Sozialgeographie und Sprachzentren: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Sozialgeographie''', auch ''Sozialgeografie'', ist ein Teilgebiet der [[Geographie]], das sich mit der Beziehung zwischen Gesellschaft und Raum beschäftigt.
[[Datei:BrocasAreaSmall.png|thumb|Die beiden Hauptkomponenten des Sprachzentrums: [[Broca-Areal]] (Sprachproduktion) und [[Wernicke-Areal]] (Sprachverständnis)]]
[[Datei:Paul Broca.jpg|mini|Paul Broca]]
[[Datei:C. Wernicke.jpg|mini|Carl Wernicke]]


== Hauptfragen ==
Als '''Sprachzentren''' werden zusammenfassend jene [[Hirnareal]]e bezeichnet, die an der Produktion, der Verarbeitung und dem Verständnis der [[Sprache]] beteiligt sind. Die hauptsächlichen Zentren sind das [[Wikipedia:1861|1861]] von dem französischen Chirurgen [[Wikipedia:Paul Broca|Paul Broca]] (1824–1880) entdeckte '''Broca-Areal''', das der [[Sprachproduktion]] dient, und das erstmals [[Wikipedia:1874|1874]] von [[Wikipedia:Carl Wernicke|Carl Wernicke]] (1848–1905) beschriebene '''Wernicke-Areal''', welches für das [[Sprachverständnis]] von essentieller Bedeutung ist. Daneben sind auch weitere relativ weit verteilte Areale der [[Großhirnrinde]] und vermutlich auch subkortikale Regionen an der Sprachverarbeitung beteiligt.
Traditionelle Kernthematik der Sozialgeographie ist die Beziehung von [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] und dem Untersuchungsgegenstand Raum. Die deutschsprachige Sozialgeographie ähnelt in ihren Anfängen somit der traditionellen [[Kulturgeographie|kulturgeographischen]] Forschung [[angloamerikanisch]]er Prägung. Insgesamt existieren vor allem drei Fragestellungen:


# Wie gestalten gesellschaftliche Prozesse und Funktionen den Raum hinsichtlich dessen Strukturen? 
Schädigungen des Broca-Areals können zu einer motorischen '''Aphasie''' {{ELSalt|ἀφασία}} ''aphasía'' „Sprachlosigkeit“) führen. Geschädigte können dann zwar Sprache noch weitgehend problemlos verstehen, können aber selbst nicht mehr oder nur mit großen Schwierigkeiten einigermaßen zusammenhängend sprechen (''Broca-Aphasie''). Anders ist es bei einer [[Läsion]] des Wernicke-Zentrums, die zu einer sensorischen Aphasie führt, die das Sprachverständnis beinträchtigt. Geschädigte können zwar gehörte [[Laute|Sprachlaute]] begrenzt nachahmen, produzieren aber nur ein „Kauderwelsch“, das ihnen selbst und ihren Zuhörern völlig unverständlich bleibt.
# Wie organisieren sich Gesellschaften in räumlicher Hinsicht?
# Welche Rolle spielen die räumlichen Bedingungen für die Existenz einer Gesellschaft?


== Disziplingeschichte ==
Die Entdeckung und Erforschung der [[neuronal]]en Grundlage der Sprache ist auch aus [[geisteswissenschaft]]licher Sicht höchst interessant. [[Rudolf Steiner]] würdigte die herausragende Leistung von Paul Broca in einem [[Wikipedia:1911|1911]] gehaltenen Vortrag wie folgt:
Die Ursprünge der Sozialgeographie sind in Frankreich in der zweiten Hälfte des [[19. Jahrhundert]]s zu finden und gehen auf die Le Play-Schule ([[Pierre Guilleaume Fréderic Le Play]]) und den [[Geograph]]en [[Élisée Reclus]] zurück. Erstmals benutzt wurde der Begriff der ''géographie sociale'' bei einer Besprechung von Reclus erstem Band der ''Nouvelle géographie universelle'' (1911) von [[Paul de Rousiers]], einem Mitglied der Le Play-Schule. Reclus übernahm diesen Begriff.


Das Aufkommen der Sozialgeographie wurde maßgeblich durch die industrielle Revolution mit begünstigt. Durch den damit verbundenen [[Verstädterung]]s­prozess kam es zu einer räumlichen Konzentration der [[Bevölkerung]]. Durch den damit verbundenen Berufswechsel aus der Landwirtschaft in industrielle Berufe innerhalb einer Fabrik kommt es zu einer sozialen Konzentration.
{{GZ|Es hätte im April dieses Jahres das fünfzigjährige Jubiläum für
eine höchst bedeutsame Entdeckung der modernen Wissenschaft
gefeiert werden können, welche, wenn sie richtig verstanden wird,
ein voller Beleg für die geisteswissenschaftliche Evolutionslehre
ist, ein Zeugnis dafür. Gefunden werden können die geisteswissenschaftlichen
Ergebnisse nur durch Hellsehen, bestätigt werden
können sie durch die Tatsachen, welche die äußere Wissenschaft
zutage fördert. Das fünfzigjährige Jubiläum jener bedeutungsvollen
Rede hätte gefeiert werden können, die Broca, der große Arzt
und Philosoph, in der Pariser anthropologischen Gesellschaft im
April des Jahres 1861 gehalten hat über das Sprachzentrum. Denn
was Broca geleistet hat, ist ein voller Beweis davon, daß in den
inneren Gesetzen des physischen Gehirns die Anlagen liegen für
jene Konfiguration, für jene Formung eines bestimmten Teils des
Gehirns, die zu dem Bewußtsein der Sprachkunst und auch zum
Verständnis der Sprachlaute führt. Als Broca im April 1861 gefunden
hatte, daß das Werkzeug des Sprechens in der dritten Stirnwindung
des Großhirns liegt und daß dieses Werkzeug in der
Ordnung sein muß, wenn der Mensch die Sprachlaute verstehen
will, und ebenso ein anderer Teil, wenn er sie aussprechen soll,
war ein wichtiger Fortschritt getan, der geisteswissenschaftlich
verwertet werden kann und ein Beleg für die geisteswissenschaftlichen
Tatsachen ist. Warum? Weil sich gerade daran, wie dieses
Sprachzentrum sich ausbildet, zeigt, daß die äußeren Bewegungen
des Menschen, die Bewegungen seiner Hände, also das, was der
Mensch halb unbewußt im Leben vollzieht, mitwirkt an der Konfiguration
dieses Sprachzentrums. Warum ist dieses Sprachzentrum
bei den Menschen auf der linken Seite besonders ausgebildet?
Weil der Mensch nach den bisherigen Kulturbedingungen die
rechte Hand besonders gebrauchte. So ist es der ätherische und
astralische Leib, der aus dem Unterbewußtsein die Gesten der
Hände ausführt, der hineinwirkt in das Gehirn und dieses formt.
Anschaulich lehren heute die Anthropologen, daß von außen herein
durch makrokosmische Welttätigkeit das Gehirn geformt wird.
Wenn dieser Teil verletzt oder gelähmt wird, dann gibt es keine
Sprachfähigkeit. Wenn darauf gesehen wird, daß, wenn die eine
Seite des Gehirns, die gewöhnlich durch unsere Rechtshändigkeit
stark ausgebildet ist, von der linken Seite aus entfesselt wird, was
zum Beispiel in der Kindheit noch möglich ist und in der späteren
Zeit nicht mehr, dann zeigt sich, daß wirklich von außen durch
systematisierte Tätigkeit das Gehirn so geformt werden kann, daß
es ein Sprachzentrum erhält in der dritten entsprechenden Hirnwindung
dann auf der rechten Seite. Müssen wir da nicht sagen:
Es ist das Irrtümlichste, was wir uns vorstellen können, wenn wir
denken, daß die Sprachfähigkeit durch Gehirnanlage gebildet
wird? - Nein, die Gehirnanlagen machen sie nicht, sondern der
Mensch in seiner Tätigkeit, die er entwickelt. Aus dem Makrokosmos
heraus bildet sich die Sprachfähigkeit im Gehirn. Das Sprachorgan
kommt von der Sprache, nicht die Sprache von dem Sprachorgan.
Das ist es, was durch diese bedeutsame physiologische
Tatsache des Broca gefunden worden ist. Dadurch, daß die Götter
oder Geister der Hierarchien den Menschen verholfen haben,
solche Tätigkeiten auszuführen, welche ihm seine Sprachzentren
schaffen, ist von außen das Sprachzentrum gebildet worden. Aus
der Sprache entsteht das Sprachzentrum, nicht umgekehrt.|129|214ff}}


Die deutschsprachige Sozialgeographie war lange Zeit – wie die Geographie allgemein – von geodeterministischen Vorstellungen geprägt. Der Naturraum wurde so zur [[Determinante]] und zum sozialen Wirkfaktor. Als wichtiger Vertreter muss [[Friedrich Ratzel]] (1844–1904) genannt werden, der den Naturdeterminismus in der Sozialgeographie verankerte. Dieser wurde zum Grundstein für die ''Blut-und-Boden''-NS-Ideologie: Für einen Boden kann es auch nur ein Volk geben.
Damit wird auch die heute fast ausschließlich anzutreffende einseitig [[Materialismus|materialistische]] Deutung der [[Neurowissenschaften|neurowissenschaftlichen]] Forschungsergebnisse entschieden relativiert. Nicht das [[Gehirn]] erzeugt primär die [[Sprache]], das [[Denken]] und andere [[kognitiv]]e Leistungen, sondern diese formen zuerst das im Kindesalter noch weitgehend [[Neuronale Plastizität|plastische]] und wenig strukturierte Gehirn durch den immer geschickter werdenden Gebrauch der [[Hände]], der Sprache und des [[Denken]]s aus und geben ihm seine [[individuell]]e Prägung. Das [[Ich]] des Kindes ist an dieser Bildung anfangs noch weitgehend unbewusst beteiligt. Je vollständiger die Gehirnstrukturen ausgebildet sind, desto stärker erwacht auch das [[Ich-Bewusstsein]], weil sich nun erst das Ich an dem von ihm selbt durchformten Gehirn ausreichend spiegeln kann.


Nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmte die traditionelle Landschafts- bzw. Länderkunde die Anthropogeographie. In dieser Zeit legten [[Hans Bobek]] und [[Wolfgang Hartke]] den Grundstein für die sozialgeographische [[Kulturlandschaft]]s­forschung.
Eine besondere Bedeutung für die [[geistige Entwicklung]] hat es, wenn man durch eine entsprechende [[Meditation|meditative]] [[Schulungsweg|Schulung]] die sprachbildenden Kräfte ähnlich wie das [[Denken]] vom physischen Werkzeug des [[Gehirn]]s loslösen kann:


Mit dem Eingang funktionalen Denkens in die Sozialgeographie erfuhr die Betonung von Funktionsräumen (z. B. Pendlereinzugsgebieten) stärkeren Aufwind und führte zur Entwicklung eines noch stärker sozialwissenschaftlich ausgerichteten Teils der Sozialgeographie. Die stärkste Phase dieser Sozialgeographie in Deutschland war von den [[1960er|60ern]] bis in die [[1980er|80er]] Jahre des [[20. Jahrhundert]]s, verbunden mit der Entstehung zahlreicher geographischer Disziplinen an den Universitäten (u. a. Raum und [[Raumplanung]]) und Beeinflussung der Inhalte in den Schulen. Dazu trug vor allem die [[Münchner Schule der Sozialgeographie]] mit Jörg Maier, Karl Ruppert, Reinhard Paesler und [[Franz Schaffer (Geograph)|Schaffer]], als deren wichtigsten Vertreter, bei. Im Mittelpunkt ihrer Forschung stehen die sieben [[Daseinsgrundfunktionen]]: Gesellschaft, Wohnen, Arbeit, Versorgen, Erholen, Bilden und am Verkehr teilnehmen. Anhand dieser Funktionen lassen sich alle Muster menschlicher [[Mobilität]] nachvollziehen. Auch lassen sich viele geographische Disziplinen ihnen direkt zuordnen.
{{GZ|Durch die Methode der Initiation erlangen wir einen Zustand,
durch den wir die Denkkraft frei bekommen von dem physischen Gehirn:
es wird dann nichts zerstört. Das erreichen wir in der Meditation,
Konzentration, Kontemplation.|150|61}}


In neuerer Zeit ist die Sozialgeographie durch handlungstheoretische Ansätze erweitert worden. [[Benno Werlen]] übertrug die [[Strukturationstheorie]] des Soziologen [[Anthony Giddens]] auf die Sozialgeographie. In diesem Zusammenhang fordert er die Abwendung von einer „handlungsorientierten Raumwissenschaft“ und das Betreiben einer „raumorientierten Handlungswissenschaft“ (Werlen 2000: 310).
{{GGZ|Wie wir die Denkkraft loslösen, so können wir auch die
Kraft loslösen, die wir zum sprachlichen Ausdruck verwenden. Die
materialistische Wissenschaft sagt, die motorischen Sprachorgane hätten
ihr Zentrum im sogenannten Brocaschen Sprachorgan. Aber nicht
das Brocasche Organ hat die Sprache gebildet, sondern diese hat jenes
gebildet.


== Perspektiven ==
Die Denkkraft wirkt zerstörend, die Sprache, die aus der sozialen
Trotz der großen innovativen Kraft der Sozialgeographie kam es nicht zu einer vollständigen Neuorientierung der [[Humangeographie]]. Mit einer der Gründe hierfür sind die schwer einzusehenden Methoden der Sozialgeographie und die Schwierigkeit an verwertbare Daten zu kommen. So lässt sich gesellschaftliche Raumwirksamkeit nur schwer messen. Die Notwendigkeit und Bedeutung einer sozialgeographischen Betrachtungsweise wird jedoch anerkannt. Als Ergebnis zeigt sich die Koexistenz unterschiedlicher sozialgeographischer Ansätze in der Gegenwart – von der sozialgeographischen Kulturlandschaftsforschung über raumwissenschaftlich-funktionelle (''spatial turn'') bis hin zu [[Konstruktivismus|konstruktivistischen]] Ansätzen. Dieser Paradigmenpluralismus entspricht so dem Konzept einer [[postmodern]]en Wissenschaft.
Umgebung kommt, wirkt aufbauend. Nun können wir diese Kraft, die
 
das Brocasche Organ aufbaut, loslösen. Das erreichen wir dadurch, daß
Die sozialen Beziehungen von Einzelpersonen, die zwischenmenschliche [[Interaktion]], die individuelle Raumwahrnehmung und -bewertung, wie auch die entsprechenden Verhaltensmuster einer großen Bevölkerungsgruppe weisen vielfältige Beziehungen zum Raum auf. Raum im geographischen Sinne mitbeeinflusst bestimmte menschliche Verhaltensweisen zu erklären (beispielsweise [[Mobilität]], [[Landnutzung]]s­entscheidungen), wird gleichzeitig aber auch selbst durch menschliches Verhalten verändert (Nutzung, Bebauung) oder verzerrt (Massenverkehr).
wir unsere Meditation durchtränken mit Gefühlswerten. Wenn ich meditiere:
 
Im Lichte strahlet Weisheit - , so spiegelt auch das keine äußere
Mit dem aus der individuellen Wahrnehmung und Interaktion herleitbaren Verhältnis von Gesellschaft und Raum sowie der räumlichen Organisation menschlicher Gesellschaft befasst sich die Sozialgeographie. Wichtige Interessenfelder sind unter anderem
Wahrheit, aber einen tiefen Sinn hat es, eine tiefe Bedeutung. Wenn wir
* Absoluter Raum und Relativraum in der [[Umweltwahrnehmung]]
unser Gefühl damit durchdringen: Wir wollen leben mit dem ganzen
* Aspekte der Globalisierung und Regionalisierung
Lichte, das Weisheit strahlt - , dann fühlen wir, wie wir die Kraft ergreifen,
* Folgen der [[Raumentwicklungskonzeption|Raumentwicklung]] (vgl. [[Sozialräumliche Struktur]])
die sonst im Worte zum Ausdruck kommt, und die nun in unserer
Seele lebt. Wenn man vom goldenen Schweigen spricht, so bezieht
sich das darauf: Wir haben in unserer Seele eine Kraft, die das
Wort schafft. - Wir können sie ergreifen wie die Denkkraft. Dann
überwinden wir die Zeit, wie wir durch das Ergreifen der Denkkraft
den Raum überwinden. Was für das alltägliche Leben ein Erinnern ist
bis zur Kindheit, das dehnt sich dann aus über das vorgeburtliche Leben.
Das ist der Weg, um Erfahrungen zu bekommen über das Leben
vom letzten Tode bis zu unserer jetzigen Geburt, und zugleich der
Weg, die Entwickelung der Menschheit zu durchschauen. Wir durchschauen
die Kräfte, die die Evolution der Menschengeschichte leiten.|150|62f}}


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Sozialgeographie}}
* {{WikipediaDE|Sprachzentrum}}
* {{WikipediaDE|Bildungsgeographie}}
* {{WikipediaDE||Broca-Areal}}
* {{WikipediaDE|Psychogeographie}}
* {{WikipediaDE|Wernicke-Zentrum}}
* {{WikipediaDE|Soziophysik}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Karl Ruppert, Franz Schaffer: ''Zur Konzeption der Sozialgeographie.'' In: ''Geographische Rundschau <Braunschweig>.'' 21/6/1969, S. 214–221, Westermann, Braunschweig, {{ISSN|0016-7460}}
* Peter Weichhart: ''Entwicklungslinien der Sozialgeographie''. Von Hans Bobek bis Benno Werlen. In: ''Sozialgeographie kompakt'', Band 1, Steiner, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-515-08798-8.
* Benno Werlen: ''Sozialgeographie''. Eine Einführung. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. [[Uni-Taschenbücher|UTB 1911]], Haupt, Bern / Stuttgart / Wien 2008 (Erstausgabe 2000), ISBN 978-3-8252-1911-6.
* Karin Wesse: ''Empirisches Arbeiten in der Wirtschaftsgeographie und Sozialgeographie''. UTB 1956, Schöningh, Paderborn / München / Wien / Zürich 1996, ISBN 3-8252-1956-9 (UTB) / ISBN 3-506-99486-7 (Schöningh).
== Weblinks ==
* [http://www.social-geography.net/ Zeitschrift für Sozialgeographie]
* [http://www.wsl.ch/fe/wisoz/gruppen/sla/index_DE Sozialwissenschaftliche Landschaftsforschung], Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft


{{Normdaten|TYP=s|GND=4055768-6}}
#Rudolf Steiner: ''Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen'', [[GA 129]] (1992), ISBN 3-7274-1290-9 {{Vorträge|129}}
#Rudolf Steiner: ''Die Welt des Geistes und ihr Hereinragen in das physische Dasein'', [[GA 150]] (1980), ISBN 3-7274-1500-2 {{Vorträge|150}}


[[Kategorie:Sozialwissenschaft nach Fachgebiet]]
{{GA}}
[[Kategorie:Sozialwissenschaftliches Fachgebiet]]
[[Kategorie:Humangeographie]]


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Sprache]] [[Kategorie:Nervensystem]] [[Kategorie:Gehirn]]

Version vom 27. Mai 2018, 18:26 Uhr

Die beiden Hauptkomponenten des Sprachzentrums: Broca-Areal (Sprachproduktion) und Wernicke-Areal (Sprachverständnis)
Paul Broca
Carl Wernicke

Als Sprachzentren werden zusammenfassend jene Hirnareale bezeichnet, die an der Produktion, der Verarbeitung und dem Verständnis der Sprache beteiligt sind. Die hauptsächlichen Zentren sind das 1861 von dem französischen Chirurgen Paul Broca (1824–1880) entdeckte Broca-Areal, das der Sprachproduktion dient, und das erstmals 1874 von Carl Wernicke (1848–1905) beschriebene Wernicke-Areal, welches für das Sprachverständnis von essentieller Bedeutung ist. Daneben sind auch weitere relativ weit verteilte Areale der Großhirnrinde und vermutlich auch subkortikale Regionen an der Sprachverarbeitung beteiligt.

Schädigungen des Broca-Areals können zu einer motorischen Aphasie griech. ἀφασία aphasía „Sprachlosigkeit“) führen. Geschädigte können dann zwar Sprache noch weitgehend problemlos verstehen, können aber selbst nicht mehr oder nur mit großen Schwierigkeiten einigermaßen zusammenhängend sprechen (Broca-Aphasie). Anders ist es bei einer Läsion des Wernicke-Zentrums, die zu einer sensorischen Aphasie führt, die das Sprachverständnis beinträchtigt. Geschädigte können zwar gehörte Sprachlaute begrenzt nachahmen, produzieren aber nur ein „Kauderwelsch“, das ihnen selbst und ihren Zuhörern völlig unverständlich bleibt.

Die Entdeckung und Erforschung der neuronalen Grundlage der Sprache ist auch aus geisteswissenschaftlicher Sicht höchst interessant. Rudolf Steiner würdigte die herausragende Leistung von Paul Broca in einem 1911 gehaltenen Vortrag wie folgt:

„Es hätte im April dieses Jahres das fünfzigjährige Jubiläum für eine höchst bedeutsame Entdeckung der modernen Wissenschaft gefeiert werden können, welche, wenn sie richtig verstanden wird, ein voller Beleg für die geisteswissenschaftliche Evolutionslehre ist, ein Zeugnis dafür. Gefunden werden können die geisteswissenschaftlichen Ergebnisse nur durch Hellsehen, bestätigt werden können sie durch die Tatsachen, welche die äußere Wissenschaft zutage fördert. Das fünfzigjährige Jubiläum jener bedeutungsvollen Rede hätte gefeiert werden können, die Broca, der große Arzt und Philosoph, in der Pariser anthropologischen Gesellschaft im April des Jahres 1861 gehalten hat über das Sprachzentrum. Denn was Broca geleistet hat, ist ein voller Beweis davon, daß in den inneren Gesetzen des physischen Gehirns die Anlagen liegen für jene Konfiguration, für jene Formung eines bestimmten Teils des Gehirns, die zu dem Bewußtsein der Sprachkunst und auch zum Verständnis der Sprachlaute führt. Als Broca im April 1861 gefunden hatte, daß das Werkzeug des Sprechens in der dritten Stirnwindung des Großhirns liegt und daß dieses Werkzeug in der Ordnung sein muß, wenn der Mensch die Sprachlaute verstehen will, und ebenso ein anderer Teil, wenn er sie aussprechen soll, war ein wichtiger Fortschritt getan, der geisteswissenschaftlich verwertet werden kann und ein Beleg für die geisteswissenschaftlichen Tatsachen ist. Warum? Weil sich gerade daran, wie dieses Sprachzentrum sich ausbildet, zeigt, daß die äußeren Bewegungen des Menschen, die Bewegungen seiner Hände, also das, was der Mensch halb unbewußt im Leben vollzieht, mitwirkt an der Konfiguration dieses Sprachzentrums. Warum ist dieses Sprachzentrum bei den Menschen auf der linken Seite besonders ausgebildet? Weil der Mensch nach den bisherigen Kulturbedingungen die rechte Hand besonders gebrauchte. So ist es der ätherische und astralische Leib, der aus dem Unterbewußtsein die Gesten der Hände ausführt, der hineinwirkt in das Gehirn und dieses formt. Anschaulich lehren heute die Anthropologen, daß von außen herein durch makrokosmische Welttätigkeit das Gehirn geformt wird. Wenn dieser Teil verletzt oder gelähmt wird, dann gibt es keine Sprachfähigkeit. Wenn darauf gesehen wird, daß, wenn die eine Seite des Gehirns, die gewöhnlich durch unsere Rechtshändigkeit stark ausgebildet ist, von der linken Seite aus entfesselt wird, was zum Beispiel in der Kindheit noch möglich ist und in der späteren Zeit nicht mehr, dann zeigt sich, daß wirklich von außen durch systematisierte Tätigkeit das Gehirn so geformt werden kann, daß es ein Sprachzentrum erhält in der dritten entsprechenden Hirnwindung dann auf der rechten Seite. Müssen wir da nicht sagen: Es ist das Irrtümlichste, was wir uns vorstellen können, wenn wir denken, daß die Sprachfähigkeit durch Gehirnanlage gebildet wird? - Nein, die Gehirnanlagen machen sie nicht, sondern der Mensch in seiner Tätigkeit, die er entwickelt. Aus dem Makrokosmos heraus bildet sich die Sprachfähigkeit im Gehirn. Das Sprachorgan kommt von der Sprache, nicht die Sprache von dem Sprachorgan. Das ist es, was durch diese bedeutsame physiologische Tatsache des Broca gefunden worden ist. Dadurch, daß die Götter oder Geister der Hierarchien den Menschen verholfen haben, solche Tätigkeiten auszuführen, welche ihm seine Sprachzentren schaffen, ist von außen das Sprachzentrum gebildet worden. Aus der Sprache entsteht das Sprachzentrum, nicht umgekehrt.“ (Lit.:GA 129, S. 214ff)

Damit wird auch die heute fast ausschließlich anzutreffende einseitig materialistische Deutung der neurowissenschaftlichen Forschungsergebnisse entschieden relativiert. Nicht das Gehirn erzeugt primär die Sprache, das Denken und andere kognitive Leistungen, sondern diese formen zuerst das im Kindesalter noch weitgehend plastische und wenig strukturierte Gehirn durch den immer geschickter werdenden Gebrauch der Hände, der Sprache und des Denkens aus und geben ihm seine individuelle Prägung. Das Ich des Kindes ist an dieser Bildung anfangs noch weitgehend unbewusst beteiligt. Je vollständiger die Gehirnstrukturen ausgebildet sind, desto stärker erwacht auch das Ich-Bewusstsein, weil sich nun erst das Ich an dem von ihm selbt durchformten Gehirn ausreichend spiegeln kann.

Eine besondere Bedeutung für die geistige Entwicklung hat es, wenn man durch eine entsprechende meditative Schulung die sprachbildenden Kräfte ähnlich wie das Denken vom physischen Werkzeug des Gehirns loslösen kann:

„Durch die Methode der Initiation erlangen wir einen Zustand, durch den wir die Denkkraft frei bekommen von dem physischen Gehirn: es wird dann nichts zerstört. Das erreichen wir in der Meditation, Konzentration, Kontemplation.“ (Lit.:GA 150, S. 61)

„Wie wir die Denkkraft loslösen, so können wir auch die Kraft loslösen, die wir zum sprachlichen Ausdruck verwenden. Die materialistische Wissenschaft sagt, die motorischen Sprachorgane hätten ihr Zentrum im sogenannten Brocaschen Sprachorgan. Aber nicht das Brocasche Organ hat die Sprache gebildet, sondern diese hat jenes gebildet.

Die Denkkraft wirkt zerstörend, die Sprache, die aus der sozialen Umgebung kommt, wirkt aufbauend. Nun können wir diese Kraft, die das Brocasche Organ aufbaut, loslösen. Das erreichen wir dadurch, daß wir unsere Meditation durchtränken mit Gefühlswerten. Wenn ich meditiere: Im Lichte strahlet Weisheit - , so spiegelt auch das keine äußere Wahrheit, aber einen tiefen Sinn hat es, eine tiefe Bedeutung. Wenn wir unser Gefühl damit durchdringen: Wir wollen leben mit dem ganzen Lichte, das Weisheit strahlt - , dann fühlen wir, wie wir die Kraft ergreifen, die sonst im Worte zum Ausdruck kommt, und die nun in unserer Seele lebt. Wenn man vom goldenen Schweigen spricht, so bezieht sich das darauf: Wir haben in unserer Seele eine Kraft, die das Wort schafft. - Wir können sie ergreifen wie die Denkkraft. Dann überwinden wir die Zeit, wie wir durch das Ergreifen der Denkkraft den Raum überwinden. Was für das alltägliche Leben ein Erinnern ist bis zur Kindheit, das dehnt sich dann aus über das vorgeburtliche Leben. Das ist der Weg, um Erfahrungen zu bekommen über das Leben vom letzten Tode bis zu unserer jetzigen Geburt, und zugleich der Weg, die Entwickelung der Menschheit zu durchschauen. Wir durchschauen die Kräfte, die die Evolution der Menschengeschichte leiten.“ (S. 62f)

Siehe auch

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen, GA 129 (1992), ISBN 3-7274-1290-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Die Welt des Geistes und ihr Hereinragen in das physische Dasein, GA 150 (1980), ISBN 3-7274-1500-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.