Bildekräfte

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Die Bildekräfte (eng. formative forces) sind gestaltverwandelnde (metamorphosierende) ätherische Universalkräfte, in denen und durch die die höheren Hierarchien bis hinauf zu den erhabenen Tierkreiswesen gestaltend wirken. Goethe spricht in seiner «Morphologie» von der für diese Ätherkräfte charakteristischen, ständig beweglich bleibenden «Bildung», die im Gegensatz zur fertigen, fixierten Gestalt steht.

„Der Deutsche hat für den Komplex des Daseins eines wirklichen Wesens das Wort Gestalt. Er abstrahiert bei diesem Ausdruck von dem Beweglichen, er nimmt an, daß ein Zusammengehöriges festgestellt, abgeschlossen und in seinem Charakter fixiert sei.
Betrachten wir aber alle Gestalten, besonders die organischen, so Enden wir, daß nirgend ein Bestehendes, nirgend ein Ruhendes, ein Abgeschlossenes vorkommt, sondern daß vielmehr alles in einer steten Bewegung schwanke. Daher unsere Sprache das Wort Bildung sowohl von dem Hervorgebrachten, als von dem Hervorgebrachtwerdenden gehörig genug zu brauchen pflegt.
Wollen wir also eine Morphologie einleiten, so dürfen wir nicht von Gestalt sprechen; sondern, wenn wir das Wort brauchen, uns allenfalls dabei nur die Idee, den Begriff oder ein in der Erfahrung nur für den Augenblick Festgehaltenes denken.
Das Gebildete wird sogleich wieder umgebildet, und wir haben uns, wenn wir einigermaßen zum lebendigen Anschaun der Natur gelangen wollen, selbst so beweglich und bildsam zu erhalten, nach dem Beispiele mit dem sie uns vorgeht.“

Goethe: Morphologie: Die Absicht eingeleitet[1]

Jedes Lebewesen trägt diese Bildekräfte in Form des Bildekräfte- oder Ätherleibs in sich: Pflanzen, Tiere und auch der Mensch. Lernt der Mensch, sich auch in seinem Bildekräfte-Leib zu erfühlen, wie er sich sonst nur in seinem physischen Leib fühlt, so wird er auch der übersinnlichen Bildekräftetätigkeit in der Natur gewahr; er nimmt dann wirklich Übersinnliches im Sinnlichen wahr.

"Die Pflanze, die ein lebendes Wesen ist, ist nicht nur aus dem zusammengesetzt, was Physik und Chemie, oder die aus ihnen wiederum zusammengesetzte Biologie oder Physiologie erforschen kann, sondern sie enthält noch etwas ganz anderes. Haben wir es in uns selbst so weit gebracht, daß wir uns in einem Bildekräfte-Leib fühlen, wie sonst mit unserm gewöhnlichen Ich in einem physischen Leib, dann können wir, wie wir im physischen Leib Auge und Ohr zu Sinneswahrnehmungen benutzen, durch diesen Bildekräfte-Leib, den wir aus dem seelischen Tastsinn heraus differenziert haben, auch wahrnehmen, was Übersinnliches in der übrigen Welt ist, was als Übersinnliches die Natur durchsetzt und durchwebt. Dann sehen wir in allem Pflanzlichen, allem Tierischen und auch physisch Menschlichen außer uns das Geistige, das dann nicht ein in trivialem Sinne Visionäres ist, sondern ebenso vor der erkrafteten Seele dasteht wie der Inhalt der Sinneswahrnehmungen vor der unerkrafteten Seele. Nur müssen wir überall die Raumesbegriffe durch Zeitbegriffe ersetzen können. Wodurch nehmen wir eigentlich wahr dasjenige, was übersinnlich in der Pflanze ist? Dadurch, daß wir unser eigenes Übersinnliches im Bildekräfte-Leib, wie er sich regt und webt, wahrnehmen, dadurch nehmen wir nun auch das Übersinnliche in der Pflanzenwelt wahr, ähnlich, wie wenn ein Ton in einem musikalischen Zusammenhang den andern wahrnehmen würde. Die Wahrnehmung des Übersinnlichen in der Pflanzenwelt beruht ganz und gar darauf, daß unser eigener Bildekräfte-Leib in seinem Leben und Weben in einem viel langsameren Tempo ablauft als das Leben und Weben des pflanzlichen Bildekräfte-Leibes. Ich habe das genauer ausgeführt in einer kleinen Schrift «Das menschliche Leben vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft». Da wird man finden, wie alles abhängt von diesem verschiedenen Tempo in dem Zeitmaße des menschlichen und des pflanzlichen Bildekräfte- Leibes. Dadurch, daß sich unser Bildekräfte-Leib in Wechselwirkung versetzen kann wie ein höheres, bildsames Organ mit dem viel schneller ablaufenden Leben der Pflanze, dadurch nehmen wir wirklich die andere Art des Lebens im Pflanzlichen wahr. Dadurch wird etwas ganz anderes vor unsere Seele treten als die alte, erspekulierte Lebenskraft war. Wir nehmen, mit anderen Worten, Übersinnliches im Sinnlichen wirklich wahr." (Lit.: GA 67, S. 60f)

Anmerkungen

  1. Goethe-HA Bd. 13, S 55

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Das Ewige in der Menschenseele. Unsterblichkeit und Freiheit, GA 67 (1992), ISBN 3-7274-0670-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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