Optische Aktivität

Aus AnthroWiki

Die optische Aktivität besteht in der Eigenschaft mancher transparenter Stoffe, die Polarisationsrichtung des Lichts in eine bestimmte Richtung zu drehen. Sie tritt nur bei Stoffen mit asymmetrischer (chiraler) Molekül- oder Kristallstruktur auf. Legt man allerdings ein äußeres Magnetfeld parallel zur Ausbreitungsrichtung des Lichtes an, so wird jeder beliebige Stoff optisch aktiv. Dieser magnetooptische Effekt wurde am 13. September 1845 von Michael Faraday entdeckt und nach ihm als Faraday-Effekt benannt.

Grundlagen

Der physikalische Träger des Lichts ist eine transversale elektromagnetische Welle. Bei linear polarisiertem Licht schwingt diese Welle mit konstanter Richtung quer zur Ausbreitungsrichtung des Lichts. Diese lineare polarisierte Welle kann man gedanklich in zwei gegenläufige zirkular polarisierte Wellen mit gleicher Frequenz zerlegen. Bei der einen Welle dreht sich die Polarisationsebene nach links, bei der anderen mit gleicher Geschwindigkeit nach rechts. In Summe resultiert daraus die konstante Schwingungsrichtung des linear polarisierten Lichts.

Nun sind Atome (und ebenso Moleküle) nach Rudolf Steiner strukturell aufzufassen als ideelle Rauminhalte; das Inhaltliche ist das Ergebnis einander begegnender Kräfterichtungen[1], wobei Kraft hier als einseitig räumliche (luziferische[2]) Offenbarung des Geistes verstanden wird. Interessant sind in diesem Zusammenhang die elektrischen und magnetischen Kräfte, die auch das die physikalischen Träger des Lichts sind.

Fällt nun Licht durch einen durchsichtigen Stoff, so tritt es mit den Molekülen des Stoffs in eine Wechselwirkung, die von dessen elektrischen und magnetischen Eigenschaften abhängt, die sich dem Licht entgegenstellen. Die Geschwindigkeit, mit der das Licht das Medium durcheilt, wird durch diese Wechselwirkung herabgesetzt. Normalerweise betrifft das die beiden gegenläufig zirkular polarisierten Wellen in gleichem Maß, sodass sich die Polarisationsrichtung in Summe nicht verändert.

Bei asymmetrisch gebauten optisch aktiven Medien ist das anders. Hier wird die eine zirkular polarisierte Welle aufgrund der Asymmetrie des Moleküls stärker abgebremst als die andere. Jedes Molekül bewirkt dadurch eine kleine resultierende Netto-Drehung der Polarisationsebene und diese winzigen Einzeldrehungen summieren sich zu einer messbaren Gesamtdrehung. Je größer die Dicke (in dm) der durchleuchteten Substanzschicht ist, desto stärker wird auch die Polarisationsebene verdreht, d.h. der makroskopisch messbare Drehwinkel wird immer größer. Wenn es sich um eine Lösung handelt, wird der Drehwinkel naturgemäß auch immer größer, je höher die Konzentration (in g pro 100 ml) des Stoffes ist. Berücksichtigt man noch die spezifischen Stoffeigenschaften durch den sogenannten spezifischen Drehwinkel , der stark von der Wellenlänge und der Temperatur abhängt, so ergibt sich für den Drehwinkel folgender Zusammenhang:

Beispiele optisch aktiver Substanzen

Fischer-Projektion der beiden Enantiomere des Glycerinaldehyds.

Je nach Drehrichtung unterscheidet man zwischen linksdrehenden (-) und rechtsdrehenden (+) Substanzen. Optisch aktive Substanzen können stets in zwei spiegelbildlich zueinander gebauten Formen auftreten, die als Enantiomere bezeichnet werden, wobei die Form linksdrehend und die andere um den gleichen Betrag rechtsdrehend ist. Häufig liegt auch eine 1:1-Mischung der beiden Enantiomere vor, die naturgemäß nicht optisch aktiv erscheint und als Racemat bezeichnet wird. Dieser Name leitet sich von der Traubensäure (lat. acidum racemicum) ab, die ein racemisches Gemisch der beiden Enantiomere der Weinsäure ist. Bei ihr gelang Louis Pasteur 1848 erstmals die Racematspaltung, d.h. die Trennung zweier Enantiomerer, durch mühsames Aussortieren aufgrund ihrer spiegelbildlichen Kristallformen.

Die meisten Kristalle sind optisch aktiv. Typische Beispiele sind etwa Quarz oder Calcit. Auch viele biologisch aktive Substanzen sind optisch aktiv, wobei in der Natur meist eine der beiden spiegelbildlichen Formen stärker vertreten ist. So liegen etwa die meisten natürlichen Aminosäuren in der L-Form vor, während bei den Zuckern die D-Form überwiegt. Die Bezeichnungen L- („links“) und D- (von lat. dexter „rechts“) beziehen sich hier auf die Molekülstruktur und nicht auf Drehrichtung des polarisierten Lichts! So ist etwa die L-(+)-Weinsäure rechtsdrehend und die D-(-)-Weinsäure linksdrehend. Anderseits ist D-(+)-Glycerinaldeyd rechtsdrehend und L-(-)-Glyzerinaldehyd linksdrehend.

Die beiden Stereoisomere des Thalidomids:
Links: (S)-Thalidomid
Rechts: (R)-Thalidomid

Der genaue räumliche Bau der Moleküle ist insbesondere für biologisch aktive Moleküle von entscheidender Bedeutung. Ein tragisches Beispiel dafür ist der in den Jahren 1961-1962 aufgedeckte Contergan-Skandal. Contergan, das den Wirkstoff Thalidomid enthielt, wurde seit 1957 als nebenwirkungsfreies mildes Beruhigungs- und Schlafmittel rezeptfrei verkauft und führte bei schwangeren Frauen häufig zu Fehlbildungen des Fötus, die in schweren Fällen sogar zu fehlenden Gliedmaßen und Organen bei Neugeborenen führten. Der ursächliche Zusammenhang mit dem Wirkstoff Thalidomid wurde erst nach und nach entdeckt. Anfangs vermutete man die Ursache vielmehr in den weltweiten Atomwaffentests, die damals noch oberirdisch audgeführt wurden. Thalidomid existiert in zwei spiegelbildlichen stereoisomeren Formen, von denen heute dem (R)-Thalidomid die sedative und dem (S)-Thalidomid die fruchtschädigende Wirkung zugeschrieben wird. Da sich die beiden Stereoisomere in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften kaum unterscheiden, sind sie nur sehr schwer voneinander zu trennen und wurden daher als Gemisch verkauft und dadurch das Unglück heraufbeschworen.

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.