiche der Geister der Form und dem Reiche der Geister der Bewegung. Daß man aber einen solchen Begriff bekommt, hängt innig damit zusammen, ob man überhaupt allgemeine Gedanken zugeben darf, ober ob man nur Vorstellungen oder Begriffe von einzelnen Dingen zugeben darf. Ich sage ausdrücklich: zugeben darf." {{Lit|{{G|151|9ff}}}}
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== Bildhaftes Denken ==
Das reine Denken ist die Vorstufe zur geistigen Wahrnehmung, zur [[Imagination]]. Im reinen Denken ''erleben'' wir zunächst die Gedankenlebewesen, aber wir ''schauen'' sie noch nicht. Damit sie sich zum imaginativen Bild erhellen, muss sich unsere Denktätigkeit am [[Lichtäther]] spiegeln. Und bevor sich nun diese von uns geschaffenen, aber selbstständig werdenden Elementarwesen von unserem Willen loslösen, schauen wir zuerst uns selbst, d.h. eigentlich unseren [[Astralleib]] in seiner wahren Gestalt, im Spiegel des Lichtäthers: Das ist die Begegnung mit dem kleinen [[Hüter der Schwelle]], der uns zunächst in seiner erschreckenden [[Drache]]ngestalt erscheint. Erst danach wird der geistige Blick zur weiteren geistigen Schau frei – zumindest sollte es bei einer gesunden geistigen Entwicklung so sein.
 
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"Dieses Denken, das fassen wir ... eigentlich als unser bloßes Eigentum auf, denn nicht nur, daß das Sprichwort besteht, Gedanken seien zollfrei, womit angedeutet werden soll, daß Gedanken wirklich nur Bedeutung haben für unser Einzelindividuum, sondern es besteht ja auch in weitesten Kreisen das Bewußtsein, daß jeder mit seinem Denken nur einen inneren Vorgang ausführt, daß dieses Denken mehr oder weniger nur eine Bedeutung für ihn selbst hat. Die Wirklichkeit ist aber eine ganz andere. Dieses Denken ist eigentlich ein Vorgang unseres Ätherleibes. Und von dem, was eigentlich geschieht beim Denken, weiß der Mensch das Allerwenigste. Das Allerwenigste von dem, was geschieht in seinem Denken, begleitet der Mensch mit seinem Bewußtsein. Indem der Mensch denkt, weiß er ja einiges von dem, was er denkt. Aber unendlich viel mehr wird als begleitendes Denken entfaltet schon beim Tagesdenken. Und dazu kommt, daß wir in der Nacht, wenn wir schlafen, fortdenken. Es ist nicht wahr, daß das Denken mit dem Einschlafen aufhört und mit dem Aufwachen wieder anfängt. Das Denken dauert fort. Und unter den mancherlei Traumesvorgängen, Vorgängen des Traumlebens, sind auch diese, daß der Mensch beim Aufwachen mit seinem Ich und astralischen Leib in seinen Ätherleib und physischen Leib untertaucht. Da taucht er unter und kommt in ein Gewoge hinein, in ein webendes Leben, von dem er, wenn er nur ein wenig zuschaut, wissen kann: das sind webende Gedanken, da tauche ich unter wie in ein Meer, das nur aus webenden Gedanken besteht. Mancher hat schon beim Aufwachen dann sich gesagt: Wenn ich mich nur erinnern könnte, was ich da gedacht habe, das war etwas sehr Gescheites, das würde mir ungeheuer viel helfen, wenn ich es mir jetzt erinnern könnte! Das ist kein Irrtum. Da unten ist wirklich etwas wie ein wogendes Meer; das ist eben die wogende, webende, ätherische Welt, die nicht so bloß eine etwas dünnere Materie ist, wie es so gerne die englische Theosophie darstellt, sondern die webende Gedankenwelt selbst ist, wirklich Geistiges ist. Man taucht in eine webende Gedankenwelt unter.
 
Das, was wir als Menschen sind, ist wirklich viel gescheiter als das, was wir als bewußte Menschen sind. Da bleibt nichts übrig, als es zu gestehen. Es wäre auch traurig, wenn wir nicht unbewußt gescheiter wären, als wir bewußt sind, denn sonst könnten wir nichts tun, als uns in jedem Leben auf der gleichen Stufe der Gescheitheit zu wiederholen. Aber wir tragen in der Tat schon im gegenwärtigen Leben mit uns, was wir werden können im nächsten Leben; denn das wird die Frucht sein. Und würden wir wirklich immer imstande sein, das zu erhäschen, in das wir da untertauchen, so würden wir viel erhaschen von dem, was wir im nächsten Leben sein werden. Also da unten wogt es und webt es; da ist der Keim für unsere nächste Verkörperung, und das nehmen wir in uns auf. Daher das Prophetische des Traumlebens. Das Denken ist etwas ungeheuer Kompliziertes, und nur einen Teil von dem, was da im Denken vor sich geht, nimmt der Mensch in sein Bewußtsein auf. Denn im Gedanken geht vor sich, was einen Zeitenprozeß bedeutet. Indem wir wachen Sinnes wahrnehmen, sind wir zugleich kosmische Menschen. Unser Vorgang des Sehens bewirkt das Leuchten, da sind wir kosmische Raumesmenschen. Durch das, was im Denken sich vollzieht, sind wir kosmische Zeitenmenschen, da wirkt alles mit, was schon vor unserer Geburt geschehen ist, was nach unserem Tode geschieht und so weiter. So nehmen wir durch unser Denken am ganzen kosmischen Prozeß der Zeit teil, durch unser Sinneswahrnehmen am ganzen kosmischen Prozeß des Raumes. Und nur der irdische Prozeß des Sinneswahrnehmens ist für uns selber...
 
Sowie man dem Denken jene Abstraktheit abstreift, die es für unser Bewußtsein hat, und untertaucht in jenes Meer der webenden Gedankenwelt, kommt man in die Notwendigkeit, dadrinnen nicht nur solche abstrakte Gedanken zu haben wie der Erdenmensch, sondern dadrinnen Bilder zu haben. Denn aus Bildern ist alles geschaffen, Bilder sind die wahren Ursachen der Dinge, Bilder liegen hinter allem, was uns umgibt, und in diese Bilder tauchen wir ein, wenn wir in das Meer des Denkens eintauchen. Diese Bilder hat Plato gemeint, diese Bilder haben alle gemeint, die von geistigen Urgründen gesprochen haben, diese Bilder hat Goethe gemeint, wenn er von seiner Urpflanze sprach. Diese Bilder findet man im imaginativen Denken. Aber dieses imaginative Denken ist eine Wirklichkeit, und darin tauchen wir ein, wenn wir in das wogende, im Strom der Zeit dahingehende Denken eintauchen." {{Lit|{{G|157|296f}}}}
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[[Datei:Pauli.jpg|miniatur|200px|Wolfgang Pauli 1945]]
Ohne selbst über geisteswissenschaftliche Kenntnisse zu verfügen, kam der österreichische [[Wikipedia:Quantenphysik|Quantenphysik]]er [[Wikipedia:Wolfgang Pauli|Wolfgang Pauli]] (1900 - 1958) aus seinen persönlichen Erfahrungen, die er sich in vielen Gesprächen und seinem umfangreichen Briefwechsel mit [[C. G. Jung]] zum klaren [[Bewusstsein]] bringen konnte, zu einer ähnlichen Darstellung:
 
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"Wenn man die vorbewusste Stufe der Begriffe analysiert, findet man immer Vorstellungen, die aus «symbolischen» Bildern mit im allgemeinen starkem emotionalen Gehalt bestehen. Die Vorstufe des Denkens ist ein malendes Schauen dieser inneren Bilder, deren Ursprung nicht allgemein und nicht in erster Linie auf Sinneswahrnehmungen ... zurückgeführt werden kann ...
 
Die archaische Einstellung ist aber auch die notwendige Voraussetzung und die Quelle der wissenschaftlichen Einstellung. Zu einer vollständigen Erkenntnis gehört auch diejenige der Bilder, aus denen die rationalen Begriffe gewachsen sind. ... Das Ordnende und Regulierende muss jenseits der Unterscheidung von «physisch» und «psychisch» gestellt werden - so wie Platos's «Ideen» etwas von Begriffen und auch etwas von «Naturkräften» haben (sie erzeugen von sich aus Wirkungen). Ich bin sehr dafür, dieses «0rdnende und Regulierende» «Archetypen» zu nennen; es wäre aber dann unzulässig, diese als psychische Inhalte zu definieren. Vielmehr sind die erwähnten inneren Bilder («Dominanten des kollektiven Unbewussten» nach Jung) die psychische Manifestation der Archetypen, die aber auch alles Naturgesetzliche im Verhalten der Körperwelt hervorbringen, erzeugen, bedingen müssten. Die Naturgesetze der Körperwelt wären dann die physikalische Manifestation der Archetypen. ... Es sollte dann jedes Naturgesetz eine Entsprechung innen haben und umgekehrt, wenn man auch heute das nicht immer unmittelbar sehen kann." {{Lit|Der Pauli-Jung Dialog, S 219}}
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Rudolf Steiner charakterisiert das Wesen dieser [[Urbild]]er so:
 
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"Vor allen Dingen muß betont werden, daß diese Welt aus dem Stoffe (auch das Wort «Stoff» ist natürlich hier in einem sehr uneigentlichen Sinne gebraucht) gewoben ist, aus dem der menschliche Gedanke besteht. Aber so wie der Gedanke im Menschen lebt, ist er nur ein Schattenbild, ein Schemen seiner wirklichen Wesenheit. Wie der Schatten eines Gegenstandes an einer Wand sich zum wirklichen Gegenstand verhält, der diesen Schatten wirft, so verhält sich der Gedanke, der durch den menschlichen Kopf erscheint, zu der Wesenheit im «Geisterland», die diesem Gedanken entspricht. Wenn nun der geistige Sinn des Menschen erweckt ist, dann nimmt er diese Gedankenwesenheit wirklich wahr, wie das sinnliche Auge einen Tisch oder einen Stuhl wahrnimmt. Er wandelt in einer Umgebung von Gedankenwesen. Das sinnliche Auge nimmt den Löwen wahr und das auf Sinnliches gerichtete Denken bloß den Gedanken des Löwen als ein Schemen, als ein schattenhaftes Bild. Das geistige Auge sieht im «Geisterland» den Gedanken des Löwen so wirklich wie das sinnliche den physischen Löwen. Wieder kann hier auf das schon bezüglich des «Seelenlandes» gebrauchte Gleichnis verwiesen werden. Wie dem operierten Blindgeborenen auf einmal seine Umgebung mit den neuen Eigenschaften der Farben und Lichter erscheint, so erscheint demjenigen, der sein geistiges Auge gebrauchen lernt, die Umgebung mit einer neuen Welt erfüllt, mit der Welt lebendiger Gedanken oder Geistwesen. – In dieser Welt sind nun zunächst die geistigen Urbilder aller Dinge und Wesen zu sehen, die in der physischen und in der seelischen Welt vorhanden sind. Man denke sich das Bild eines Malers im Geiste vorhanden, bevor es gemalt ist. Dann hat man ein Gleichnis dessen, was mit dem Ausdruck Urbild gemeint ist. Es kommt hier nicht darauf an, daß der Maler ein solches Urbild vielleicht nicht im Kopfe hat, bevor er malt; daß es erst während der praktischen Arbeit nach und nach vollständig entsteht. In der wirklichen «Welt des Geistes» sind solche Urbilder für alle Dinge vorhanden, und die physischen Dinge und Wesenheiten sind Nachbilder dieser Urbilder. – Wenn derjenige, welcher nur seinen äußeren Sinnen vertraut, diese urbildliche Welt leugnet und behauptet, die Urbilder seien nur Abstraktionen, die der vergleichende Verstand von den sinnlichen Dingen gewinnt, so ist das begreiflich; denn ein solcher kann eben in dieser höheren Welt nicht wahrnehmen; er kennt die Gedankenwelt nur in ihrer schemenhaften Abstraktheit. Er weiß nicht, daß der geistig Schauende mit den Geisteswesen so vertraut ist wie er selbst mit seinem Hunde oder seiner Katze und daß die Urbilderwelt eine weitaus intensivere Wirklichkeit hat als die sinnlich-physische.
 
Allerdings ist der erste Einblick in dieses «Geisterland» noch verwirrender als derjenige in die seelische Welt. Denn die Urbilder in ihrer wahren Gestalt sind ihren sinnlichen Nachbildern sehr unähnlich. Ebenso unähnlich sind sie aber auch ihren Schatten, den abstrakten Gedanken. – In der geistigen Welt ist alles in fortwährender beweglicher Tätigkeit*, in unaufhörlichem Schaffen. Eine Ruhe, ein Verweilen an einem Orte, wie sie in der physischen Welt vorhanden sind, gibt es dort nicht. Denn die Urbilder sind schaffende Wesenheiten. Sie sind die Werkmeister alles dessen, was in der physischen und seelischen Welt entsteht. Ihre Formen sind rasch wechselnd; und in jedem Urbild liegt die Möglichkeit, unzählige besondere Gestalten anzunehmen. Sie lassen gleichsam die besonderen Gestalten aus sich hervorsprießen; und kaum ist die eine erzeugt, so schickt sich das Urbild an, eine nächste aus sich hervorquellen zu lassen. Und die Urbilder stehen miteinander in mehr oder weniger verwandtschaftlicher Beziehung. Sie wirken nicht vereinzelt. Das eine bedarf der Hilfe des andern zu seinem Schaffen. Unzählige Urbilder wirken oft zusammen, damit diese oder jene Wesenheit in der seelischen oder physischen Welt entstehe." {{Lit|{{G|9|54f}}}}
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[[Immanuel Kant]] hielt einen solchen ''intellectus archetypus'', der der unmittelbaren Anschauung der Urbilder fähig ist zwar prinzipiell für möglich, meinte jedoch, dass sich der Mensch niemals zu diesem erheben könne. [[Goethe]] dachte anders:
 
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"Als ich die Kantische Lehre, wo nicht zu durchdringen, doch möglichst zu nutzen suchte, wollte mir manchmal dünken, der köstliche Mann verfahre schalkhaft ironisch, in dem er bald das Erkenntnisvermögen aufs engste einzuschränken bemüht schien, bald über die Grenzen, die er selbst gezogen hatte, mit einem Seitenwink hinausdeutete. Er mochte freilich bemerkt haben, wie anmaßend und naseweis der Mensch verfährt, wenn er behaglich, mit wenigen Erfahrungen ausgerüstet, sogleich unbesonnen abspricht und voreilig etwas festzusetzen, eine Grille, die ihm durchs Gehirn läuft, den Gegenständen aufzuheben trachtet. Deswegen beschränkt unser Meister seinen Denkenden auf eine reflektierende diskursive Urteilskraft, untersagt ihm eine bestimmende ganz und gar. Sodann aber, nachdem er uns genugsam in die Enge getrieben, ja zur Verzweiflung gebracht, entschließt er sich zu den liberalsten Äußerungen und überläßt uns, welchen Gebrauch wir von der Freiheit machen wollen, die er einigermaßen zugesteht. In diesem Sinne war mir folgende Stelle höchst bedeutend:
 
{{Zitat|Wir können uns einen Verstand denken, der, weil er nicht wie der unsrige diskursiv, sondern intuitiv ist, vom synthetisch Allgemeinen, der Anschauung eines Ganzen als eines solchen, zum Besondern geht, das ist, von dem Ganzen zu den Teilen: Hierbei ist gar nicht nötig zu beweisen, daß ein solcher intellectus archetypus möglich sei, sondern nur, daß wir in der Dagegenhaltung unseres diskursiven, der Bilder bedürftigen Verstandes (intellectus ectypus) und der Zufälligkeit einer solchen Beschaffenheit auf jene Idee eines intellectus archetypus geführt werden, diese auch keinen Widerspruch enthalte.|Immanuel Kant|Kritik der reinen Urteilsktaft, § 77 [http://www.zeno.org/Philosophie/M/Kant,+Immanuel/Kritik+der+Urteilskraft/Zweiter+Teil.+Kritik+der+teleologischen+Urteilskraft/Zweite+Abteilung.+Dialektik+der+teleologischen+Urteilskraft/%C2%A7+77.+Von+der+Eigent%C3%BCmlichkeit+des+menschlichen+Verstandes,+wodurch+uns+der+Begriff+eines+Naturzwecks+m%C3%B6glich+wird][http://gutenberg.spiegel.de/buch/3507/87]}}
 
Zwar scheint der Verfasser hier auf einen göttlichen Verstand zu deuten, allein wenn wir ja im sittlichen, durch Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit uns in eine obere Region erheben und an das erste Wesen annähern sollen: so dürft' es wohl im Intellektuellen derselbe Fall sein, daß wir uns, durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur zur geistigen Teilnahme an ihren Produktionen würdig machten. Hatte ich doch erst unbewußt und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, war es mir sogar geglückt, eine naturgemäße Darstellung aufzubauen, so konnte mich nunmehr nichts weiter verhindern, das Abenteuer der Vernunft, wie es der Alte vom Königsberge selbst nennt, mutig zu bestehen." {{Lit|Goethe, S 91}}
</div>
 
[[Rudolf Steiner]] machte aber auch deutlich, dass diese Art des imaginativen Denkens, die geistige Wahrnehmung der Urbilder, zeitweise in den Hintergrund treten musste, damit sich der Mensch im abstrakten bildlosen [[Intellekt]] zum selbstständigen Denken emporringen konnte. Die Reste des alten Hellsehens, das in der platonischen Ideenschau noch nachwirkte, mussten zunächst verblassen:
 
<div style="margin-left:20px">
"Die alte Zeit hat noch Überbleibsel gehabt vom alten Hellsehen, durch das in uralter Zeit die Menschen hineingeschaut haben in die geistige Welt, wo sie wirklich gesehen haben, wie es der Mensch tut, wenn er mit Ich und astralischem Leib draußen ist aus dem physischen und Ätherleib und im Kosmos draußen. Da würde der Mensch nie zur vollen Freiheit gekommen sein, zur Individualität; Unselbständigkeit wäre eingetreten, wenn es beim alten Hellsehen geblieben wäre. Der Mensch mußte das alte Hellsehen verlieren; er mußte gleichsam Besitz ergreifen von seinem physischen Ich. Das Denken, das er entwickeln würde, wenn er das ganze Gewoge unter dem Bewußtsein sehen würde, das als Denken, Fühlen, Wollen dort vorhanden ist, das würde ein himmlisches Denken sein, aber nicht das selbständige Denken. Wie kommt der Mensch zu diesem selbständigen Denken? Nun, denken Sie sich, daß Sie in der Nacht schlafen, Sie liegen im Bette. Das heißt, im Bette liegt der physische Leib und Ätherleib. Nun kommen beim Aufwachen von außen das Ich und der astralische Leib herein. Da wird fortgedacht im Ätherleib. Da tauchen jetzt das Ich und der astralische Leib unter, die fassen nun zunächst den Ätherleib. Aber es dauert nicht lange, denn in diesem Augenblick kann aufblitzen jenes: Was habe ich da nur gedacht, was war das doch Gescheites? Aber der Mensch hat die Begierde, gleich auch den physischen Leib zu ergreifen, und in diesem Moment entschwindet das alles; jetzt ist der Mensch ganz in der Sphäre des Erdenlebens darinnen. Es kommt also daher, daß der Mensch gleich den Erdenleib ergreift, daß er das feine Gewoge des ätherischen Denkens sich nicht zum Bewußtsein bringen kann. Der Mensch muß eben, um das Bewußtsein entwickeln zu können «ich bin es, der da denkt», seinen Erdenleib als Instrument ergreifen, sonst würde er nicht das Bewußtsein haben «ich bin es, der da denkt», sondern «der mich beschützende Engel ist es, der da denkt». Dieses Bewußtsein «ich denke» ist nur möglich durch das Ergreifen des Erdenleibes. Darum ist es notwendig, daß im Erdenleben der Mensch befähigt wird zum Gebrauche seines Erdenleibes. In der nächsten Zeit wird er immer mehr und mehr durch das, was die Erde ihm gibt, diesen Erdenleib ergreifen müssen. Sein berechtigter Egoismus wird immer größer und größer werden. Dem muß eben das Gegengewicht geschaffen werden dadurch, daß man auf der anderen Seite die Erkenntnisse gewinnt, die die Geisteswissenschaft gibt. Im Ausgangspunkt dieser Zeit stehen wir." {{Lit|{{G|157|300f}}}}
</div>
 
Heute ist die Zeit reif, um das imaginative Denken, das mit der [[platon]]ischen [[Idee]]nschau verdämmerte, auf neuer, höherer Stufe mit voll entwickletem Selbstbewusstsein wiederzugewinnen.
 
== Erlebte Gedanken und die Imagination des Knochensystems ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Meine «[[Philosophie der Freiheit]]» ist wenig verstanden worden,
weil die Leute nicht verstanden haben, sie zu lesen. Sie haben sie so
gelesen, wie man ein anderes Buch liest, aber meine «Philosophie der
Freiheit» ist nicht so gemeint wie andere Bücher. Meine «Philosophie
der Freiheit» lebt zunächst in Gedanken, aber in richtig erlebten Gedanken.
Nichterlebte Gedanken, abstrakte, logische Gedanken, wie
man sie heute in der Wissenschaft ganz allgemein hat, die erlebt man im
Gehirn. Solche Gedanken, wie ich sie in meiner «Philosophie der Freiheit
» ausgesprochen habe - jetzt kommt das Paradoxe -, erlebt man als
ganzer Mensch in seinem Knochensystem. Richtig als ganzer Mensch in
seinem Knochensystem. Und das noch Paradoxere möchte ich aussprechen
— das ist natürlich selbstverständlich geschehen, nur haben Sie es
nicht beachtet, weil Sie es nicht in Zusammenhang damit gebracht
haben -: wenn die Menschen meine «Philosophie der Freiheit» verstanden haben, haben sie mehrmals im Laufe des Lesens, und besonders
wenn sie fertig waren, von Skeletten geträumt. Das hängt zusammen
moralisch mit der ganzen Stellung der «Philosophie der Freiheit» gegenüber
der Freiheit der Welt. Freiheit besteht schon darin, daß man
von den Knochen aus die Muskeln des Menschen in der äußeren Weit
fortbewegt. Der Unfreie folgt seinen Trieben und Instinkten. Der Freie
richtet sich nach den Forderungen und Erfordernissen der Welt, die er
zuerst lieben muß. Er muß ein Verhältnis gewinnen zu dieser Welt. Das
drückt sich in der Imagination des Knochensystems aus. Innerlich ist
das Knochensystem dasjenige, was die erlebten Gedanken eben erlebt.
Also erlebte Gedanken erlebt man mit dem Knochensystem, mit seinem
ganzen Menschen, namentlich mit seinem ganzen eigentlich erdenfesten
Menschen. Es hat Leute gegeben, die wollten Bilder malen aus
meinen Büchern; sie haben mir allerlei Sachen gezeigt. Sie haben die
Gedanken der «Philosophie der Freiheit» in Bildform vorführen wollen.
Wenn man ihren Inhalt so malen will, muß man dramatische Szenen
aufführen, welche von menschlichen Skeletten ausgeführt werden.
Geradeso wie die Freiheit selbst etwas ist, wobei man sich alles bloß
Instinktiven entledigen muß, so ist dasjenige, was der Mensch erlebt,
indem er die Gedanken der Freiheit hat, etwas, wobei er sich seines
Fleisches und Blutes entledigen muß. Er muß Skelett werden, muß
erdhaft werden, die Gedanken müssen wirklich erdhaft werden." {{Lit|{{G|316|113f}}}}
</div>
 
== Literatur ==
#H. Atmanspacher, H. Primas, E. Wertenschlag-Birkhäuser (Hrsg.): ''Der Pauli-Jung-Dialog'', Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1995
#Goethes Werke, Vollständige Ausgabe in vierzig Teilen, Auf Grund der Hempelschen Ausgabe, Deutsches Verlagshaus Bong u. Co, Berlin Leipzig Wien Stuttgart, 38. Teil
#Mieke Mosmuller: ''Lebendiges Denken: Christus und das menschliche Denken'', Occident Verlag, Baarle Nassau 2015, ISBN 978-3000488412
#Rudolf Steiner: ''Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung '', [[GA 9]] (2003), ISBN 3-7274-0090-0 {{Schriften|009}}
#Rudolf Steiner: ''Westliche und östliche Weltgegensätzlichkeit'', [[GA 83]] (1981), ISBN 3-7274-0830-8 {{Vorträge|083}}
#Rudolf Steiner: ''Die okkulten Grundlagen der Bhagavad Gita'', [[GA 146]] (1992), ISBN 3-7274-1460-X {{Vorträge|146}}
#Rudolf Steiner: ''Der menschliche und der kosmische Gedanke'', [[GA 151]] (1990), ISBN 3-7274-1510-X {{Vorträge|151}}
#Rudolf Steiner: ''Menschenschicksale und Völkerschicksale'', [[GA 157]] (1981), ISBN 3-7274-1571-1 {{Vorträge|157}}
#Rudolf Steiner: ''Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung'', [[GA 161]] (1999), ISBN 3-7274-1610-6 {{Vorträge|161}}
#Rudolf Steiner: ''Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heikunst'', [[GA 316]] (2003), ISBN 3-7274-3160-1 {{Vorträge|316}}
 
{{GA}}


[[Kategorie:Denken]]
[[Kategorie:Tantra]] [[Kategorie:Theosophie]] [[Kategorie:Schulungsweg]]

Version vom 11. Mai 2021, 15:16 Uhr

Die 7 Hauptchakras des Menschen. Die Kundalinkraft ruht in schlangenartiger Gestalt zusammengerollt im untersten Chakra, dem vierblättrigen Wurzelchakra.

Kundalini (skrt., f., कुण्डलिनी, kuṇḍalinī, von kundala "gerollt, gewunden") auch Kundalini-Schlange, Schlangenkraft oder Shakti (eine Erscheinungsform der Göttin Devi) und gelegentlich auch Ishvari (skrt. ईश्वरी īśvarī „Herrin, Gebieterin“) genannt, ist nach der tantrischen Lehre die göttliche Kraft in ihrer individuellen Inkarnation im Menschen, die schlafende Lebenskraft oder Prana in seiner potentiellen, ruhenden Form, die Energie und Essenz des Lebens gleichermaßen, und hängt eng mit den (mütterlichen) Reproduktionskräften zusammen. Sie ist die Kraft im Menschen, die der mater, der Materie, am nächsten steht und bildet die Brücke zwischen der physischen und astralen Substanz. Zugleich ist sie das innerlich erregte Astrallicht, das die äußere Seelenwelt erleuchtet und dem hellsichtigen Blick sichtbar macht.

Die Kundalini-Kraft

Die Schlangenkraft

Die Kundalini-Kraft ruht am unteren Ende der Wirbelsäule, symbolisiert durch die in dreieinhalb Windungen zusammengerollte Schlange, die im Wurzelchakra, der vierblättrigen Lotosblume bewusstlos schläft. Einmal erweckt, kann sie zur höchsten Kraft der Liebe oder zur im höchsten Maß gesteigerten reinen Begierde werden. In Goethes Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie wird diese tief unbewusste Kraft durch die grüne Schlange repräsentiert. Man beachte auch die zwei Schlangen des Merkurstabes, die u.a. auch für die unbewusste (schwarz) und für die bewusste (weiß) Seite der Kundalinikraft stehen.

Kundalini-Feuer und Kundalini-Licht

Das Kundalinifeuer ist das Band, das den physischen Leib während des ganzen irdischen Lebens mit dem Astralleib verbindet, die sogenannte Silberschnur. Wenn im Schlaf die oberen Teile des Astralleibs aus dem Leib herausgehoben sind, erscheint die Silberschnur dem hellsichtigen Blick als feines silbrig leuchtendes Band, das in der Milzgegend in den Leib einmündet. Beim Tod reißt diese silberne Perlenschnur und der Astralleib kann nicht mehr in den Leib zurückkehren.

„Ich habe öfter gesagt, daß des Nachts des Menschen Astralleib herausgeht aus dem physischen Leib. Der Astralleib hängt dann im Schlafe nur durch einen dem Hellseher wahrnehmbaren astralischen Strang in der Gegend der Milz mit dem physischen Leibe zusammen. Die Milz hat nicht nur eine physische Aufgabe, sondern es ist auch ihre Funktion, den Zusammenhang des Physischen mit dem geistigseelischen Teil des Menschen zu vermitteln. Die Milz ist der Anknüpfungspunkt des physischen Leibes an den Astralleib. Daher können Sie in jedem Lehrbuch der Anatomie lesen, daß man über die Milz nichts Rechtes weiß. Die Milz ist eines derjenigen Organe, die an der Grenze der physischen Organe stehen. Der Astralleib, der also während des Schlafes nur durch die Milz mit dem physischen Leib verbunden ist, arbeitet daran, die Ermüdungsstoffe aus dem physischen Leib hinwegzuschaffen. Für den Hellseher erscheint der schlafende Mensch wie in eine merkwürdige Wolke gehüllt, die an dem physischen Leib fortwährend arbeitet.“ (Lit.:GA 96, S. 238)

„Wenn der Mensch im gewöhnlichen Zustand des Schlafens ist, so ist in der Regel der Astralkörper außerhalb des physischen Körpers. Je höher der Mensch entwickelt ist, desto weiter kann sich der Astralkörper entfernen. Die vollständige psychische Entwicklung besteht darin, daß man den Körper zurückläßt und im Astralen frei herumspaziert. Es gibt noch weitere Stadien. Der Astralkörper kann, während man schläft, die sonderbarsten Wanderungen machen, nur erinnern Sie sich nicht an diese nächtlichen Wanderungen. Sie können während der Nacht ein Bewußtsein davon haben, es aber nicht mitbringen in den Tag. Das höchste Stadium ist, wenn Sie sowohl im Schlafe als auch im physischen Leibe sich des astralen Bewußtseins bewußt sind. Sie können während der Nacht bekannte Menschen aufsuchen; sie werden aber nicht Erfahrungen von ähnlicher Art wie im Physischen machen können. Sie werden zum Beispiel nicht erfahren, was jetzt eine Person in Asien tut - das können Sie nicht erfahren. Wenn Sie aber von ihr etwas lernen wollen, so können Sie das, wenn Sie das in Ihr Tagesbewußtsein vollständig herübernehmen. Der Chela könnte nicht erfahren, ob ein Meister in Asien schreibt oder nicht schreibt oder ob und was er ißt und trinkt. Aber er kann unterrichtet werden im astralen Raum und das bewußt mitherübernehmen in das Tagesbewußtsein.

Wenn Sie einen solchen Astralleib ansehen, so haben Sie an einem Ort den physischen Körper mit seinen Nervenzentren, der für das physische Auge so aussieht, wie er bei Tage aussieht, und Sie haben irgendwo den Astralkörper mit seinen Sinnesorganen, so daß Sie sehen können: zu diesem Zentrum [des Astralkörpers] gehört der Sehnerv und zu diesem der Hörnerv. Nun entsteht die Frage: Was besteht für eine Verbindung zwischen dem Astralleib und dem physischen Leib, was kettet das astrale Ohr an das physische Ohr? Und warum kehrt der Astralkörper, [der während des Schlafens vom physischen Körper getrennt ist], wieder zurück? Es könnten interessante Fragen aufgeworfen werden. Nehmen wir zum Beispiel an, ein Mensch fühlte sich furchtbar unglücklich. Nun ist er während der Nacht in seinem Astralleib. Das Leid hat seinen Ursprung im Physischen. Er könnte nun den Entschluß fassen, [mit seinem Astralleib] nicht mehr zurückzukehren, dann wäre das ausgeführt, was man einen astralen Selbstmord nennen würde.

Also, was verbindet den astralischen Leib mit dem physischen Leib und seinen Organen, und was führt ihn wieder zurück? Da besteht eine Art von Band, eine Verbindung, die eine Zwischenmaterie ist zwischen physischer und astraler Materie. Und das nennt man das Kundalinifeuer. Wenn Sie einen schlafenden Menschen haben, so können Sie im Astralen immer den Astralkörper verfolgen. Sie haben einen leuchtenden Streifen bis dahin, wo der Astralkörper ist. Es ist immer der Ort aufzufinden. Wenn sich der Astralkörper entfernt, dann wird in demselben Maße das Kundalinifeuer dünner und dünner. Eine immer dünnere und dünnere Spur ist es; es wird immer mehr wie ein dünner Nebel. Wenn Sie nun dieses Kundalinifeuer genau ansehen, dann ist es nicht gleichförmig. Es werden in demselben gewisse Stellen leuchtender und dichter sein, und das sind die Stellen, welche das Astrale wieder zu dem Physischen hinführen. Der Sehnerv ist also durch ein dichteres Kundalinifeuer verbunden mit einem astralen Nerven.

Leadbeater wollte [in seinem Buch «Die Astral-Ebene»] nicht darauf eingehen zu sagen, ob ein solcher astraler Selbstmord möglich ist. Es kann das Kundalinifeuer mit dem Astralkörper nicht ganz aus dem physischen Leib herausgehoben werden. Würde es nun eintreten, daß ein Mensch den Entschluß faßt, nicht mehr zurückzukommen, so würde das Kundalinifeuer ihn fortwährend hinabziehen; es ist so, als ob er noch zum physischen Leib gehörte. Es ist die Spur des Kundalinifeuers, die er verfolgt. Wenn die Lebenskraft noch nicht erschöpft ist, so ist es sehr schwer, den Astralkörper aus dem physischen Körper herauszuheben. Es ist sehr schwer, wenn jemand an dem physischen Körper hängt, den er nicht mehr gebrauchen kann. In dieser Beziehung ist das Schicksal des Selbstmörders und das des Verunglückten nicht in erheblichem Maße voneinander verschieden.

Nun, bei dem höherentwickelten Menschen, an dem sich die Chakrams bewegen, da findet noch ein anderer Vorgang statt/' Er hat die Möglichkeit, das Kundalinifeuer willkürlich zurückzuziehen aus dem Organismus; gleichzeitig eröffnen sich von innen heraus entgegengesetzte Strömungen: Das, was früher bloß von außen hereingeströmt ist, das kann der Mensch jetzt willkürlich von innen heraus regeln; der ganze Vorgang kann jetzt willkürlich herbeigeführt werden.

Nun hat der Mensch eine vollkommene Verfügungsmöglichkeit über den Astralkörper erlangt. Nun bitte ich zu beachten, daß dieser Zustand immer mehr und mehr in der menschlichen Entwicklung eintritt. Heute sind es die psychisch Entwickelten, die einen solchen Astralkörper haben, aber der Mensch eilt allgemein einem solchen Zustand entgegen. Er wird die Möglichkeit zur Benützung seines Astralkörpers in der sechsten Rasse haben. Er wird einen physischen Körper und innerhalb desselben einen Astralkörper haben, den er auf diese Weise benützen kann. In der nächsten Runde aber werden die Menschen keinen physischen Körper, sondern nur noch einen Astralkörper haben, den sie dann frei benützen können, so wie wir Menschen heute den physischen Körper benutzen. Der physische Körper wird dann nicht mehr da sein; der unterste Körper wird dann der Astralkörper sein.“ (Lit.:GA 88, S. 236ff)

Als Kundalinilicht offenbart sich Kundalini als das Astrallicht, das aus dem Inneren kommt, und die geistige Welt beleuchtet und so die geistige Wahrnehmung erweckt. In einem Notizbuch Steiners aus dem Jahr 1906 heißt es:

„Man muß im Astralkörper selbst eine zweite Hälfte unterscheiden: wie der andere Pol beim Magneten.

Beim Manne ist der zweite Astralkörper weiblich; beim Weibe ist der zweite Astralkörper männlich, das heißt der Astralkörper ist hermaphroditisch. Das Kundalinifeuer ist nun die im zweiten Astralkörper erregte Tätigkeit, die zunächst Wärme und Licht ist.

Solange das Kundalinifeuer nicht erregt wird, tastet man zwischen den Gegenständen und Wesen der höheren Welt; wie in der Nacht zwischen den physischen Gegenständen. Ist das Kundalinifeuer da, so beleuchtet man sich selbst die Gegenstände.“ (Lit.: Beiträge 51/52, S. 21))

Dass sich Kundalini als Kundalinilicht und als Kundalinifeuer offenbart, weist auf die Polarität von Licht und Liebe, die sich im Zuge der geistigen Entwicklung durchdringen und zu einer Kraft verbinden müssen. Das ist auch das Hauptthema von Steiners erstem Mysteriendrama Die Pforte der Einweihung. Im 11. Bild sagt Theodosius, der den Geist der Liebe repräsentiert, zur andren Maria, deren Urbild sich im Verlauf des Dramas als Seele der Liebe offenbart (Lit.: GA 14, S. 150f):

Es war dein Schicksal eng verbunden
Mit deiner höhern Schwester Leben.
Ich konnte ihr der Liebe Licht,
Doch nicht der Liebe Wärme geben,
So lange du beharren wolltest,
Dein Edles aus dem dunklen Fühlen nur
In dir erstehn zu lassen,
Und nicht in vollem Weisheitslichte
Es klar zu schauen dir erstrebtest.
In dunkler Triebe Wesen reicht
Des Tempels Einfluß nicht,
Auch wenn sie Gutes wirken wollen.

Das Kundalini-Feuer als Grundlage einer spirituellen Anatomie

„Es gibt eine Beschreibung des Menschen auf Grund der äußerlichen Untersuchung der einzelnen Teile seines Organismus. Aber in alten mystischen und okkulten Werken kann man den Menschen ebenfalls beschrieben finden. Diese Beschreibungen sind aber auf ganz andere Weise zustande gekommen als durch anatomische Untersuchungen. Sie sind sogar weit genauer und viel richtiger, als was der Anatom von heute beschreibt, denn dieser beschreibt nur den Leichnam. Die alten Beschreibungen sind so gewonnen, daß die Schüler durch Meditation, durch innere Erleuchtung sich selbst sichtbar wurden. Durch das sogenannte Kundalinifeuer kann der Mensch sich von innen heraus betrachten. Es gibt verschiedene Stufen dieser Betrachtung. Die genaue, richtige Betrachtung tritt zuerst symbolisch auf. Wenn der Mensch sich zum Beispiel auf sein Rückenmark konzentriert, sieht er in der Tat immer die Schlange. Er träumt vielleicht auch von der Schlange, weil diese das Wesen ist, das äußerlich in die Welt hinausversetzt wurde, als das Rückenmark sich bildete und auf dieser Stufe stehengeblieben ist. Die Schlange ist das äußerliche, in die Welt hinausversetzte Rückenmark. Diese bildhafte Art, die Dinge zu sehen, ist das astrale Schauen (Imagination). Aber erst durch das mentale Schauen (Inspiration) ergibt sich die völlige Bedeutung.“ (Lit.:GA 93a, S. 19)

„Alle Dinge, die jetzt durch die Anatomie allein bekannt sind, wurden damals auf ganz andere Weise bekannt. Die okkulten Forscher untersuchten mit Hilfe des Kundalinilichtes. Ein Schüler wurde in folgender Weise darauf vorbereitet. Er kam zu einem Meister. Wurde er von diesem als zuverlässig erkannt, so bekam er als Unterricht nicht etwa eine Lehre - heute ist das anders geworden, heute muß der Mensch durch den Verstand und die Begriffe seinen Weg nehmen -, sondern der Meister sagte ihm etwa: Du mußt jeden Tag mehrere Stunden, zunächst etwa sechs Wochen lang, in Meditation verbringen und dich einem der ewigen Sätze hingeben, dich ganz in ihn vertiefen. - Heutzutage kann der Mensch das nicht, weil das Leben mit der heutigen Kultur zu viele Anforderungen an ihn stellt. Damals aber meditierte der Schüler sechs bis zehn Stunden täglich. Er kann das jetzt nicht, ohne sich aus der Kultur herauszuziehen. Damals brauchte der Schüler fast keine Zeit für die Kultur. Seine Nahrung fand er draußen. Er verwendete daher seine Zeit zur Meditation, vielleicht zehn Stunden ununterbrochen. Da kam er sehr bald dazu, daß er den damals noch nicht so dicht gewordenen Körper dahin brachte, daß im Inneren das Kundalinilicht erwachte. Dieses ist für das Innere, was für die Außenwelt das Sonnenlicht ist. In Wahrheit sehen wir auch draußen nicht Gegenstände, sondern das zurückgestrahlte Sonnenlicht. In dem Augenblicke, wo wir imstande sind, mit Hilfe des Kundalinilichtes die Seele zu beleuchten, wird die Seele so sichtbar, wie ein von der Sonne beschienener Gegenstand. So erleuchtet sich für den Jogaschüler allmählich der ganze innere Leib. Alle alten Anatomien sind von innen, durch innere Beleuchung gesehen. So redeten die [indischen] Mönche, die ihre Erfahrungen in Legenden umsetzten, von dem, was sie durch das Kundalinilicht geschaut hatten.“ (Lit.:GA 93a, S. 91f)

Die Erweckung der Kundalini-Kraft

Die Erweckung der Kundalini-Kraft erfolgt auf einem entsprechenden Schulungsweg, etwa auf dem des Kundalini-Yoga. Dabei steigt die Kundalini-Kraft in der Regel schrittweise von unten nach oben auf, wobei nach und nach die über dem Wurzelchakra liegenden Lotosblumen im Prozess des Satchakrabedha (skrt. Sechschakrendurchstechen) "durchstochen" werden. Erst wenn die Kundalini-Kraft das Scheitelchakra erreicht, vereinigt sie sich mit den kosmisch-spirituellen Kräften, der Weltseele, denen Kundalini ihren Ursprung verdankt und dann erwacht das astrale Hellsehen. Das Scheitelchakra ist allerdings nur schwer zu erreichen, oft zieht sich die Kundalinikraft auch wieder zurück, ehe sie noch das zehnblättrige Nabelchakra erreicht. Deswegen, und weil dieser Weg, unmittelbar vom Wurzelchakra aufzusteigen, mit Gefahren verbunden ist, da diese tief unbewussten Kräfte nur schwer zu beherrschen sind und sehr leicht eine zerstörerische Wirkung bis in die Physis hinein hervorrufen können, wird in vielen Schulen daher zuerst das Herzzentrum entwickelt, von dem aus die Entwicklung viel bewusster geführt werden kann.

Die Erweckung der Kundalini führt zu einer nicht fieberartigen Erhöhung der Körpertemperatur, die vorallem als aufsteigende Wärme entlang der Wirbelsäule spürbar wird. Manchmal kündigt sich das Erwachen der Kundalini auch in den Träumen an. Gelegentlich kann die Kundalini auch spontan ohne entsprechende Schulung erwachen, was oft von Fieberschüben und dem Hören von Stimmen, intensiven Visionen oder einem euphorischen Glücksgefühl begleitet sein kann, die leicht als Anzeichen geistiger Erkrankungen missdeutet werden können. Das Erwachen der Kundalinikraft kann von Hitzewallungen, aber auch von Kälteschüben begleitet sein. Auch unwillkürliche Zuckungen, spontane Nickbewegungen des Kopfes und starkes Zittern am ganzen Körper können auftreten, ein Taubheitsgefühl in den Extremitäten, Schwankungen des Sexualtriebs, manchmal auch zeitweilige oder sogar auch chronische, schwer fassbare stechende Schmerzempfindungen am ganzen Körper, sowie plötzliche Lautäußerungen, spontanes Lachen und/oder Weinen[1].

Manche Schulen des tibetischen Buddhismus geben spezielle Meditationstechniken, durch die gezielt die intensive körperliche "Erhitzung" hervorgerufen wird, etwa durch die klassische Methode des Tummo, bei der die bewusste Beherrschung des leiblichen Wärmehaushalts unter extremen Bedingungen angestrebt wird; die Mönche hüllen dazu im tiefsten Winter ihren Körper in mit Eiswasser getränkte Wolldecken und steigern durch Meditation und Atemübungen die Körpertemperatur, bis die feuchten Decken zu dampfen beginnen.

Über die Aktivierung der Lotosblumen und die Ausbildung des Herzzentrums schreibt Rudolf Steiner.

„Je weiter nun der Mensch in seiner Seelenentwickelung fortschreitet, desto regelmäßiger gegliedert wird sein Seelenorganismus. Beim Menschen mit einem unentwikkelten Seelenleben ist er verworren, ungegliedert. Aber auch in einem solchen ungegliederten Seelenorganismus kann der Hellseher ein Gebilde wahrnehmen, das sich deutlich von der Umgebung abhebt. Es verläuft vom Innern des Kopfes bis zur Mitte des physischen Körpers. Es nimmt sich aus wie eine Art selbständiger Leib, welcher gewisse Organe hat. Diejenigen Organe, die hier zunächst besprochen werden sollen, werden in der Nähe folgender physischer Körperteile geistig wahrgenommen: das erste zwischen den Augen, das zweite in der Nähe des Kehlkopfes, das dritte in der Gegend des Herzens, das vierte liegt in der Nachbarschaft der sogenannten Magengrube, das fünfte und sechste haben ihren Sitz im Unterleibe. Diese Gebilde werden von den Geheimkundigen «Räder» (Chakrams) oder auch «Lotusblumen» genannt. Sie heißen so wegen der Ähnlichkeit mit Rädern oder Blumen; doch muß man sich natürlich klar darüber sein, daß ein solcher Ausdruck nicht viel zutreffender ist, als wenn man die beiden Lungenteile «Lungenflügel» nennt. Wie man sich hier klar ist, daß man es nicht mit «Flügeln» zu tun hat, so muß man auch dort nur an eine vergleichsweise Bezeichnung denken. Diese «Lotusblumen» sind nun beim unentwickelten Menschen von dunklen Farben und ruhig, unbewegt. Beim Hellseher aber sind sie in Bewegung und von leuchtenden Farbenschattierungen. Auch beim Medium ist etwas Ähnliches der Fall, doch in anderer Art. Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden. - Wenn nun ein Geheimschüler mit seinen Übungen beginnt, so ist das erste, daß sich die Lotusblumen aufhellen; später beginnen sie sich zu drehen. Wenn dies letztere eintritt, so beginnt die Fähigkeit des Hellsehens. Denn diese «Blumen» sind die Sinnesorgane der Seele. Und ihre Drehung ist der Ausdruck dafür, daß im Übersinnlichen wahrgenommen wird. Niemand kann etwas Übersinnliches schauen, bevor sich seine astralen Sinne in dieser Art ausgebildet haben.“ (Lit.:GA 10, S. 116ff)

„Die Lotusblumen werden an dem astralischen Leibe bewußt. In dem Zeitpunkte, in dem man die eine oder die andere entwickelt hat, weiß man auch, daß man sie hat. Man fühlt, daß man sich ihrer bedienen kann und daß man durch ihren Gebrauch in eine höhere Welt wirklich eintritt. Die Eindrücke, welche man von dieser Welt erhält, gleichen in mancher Beziehung noch denen der physisch-sinnlichen. Wer imaginativ erkennt, wird von der neuen höheren Welt so sprechen können, daß er die Eindrücke als Wärme- oder Kälteempfindungen, Ton- oder Wortwahrnehmungen, Licht- oder Farbenwirkungen bezeichnet. Denn wie solche erlebt er sie. Er ist sich aber bewußt, daß diese Wahrnehmungen in der imaginativen Welt etwas anderes ausdrücken als in der sinnlich-wirklichen. Er erkennt, daß hinter ihnen nicht physisch-stoffliche Ursachen, sondern seelisch-geistige stehen. Wenn er etwas wie einen Wärmeeindruck hat, so schreibt er diesen nicht zum Beispiel einem heißen Stück Eisens zu, sondern er betrachtet ihn als Ausfluß eines seelischen Vorganges, wie er ihn bisher nur in seinem seelischen Innenleben gekannt hat. Er weiß, daß hinter den imaginativen Wahrnehmungen seelische und geistige Dinge und Vorgänge stehen, wie hinter den physischen Wahrnehmungen stofflich-physische Wesen und Tatsachen.“ (Lit.:GA 13, S. 259f)

„Wenn die Geheimschulung so weit gekommen ist, daß die in den vorhergehenden Abschnitten gekennzeichneten Lotusblumen sich zu bewegen beginnen, dann hat der Schüler auch bereits manches von dem vollzogen, was zur Hervorrufung ganz bestimmter Strömungen und Bewegungen in seinem Ätherkörper führt. Der Zweck dieser Entwickelung ist, daß sich in der Gegend des physischen Herzens eine Art Mittelpunkt bildet, von dem Strömungen und Bewegungen in den mannigfaltigsten geistigen Farben und Formen ausgehen. Dieser Mittelpunkt ist in Wirklichkeit kein bloßer Punkt, sondern ein ganz kompliziertes Gebilde, ein wunderbares Organ. Es leuchtet und schillert geistig in den allerverschiedensten Farben und zeigt Formen von großer Regelmäßigkeit, die sich mit Schnelligkeit verändern können. Und weitere Formen und Farbenströmungen laufen von diesem Organ nach den Teilen des übrigen Körpers und auch noch über diesen hinaus, indem sie den ganzen Seelenleib durchziehen und durchleuchten. Die wichtigsten dieser Strömungen aber gehen zu den Lotusblumen. Sie durchziehen die einzelnen Blätter derselben und regeln ihre Drehung; dann strömen sie an den Spitzen der Blätter nach außen, um sich im äußeren Raum zu verlieren. Je entwickelter ein Mensch ist, desto größer wird der Umkreis, in dem sich diese Strömungen verbreiten.

In einer besonders nahen Beziehung steht die zwölfblätterige Lotusblume zu dem geschilderten Mittelpunkte. In sie laufen unmittelbar die Strömungen ein. Und durch sie hindurch gehen auf der einen Seite Strömungen zu der sechzehnblätterigen und der zweiblätterigen, auf der anderen (unteren) Seite zu den acht-, sechs- und vierblätterigen Lotusblumen. In dieser Anordnung liegt der Grund, warum auf die Ausbildung der zwölfblätterigen Lotusblume bei der Geheimschulung eine ganz besondere Sorgfalt verwendet werden muß. Würde hier etwas verfehlt, so müßte die ganze Ausbildung des Apparates eine unordentliche sein.“ (Lit.:GA 10, S. 140ff)

„Hat es der Geheimschüler zu einem solchen Leben in seinem höheren Ich gebracht, dann - oder vielmehr schon während der Aneignung des höheren Bewusstseins - wird ihm klar, wie er die geistige Wahrnehmungskraft in dem in der Herzgegend erzeugten Organ zum Dasein erwecken und durch die in den vorigen Kapiteln charakterisierten Strömungen leiten kann. Diese Wahrnehmungskraft ist ein Element von höherer Stofflichkeit, das von dem genannten Organ ausgeht und in leuchtender Schönheit durch die sich bewegenden Lotusblumen und auch durch die anderen Kanäle des ausgebildeten Ätherleibes strömt. Es strahlt von da nach außen in die umgebende geistige Welt und macht sie geistig sichtbar, wie das von außen auf die Gegenstände fallende Sonnenlicht diese physisch sichtbar macht.

Wie diese Wahrnehmungskraft im Herzorgane erzeugt wird, das kann nur allmählich im Ausbilden selbst verstanden werden.

Deutlich als Gegenstände und Wesen wahrnehmbar wird die geistige Welt eigentlich erst für einen Menschen, der in solcher Art das charakterisierte Wahrnehmungsorgan durch seinen Ätherleib und nach der Außenwelt senden kann, um damit die Gegenstände zu beleuchten. - Man sieht daraus, dass ein vollkommenes Bewusstsein von einem Gegenstande der geistigen Welt nur unter der Bedingung entstehen kann, dass der Mensch selbst das Geisteslicht auf ihn wirft. In Wahrheit wohnt nun das «Ich», welches dieses Wahrnehmungsorgan erzeugt, gar nicht im physischen Menschenkörper, sondern, wie gezeigt worden ist, außerhalb desselben. Das Herzorgan ist nur der Ort, wo der Mensch von außen her dieses geistige Lichtorgan entfacht. Würde er es nicht hier, sondern an einem anderen Orte entzünden, so hätten die durch dasselbe zustande gebrachten geistigen Wahrnehmungen keinen Zusammenhang mit der physischen Welt. Aber der Mensch soll ja alles höhere Geistige eben auf die physische Welt beziehen und durch sich in die letztere hereinwirken lassen. Das Herzorgan ist gerade dasjenige, durch welches das höhere Ich das sinnliche Selbst zu seinem Werkzeug macht und von dem aus dies letztere gehandhabt wird.“ (Lit.:GA 10, S. 163ff)

„Durch diejenigen Übungen, welche zur Erlangung von Inspiration und Intuition unternommen werden, treten im menschlichen Äther- oder Lebensleib besondere Bewegungen, Gestaltungen und Strömungen auf, welche vorher nicht da waren. Sie sind eben die Organe, durch welche der Mensch das «Lesen der verborgenen Schrift» und das, was darüber hinausliegt, in den Bereich seiner Fähigkeiten aufnimmt. Für das übersinnliche Erkennen stellen sich die Veränderungen im Ätherleibe eines Menschen, der zur Inspiration und Intuition gelangt ist, in der folgenden Art dar. Es wird, ungefähr wie in der Gegend nahe dem physischen Herzen, ein neuer Mittelpunkt im Ätherleibe bewußt, der sich zu einem ätherischen Organe ausgestaltet. Von diesem laufen Bewegungen und Strömungen nach den verschiedenen Gliedern des menschlichen Leibes in der mannigfaltigsten Weise. Die wichtigsten dieser Strömungen gehen zu den Lotusblumen, durchziehen dieselben und ihre einzelnen Blätter und gehen dann nach außen, wo sie wie Strahlen sich in den äußeren Raum ergießen. Je entwickelter der Mensch ist, desto größer ist der Umkreis um ihn herum, in dem diese Strömungen wahrnehmbar sind. Der Mittelpunkt in der Gegend des Herzens bildet sich aber bei regelrechter Schulung nicht gleich im Anfang aus. Er wird erst vorbereitet. Zuerst entsteht als ein vorläufiger Mittelpunkt ein solcher im Kopfe; der rückt dann hinunter in die Kehlkopfgegend und verlegt sich zuletzt in die Nähe des physischen Herzens. Würde die Entwickelung unregelmäßig sein, so könnte sogleich in der Herzgegend das in Rede stehende Organ gebildet werden. Dann läge die Gefahr vor, daß der Mensch, statt zur ruhigen, sachgemäßen übersinnlichen Schauung zu kommen, zum Schwärmer und Phantasten würde. In seiner weiteren Entwickelung gelangt der Geistesschüler dazu, die ausgebildeten Strömungen und Gliederungen seines Ätherleibes unabhängig zu machen von dem physischen Leibe und sie selbständig zu gebrauchen. Es dienen ihm die Lotusblumen dabei als Werkzeuge, durch welche er den Ätherleib bewegt. Bevor dieses geschieht, müssen sich aber in dem ganzen Umkreis des Ätherleibes besondere Strömungen und Strahlungen gebildet haben, welche ihn wie durch ein feines Netzwerk in sich abschließen und zu einer in sich geschlossenen Wesenheit machen. Wenn das geschehen ist, können ungehindert die im Ätherleibe sich vollziehenden Bewegungen und Strömungen sich mit der äußeren seelisch-geistigen Welt berühren und mit ihnen sich verbinden, so daß äußeres geistig-seelisches Geschehen und inneres (dasjenige im menschlichen Ätherleibe) ineinanderfließen. Wenn das geschieht, ist eben der Zeitpunkt eingetreten, in dem der Mensch die Welt der Inspiration bewußt wahrnimmt. Dieses Erkennen tritt in einer anderen Art auf als das Erkennen in bezug auf die sinnlich-physische Welt. In dieser bekommt man durch die Sinne Wahrnehmungen und macht sich dann über diese Wahrnehmungen Vorstellungen und Begriffe. Beim Wissen durch die Inspiration ist es nicht so. Was man erkennt, ist unmittelbar, in einem Akte da; es gibt nicht ein Nachdenken nach der Wahrnehmung. Was für das sinnlich-physische Erkennen erst hinterher im Begriffe gewonnen wird, ist bei der Inspiration zugleich mit der Wahrnehmung gegeben. Man würde deshalb mit der seelisch-geistigen Umwelt in eins zusammenfließen, sich von ihr gar nicht unterscheiden können, wenn man das oben charakterisierte Netzwerk im Ätherleibe nicht ausgebildet hätte.“ (Lit.:GA 13, S. 273ff)

Die Schlange als Symbol für das selbstständige Ich

„In der Entwickelung der Erde kam nun ein Zeitpunkt, wo in dem gemeinsamen Leben und Weben des Erdengeistes eine Besonderung eintrat. Es schloß sich ein Teil ab, wie in ein Rohr hinein. Erst als dieser Zeitpunkt eintrat, war es überhaupt möglich, daß Wesen entstehen, die auch Sonderwesen werden können. Die anderen sind Glieder einer Erdenseele. Jetzt erst beginnt ein besonderer Grad von Sonderung. Jetzt beginnt erst die Möglichkeit, daß einmal etwas zu sich «Ich» sagen kann. Diese Tatsache, daß zwei Epochen auf der Erde sind, erstens die Epoche, in der es auf der Erde noch keine Tiere gab mit einem in ein Knochenrohr eingeschlossenen Nervensystem, zweitens die Epoche, in welcher dann solche entstanden, wird in allen Religionen besonders ausgedrückt. Die Schlange schließt zuerst das selbstlose, ungesonderte Schauen des Erdengeistes in ein Rohr ein, und bildet so den Grund zur Ichheit. Das prägten die esoterischen Lehrer den Schülern ein, so daß sie es empfinden konnten: Seht ihr die Schlange an, so seht ihr das Merkzeichen für euer Ich. - Dabei mußten sie lebhaft empfinden, daß das zusammengehört, das selbständige Ich und die Schlange.“ (Lit.:GA 93a, S. 18f)

Die zukünftige Bedeutung der Kundalini-Kraft

Die Kundalini-Kraft wirkt heute noch weitgehend unbewusst im Menschen. Sie wird aber künftig noch eine viel größere Bedeutung bekommen, wenn wir lernen sie bewusst zu beherrschen. Es liegt darin eine harmonisierende Kraft, die die ganze Menschheit zur Brüderlichkeit führen kann - und diese Entwicklung nimmt ihren Ausgang von der Musik:

„Wenn die fünfte Wurzelrasse ihr Ende erreicht haben wird und die sechste Wurzelrasse im Aufgang sein wird, wird sich auf dem Gebiete des bewußten Verstandes ein Einfluß herausgebildet haben, der jetzt während der fünften Unterrasse noch sehr zurücktritt, der sich aber bereits herausbildet. Es ist etwas, was vom Musikalischen ausgeht. Die Bedeutung der Musik wird in der fünften Unterrasse immer mehr und mehr zum Ausdruck kommen. Die Musik wird nicht bloß Kunst sein, sondern Ausdrucksmittel werden für ganz andere Dinge als rein Künstlerische. Hier liegt etwas, was hindeutet auf den Einfluß eines ganz bestimmten Prinzipes auf den physischen Plan. Es werden auf dem Gebiete der Musik oder des Musik-Ähnlichen die bedeutsamsten Impulse von den Initiierten der fünften Wurzelrasse gegeben werden. Was einfließen muß in die fünfte Wurzelrasse, und zwar auf dem Gebiete des bewußten Verstandeslebens, das ist das, was man das Kundalinifeuer nennt. Das ist eine Kraft, die jetzt noch im Menschen schlummert, aber immer mehr und mehr Bedeutung gewinnen wird. Heute hat sie schon einen großen Einfluß, eine große Bedeutung in dem, was durch den Sinn des Gehöres wahrgenommen wird. Während der weiteren Entwicklung in der sechsten Unterrasse der fünften Wurzelrasse wird dieses Kundalinifeuer großen Einfluß gewinnen auf das, was im menschlichen Herzen lebt. Das menschliche Herz wird wirklich jenes Kundalinifeuer in sich haben. Der Mensch wird dann durchdrungen sein von einer besonderen Kraft, die in seinem Herzen leben wird, so daß er in der sechsten Wurzelrasse nicht mehr unterscheiden wird sein eigenes Wohl von dem Wohle der Gesamtheit. Der Mensch wird von dem Kundalinilicht so durchdrungen sein, daß er das Prinzip der Liebe als seine ureigenste Natur haben wird.

In der siebenten Unterrasse wird zwar die ganze große Menschheit in einem wahren Chaos sein, denn die Wurzelrasse wird dann nahe dem Untergange sein. Aber ein kleiner Teil der Menschen der siebenten Unterrasse werden die wahren Söhne des Kundalinifeuers sein. Sie werden durchdrungen sein mit allen Kräften des Kundalinifeuers; sie werden den Stoff abgeben zur nächsten Wurzelrasse, für diejenigen, welche die Weiterentwicklung der Menschheit lenken. So steuert die fünfte Wurzelrasse zu jenen Höhen, wo das göttliche Feuer, das Kundalinifeuer, mit heiligem Pathos das göttliche Prinzip im Innern der Menschen anfachen wird, so daß nicht mehr der Mensch vom Menschen getrennt sein wird, sondern, soweit der denkende Verstand reicht, eine Brüderlichkeit herbeigeführt sein wird. Dieses Feuer wird dereinst in den Menschen leben. Und in denjenigen Menschen, welche im Verlaufe der fünften Wurzelrasse initiiert werden, lebt schon eine Andeutung dieses göttlichen Feuers, in dem die Kraft der Brüderlichkeit ist und das die Abgesondertheit der Menschen aufheben wird. Aber es arbeitet sich erst durch, es kommt erst in den Anfängen heraus, es ist noch verhüllt, verschleiert durch das, was die sondernden Leidenschaften der Menschen, die trennenden Gewalten des Kama sind. Und da, wo es als Vorverkünder einer kommenden Zeit im Einzelnen auftritt, nimmt es eine andere Gestalt, einen ganz anderen Charakter an. Auf dem Plane der Täuschung ist das göttliche Feuer der göttliche Zorn. Erst dann, wenn die Brüderlichkeit die ganze Menschheit durchfluten wird, ist es die göttliche Liebe. Solange es aber im Einzelnen als Eifer sich geltend macht, ist es der göttliche Zorn, und er macht sich gerade dadurch als starke Gewalt im Einzelnen geltend, weil die übrige Menschheit noch nicht reif ist.“ (Lit.:GA 92, S. 101ff)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Bonnie Greenwell: Kundalini, Lübbe Verlag (1998), ISBN 3-7857-0915-3