Wilhelm Schmundt

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Wilhelm Schmundt

Wilhelm Schmundt (* 10.1.1898 in Metz/Lothringen, † 23.4.1992 in Hannover) war ein deutscher Unternehmer, Ingenieur, Sozialwissenschaftler, Waldorflehrer und Anthroposoph.

Leben

Wilhelm Schmundt wurde im damals deutschen Metz in eine ostpreußische Offiziersfamilie hineingeboren und durchlebte eine unbeschwerte Kindheit und Jugend. Mit 17 Jahren kam er zum Militär. Unmittelbar nach seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst begann er noch 1918 ein Studium an der TH Berlin-Charlottenburg. Durch Kommilitonen gewann er Anschluß an die Jugendbewegung der Wandervögel. Dort wurde viel gelesen und diskutiert. Auch Rudolf Steiners Werk "Die Kernpunkte der sozialen Frage" fand dort Beachtung. Nach dem Diplom-Abschluß des Studiums blieb Wilhelm Schmundt noch für zwei Jahre als Assistent am Institut für Physik an der Technischen Hochschule.

1926 besuchte er das erste Mal das Goetheanum anläßlich einer Tagung der Jugendsektion.

Rundbriefe, die Ende der 20er Jahre von Bernhard Behrens (Hamburg) verschickt worden waren, weckten bei Wilhelm Schmundt das Interesse sich mit Fragen des Geldes und des Kapitals aus anthroposophischer Sicht zu beschäftigen.

Wilhelm Schmundt machte Karriere beim Ostpreußenwerk und gründete eine Familie. 1940 lernte er den in der Elektrizitätsversorgung Schleswig-Holsteins tätigen Anthroposophen Hans-Georg Schweppenhäuser kennen, woraus sich eine lebenslange Freundschaft entwickelte.

Auf Bitten von Wolfgang Rudolph übernahm Wilhelm Schmundt nach Ende des 2. Weltkrieges eine Lehrtätigkeit an der Freien Waldorfschule Hannover in den Fächern Mathematik und Physik. Er war bis zu seiner Pensionierung 1965 als Lehrer tätig.

Seit 1950 widmete er sich in Aufsätzen und Studien der Sozialen Dreigliederung Rudolf Steiners. Auf dem Achberger Jahreskongreß 1973 fand die entscheidende Begegnung mit Joseph Beuys statt, der danach die Schmundt'schen Arbeitsergebnisse übernahm und in sein Werk integrierte. Joseph Beuys nannte ihn schließlich kurz vor seinem Tode "unseren großen Lehrer"[1].

Wilhelm Schmundt entfaltete nun eine rege Reise- und Vortragstätigkeit bis in das hohe Alter hinein und publizierte seine entscheidenden Schriften.

Am 23.4.1992 starb er, mittlerweile zurückgezogen von der Öffentlichkeit, in einem anthroposophischen Altersheim.

Ein Wilhelm Schmundt-Archiv wird in Wangen im Allgäu von Bernd Volk verwaltet[2].

Werk

Schmundts Elementarlehre des sozialen Organismus versteht sich als eine Darstellung der fundamentalen gesamtgesellschaftlichen Ordnungs- und Funktionszusammenhänge.[3]

Die goethanistisch phänomenologische Methode

Schmundt charakterisiert das von ihm angewandte Forschungsverfahren 1980 folgendermaßen:

„Von vorherein steht gar nicht zu erwarten, daß die Methode, welche zum Erkennen des sozialen Organismus als einer begrifflich zu fassenden Ganzheit führt, eine andere sein kann als die des »Goetheanismus«. Dieses Erkenntnisverfahren läßt sich so charakterisieren: es wahrt die Strenge der positivistischen Wissenschaften, aber - über den Kantianismus hinausschreitend - stellt es zugleich die Frage nach dem Wesen. Der Erkenntnisprozeß geht von den Sinneserscheinungen aus, sucht einen ersten Begriff, mit welchem sich das Ganze des zu Erforschenden fassen läßt, geht mit ihm wiederum in die Erscheinungen hinein, ihn realisierend und modifizierend, und gelangt im Fortschreiten zuletzt zur »Idee« des Ganzen, die im denkenden Anschauen mit dem Charakter des Realen, des in sich selbst Gründenden, erfahren wird. Im Umgehen mit solcher Idee erweist sie sich durch ihre Fruchtbarkeit als wirklichkeitsgemäß.

Im folgenden soll ein Gedankenweg gegangen werden, der zu dem Begriff des sozialen Organismus führt. Jeder einzelne Schritt dieses Weges zeigt sich als gewichtig und fordert auf, ihn durch mannigfache Erfahrungen zu beleben und zu bestätigen. Auch wird man bemerken, daß das Gehen des Weges ein ziemliches Maß an Unbefangenheit voraussetzt.“ (Lit.: Schmundt: Elementarlehre des sozialen Organismus, in Giese: Sozial handeln, S. 73)

Die Frage, ob dies die goetheanistische Methode zutreffend beschreibt, außen vor gelassen, scheint eine Art hermeneutisches Vorgehen, ein mehrmaliges qualitatives Induzieren und Deduzieren, bis die reine Idee gewonnen ist, ein Bestandteil des methodischen Vorgehens Schmundts zu sein. Als Kriterium dafür, daß die gewonnene Idee auch die wahre ist, wird deren "Fruchtbarkeit" angeführt.

Weiter sagt Schmundt in dem Aufsatz, aus dem zitiert wurde abschließend:

„Warum diese Lehre [die Elementarlehre des sozialen Organismus] in manchen, vom Verfasser geschätzten, maßgebenden Kreisen bislang wenig Eingang fand, hat etwas Rätselhaftes. Man wird die Erklärung dieses Rätselhaften in den Tiefenschichten schicksalhafter Zusammenhänge suchen müssen und wohl auch darin, daß das Zeitnotwendige goethescher Erkenntnisart auf dem Felde der Sozialwissenschaft noch wenig bemerkt wird.“ (Lit.: e.d., S. 78)

Andere Sozialwissenschaftler seiner Zeit wie Hans Georg Schweppenhäuser, der vermutlich angesprochen ist, verwendeten also offenbar die goetheanistische Methode, nach Schmundt die einzig mögliche, noch nicht, und hatten auch noch nicht die Einsicht, daß dies nötig sei, und mußten dann auch zu unzureichenden Erkenntnissen über den "sozialen Organismus" kommen, dessen Urbild Schmundt zu schauen vermochte. Und diese Kreise hatten auch nicht das Vermögen, das von Schmundt entdeckte Urbild dann wenigstens zu übernehmen und mit ihm weiter zu arbeiten, wie es jedoch Joseph Beuys vermochte:

„Als ein eigenartiges Phänomen sei erwähnt, daß Joseph Beuys, der bekannte Düsseldorfer Bildhauer, als er vor Jahren mit dem, was hier als Elementarlehre des sozialen Organismus geschildert ist, bekannt wurde, diese sogleich, souverän in ihr waltend, in die Grundlagen seines volkspädagogischen Wirkens aufnahm.“ (Lit.: e.d., S. 81, Fußnote)

Der soziale Organismus (I)

„Es gehört ... zu den Grundeinsichten ..., daß es einen "sozialen Organismus gibt, daß er eine - freilich noch weitgehend unbekannte - Wirklichkeit ist. Er liegt dem sozialen Leben so zugrunde wie der Leibesorganismus des Menschen seinem Seelenleben. Entdeckt wurde er von Rudolf Steiner in den Monaten um die Jahreswende 1918/19, mitgeteilt wurde diese Entdeckung von ihm in der Schrift "Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft. (...) Zur Gesundheit dieses Organismus gehört, daß er seinem Wesen nach entsprechend dreigliederig gestaltet sein muß. Die wesentlichen Gedanken, die dazu führen können, ein Ideenbild des sozialen Organismus zu gewinnen, sollen im Folgenden dargestellt werden.“ (Lit.: Zwei Grundprobleme, S. 49)

Schmundt macht zunächst geltend, daß sein Ideenbild des sozialen Organismus dasjenige ist, das Rudolf Steiner in seinen "Kernpunkten" schildert. Der soziale Organismus soll dem sozialen Leben so zugrunde liegen, wie der Leib des Menschen seinem Seelenleben zugrunde liegt. Es wird von Schmundt unterschieden zwischen dem sozialen Organismus und dem sozialen Leben, wie zwischen Seele und Leib. Dabei ist fraglich, ob diese Unterscheidung so auch von Steiner vorgenommen wurde[4].

Rudolf Steiner ordnete das öffentliche Leben dem sozialen Organismus zu, das öffentliche Leben solle sich in drei sich selbst verwaltende Glieder Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben scheiden[5]. Eine Unterscheidung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit ist zunächst nicht ohne weiteres mit einer Unterscheidung von sozialem Leben und sozialem Organismus als der "Leiblichkeit" des sozialen Lebens gleichzusetzen.

Weiter sieht Schmundt den sozialen Organismus auch in seinem Krankheitszustand als lebend an. Demgegenüber könnte man sich vorstellen, daß ein kranker sozialer Organismus insoweit nicht lebt, als er krank ist. Krank würde bedeuten: unorganisch, unlebendig, also nicht das lebendige Urbild des sozialen Organismus im realen Leben zum Ausdruck bringend. Doch gibt es nach Schmundt diesen Organismus insofern er noch nicht dreigegliedert ist, dennoch als einen kranken, der lebt, insofern er an seinem Urbild auch als kranker (schon oder noch) teilhat. Solche Unklarheiten sind jedoch unvermeidlich dem Lebensbegriff und Organismusbegriff selbst geschuldet. Man spricht vom sozialen Leben, als wäre es ein organisches wie das pflanzliche, tierische und menschliche Leben. Gemeint ist aber, daß im sozialen Leben lebendige Gedanken walten: dadurch ist das soziale "Leben" lebendig und gesund. Das Urbild des sozialen Organismus ist als Idee (im ideenrealistischen Sinne) ein lebendiges. Das soziale Leben ist in seiner Auffassung mit lebendigen Gedanken ein lebendes gesundes Leben, in Auffassung mit toten, abstrakten Gedanken ein unlebendiges, krankes, totes Leben.

Sozialer Organismus ist Organismus, durch die lebendige, organische Auffassung des Sozialen. Das Leben liegt in den Gedanken, im Geistigen. Daher fordert Schmundt auch konsequent eine "Revolutionierung" der Begriffe. Denn aus diesen zu gewinnenden, lebendigen, gesunden Gedanken (aus dem Urbild heraus) erhält das soziale Leben seine innere Lebendigkeit, ist es erst wirklich Organismus, im Unterschied zu mechanischen, sozialtechnischen Vorgängen, wie sie z.B. bürokratischen Vorgängen zu grunde liegen, die als tote angesehen werden müssen, aber in etwa wie ein Knochenskelett, sich in den Gesamtorganismus sinnvoll und mit notwendiger Funktion einfügen.

Produktion und Konsumtion

Der Gedankengang, den Schmundt vorschlägt zu gehen, um schließlich zum Innewerden des Urbildes des sozialen Organismus zu führen, beginnt mit der in der Art der Grenzführung reichlich umstrittenen Zweiteilung des Wirtschaftslebens in die Konsumptions- und Produktionssphäre. Schmundt nimmt scheinbar willkürliche Zuordnungen vor, Schulen etwa wären Unternehmen, Arbeitskollektive, und kleine Handwerksbetriebe wären dem Konsumptionsbereich zuzuordnen, wie auch die freien Berufe Rechtsanswalt und dergleichen.

„Wohl aber gibt es im heutigen Wirtschaftsleben eine Tatsache, die geeignet ist, Produktion und Konsumtion je als Gesamtbereiche des Wirtschaftslebens einander gegenüberzustellen und einander zuzuordnen: Das ist die durchgehende Arbeitsteiligkeit. Mit dieser Tatsache kann man einen greifbaren Charakterunterschied fassen, der es erlaubt, zwei einander polar zugeordnete Bereiche des Wirtschaftslebens zu unterscheiden: den Bereich der Konsumtion mit dem privatwirtschaftlichen Charakter der "Haushalte" und den Bereich der Produktion mit dem Charakter des Arbeitsteiligen.“ (Lit.: e.d., S. 49f.)

Wie kommt Schmundt zu diesen Zuordnungen? Ein Verständnisansatz könnte darin bestehen, die Rede der heutigen Soziologie von einer durchgängigen Organisationsgesellschaft heranzuziehen. Die Schmundtschen Unternehmen, Arbeitskollektive sind die Organisationen der Gesellschaft ab einer gewissen Größenordnung. Man kennt z.B. das Phänomen, daß alternative Betriebe, solange sie klein sind, oft ganz gut ihre idealen Vorstellungen guten Wirtschaftens hinsichtlich Kollegialität, flachen Hierachien, Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit usw. verwirklichen können, solange sie eben klein, mit wenigen Mitarbeitern nur, tätig sind. Aber ab einer gewissen Größe wird es formeller, es bilden sich organisatorische Strukturen, die ein Eigenleben entwickeln, denen sich dann die Alternativbetriebler ausgeliefert fühlen. Es ist solcher Wandel von einem losen Arbeitszusammenhang zu einem organisierten Gebilde mit formellen Verfahrensweisen usw. nicht allein der Größe geschuldet, aber je größer das Unternehmen, desto mehr machen sich die genannten Strukturzwänge geltend.

Bedenklich stimmt jedoch, daß Schmundt diese Tatsache der Großorganisiertheit heutiger Arbeitszusammenhänge als ein gegebenes, hinzunehmendes, und sogar in vielen Hinsichten wünschenswertes Faktum hinstellt, das sich aus dem Urbild des sozialen Organismus, wie es sich im 19. Jh. herausgebildet habe, ergäbe, und Ausdruck der fortschreiten Arbeitsteilung sei.

Denn auch Kleinbetriebe können arbeitsteilig zusammenarbeiten, und sie sind oft flexibler und können sich an den Konsumentenbedarf schneller und besser anpassen als schwerfällige Großorganisationen. Die Hinzurechnung von Schulen und Universitäten zu den Großorganisationen mag zwar der Wirklichkeit abgelesen sein, - aber ist es die Wirklichkeit des lebendigen Urbilds des sozialen Organismus, wenn Schulen nach dem Muster straffer Großorganisationen gebildet sind? Müßte man nicht vielmehr für ein funktionierendes Bildungswesen, für ein freies Geistesleben den hohen Grad der Organisiertheit, der freilich als ein trauriges Faktum auch für Schulen heute zu konstatieren ist, zurückfahren, zu überwinden, rückgängig zu machen suchen, wenigstens im Interesse der Freiheit permament bekämpfen?[6][7] Muß nicht gemäß einem wahren Urbild des sozialen Organismus das Geistesleben gerade nicht so organisiert sein, wie es Schmundt als heraufgekommene Tatsache des gesellschaftlichen Lebens für die großen Unternehmen, Arbeitskollektive feststellt?

Eine weitere Frage ist, wie "organisch", wie urbildlich die Zurordnung des Produktiven zum hoch Organisierten, das Konsumptive zum nicht oder weniger organisierten ist. Kleinbetriebe sind doch auch produktiv? Schmundt will aber wohl auf das Typische hinaus, und dann mag sein Bild zutreffen. Es gibt in der Tat einen hoch organisierten Komplex in der Gesellschaft, Schmundt nennt ihn die Unternehmen, Arbeitkollektive, in ihrem Zusammenhang und demgegenüber Lebensgebiete, die solche Organisiertheit im Hinblick auf "Aufgaben", also produktive Tätigkeit, so nicht haben, wo aber der Aspekt des konsumptiven, des Produkteverbrauchs, hervorsticht[8]. Man kann Schmundt auch darin folgen, daß dies eine wenn nicht notwendige Entwicklung, so doch durch die Gesamtentwicklung des sozialen Lebens seit Beginn der Neuzeit mit bedingte ist, nämlich als eine der Auswirkungen von Rationalisierung (in dem Sinne von Einsatz des rationalen, auch ökonomischen Denkens für die Organisation, das Management, die Sozialtechnologie). Man kann für den Organisierungsprozeß wohl nicht Rationalisierung mit Arbeitsteiligkeit gleichsetzen, aber sie drückt sich typischerweise in ihr (mit) aus.

Der Prozeß dieser Organisation und fortschreitenden Höherorganisation erzeugt eine Spannung zwischen dem Hochorganisierten und dem weniger oder nicht organisierten. Schmundt richtet nun das Augenmerk auf diese Spannung. Er sieht in ihr den Ansatzpunkt, wo der Mensch den gewordenen arbeitsteiligen Apparat gewissermaßen unter Kontrolle, in den Griff bekommen kann. Die Spannungsregulation ist nicht nur ein Mittel des Ausgleichs, sondern der Steuerung überhaupt, sie ist für Schmundt der Ansatzpunkt für die Gestaltung der Organisationen und des sozialen Organismus insgesamt, um sie von dem sozialtechnischen bürokratischen Level zu dem des Organischen anheben, umbilden zu können. Durch diese Umbildung wird dann auch die Tendenz der Verselbständigung, der Eigendynamik der Organisationen, deren Strukturen sich Gestaltungsversuchen oft verweigern, überwunden, und sie ordnen sich organisch, ökologisch gewissermaßen, dem Gesamtorganismus ein.

Betrachtet man die genannte Spannung genauer, so kann man sie, wenn nicht vollständig, so doch zu einem wesentlichen, sehr relevanten Teil in das Geld gebannt finden.

„In den Skizzen 1 und 2e, die auf das Gestalt-Urbild des sozialen Organismus hindeuten, wurde die Grundpolarität mit den Namen "Produktionsbereich" und "Konsumtionsbereich" gekennzeichnet. Die Namen verführen zu der Meinung, es sei damit allein das "Wirtschaftsleben" erfaßt. "Produktionsbereich" meint das integrale Arbeitsfeld des sozialen Organismus, und dieser Bereich zeigt dann, wenn das Freiheitsprinzip gestaltbestimmend ist, drei relativ selbständige Funktionssysteme: das System der beratenden Kuratorien, das System der rechtsvereinbarenden Gremien, das System der assoziierten Arbeitskollektive. Der "Konsumtionsbereich" weist keine derartige Gliederung auf; die Gegebenheiten und Prozesse, die in ihm je mit dem Charakter des Geisteslebens, des Rechtslebens, des Wirtschaftslebens auftreten, zeigen sich ineinander verwoben und bilden keine makrosozialen Funktionssysteme.“ (Lit.: Schmundt, Die Zeit und ihre sozialen Forderungen, S. 78)

Ein besonderes Merkmal der Schmundtschen Auffassung des sozialen Organismus ist, daß es ihrer viele gibt, entsprechend den nationalstaatlichen Grenzen, weshalb er auch den Außenhandel auf die Konsumtionseite bzw. in Richtung Konsumtionsseite verlegt: Die Arbeitskollektive anderer Länder werden als getrennt gedacht von dem Unternehmenszusammenhang des eigenen Landes.

„In früheren Publikationen ging ich von der Überzeugung aus - die als solche nicht falsch ist -, es sei das Umgestalten der sozialen Organismen heutiger Kulturvölker eine Notwendigkeit und es müsse solches Umgestalten in die Richtung des hier geschilderten Gestalt-Urbildes gehen. In den letzten Jahren habe ich diesen Gedanken zurückgestellt. Vielmehr steht mir vor Augen, wie notwendig es ist, auf der Ebene der Sozialwissenschaft nach den Methoden einer Organik² das Gestalt-Urbild, den Typus des sozialen Organismus heutiger Kulturvölker darzustellen und zum Lehrgegenstand werden zu lassen, von dem Fordern notwendiger Konsequenzen aber abzusehen. Doch sind die sozialen Organismen der heutigen Kulturvölker in den Grundlagen krank³; tritt man also mit einem Heilmittel hervor, welches bis zu diesen Grundlagen zu reichen verspricht, so muß es wegen der tiefreichenden Maßnahmen als «utopisch» empfunden werden. Auf der Wissenschaftsebene vergleichender Organik fällt solch Einwand fort. Es bleibt das freie Feld der Erkenntnisse, die ja ihre eigenen Wirkenswege haben. ²In einer Fußnote verweist Schmundt ausführlich auf einige Passagen in GA 2 (Grundlinien einer Erkenntnistheorie). ³Verweis auf GA 23, Beginn des 3. Kap.“ (Lit.: Schmundt: Die Assoziationen als Gestaltelement, 1987, S. 145f., vgl. im Kontrast zu solcher Resignation den Schmundt- und Beuys-Schüler Ulrich Rösch: Von der Sozialwissenschaft zur sozialen Kunst, 2011 Volltext. Glaubte Schmundt am Ende nicht mehr daran, daß soziale Praktiken i.S. Beuys' sozialer Plastik "tiefreichende Maßnahmen" seien, Heilmittel für den kranken sozialen Organismus?)

Das Geld als Werkzeug und Rechtstitel

Betrachtet man die Funktion des Geldes von der praktischen Alltagsnutzung aus, die nicht zwischen konsumtiver und produktiver Verwendung unterscheidet, ist das Geld eine Handhabe, zu kaufen. Kaufmöglichkeit, Kaufrecht, zu privaten, autokratischen Zwecken, über die einzig und allein der Geldbesitzer bestimmt, mit der Einschränkung, daß sich nur kaufen läßt, was auch angeboten wird. Unter dem, was sich an Waren und Dienstleistungen im Angebot befindet, inklusive der Bereitschaft von arbeitsfähigen Menschen, für den Geldbesitzer tätig zu werden, bei Hingabe von Geld, Übergang des Besitzes, an den Leistenden. So kann sich ein vermögender Haushalt nach Gutdünken diverse Hilfskräfte, Köche, Sekretärinnen, Kurierboten, Gärtner usw. einstellen, sofern diese eben bereit sind, für den Haushalt tätig zu werden. Der Haushalt kann Gelder auch für den Aufkauf nebenliegender Grundstücke verwenden, um den Garten zu vergrößern und eine Gärtnerei aufzuziehen. Das kann eine hobby-mäßige Angelegenheit sein, auch wenn sogar eine ganze Reihe von Gärtnern und sonstigen Hilfskräften eingestellt würden. Der Haushalt kann aber auch mit der Gärtnerei einen Betrieb bezwecken, der Gewinne abwirft, d.h. letztlich das Geldvermögen des Haushalts vergrößert. Dies steht im autokratischen Belieben des Geldbesitzers: Er kann rein konsumtiv kaufen, aber auch teils oder ganz in produktiver Absicht. Im Geld und seinem Besitz, zu verwenden, liegt die Scheidung zwischen Konsumtion und Produktion als solcher nicht: Es ist im Besitze ein Recht, zu verfügen nach Gutdünken: Geld ist Werkzeug, Gestaltungsmittel zu beliebiger Nutzung.

Bei der strengen Scheidung eines produktiven Sektors von dem konsumtiven, wie es sich Wilhelm Schmundt für den sozialen Organismus ergeben hat, kann das Geld nicht so weiter in beliebiger Hand zu beliebiger Verwendung bleiben, denn das würde bedeuten, daß sich auf der Seite der produktiven Arbeitskollektive privatwirtschaftliche, sogar auch der rein konsumtiven Sorte[9], Kauftätigkeiten breit machen könnten, und andererseits auf der Konsumtionsseite sich produzierende Unternehmen mit expansiver Absicht bilden könnten. Hat ein Handwerksbetrieb, den Schmundt mit zur konsumptiven Seite des sozialen Organismus rechnet, aus egal welchen Gründen große Geldmittel zur Verfügung, kann eine Betriebstätigkeit in Gang gesetzt werden, die denen der Arbeitskollektive gleichkommt, ohne aber richtig in die arbeitsteilige Gesamtorganisation integriert zu sein.

Damit Konsumtionsseite und Produktionsseite des sozialen Organismus fein säuberlich geschieden bleiben, - Schmundt will die Trennung auch durch unterschiedliche Gesetzgebung für beide Seiten, bzw. Regelung ihrer Verhältnisse zu einander, festlegen - ist es notwendig, daß das Geld sowohl in der Zuweisung, wer es also in welchen Mengen erhält, als auch in seinen Nutzungsrechten, was, wann, von wem, in welchem Maße usw. eingekauft werden darf, eingeschränkt wird.

„Von der Konsumtions- zur Produktionsseite hin ergißt sich im täglichen Rhythmus der Strom der im Produktionsfeld Tätigen. Es seien die Wirtschaftswerte, die sie zum Einsatz bringen, mit dem Namen «Fähigkeitswerte» benannt («Fähigkeiten werden in der Arbeit eingesetzt»). Vom Produktionsfeld zum Konsumtionsfeld hin ergießt sich andererseits ebenfalls im Tagesrhythmus der Strom der «Konsumwerte» (dessen, was im Produktionsfeld für den Bedarf des Konsumfeldes geschaffen wurde). Betrachtet man nun die Rolle, welche das Geld dabei spielt, so ergibt sie sich wiederum aus den Notwendigkeiten der Sache heraus. Das sei im Folgenden geschildert.

Es kann nicht anders sein, als daß das Geld eine Bewegung mit Anfang und Ende durchläuft. Wenn das Scheiden von Konsumtionsfeld und Produktionsfeld nicht in gesetzesrechtlicher Art geschieht, kann sich ein solcher Kreislauf nicht einstellen. Ist dieses Scheiden aber - wie geschildert, aus den Notwendigkeiten der Sache heraus - vorgenommen, dann gibt es keine andere Möglichkeit, als daß das Geld eine Bewegung ausführt, die einen Anfang und ein Ende hat - eine Forderung, die Rudolf Steiner schon 1922 stellte.² (² GA 341, Seminar 5. Aug. 1922 [Schmundt führt ein Zitat bezüglich Abnützung, Wechselcharakter des Geldes an]“ (Lit.: Schmundt: Der Geldkreislauf als Organsystem, in: Leber: Funktion und Wesen des Geldes, S. 74)

Man fragt sich allerdings, weshalb es sich um einen Kreislauf handeln soll, wenn es einen Anfang und ein Ende gibt. Bei einem richtigen Kreislauf würde das Geld in einem fortlaufenden Übergang sein ohne Anfang und Ende. Der Kreislauf bei Schmundt ist in etwa so gemeint, wie es ein Kreislauf von Transportlastwagen wäre, die die Fabrik voll mit Waren verlassen, also mit Konsumwerten, und leer zurück kommen. Die Konsumwerte vollziehen keinen Kreislauf im eigentlichen Sinne, sondern enden im Verbrauch. Die LKW kommen leer zurück. Und so ist es bei Schmundt mit dem Geldkreislauf: Das Geld verläßt mit Wert die Kreditbank, eine Art Geldpumpe, in Richtung Produktionsfeld, und kehrt ohne Wert zurück (entspricht dem Wechsel-Ablauf). Aber das ist nur erst die erste Etappe des Geldes. Die Produktionsstätten nämlich geben das Geld an die in den Betrieben tätigen Menschen für deren Konsum der produzierten Waren und Dienstleistungen aus. Es ist dies vergleichbar der Verladung des Geldes, d.h. seiner Wertebeträge, nicht auf die LKW, die leer zur Geldpumpe zurückkehren, sondern auf andere LKW hin zum Konsumtionsfeld. Diese LKW kehren wiederum leer zum Produktionsfeld zurück. Daher können von den Betrieben auch keine Gelder mit Wert zur Geldpumpe zurückkommen. Es ist der Pumpe jedoch bekannt, welchen Wert das Geld bei der Ausgabe gehabt hatte. In solchem Volumen wird von neuem Geld in die Produktionsstätten gepumpt.

Das ist es im Grunde schon, so stellt sich Schmundt die Funktion des Geldes vor. Eines Schenkungsgeldes im eigentlichen Sinne bedarf es nicht, weil für Schmundt die Schulen, Krankenhäuser etc. auf der Produktionsseite angesiedelt sind. Da aber eine Schule z.B. keine unmittelbaren Konsumwerte produziert, erzielt sie keine Einnahmen durch einen Verkauf. Sie muß von den anderen Produktionsstätten querfinanziert werden. Das ist das Schenkungsgeld im Schmundtschen Sinne, von dem Schweppenhäuser zurecht feststellt, daß es von ganz anderer Art ist wie dasjenige, das Rudolf Steiner konzipiert hatte. Es entspricht jedoch auch den Überschüssen, die durch betriebswirtschaftliche Effizienz zustandekommen.

„Es werden dann die Geldüberschüsse (Überschüsse von Geld ohne Wertbeziehung!) von dem System der «Assoziationsbanken» gesammelt und solchen Unternehmen zugeleitet, die - um den Bedarf der Konsumenten (etwa an Straßen und vielem vielem anderen) zu befriedigen - geringere Preise oder gar keine für ihre Produkte ansetzen können.“ (Lit.: e.d., S. 76)

Der Kreislauf als solcher ist ein recht einfacher, aber die Zuweisung von Geld in den einzelnen, konkreten Fällen, sowie auch die Legitimiertiert solcher Zuweisungen ist es nicht. Ein Großteil der Überlegungen Schmundts richtet sich auf dieses Problem der Feinsteuerung des Geldflusses. Es soll insgesamt betriebs- und volkswirtschaftlich effizient sein, und zudem soll es gerecht zugehen.

Die Macht des einzelnen Geldbesitzers, wie eingangs beschrieben, geht in solchem System über an diejenigen, die Geld zuweisen. Dies hält Schmundt für die Gesundung des sozialen Organismus für notwendig, da dadurch die privatwirtschaftlichen Elemente innerhalb des Produktionssektors eleminiert werden.

„Das Beibehalten des Privatwirtschaftlichen in den Ordnungen des arbeitsteilig gefügten Produktionsbereiches wurde in jenen früheren Darlegungen als die Grundkrankheit der sozialen Organismen westlicher Prägung angesprochen.“ (Lit.: e.d, S. 74)

„Ohne die im Wesen des Wirtschaftens liegende Polarität von Arbeitsfeld und Bedarfsfeld wirklich werden zu lassen, läßt sich meiner Einsicht nach das Geld innerhalb der Industriegesellschaft nicht 'zügeln'. Ist der Produktionsbereich als ein arbeitsteilig-assoziatives Ganzes geordnet, dann gibt es in ihm kein 'Verkaufen und Kaufen', sondern nur ein 'Bestellen und Liefern', das vom Verrechnen des rücklaufenden, Wert-freien Geldes begleitet ist.“ (Lit.: Schmundt, Eine Kurzbeschreibung, in Schweppenhäuser, Fallstudie 5, S. 56)

Folgend gibt Schmundt in dem Beitrag, der in Schweppenhäusers Fallstudie 5 abgedruckt ist, zu bedenken, daß die Unverständlichkeit des Dargelegten (Schmundt spricht vom "nicht zurande kommen") nur behoben werden kann, wenn man

„zwischen dem sozialen Leben (mit seinen drei Bereichen: dem Geistbereich, dem Rechtsbereich, dem Naturbereich) und dem sozialen Organismus, der ihm zugrundeliegt, unterscheidet; dessen Glieder haben es mit den drei Ausprägungen des Menschenwesens zu tun, auf die man hinweist, wenn man sie (mit Bezeichnungen, die Christof Lindenau verwendet) als Fähigkeitswesen, mündiges Wesen und Bedarfswesen charakterisiert. Die Schwierigkeit, welche für den anthroposophischen Forscher zunächst vorliegt, besteht darin, daß Rudolf Steiner in dem grundlegenden zweiten Kapitel der 'Kernpunkte' den Gesichtspunkt des Organismus und den der Kulturbereiche miteinander verwebt. Das 'erst unterscheiden, dann verbinden' hat er seinen Schülern überlassen. Als Orientierungshilfe lenkte er den Blick auf das Zusammenspiel von Seelenleben und Leibesorganismus des Menschen; dieser gibt die Grundlage für jenes ab.“ (Lit.: e.d., S.57f.)

Diese Annahme, Beobachtung, Tatsache oder eventuell auch Gestaltungsidee, was auch immer, (sie wurde schon weiter oben im Text angesprochen), daß der soziale Organismus sich zum sozialen Leben so verhalte, wie der menschliche Leib zum Seelenleben des Menschen, ist also, abgesehen davon, ob damit Rudolf Steiners Verständnis zutreffend interpretiert wird, eine Voraussetzung, um das Urbild des sozialen Organismus in der Fassung Wilhelm Schmundts verstehen zu können. Auch wenn man nicht darin übereinkommt, daß Wilhelm Schmundt in dieser Hinsicht Rudolf Steiners Dreigliederungslehre richtig interpretiert, bleibt doch dieses Bild eines Verhältnisses wie Seele und Leib für Schmundt fundamental, und die Frage ist daher einer näheren Untersuchung bedürftig.

Der soziale Organismus (II)

Als Belegstellen für seine These, daß sozialer Organismus und soziales Leben zu unterscheiden seien, gibt Schmundt GA 023, 2. Kap. an, sowie GA 024, S. 219, und GA 328, 4. Vortrag an (vgl. FN 4).

„Ebenso wahr, wie es ist, daß moderne Technik und moderner Kapitalismus unserm gesellschaftlichen Leben eigentlich in der neueren Zeit das Gepräge gegeben haben, ebenso notwendig ist es, daß diejenigen Wunden, die von dieser Seite her notwendig der menschlichen Gesellschaft geschlagen worden sind, dadurch geheilt werden, daß man den Menschen und das menschliche Gemeinschaftsleben in ein richtiges Verhältnis bringt zu den drei Gliedern dieses sozialen Organismus. Das Wirtschaftsleben hat einfach durch sich selbst in der neueren Zeit ganz bestimmte Formen angenommen. Es hat durch eine einseitige Wirksamkeit in das menschliche Leben sich besonders machtvoll hereingestellt. Die andern beiden Glieder des sozialen Lebens sind bisher nicht in der Lage gewesen, mit derselben Selbstverständlichkeit sich in der richtigen Weise nach ihren eigenen Gesetzen in den sozialen Organismus einzugliedern.“ (Lit.:GA 23, S. 63f.)

In dieser Passage aus dem 2. Kapitel der Kernpunkte ist, hervorgehoben durch Kursivschrift, von einem menschlichen Gemeinschaftsleben die Rede, das in ein richtiges Verhältnis zu den drei Gliedern des sozialen Organismus zu bringen sei, aber auch davon, daß sich zwei der drei Glieder des sozialen Lebens, nämlich das Geistesleben und das Rechtsleben, bisher noch nicht in der richtigen Weise sich in den sozialen Organismus nach ihren eigenen Gesetzen eingliedern konnten. Die Komplikation bezüglich des Wirtschaftslebens, von dem angedeutet wird, daß es sich in der richtigen Weise schon, wenn auch einseitig, eingeliedert habe, was ja doch keine selbstverständliche Ansicht ist, hier beiseite gelassen, wird einmal ein "menschliches Gemeinschaftsleben" von den drei Gliedern des sozialen Organismus unterschieden, dann aber auch "soziales Leben" mit dem sozialen Organismus gleichgesetzt. Will man unter dem sozialen Leben menschliches Gemeinschaftsleben verstehen, ist es einmal dem Leben des sozialen Organismus gleichgesetzt, und einmal nicht. Logischerweise sind also "menschliches Gemeinschaftsleben" und "soziales Leben" als verschiedene Daseinsweisen, gemäß dieser Passage, des Menschen aufzufassen.

„Von jeder Sozialisierung, von jedem Versuche, dem menschlichen Zusammenleben eine wirtschaftliche Gestaltung zu geben, muß berücksichtigt werden die Naturgrundlage“ (Lit.:GA 23, S. 64)

Dem "menschlichen Zusammenleben" (=gleich menschliches Gemeinschaftsleben?) ist eine wirtschaftliche Gestaltung zu geben, d.h. dieses Zusammenleben selbst bekommt eine wirtschaftliche Gestaltung, was nur bedeuten kann, daß mit dem "menschlichen Zusammenleben" das Leben des sozialen Organismus gemeint ist.

In GA 24, S. 219, von Schmundt als Beleg angeführt, findet sich folgende Passage:

„In einem solchen [sozialen Organismus] aber müssen die Menschen das suchen können, was sie zu einem menschenwürdigen Dasein nötig finden. Auch der natürliche gesunde Organismus schafft von sich aus nicht, was die Seele an innerer Kultur entfalten muß; ein kranker natürlicher Organismus verhindert sie daran. Und ein gesunder sozialer Organismus kann nur die Voraussetzungen schaffen für dasjenige, was die Menschen in ihm durch ihre individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse entwickeln wollen.“ (Lit.:GA 24, S. 219)

Dies kann man wohl kaum als ein Verhältnis des "sozialen Lebens" zum sozialen Organismus verstehen, sondern nur als eines des individuellen, einzelnen Menschen zum sozialen Organismus.

In GA 328, 4. Vortrag, von Wilhelm Schmundt als Beleg für seine These angeführt, ist schon gleich eingangs wieder von dem Verhältnis des individuellen Menschen zum "gesellschaftlichen Leben" die Rede.

„Mehr vielleicht, als heute mancher ahnt, greift herein der soziale Impuls in das unmittelbare Leben des Einzelmenschen; aber er wird immer mehr und mehr noch hereingreifen. Er wird bestimmend werden geradezu für die Kräfte des allerindividuellsten Verhaltens. Und man wird kaum richtig verstehen können, wie man heute drinnensteht im gesellschaftlichen Leben der Menschheit, welches durchwellt und durchpulst ist von den sozialen Impulsen, wenn man nicht ins Auge faßt, wie aus zwei Ursprüngen eigentlich im Laufe des neueren Lebens der Menschheit das soziale Denken und Wollen verschiedener Menschenschichten entstanden ist. Denn das Fortleben der Ursprünge bis in die Gegenwart herein, das wirkt auf diesem Gebiete eigentlich so, daß es sozial diesem gegenwärtigen Leben die Gestaltung gibt.“ (Lit.:GA 328, S. 75)

Eine weitere Passage bezieht sich ausschließlich auf das Verhältnis des einzelnen Menschen zum sozialen Leben (das dem sozialen Organismus gleichzusetzen ist):

„Nun tritt zu gleicher Zeit wie im Gefolge dieses elementarischen Umschwunges der neueren Menschheitsentwickelung das ein, was man so bezeichnen könnte, daß man sagt: Was früher in der Menschenseele selbst gelebt hat als soziale Impulse, die dann zu der sozialen Struktur der menschlichen Gesellschaft geführt haben, das hat sich vor diesem Zeitraum mehr instinktiv ausgelebt. Die Menschen lebten gesellschaftlich zusammen, ordneten ihre Angelegenheiten gesellschaftlich aus gewissen Instinkten heraus.“ (Lit.:GA 328, S. 76f.)

Im folgenden ist dann allerdings von den Klassen des Bürgertums und des Proletariats die Rede, in deren Interessen sich unterschiedliche soziale Impulse auslebten. Die Frage ist nicht ganz unberechtigt, ob nicht nur einzelne Individuen im Verhältnis zum sozialen Organismus stehen, sondern eben auch Gruppierungen, Menschen, die ein soziales Verhältnis zueinander haben, und sich mit dieser ihrer Gemeinsamkeit, die sich auch im Umgang miteinander und im Verhältnis zu anderen Gruppen ausdrückt, also im "sozialen Leben", zum sozialen Organismus verhalten. Genauso kann man sich Familien, auch Clans vorstellen, oder Nachbarschaftsgemeinschaften, die im Umgang miteinander und im Verhältnis zur sozialen Umwelt eine Sozialität zum Ausdruck bringen, die nicht vollständig im sozialen Organismus mit den recht äußerlich aufgefaßten Gebieten des Wirtschaftens, des Staates und (mit Einschränkung) dem Kulturleben aufgeht. Im kulturellen Leben, soweit es nicht instutionalisiert ist, hat man noch am ehesten ein Ineinander des kulturellen und sozialen, das dann nur auf eine künstliche Weise, für den Beobachter, unterschieden werden kann.

„So mußte eintreten, was wir nun kommen sehen: daß wie gerüstet zu einem Lebenskampfe die beiden Bevölkerungsschichten sich gegenüberstehen. Und das Wesentliche in diesem Kampfe, der zum Teil sich schon auslebt, zum Teil aber erst sich vorbereitet, und der, wie es einleuchten kann, selbst noch heute nur oberflächlich das gesellschaftliche Leben ergreift, der gigantische Formen annehmen wird, das Wesentliche ist, daß auf der einen Seite die bürgerlich leitenden Kreise das Wirtschaftsleben mehr und mehr erobern wollen für den Staat, miterobern wollen für den Staat mit diesem Wirtschaftsleben in einer eigentümlichen Weise die Arbeitsleistung und Arbeitskraft des Proletariats selbst, und daß auf der anderen Seite das Proletariat den Staat erobern will für das, was es für sich an Interessen im abgesonderten Wirtschaftsleben erlebt.“ (Lit.:GA 328, S. 78f.)

Man kommt nicht umhin, festzustellen, daß die Rede ist von sozialen Gruppierungen, die die Glieder des sozialen Organismus für ihre Interessen zu instrumentalisieren trachten. Es wäre somit nicht nur zwischen einzelnen Individuen und dem sozialen Organismus zu unterscheiden, sondern auch zwischen Gruppen von Individuen, menschlichen Gemeinschaften, im Verhältnis zum sozialen Organismus. Aber ist es deshalb schon berechtigt, wie Schmundts These lautet, von einem Verhältnis solchen sozialen Lebens zu dem sozialen Organismus zu sprechen, wie dasjenige Verhältnis der Seele zu ihrem Leib eines ist?

Nun sieht Rudolf Steiner allerdings hinter diesem Klassenkampf ein ganz anderes, individuelles Motiv walten, das in den einzelnen Seelen gründet:

„Das, was sich heraufarbeiten will an die Oberfläche des menschlichen Lebens, seitdem der krisenhafte Umschwung im 15. Jahrhundert in der Entwickelung der neueren Menschheit eingetreten ist, das zeigt erst, während das andere vielfach eben nur im Bewußtsein maskiert sich abspielt, was wühlt und treibt und pulst im menschlichen Leben: das ist das Streben nach einer vollen Geltendmachung der menschlichen Persönlichkeit, so wie es die früheren Zeiten nicht gekannt haben. Geltendmachung der menschlichen Persönlichkeit, Fühlen des Menschenwesens in sich, das ist eigentlich der Grundnerv der sozialen Frage, und das kleidet sich nur nach diesen verschiedenen Lebensverhältnissen, die ja gerade mit dem Angegebenen bestimmt sind, in die gegebenen Formen. Und so konnte es kommen, daß ein Kampf, der im Grunde genommen ein Kampf ist um die Erringung der vollen Menschenwürde bei allen Menschen, ein Kampf gegenseitiger verschiedener Interessen selbst geworden ist, ein Kampf der Klassen, ein Kampf, der in die Gegenwart herein in einer so verhängnisvollen Weise seine Kräfte wirft.“ (Lit.:GA 328, S. 79)

Dieses heraufkommende moderne Verhältnis des Individuums zur Gesellschaft ist dann doch eines, wo Einzelwesen sich dem Sozialen gegenüber sehen, ob dieses nun in drei Glieder geschieden ist oder nicht. Es ist ein Verhältnis, in dem das Individuum sich aus solchen Gemeinschaften wie den Klassen oder Schichten herauslöst, diese ihm etwas äußerliches werden gerade so wie das soziale Leben als Staats- und Wirtschaftsleben etwas äußerliches wird. Es kommt für die Gestaltung dann auf dieses Verhältnis an - des Individuums zur Gesellschaft - und kann man dieses dann auffassen analog dem Verhältnis der Seele zum Körper? Von einem sozialen Leben, das sich zum sozialen Organismus so verhalte, wie Seele zu Leib, zu reden, würde insofern keinen Sinn machen, als die Individuen in diesem sozialen Leben nicht mehr innerlich darinnen sind.

Soweit es soziales Leben außerhalb des sozialen Organismus weiter gibt, was zugegeben werden muß, kann dieses aber nicht als in einem organischen Verhältnis gedacht werden zum sozialen Organismus. Die Rede, daß sich ein bestehendes soziales Leben so zum sozialen Organismus verhalte, wie die Seele zum Leib, muß daher als unzutreffend bezeichnet werden, sofern unter "sozialem Leben" im Unterschied zum sozialen Organismus das verstanden werden soll, was bisher entwickelt wurde.

Näherliegend ist, wie die menschlichen Iche schon ihre Seele gewissermaßen als einen Leib haben, den inneren, und dann den körperlichen Leib, daß weiter draußen der soziale Organismus als ein weiterer Leib hinzukommt, ein gemeinsamer freilich. Von einem sozialen Leben als "Seele" des sozialen Organismus kann man insofern nicht mehr sprechen, als die sozialen Gemeinschaften, wie es sie früher gab, nicht mehr existieren, bzw. in Auflösung begriffen sind. Und genau diese Entwicklung ist ja der Grund für die Notwendigkeit, das soziale Zusammenleben der Menschen entsprechend der Idee der sozialen Dreigliederung zu gestalten. Somit löst sich zunächst einmal die Schmundtsche These in Luft auf, wenn man nur das bisherige berücksichtigt.

Wenn aber der soziale Organismus ein gemeinsamer sozialer Leib von Individuen ist, müssen dann nicht zwischen den Individuen, die einen solchen gemeinsamen Leib haben, besondere Verhältnisse entstehen, neu entstehen, und ist dieses neue soziale Leben innerhalb des sozialen Organismus, das motiviert für die Individuen durch die gemeinsame Leiblichkeit des sozialen Organismus ist, möglicherweise die gemeinte "Seele" des sozialen Organismus? Dies scheint dann eine Gemeinschaftsform zu sein, die von unten bzw. von draußen kommt, motiviert ist, im Gegensatz zu jenen Gemeinschaften freier Geister, von denen in der 'Philosophie der Freiheit' die Rede ist.

Folgend ist nun zu untersuchen, ob in solchem Sinn von einem Verhältnis eines neuen sozialen Lebens innerhalb des sozialen Organismus zu diesem gesprochen werden kann, wie von dem Verhältnis, wie es die Seele zum Leib hat, und ob Wilhelm Schmundt genau dies Verhältnis einer neuen, mehr innerlichen Gemeinschaft der Menschen zu derjenigen, mehr äußerlichen des sozialen Organismus ins Auge gefaßt hatte.

Aus den angegebenen Belegstellen läßt sich jedoch nicht feststellen, daß Rudolf Steiner selbst soziales Leben und sozialen Organismus unterschieden hätte analog Seele und Leib. Es findet sich vielmehr eine Darstellung einmal der Analogie zwischen menschlichem Körper und sozialem Organismus, und dann die Schilderung des Verhältnisses von Individuen und sozialem Organismus. Es wird allerdings einmal, GA 23, 63f. vom Verhältnis der Menschengemeinschaft zum sozialen Organismus gesprochen. Es wird dieses Verhältnis aber nicht weiter von Rudolf Steiner qualifiziert. Aber daß das soziale Leben nicht völlig im sozialen Organismus aufgeht, sondern auch in einer gewissen Separatheit für sich und in einem Gegenüber zum sozialen Organismus präsent ist, ist nach dem bisher angeführten plausibel, und es ist zudem fraglich, ob solche Unterscheidung mit derjenigen zwischen privatem sozialen Leben und öffentlichem sozialen Leben zusammenfällt. Schmundt behauptet mit seiner Analogie "wie Seele zu Leib" jedoch eine spezifischere Beziehung des sozialen Lebens im Verhältnis zum sozialen Organismus. Denn es ist eine Beziehung von wesentlich sehr verschiedenem. Das Seelische ist von anderem Wesen als der aus dem Natürlichen gebaute Körper. Es ist sehr fraglich, ob dies so auch von dem sozialen Leben im Verhältnis zum sozialen Organismus so gelten kann. Vielmehr sind soziales Leben und sozialer Organismus von gleichem Wesen, wenn auch der soziale Organismus sich aus dem sozialen Leben als etwas gewissermaßen nicht nur gegenüber den Individuen, sondern auch gegenüber dem sozialen Leben selbständig körperartiges herausdifferenzieren mag. Für eine Differenz ganz allgemein lassen sich in den Texten Rudolf Steiners Belege finden. Zu dem bereits angeführten heißt es in GA 328, S. 96:

„Was unmittelbar angestrebt werden kann, das ist ein lebensfähiger sozialer Organismus, ein solcher, der lebendige Kräfte des Lebens eben in sich hat. Hineingestellt in einen solchen Organismus, lebend in einem solchen Organismus, kann erst aus ganz anderen Untergründen heraus der Mensch sein Glück begründen. Das hat ganz andere Untergründe. Aber diese Untergründe, die müssen befreit werden von ihrer Fesselung. Und sie werden nur befreit, wenn ein lebensfähiger Organismus zugrunde liegt. So wie in einem wirklich lebensfähigen Organismus die Seele sich entwickeln kann, in ihm in entsprechender Weise sein kann, so in einem lebensfähigen sozialen Organismus eine glückliche, zufriedene, arbeitswillige und arbeitsverständige Menschheit. Das ist es, worauf es ankommt zur Gesundung des sozialen Organismus.“ (Lit.:GA 328, S. 96)

"Menschheit" erlaubt hier zwar auch eine Interpretation, die nicht Menschengemeinschaft meint, sondern den Menschen als solchen. Mit Hinzunahme der genannten Formulierung aus GA 23 könnte aber auch ein soziales oder kulturelles Leben der Menschen gemeint sein, das dann tatsächlich mit der von Schmundt behaupteten Analogie zum sozialen Organismus als einem Sozialkörper ins Verhältnis gesetzt wäre. Die weitere Verwendung des Wortes "Menschheit" durch Rudolf Steiner in dem 4. Vortrag GA 328 legt dann nahe, daß tatsächlich die Menschen insgesamt gemeint sind, also die Menschengemeinschaft auf der Erde, und nicht auf das Verhältnis eines einzelnen Individuum zum Sozialkörper abgezielt wird:

„[W]as ich hier als diese drei Glieder anführe, [ist] eine wirkliche Notwendigkeit für die gegenwärtige Lebensform der Menschheit und die Lebensform der Menschheit für die nächste Zukunft ... Man möchte sagen, bevor diese schreckliche Katastrophe, die man einen Krieg nennt, über die Menschheit hereingebrochen ist, war die Kulmination des Durcheinanderwürfeins und Durcheinanderwirrens der drei Glieder, die sich differenzieren müssen, erreicht.“ (Lit.:GA 328, S. 96)

Der soziale Organismus ist also auch als Lebensform der Menschheit verstehbar, der Menschen insgesamt. Er ist nicht oder nicht ausschließlich Lebensform eines Individuums, sondern der Menschen insgesamt. Diese haben aber eben auch Beziehungen untereinander, die nicht über den sozialen Organismus laufen (schon allein das private Familienleben z.B.). Eine Analogie zum Verhältnis von Seele und Leib scheint aber kaum sehr stark strapazierbar, dennoch könnte es lohnend erscheinen, in solcher Richtung weiter zu forschen, und den Hinweisen Schmundts nachzugehen.

Wilhelm Schmundt geht über diese Behauptung solcher gewissen Ähnlichkeit des Verhältnisses von sozialem Leben der Menschheit und dem sozialen Organismus, mit demjenigen von Seele und Leib, aber noch insofern hinaus, als er den sozialen Organismus in sehr spezifischer Weise, vom sonst üblichen abweichend, bestimmt als das arbeitsteilig organisierte Produktionsfeld, in dem dreigegliedert die Kuratorien (=Beratungsgremien, aus dem Geistesleben), Assoziationen (rechtsvereinbarende Gremien) und das Wirtschaftliche im eigentlichen Sinne, die Warenproduktion, zusammenwirken. Die Warenkonsumtion ist dabei an der Peripherie des so verstandenen sozialen Organismus angesiedelt. Das soziale Leben oder auch kulturelle Leben, das von solchem sozialen Organismus zu unterscheiden wäre, würde von anderen Interpreten der Dreigliederungsidee wie z.B. Schweppenhäuser als ein dreigegliedertes in Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben aufgefaßt, und für den sozialen Organismus genommen. Dies ist nach Schmundt grundfalsch. Man könne zwar die drei Aspekte ausmachen, sie wären in diesem sozialen oder kulturellen Leben aber nicht differenziert. Dies ist nach Schmundt nur in dem organisierten Arbeitsfeld der Fall.

„«Produktionsbereich» meint das integrale Arbeitsfeld des sozialen Organismus, und dieser Bereich zeigt dann, wenn das Freiheitsprinzip gestaltbestimmend ist, drei relativ selbständige Funktionssysteme: das System der beratenden Kuratorien, das System der rechtsvereinbarenden Gremien, das System der assoziierten Arbeitskollektive. Der «Konsumtionsbereich» weist keine derartige Gliederung auf; die Gegebenheiten und Prozesse, die in ihm je mit dem Charakter des Geisteslebens, des Rechtslebens, des Wirtschaftslebens auftreten, zeigen sich ineinander verwoben und bilden keine makrosozialen Funktionssysteme.“ (Lit.: Schmundt, Die Zeit und ihre sozialen Forderungen, S. 78)“ (Lit.: Schmundt, Die Zeit und ihre sozialen Forderungen, S. 78))

Schmundt hatte sich zwar auch zur Anerkennung der Berechtigung auch der anderen Sichtweise durchgerungen, wie es das in FN 4 angegebene Zitat z.B. zeigt. Aber das scheint mehr rhetorisch zu sein. Aus der ganzen Anlage seines Konzepts kann es solche Anerkennung nicht wirklich geben. Schon gar nicht ist die Differenz "seines" sozialen Organismus mit demjenigen, wie er nach Ansicht anderer Interpreten des von Rudolf Steiner gemeinten, aufzufassen ist, also einem sozialen Organismus, in dem z.B. das Bildungswesen mit seinen Schulen dem Gebiet des Geisteslebens angehört, als relativ unabhängig von Staat und Wirtschaft, dadurch aus der Welt geräumt, daß auf die Differenz von sozialem Leben und sozialem Organismus verwiesen wird. Immerhin zeigte sich Schmundt bemüht, eine Brücke zu finden für eine Vereinbarkeit der so sehr verschiedenen Auffassungen. Er konnte einen Weg jedoch nicht finden. Im Nachwort (Dez. 1981) zur Aufsatzsammlung "Erkenntnisübungen zur Dreigliederung des sozialen Organismus" heißt es:

„Wo aber - so geht die Frage - ist in der vorliegenden Schrift Bezug genommen auf so vorzügliche Werke wie die des Seniors auf dem anthroposophisch orientierten sozialwissenschaftlichen Felde: Professor Folkert Wilken, oder auf die Schriften von Theodor Beltle, von Benediktus Hardorp, von Heinz Kloss, Lothar Vogel oder insbesondere auf das Buch von Stefan Leber 'Selbstverwirklichung - Mündigkeit - Sozialiät' ...? Und hat denn nicht Hans Georg Schweppenhäuser heftige Kritik an dem geübt, was hier als eine Elementarlehre des sozialen Organismus skizzenhaft geschildert wird?

Zu diesen gewichtigen Fragen kann ich nur sagen: Es hat sich zu meinem Leidwesen ein Anknüpfen nicht ergeben. (...) Es handelt sich zunächst um den Begriff des sozialen Organismus, welcher hier unterschiedlich zu den genannten Werken gefasst wurde und ein harmonisches Zusammenstimmen hindert. So wie ich es sehe, vermag sich eine Harmonie zu ergeben, wenn man dasjenige, was hier dargelegt wurde, jenen Publikationen als Anhang angefügt vorstellt, gewissermaßen als 'Ausblick auf ein notwendiges Weiterführen'.“ (Lit.: Erkenntnisübungen, S. 253f.)

Eine Gemeinsamkeit des Anliegens lasse sich bei drei zusammengehörigen Themen finden: 1. Wandeln bestehender sozialer Einrichtungen, 2. 'die zu erarbeitende Arbeitsweise' (Christof Lindenau), und - 3. das Ins Rechte-Denken der Begriffe (Schmundts Beitrag, wie er ihn selbst versteht) (S. 254).

Es handelt sich um unterschiedliche Begriffe vom "sozialen Organismus", aber möglicherweise auch um unterschiedliche soziale Organismen im gegenständlichen Sinne. Schmundts sozialer Organismus ist auf ein Staatsgebiet beschränkt. Es gibt von daher soviele soziale Organismen wie Staaten oder auch auf andere Art abgegrenzte Gebiete. Man könnte sich auch einen Inselstaat mit vielen Inseln denken, auf denen sich jeweils ein sozialer Organismus im Sinne Schmundts entfaltet, aber dann nicht mit staatlichen Grenzen, sondern geographischen. Entscheidend ist, daß hoch organisierte Komplexe diesen Organisationsgrad an ihren Grenzen verlieren und daß da dann "privatwirtschaftlicher" Handelsverkehr eintritt. Es sollte möglich sein, sich solche Komplexe in den sozialen Gesamtorganismus, der, obwohl es Rudolf Steiner auch teilweise noch tut, eigentlich nicht mehr als ein auf ein Staatsgebiet bezogenes Gebilde verstanden werden kann, sondern nur noch als ein globaler, weltweiter, eingebettet zu denken. Und die tatsächlichen Gegebenheiten, auf die es schließlich allein ankommt, nicht auf Denkmöglichkeiten, die könnten sich auch so darstellen, daß es verschiedene Arten von sozialen Organismen gibt, innerhalb des einen, großen, alles umfassenden und auch dreigegliederten (der Idee bzw. dem Ideal nach) Gesamtorganismus.

Rezeption

Nach einem zwanzigjährigen Studium des nationalökonomischen Denkens von Rudolf Steiner veröffentlicht Schmundt im Jahr 1950 einen Aufsatz über die Wandlung des Kapitalbegriffs.[10] Die Beschreibung eines meditativen Gedankenweges erzeugte Widerspruch, insbesondere seines Freundes Hans-Georg Schweppenhäuser. Zustimmung erhielt Schmundt von Rudolf Kreutzer, Fritz Götte, Folkert Wilken und Hunold Graf von Baudissin[11]. Eine wirksame Rezeption begann jedoch erst ab 1972 durch den Achberger Kreis, an dem sich auch Joseph Beuys beteiligte.[12] Auf dem Achberger Jahreskongreß 1973[13] fand die entscheidende Begegnung mit Beuys statt, der danach die Schmundt'schen Arbeitsergebnisse übernahm und in sein Werk integrierte. Joseph Beuys nannte ihn schließlich kurz vor seinem Tode "unseren großen Lehrer"[14]. Leif Holbaek-Hanssen verfasste ein umfassendes wirtschaftswissenschaftliches Grundwerk in mehreren Bänden mit dem Schwerpunkt „Marketing“, in dem er die Forschungsergebnisse Wilhelm Schmundts in eigenständiger Weise rezipiert[15].

Wilhelm Schmundt und Joseph Beuys

„Wie wichtig das Material für Beuys war, das er von Schmundt erhalten hatte, sieht man schon daran, daß im unmittelbarem Anschluß an dieses Ereignis zum ersten Mal bei ihm der Begriff der Sozialen Plastik bzw. Sozialen Skulptur auftritt. Die beiden Ereignisse, das In-Empfang-Nehmen des Schmundt-Impulses und das Auftreten des Begriffes der Sozialen Plastik, gehören zusammen. (...) Bevor Beuys dieses Ideenbild Soziale Plastik genannt hat, benutzte er den Terminus freier demokratischer Sozialismus. (...) Dieser Terminus ist eigentlich nichts anderes als die abbildungsgetreue Wiedergabe der drei Glieder des Sozialen Organismus so, wie sie bei Rudolf Steiner vorgeführt werden. (...) Somit beinhaltete freier demokratischer Sozialismus für Beuys die Gesellschaftsform, die das Ganze, das nur vollständig war, wenn alle drei Glieder (selbstverwaltet) in Erscheinung treten, vollständig beschrieb. (...)

Aber sie [die Bezeichnung freier demokratischer Sozialismus] ist auch ... bestimmt ... durch ein Defizit; und dieses Defizit bezieht sich auf die Frage der organischen Einheit der drei Glieder. (...) [J]etzt [mußte] dieser Zusammenhang selbst als Bild, als logische und organische Figur und Form heraus, also das zuvor Gegliederte als ein Einheitliches, als ein Lebewesen, als eine Plastik!“ (Lit.: Johannes Stüttgen: Wilhelm Schmundt und Joseph Beuys. In: Die Kunst des sozialen Bauens, S. 13ff.)

Nachdem Beuys in den Perfomances die ersten beiden Teile (freier demokratischer) abgearbeitet hatte, war es

„kein Zufall, daß diese Frage nach dem einen Ganzen und seiner Form genau in dem Stadium der Aktion auftritt, als in der Logik der Reihenfolge in der Beuysuntersuchung das dritte Glied, nämlich das Wirtschaftswesen ansteht; denn das Wirtschaftswesen ist das beherrschende Prinzip des Gesellschaftsorganismus in der Gegenwart. «Wir leben in einer Wirtschaftskultur», hatte Beuys gesagt. Aber der Wirtschaftsbegriff war damals längst noch nicht so klar herausgearbeitet wie der Freiheits- und der Demokratiebegriff. (...)

Dieses Nachhängen in den Wirtschaftsbegriffen spitzte sich dann in den frühen 70er Jahren immer mehr zu, vor allem in den 100 Tagen auf der documenta 5 1972 in Kassel, als Beuys permanent von den Leuten mit Wirtschaftsfragen konfrontiert wird. Man spürte, daß die Frage nach dem Wirtschaftswesen jetzt wirklich an der Reihe ist. Und genau an diesem Punkt trifft Joseph Beuys auf Wilhelm Schmundt.“ (Lit.: e.d., S. 14f.)

„Da tauchen zum ersten Mal Überlegungen zum Kapitalbegriff und zum Geldbegriff richtig massiv auf, und zwar in dieser radikal geklärten Form, wie sie Wilhelm Schmundt abliefert. Es war eine Art schlagartige Erweiterung und Konkretisierung des gesamten Bildes. Wilhelm Schmundt hatte das horizontale Nebeneinander der drei Glieder in ein vertikales Gefüge versetzt und es gleichsam in eine höhere Dimension gehoben (wie wenn auf einmal eine flächige Vorstellung in eine körperhaft räumliche entfaltet wird). In dieser komplexeren Figur beschreibt jedes der drei eine Ebene oder Sphäre für sich - das Wirtschaftswesen (der Wirtschaftskreislauf) die unterste, das Rechtswesen (und der Geldkreislauf) die mittlere, der Geist die obere Sphäre -, so daß zugleich aber auch das Ineinanderwirken der drei, ihr Aufeinanderbezogensein, mit einem Wort: das Integral zur Anschauung kommt. Der Begriff der Sozialen Plastik war da.“ (Lit.: e.d., S. 16)

„Die Unterscheidung von Kapital und Geld, die auch die Unterscheidung von Wirtschafts- und Geldkreislauf betrifft, ist die zentrale Entdeckungs Schmundts, die heute benötigt wird. Nachdem Beuys darauf gestoßen war, spricht er über nichts anderes mehr. (...) Geld ist nicht Kapital, Kunst [gleich] Kapital. Auf diese Zentralformel wäre Beuys ohne Schmundt so nicht gekommen.“ (Lit.: e.d., S. 17)

„[D]ie documenta 6 1977 [war] ... geprägt durch das Schmundtsche Urbild und die vorrangige Bearbeitung des Wirtschaftsbegriffs und seiner Unterscheidung vom Geldbegriff. Das "organische Wesen" selbst war ins Zentrum der Betrachtung gerückt, und Beuys hatte dafür ja seine Honigpumpe am Arbeitsplatz als Bild gesetzt. Bezeichnenderweise werden in der einzigen aus den 100 Tagen Honigpumpe am Arbeitsplatz der documenta 6 resultierenden Schrift, einem von Joseph Beuys und mir verfaßten Aufsatz mit dem Titel "Das Modell der FREE INTERNATIONAL UNIVERSITY (Honeypump)" die Grundzüge des Schmundtschen Urbildes beschrieben.“ (Lit.: e.d., S. 17f.)

„Die Dreigliederungsidee stand auf einmal gar nicht mehr der Tatsache, daß die heutige Kulturstufe der Menschheit die "Wirtschaftskultur" ist, im Wege! Denn Schmundts Hellsichtigkeit lag genau darin, daß er aus der präzisen Beschreibung des Wirtschaftswesens erst das Dreigliederungswesen herausdestillierte. Schmundt also ging von der Beschreibung des Bestehenden aus - allerdings von einer wirklich sachgemäßen, genauen Beschreibung mit den richtigen Begriffen -, und daraus ging das Dreigliederungsbild ganz von selbst hervor. Das war das Gegenteil von Dogmatismus, das war endlich reine Phänomenologie!“ (Lit.: e.d., S. 23f.)

„Die Substanz der Gegenwartskultur, die im Wirtschaftswesen liegt und erst in der Unterscheidung von Kapitalbegriff und Geldbegriff herausgeholt werden konnte, vereinigte sich mit der Substanz des Begriffs der Plastik. Das kann man nur begreifen, wenn man das Innerste mit dem Äußersten zusammensieht. Das "Urbild" bei Wilhelm Schmundt ist die "Soziale Skulptur" bei Joseph Beuys. (...) Wie aber ist Substanz überhaupt wahrnehmbar? Und was hat das Denken damit zu tun? Der Beuys-Satz: Denken [gleich] Plastik ist ja eine Substanz-Aussage. (...) [Schmundt] war geprägt durch die vollkommene Selbständigkeit im Denken und deshalb begnadet mit der Fähigkeit, im Denken Wahrnehmungen zu haben, d.h. Intuitionen. So stößt er auf das "Urbild", wie er es nennt. Das hat er gesehen! Und genau in diesem Urbild erscheint bei Beuys die Soziale Skulptur, die parallel dazu entstanden ist. Beide verschmelzen zu Einem. Also Beuys hat mit seinem freien demokratischen Sozialismus dieses Urbild gehabt, was Schmundt als die Freiheitsgestalt des sozialen Organismus bezeichnet. Beide Urbilder haben sich als die gleichen erkannt.“ (Lit.: e.d., S. 24f.)

„[D]as Denken kann nur es selbst sein und Plastik sein, wenn es wirklich rein, d.h. von jeglichen Nicht-Denk-Ambitionen frei bleibt bzw. frei gemacht wird. Und genau dies vollzog Wilhelm Schmundt in seiner ganz wichtigen Entdeckung der Unterscheidung des Urbildes des sozialen Organismus von dem, was er das "soziale Leben" oder das "soziale Gestalten" nannte. (...) Schmundt bestand auf dieser Unterscheidung von Ideenbild und politischer Tat, weil er sah, daß der soziale Organismus ja vorhanden ist und nicht erst hergestellt werden muß, daß er also, wenn er geheilt werden soll, zuerst einmal erkannt werden muß.

Das genau ist Parallelprozeß bei Beuys.“ (Lit.: e.d., S. 27f.)

Eine politische Aktion findet also in solcher Sichtweise nicht in der politischen Sphäre eines dreigegliedert zu denkenen sozialen Organismus statt, sondern in dem, was Schmundt das kulturelle oder soziale Leben nannte, das vom sozialen Organismus zu unterscheiden wäre.

Beuys soziale Plastik, auch wenn sie von der gleichen "Substanz" (Ideenrealismus) wie das Schmundte Urbild sein mag, zeigt sich doch wesentlich flüssiger und flexibler als das eher festgezurrte Schmundtsche Urbild (in seiner detaillierten Ausarbeitung):

„Wir mussten hart arbeiten und wären doch so gerne auch beim Kongress dabei gewesen. Da kam eines Tages Joseph Beuys in die Alte Post. Ich war gerade sehr niedergedrückt, nachdem wir 60 Mittagessen àla carte zu den Gästen gebracht hatten. Lieber hätte ich doch mehr von ihm gehört in seinem Kurs. Ich wollte die Soziale Skulptur begreifen können. Da machte er mir an meinem Tun klar, welche Skulptur ich immerzu schaffen würde. «Sieh mal», sagte er: «du gehst freundlich zu dem Gast, er bestellt, der nächste auch, mit dieser Bestellung gehst Du in die Küche und bereitest in kürzester Zeit verschiedene Essen, hier Spätzle mit einem Schnitzel, dort Bratkartoffeln, daneben Salate oder Pfannkuchen mit Apfelmus. Jeder Griff muß sitzen. Dann legst Du alles auf die Teller; dies alles so schnell wie möglich, kommst mit dem Teller in die Gaststube und stellst dem Gast das Essen heiß - und schön anzusehen - vor ihn hin. Mit allen Mitarbeitern und den Gästen zusammen ist das eine wunderschöne Soziale Skulptur». Das hatte ich verstanden und war zufrieden mit meiner Arbeit.“ (Lit.: Ingrid Feustel: 40 Jahre Internationales Kulturzentum Achberg, in: Brüll/Rappmann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit?, S. 92f.)

Man hat hier eine Szene aus einem typischen Kleinbetrieb, den Schmundt zur "Konsumtionssphäre" des sozialen Organismus gerechnet hatte, in ein Gebiet von diesem also, wo die drei Glieder für Schmundt nicht ausdifferenziert sind, sondern ineinander verwoben. Diese konkrete soziale Plastik, die dann noch einmal durch den Auftritt des Künstlers überformt wurde, (Beuys hatte hatte in dem Gespräch ja selbst eine soziale Plastik kreiert, mit Ingrid Feustel zusammen kreiert, eine Metamorphose der eher wirtschaftlichen Plastik des Gaststättenbetriebes), ist nicht innerhalb des sozialen Organismus, wie ihn Schmundt verstand (durchorganisiertes Arbeitsfeld) geschehen, sondern an der Peripherie desselben, im Konsumtionsfeld, das als ein Übergangsfeld zum nicht in drei Glieder ausdifferenzierten sozialen Leben verstanden werden könnte, wie Schmundt es in Differenz zum eigentlichen sozialen Organismus, wie er ihn "sah", auffaßte. Das allein-einige "Urbild" zeigt sich in der Fassung der Sozialen Plastik deutlich flexibler, andererseits aber auch an das Beliebige grenzend.

Horizontale und Vertikale Dreigliederung

Die in der Dreigliederungsliteratur dokumentierten Versuche, Wilhelm Schmundts Sichtweise mit derjenigen Rudolf Steiners vereinbaren zu können, sind zum Teil darauf hinauslaufend, unterschiedliche Perspektiven auf den einen Gegenstand in ihrer aufgrund der Perspektivität gegebenen Widersprüchlichkeit von dem Gegenstand selbst, und Widersprüchlichkeiten eines inneren Verständnisses dieses Gegenstandes, wodurch dieser als verschiedene, mehr oder weniger vereinbare Gegenstände erscheint, zu unterscheiden.

Es ist dies ein schwieriges Unterfangen, da das Soziale selbst eben diesen Unterschied von Perspektive und Gegenstand so nicht kennt. Es gehört zum Wesen des Sozialen, daß Perspektive, Sichtweise, Auffassung sich vergegenständlicht, realisiert, und umgekehrt der Gegenstand, das Reale einer Wandlung unterliegt, je nach dem, wie man es auffäßt und versteht, und wie man ja dann auch entsprechend handelt. (Wobei sich natürlich soziale Strukturen nicht allein aus dem bilden, was eine einzelne Person denkt und wie sie handelt, sondern aus dem Denken und Handeln aller Beteiligten, einschließlich unbeabsichtigter Nebeneffekte z.B. durch unbewußtes Verhalten). In Diskussionen und Erörterungen bleibt dabei oft unklar, was nun einer unterschiedlichen Perspektive geschuldet ist, und was einer Rede von unterschiedlichen Gegenständen, von verschiedenen Thematiken bei ähnlichem Wortschall geschuldet ist.

Geistesleben Rechtsleben Wirtschaftsleben
Geistesleben Kreative Produktivität, Erziehung und Bildung Zivilgesellschaftliche Initiativen
Rechtsleben Politische Aktion Demokratie
Wirtschaftsleben Konsumtionssphäre, Kleinbetrieb, Geld Produktion von Waren und Dienstleistungen, Arbeitskollektive

Nur ein Beispiel von Zuordnungsmöglichkeiten, um Perspektive und Gegenstand in einen "Kasten" zusammen zu bekommen. Es gibt auch einen dreidimensionales Modell von Alfred Groff[16]. Der Kasten soll hier nicht weiter ausgefüllt werden, da die "richtige" Befüllung der Fächer doch wieder von Perspektive und Gegenstandsverständnis abhängt, es also auch unterschiedliche Befüllungen möglich sein können. Solche Kästen, es könnte auch ein dreidimensionaler, oder einer mit Viergliederung oder Vierdimensionalität sein, sind Hilfsmittel des Verstandes die Einheit und Differenz von Perspektive und Gegenstand sich darzustellen. Die Richtigkeit oder Brauchbarkeit solcher Modelle kann nur im wirklichen sozialen Leben, in der jeweiligen Lebenspraxis geprüft und bewährt werden. Das Schauen des Urbildes und ein privates Erlebnis der Stimmigkeit genügt nicht. Es muß daher auch eine Ansicht als bloße Ansicht, die Dreigliederungidee sei lediglich das Urbild in Gedanken, zurückgewiesen werden. Nur die konkrete Realisierung im sozialen Leben zeigt das Urbild in seiner wahren Gestalt.

Kritik

„Wilhelm Schmundt wollte die soziale Dreigliederung ins Rechte denken, und das ist ihm leider gelungen. Er hat nämlich alles, was Rudolf Steiner zum Wirtschaftsleben und zum Geld gesagt hat, so umgedeutet, daß es einen rechtlichen Charakter bekommen hat. Er konnte nur in solchen Kategorien wie Rechten und Pflichten denken und mußte die soziale Dreigliederung entsprechend amputieren.

Die verheerenden Folgen sieht man noch heute bei seinen Anhängern, die das Geld demokratisieren[17] wollen, statt das Wirtschaftsleben durch die Schaffung von Assoziationen in die Lage zu versetzen, das Geld wieder an der Realwirtschaft zu koppeln.“ (Lit.: [18])

(Eine Kritik juristischer Mentalität und juristischen Denkens, angewandt auf moderne soziale Fragen, findet sich z.B. in GA 305, 11. Vortrag)

Eine knappe Erläuterung der Auffassung Schmundts geben Wilfried Heidt und Ulrich Rösch im Vorwort zu: Wilhelm Schmundt: Revolution und Evolution - Auf dem Wege zu. einer Elementarlehre des sozialen Organismus. Band Nr. 3 der Reihe Wissenschaft; Verlag edition dritter weg, Achberg 1973:

„Im Prozeß des sozialen Gestaltwandels hebt sich von diesem Wirtschaftsleben das Rechtsleben, als ein gleichsam über ihm stehendes Glied, mit einer spezifischen Aufgabe ab. Die Wertströme des Wirtschaftslebens - Fähigkeitswerte einerseits und Konsumwerte andererseits - werden durch das Geld, den Repräsentanten des Rechtslebens, gelenkt. Arbeitsteilung und Fremdversorgung, Produktion und Konsumtion werden durch das Geld in Rechtsbeziehung zueinander gesetzt. Durch das Geld greift also das Rechtssystem in umfassender Weise in das Wirtschaftsgeschehen ein.“ (Lit.: Revolution und Evolution: Vorwort)

Das Geld soll also innerhalb des Wirtschaftslebens der Repräsentant des Rechtslebens sein - eine Ansicht und ein Gestaltungsvorschlag, den man so bei Rudolf Steiner nicht findet. Zudem soll dem Geld eine Lenkungsfunktion zukommen, "in umfassender Weise in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen". Das hört sich nach Steuerung der Wirtschaft durch das Rechtsleben an. (Auch von daher kommt der Vorwurf Schweppenhäusers an Schmundt, er vertrete eine Art Planwirtschaft[19]). Für Rudolf Steiner ist das Geld jedoch lediglich eine "wandelnde Buchhaltung". Die Geldzirkulation bildet in der Buchhaltung den Kreislauf Produktion - Handel - Konsum ab. Sie steuert ihn nicht. Der Erwerb einer Ware führt z.B zu einer Übergabe von Geld. Der Geldschein begründete nur den Anspruch, den Kauf zu tätigen. Durch die Übergang des Geldes an den Verkäufer geschieht ein Buchhaltungsvorgang: Nunmehr hält der Verkäufer eine Anweisung auf Ware in bestimmter Höhe in Händen und kann etwas kaufen. Dies alles sind lt. Rudolf Steiner rein wirtschaftliche Vorgänge. Rechtscharakter hat das Geld nur als Anweisung, Anspruch auf Warenbezug.

„Aber das Geld wird - auch wenn der führende Handelsstaat England an der Goldwährung festhält - zunächst wenigstens im Inlandsverkehr eine andere Bedeutung erhalten. Es wird dasjenige, was heute dem Gelde anhaftet - daß es Ware ist -, das wird wegfallen. Dasjenige, was im Geldwesen vorliegen wird, wird nur eine Art wandelnde Buchhaltung sein über den Warenaustausch der dem Wirtschaftsgebiet angehörenden Menschen. Eine Art aufgeschriebener Guthaben wird man haben in dem, was man als Geldunterlage hat. Und ein Abstreichen dieser Guthaben wird stattfinden, wenn man irgend etwas erlangt, was man zu seinem Bedarf braucht. Eine Art Buchführung, wandelnder Buchführung wird das Geldwesen sein. Das Geld, das heute Ware ist und dessen Gegenwert, das Gold, ja nur eine Scheinware ist, das wird in Zukunft nicht mehr Ware sein.“ (Lit.:GA 337a, S. 78f.)

Aber sind solche Differenzen der Verständnisse oder der Gestaltungsvorhaben wirklich so gravierend, daß damit die soziale Dreigliederung, wie sie sich nach Schmundt ergibt, eine Fehldeutung, ein Mißverständnis der von Rudolf Steiner in die Welt gesetzten Idee samt seinen ersten anfänglichen Versuchen, die Dreigliederung des sozialen Organismus zu verwirklichen, wäre? Für einen sozialwissenschaftlichen Anspruch und Ansatz, nicht nur einfach theoretische Voraussetzungen zu machen, sondern in der Wirklichkeit des sozialen Lebens die Entstehungs- Lebens- und Entwicklungsbedingungen eines (heutigen) gesunden sozialen Organismus aufzusuchen, kann man den Forschungsansatz Schmundts und die von ihm vorgelegten Resultate eigentlich nur begrüßen, da sie eine allzu naive, dogmatische Herangehensweise an die Dreigliederungsidee, und ein nur vermeintliches Verstehen, was Rudolf Steiner mit der Dreigliederungsidee gemeint hatte, stoppen. So genügt es einem wissenschaftlichen Anspruch denn auch nicht, Schmundt nachzuweisen, daß sein Forschungsansatz und daraus gewonnene Erkenntnisse mit denen Steiners, und den eigenen im Sinne einer dogmatischen Nachbeterei nicht übereinstimmen.

Möglicherweise ist, um bei der angeführten Differenz zu bleiben, für eine Übergangszeit der Vorschlag Schmundts, von der staatlichen Ebene zunächst steuernd mittels des Geldes in die Wirtschaft einzugreifen, genau das richtige Vorgehen? Es kommt dies doch dem Kontrollbedürfnis des heutigen Bürgers entgegen, der endlich die wahre Demokratie verwirklicht wissen will. Die Vorstellung, daß man der Wirtschaft für ihre Selbstverwaltung auch die Geldhoheit, bzw. deren Abschaffung überlassen könne, überfordert vielleicht noch viele. Es hat sich ein großes Mißtrauen aufgebaut, was natürlich mit der heute noch herrschenden Wirtschaftslehre (sowohl Neoklassik als auch Marxismus) zusammenhängt, die das Egoismusprinzip mit wirtschaftlichem Handeln fest verkoppelte, als müsse es aufgrund der Natur des Menschen und dem Wesen des Ökonomischen so sein.[20][21]

„Die neue Elementarlehre von WS [Wilfried Schmundt] ist das Resultat von drei fundamentalen Fehlern. Die drei neuen Begriffe: die Dreigliederung des sozialen Organismus, die Assoziation als soziale Wirtschaftsgestaltung und das Schenkungsgeld sind originäre Begriffe bei Rudolf Steiner. Wissenschaftliche Exaktheit fordert, daß solche eindeutigen Begriffe nicht in unzutreffender Weise verwendet werden. Gerade das aber geschieht, wenn sich WS auf Rudolf Steiner beruft.“ (Lit.: Schweppenhäuser: Fallstudien Heft 5, S. 107)

Die Kritik Schweppenhäusers erweckt den Eindruck, daß Schmundts Dreigliederungslehre derart massive Differenzen zu derjenigen Steiners (bzw. wie Schweppenhäuser ihn versteht) hat, daß man nicht mehr von Interpretation der Steinerschen Ideen sprechen kann, sondern von einem (mehr oder weniger) eigenständigen Ansatz Schmundts sprechen muß, der nur Anleihen bei Steiner macht.

„Auch WS spricht von Dreigliederung. Sein "Ur-Gestaltbild" des sozialen Organismus ist aber keine "horizontale" Dreigliederung im Sinne des Begriffes bei Rudolf Steiner. Unüberhörbar verkündet WS: Sein Urbild des sozialen Organismus ist Wirtschaftsleben schlechthin, auch da wo rein geistige und rein rechtliche Funktionen bestimmend für die sozialen Einrichtungen sind. Von einem autonomen, sich selbst verwaltenden Geistesleben ist bei WS nicht die Rede. Er erläutert (in einem Schreiben vom 17.9.80), was er als Geistesleben versteht: "Die 'beratenden Gremien' ('Kuratorien') sind nicht die 'Assoziationen' bei WS; vielmehr durchziehen sie das assoziative Wirtschaftsleben und vollziehen die Aufgabe des 'freien Geisteslebens', welches die Einsichten zustande bringt, 'die in der Gemeinschaft wirken sollen'. Bei WS wird so die Dreigliederung konkretisiert."

Die Dreigliederung ist bei Rudolf Steiner eindeutig durch die relative Selbständigkeit - Selbstverwaltung - der drei Gebiete definiert; WS mißbraucht diesen Begriff: irgendwo ist bei ihm auch Dreigliederung; aber sie ist (...) - in dem Überbau von Rechtsleben und Geistesleben über dem Wirtschaftsorganismus - unkonkret. Er verlangt, daß, wenn man diese "Kuratorien" als Geistesleben begreift, dann bei ihm die Dreigliederung "konkret" wird. Hier wird in unkorrekter Weise mit dem Begriff der Dreigliederung umgegangen. - Bei WS gibt es nur eine materielle "Kultur" - das Wirtschaftsleben ist diese "Kultur": "WS unterscheidet den 'sozialen Organismus' mit seinen drei Gliedern und das 'soziale Leben' mit seinen drei Kulturbereichen - jenen als Grundlage für dieses. HGS [Hans Georg Schweppenhäuser] (sprich Rudolf Steiner!) hat dieses nicht. So sieht WS das öffentliche Bildungswesen, das dem Geistbereich der Kultur angehört, zugleich im 'Tätigkeitsbereich' des sozialen Organismus, also in dessen 'Wirtschaftsleben'. Für HGS ist 'Geistesleben des sozialen Organismus' identisch mit 'Geistbereich der Kultur'."“ (Lit.: Fallstudien 5, S. 107f.)

Aber wenn Steiners Begrifflichkeit wirklich so eindeutig ist, wie Schweppenhäuser meint, dann verwundert es doch, daß solche gravierenden Auffassungsunterschiede zustande kommen konnten (und bis heute nicht ausgeräumt sind). Schmundt beharrte auf seinen Ansichten trotz der Kritik, und wurde zum Ideengeber der Achberger Dreigliederer. Durch Joseph Beuys ist dann nochmals eine zusätzliche Verwirrung eingetreten, als seine Idee der sozialen Plastik eigentlich nur noch an die Erkenntnisfähigkeit und Gestaltungskraft des Einzelnen, bzw. auch Gemeinschaften, gemeinsames Erkennen und Gestalten, appelliert. Sein Spruch "Jeder Mensch ist ein Künstler" läßt sich transponieren in: "Alles ist soziale Plastik"[22]. Nimmt man noch verschiedene Viergliederungskonzepte (Johannes Heinrichs, Michael Opielka) hinzu, möglicherweise auch Luhmanns Systemtheorie, sowie Habermas[23] natürlich (Wirtschaft, Politik und Lebenswelt), ist das Disaster perfekt und man sieht sich genötigt, nochmals genauer zu studieren, was Rudolf Steiner eigentlich mit seiner Dreigliederungslehre gemeint hatte.

Dabei hatte Rudolf Steiner zwar eine besondere Schwierigkeit gesehen, brauchbare Ideen für die Gestaltung des sozialen Lebens zu gewinnen, weil dafür höhere Erkenntnisfähigkeiten erforderlich seien. Wären diese Ideen aber in adäquater Sprache mitgeteilt, habe der "gesunde Menschenverstand" keine Probleme mit ihrem Verständnis:

„Es ist ja heute so, daß dasjenige, was sozial fruchtbar ist an Ideen, eigentlich nur gefunden werden kann von den wenigen Menschen, welche sich gewisser spiritueller Fähigkeiten bedienen können, die die weitaus überwiegende Mehrzahl der Menschen heute nicht gebrauchen will, trotzdem sie in jeder Seele liegen. Aber diese wenigen, die werden sich die Aufgabe setzen müssen, dasjenige, was sie herausholen aus der geistigen Welt gerade mit Bezug auf soziale Ideen, mitzuteilen. Sie werden es übersetzen in die Sprache, in die eben die geistigen Wahrheiten, die in einer anderen Gestalt jenseits der Schwelle geschaut werden, übersetzt werden müssen, wenn sie populär werden sollen. Diejenigen, die aus der Initiation etwas wissen über soziale Ideen, werden die Verpflichtung haben, diese sozialen Ideen der Menschheit mitzuteilen, und die Menschheit wird sich entschließen müssen dazu, über die Sache nachzudenken. Und durch Nachdenken, bloß durch Nachdenken mit Hilfe des gesunden Menschenverstandes, wird schon das Richtige herauskommen.“ (Lit.:GA 185a, S. 200f.)

Einzelnachweise

  1. Ulrich Rösch: Wilhelm Schmundt. In: Bodo von Plato, Anthroposophie im 20. Jahrhundert. Ein Kulturimpuls in biographischen Porträts, Vlg. am Goetheanum, Dornach 2003, S. 719 - 720
  2. [1]
  3. Lit.: Schmundt: Erkenntnisübungen, S. 10 (Vorwort von Heidt/Rösch zur. 1. Aufl. 1973)
  4. Im Aufsatz: "Die Assoziation als Gestaltelement des sozialen Organismus, enthalten in Leber (Hrsg.): Die wirtschaftlichen Assoziationen, Sozialwissenschaftliches Forum, Bd.2, 1987, S. 136-148, gibt Schmundt S. 136 bzw. S. 146 als Belegstelle GA 24 (1961) S. 219 und GA 328, 4. Vortrag (12. Feb. 1919) an. Im Anhang "Versuch, einen Widerspruch zu klären", des genannten Aufsatzes heißt es S. 147: "Beschränkt man sich bei seinem Forschen auf das Erkennen des 'sozialen Organismus' in dem geschilderten Sinne - als Grundlage des sozialen Lebens -, so gerät man, wie es zunächst scheint, in Widerspruch mit Äußerungen mancher Vertreter der 'sozialen Dreigliederung' (wie beispielsweise Dieter Brüll, Heinz Kloss, Stefan Leber), die von drei Bereichen des sozialen Lebens sprechen: Geistesleben ('Kulturleben'), Rechtsleben ('Staat'), Wirtschaftsleben ('Produktion, Handel, Konsumtion'). Dieser Widerspruch läßt sich auf keine Weise beseitigen. Er liegt nicht in einem Irrigen der einen oder der anderen Betrachtungsart. Vielmehr verschwindet er dadurch, daß man den Unterschied von 'sozialem Leben' und 'sozialem Organismus' zum Bewußtsein bringt." Im Kontrast zu den drei Bereichen des sozialen Lebens, wie sie Stefan Leber in "Freiheit durch Gewalt?" (Stuttgart 1987, ISBN 3-7725-0861-8) auf Seite 118 dargestellt hat [Dreigliederung in die Bereiche Kulturleben, Staat, Wirtschaftsleben], sieht Schmundt: "Die drei Gieder des sozialen Organismus stehen demgegenüber in einem ganz anderen Zusammenhang und umfassen ganz andere Fakten als jene Bereiche: das Geistesglied: die individuellen Fähigkeiten der Menschen, das Rechtsglied: das zwischenmenschliche Vereinbaren, das Wirtschaftsglied: das mitmenschliche Für-einander-Arbeiten. Diese Glieder stellen keine gesonderten Bereiche dar; sie sind organhaft miteinander verflochtene Daseinsfelder jedes erwachsenen Menschen." (e.d., S. 147f.) In Erkenntnisübungen wählt Schmundt folgende Formulierung: "Der soziale Organismus liegt dem Leben der Menschheitskultur so zugrunde, wie der Leibesorganismus des einzelnen Menschen seinem Seelenleben. Der soziale Organismus muß so eingerichtet sein, daß er ein gesundes Kulturleben ermöglicht. Er muß so gestaltet sein, daß er die Menschen in Zusammenhänge bringt, die es ihnen erlauben, das soziale Leben vernunftgemäß zu führen." (S. 35f.)
  5. z.B GA 23, S. 78f. ("Der gegenwärtig am öffentlichen Leben interessierte Mensch lenkt gewöhnlich seinen Blick auf Dinge, die erst in zweiter Linie für dieses Leben in Betracht kommen." - "Obenan als notwendige Zielsetzung des öffentlichen Lebens muß gegenwärtig das Hinarbeiten auf eine durchgreifende Trennung des Wirtschaftslebens und der Rechtsorganisation stehen." - "Von heute zu morgen eine Umwandlung des öffentlichen Lebens herbeiführen zu wollen, das sehen auch vernünftige Sozialisten als Schwarmgeisterei an."
  6. vgl. GA 339, S. 72.
  7. Diese Aufgabe, die die Freiheit einschränkende oder gar unterdrückende Organisiertheit ständig zu bekämpfen, dürfte derjenigen Aufgabe, daß der Erzieher im Interesse des pädagogischen Erfolges Erziehung#Selbsterziehung zu üben habe, analog sein.
  8. Ein Vergleich mit dem sonst in den Sozialwissenschaften thematisierten Konflikt zwischen System und Lebenswelt liegt nahe, kann aber hier nicht weiter verfolgt werden. Man wird aber wohl, um eine "Kompatibilität" des Schmundtschen Gestaltbildes mit demjenigen Rudolf Steiners denken zu können (Schmundt behauptet ja sogar eine urbildliche Identität), das Geistesleben im Sinne der Bildungsinstitutionen usw. dem Konsum-, dem Haushaltsbereich zuschlagen müssen, also der Lebenswelt, der weniger oder möglichst gar nicht organisierten, oder anders organisierten Sphäre des sozialen Lebens. ("Organisation" ist ja im übrigen ein sehr unklarer, vieldeutiger Begriff, für den es unzählige Definitionen gibt.) Auch Benediktus Hardorp, der sich mit seinem Unternehmensbegriff an der Seite Schmundts sieht, zieht nicht in Betracht, ob nicht die Bildungsinstitutionen aus dem Komplex der Großorganisiertheit herausgelöst sein müßten, um ein freies Geistesleben entfalten zu können. Die Unternehmen des Bildungsbereichs unterscheiden sich von denjenigen, die Waren für den Konsum herstellen, für ihn lediglich durch ihre Unternehmensziele, und durch die Art ihrer Finanzierung. Die Zuordnung der Schulen zum Bereich Geistesleben des dreigegliederten Organismus ergäbe sich "aus der Würdigung des Unternehmenszieles durch die soziale Umwelt. Diese Würdigung zeigt sich am deutlichsten und raschesten in der Art der Finanzierung dieses Unternehmens." (Hardorp: Anthroposophie und Dreigliederung, 1986, S 117.) Vgl. auch Bernard Lievegoed: Die Institutionen des Geisteslebens, 1989, "Die Begrifflichkeit, mit der Lievegoed die Organisationsentwicklung beschrieben hat, ist allgemein bekannt: Er unterschied eine Pionierphase, eine Differenzierungsphase und eine Integrationsphase der Organisationsentwicklung. (...) Weniger bekannt ist, dass Lievegoed für soziale und pädagogische Institutionen dieses Organisationsentwicklungskonzept ausdrücklich abgelehnt hat und an dessen Stelle die der Organik entlehnte Betrachtungsweise von Entwicklungsphasen in Initiative, Wachstum, Blühen dargestellt hat. Hierin drückt sich Lievegoeds Bewusstsein für den Unterschied zwischen Institutionen des Wirtschaftslebens und des Geisteslebens aus" (Michael Ross, 2011, in: Organisation und Entwicklung. Organisationsentwicklung als soziale Gestaltungsaufgabe [2]. (Näheres dazu siehe Organisation#Lievegoeds Unterscheidung von Institut, Gemeinschaft und Organisation.
  9. Kurioses Beispiel Montblanc-Affäre - Artikel in der deutschen Wikipedia
  10. Wilhelm Schmundt: Wandlung des Kapitalbegriffs. In: die drei. Zeitschrift für Anthroposophie in Wissenschaft, Kunst und sozialem Leben. Heft 2/1950, S. 95ff. (Text auf www.dreigliederung.de Text).
  11. http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=1131
  12. Herbert Schliffka: Der Achberger Impuls.
  13. An dem Achberger Jahreskongress 1973 nahm auch Schweppenhäuser teil. Sein dort gehaltener Vortrag ist in der Veröffentlichung "Die organische Geldordnung" (2010/1975) abgedruckt.
  14. Ulrich Rösch: Wilhelm Schmundt. In: Bodo von Plato, Anthroposophie im 20. Jahrhundert. Ein Kulturimpuls in biographischen Porträts, Vlg. am Goetheanum, Dornach 2003, S. 719 - 720
  15. Metoder og modeller i markedsføringen 1 - 3, Tanum 1973 - 1976. Die Arbeiten Holbaek-Hanssens sind leider bisher nur größtenteils in norwegisch erschienen. (von dem 1., 3. und 4. Kap. von Teil 3 soll es eine deutsche Übersetzung als Manusskript geben. (S. Bausteine 4/80, S. 38).In Rappmann 1993: Die Kunst des sozialen Bauens findet sich in deutscher Übersetzung: "Urbildgedanken und Entwicklungsfähigkeit in den sozialen Bestrebungen", die Arbeit Et samfunn for menneskelig utvikling: bidrag til tenkningen om „Alternativ framtid“, (Oslo 1984, ISBN 9788251818339, 88 S.) könne als sein "sozialwissenschaftliches Vermächtnis" (Forschungsstelle Kulturimpuls) angesehen werden.
  16. Alfred Groff: "Ich bin" Tetranthropos, der bewusste Mensch. Transpersonale Weisheit, dreidimensionale Dreigliederung und integrale Politik, 2012, ISBN 3848225875
  17. vgl. z.B. Lit: Andreas Schurack: Stüttgens Sünden, oder Thomas Mayer: [Regiogeld - Ein Schritt zur Demokratisierung des Geldes], 2004
  18. http://www.dreigliederung.de/wilhelmschmundt/
  19. vgl. z.B. Schweppenhäuser, Fallstudie 5, S. 44: "Schon vor Jahren und immer wieder habe ich WS darauf aufmerksam gemacht, daß seine Elementarlehre nicht den sozialen Organismus in "seiner Freiheitsgestalt", sondern in einer sozialistisch-kommunistischen Zwangsjacke darstellt. Das hat er in Dornach bestätigt und in Hannover freimütig ausgesprochen, sein Modell habe 'Ähnlichkeit mit dem kommunistischen System'."
  20. vgl. auch Christoph Strawe: Bedürfnislohn oder Leistungslohn?, Rundbr. Sozialimpulse 1/94, S.7, PDF
  21. Allerdings sehen die Vorschläge Rudolf Steiners auch vor, daß Kapital unverkäuflich ist und vom Geistesleben verwaltet wird, vgl. Kapitalneutralisierung. Dadurch könnten die größten Gefahren gebannt werden, die durch die Geldselbstverwaltung einer staatsunabhängigen globalisierten Wirtschaft entstehen könnten.

    „Statt die Geldpolitik für eine staatliche Aufgabe und die Kapitalzirkulation für eine Marktfrage zu halten, stellt Steiner alles auf den Kopf. Für die Währung soll die Weltwirtschaft selber verantwortlich sein. Das Kapital soll aber durch das Geistesleben übernommen werden und damit unverkäuflich werden. Schaut man sich die Gründe Steiners genauer an, so wird einem bald klar, daß das eine nicht ohne das andere geht. Eine Entstaatlichung der Wirtschaft kann man sich nur leisten, wenn der Kapitalmarkt gleichzeitig abgeschafft wird. Sonst kommt es zu einer Globalisierung, die nicht nur Weltwirtschaft meint, sondern auch Übermacht der Ökonomie, und daher zu Recht bekämpft werden muß. Diesen Zusammenhang haben die meisten Dreigliederer übersehen. Sie haben sich lieber darüber gestritten, ob das Geld eine Ware oder ein Recht ist. Viele schrecken nämlich davor, Geld und Währung zu den Aufgaben des Wirschaftslebens zu rechnen. Die soziale Dreigliederung ist ihnen doch zu radikal. Solche anthroposophischen Versuche, Geld und Währung doch beim Alten, nämlich beim Staat zu lassen, stützen sich meist darauf, daß Steiner aus dem Geld keine Ware wie die anderen machen will. Sie soll eine Ware besonderer Art werden. Dies heißt aber lange nicht, daß Steiner daraus ein Recht machen will, wie es zum Beispiel später Wilhelm Schmundt und Joseph Beuys gemacht haben. Staatliche Währungen koppeln sich nämlich von der realen Wirtschaft ab.“ (Lit.: Sylvain Coiplet, Abschnitt Geld und Währung in: [www.dreigliederung.de/sammlungen/s04.html])

    Die größten Schwierigkeiten liegen dabei wohl nicht einmal darin, mittels gesetzlichen Bestimmungen Kapitalhandel zu unterbinden und weitere Regelungen bezüglich des Erbrechts usw. international zu vereinbaren. Hierfür könnte es eine gemeinsame Linie der Staaten geben, wenn die nötige Einsicht, daß Kapital nicht handelbar sein darf, vorhanden wäre. Dann könnte man gegen Zuwiderhandlungen international vorgehen, wie heute gegen Korruption und andere Mißstände, für die ein Konsens hinsichtlich Schädlichkeit und Bekämpfungserfordernis gegeben ist. Aber diese Einsicht der Nichthandelbarkeit, bzw. der Schädlichkeit der Handelbarkeit von Arbeit, Boden und Kapital gibt es allgemein verbreitet erst ansatzweise hinsichtlich der Arbeit. Arbeit soll keine Ware sein. Die Unverkäuflichkeit von Kapital (z.B. in Form von Aktien) gehört nicht zu den Gemeinplätzen von Einsicht. Man denkt allenfalls an eine Einschränkung und Kontrolle des Kapitalverkehrs, aber auch wieder durch die Staaten, nicht durch das Geistesleben.

    Man wird aber wohl ohnehin zunächst nach praktischen, kleineren Lösungen im Regionalen (global netzwerkartig) suchen müssen. Es gibt für die Kapitalneutralisierung Ansätze, wie z.B. Übertragung an eine Stiftung, die bei geltendem Recht schon funktionieren. Und andererseits gibt es die Möglichkeit zu regionalen Parallelwährungen, die allein von der Wirtschaft verwaltet werden. Praktische Erfahrungen mit der Umsetzung der Dreigliederung im Kleinen mögen letztlich größeren Wert für die Realisierung und Etablierung der Dreigliederungidee haben als große theoretische Entwürfe, Gesamtmodelle, von denen niemand weiß, wie sie sich realisieren lassen sollen und die daher als Utopie erscheinen.

    Schmundts Modell versteht sich aber als das Ergebnis einer goetheanistischen phänomenologischen Forschung. Er forderte eine Revolutionierung der Begriffe. Es sollen Begriffe gebildet werden für die Erfassung der Wirklichkeit des Sozialen, dieses soll von innen aus sich selbst heraus verstanden werden. Die Dreigliederung des sozialen Organismus ist bei ihm als Ergebnis des Forschens gemeint, nicht als Voraussetzung. Nun weicht das Gesamtmodell als Forschungsergebnis bei ihm von demjenigen Steiners ab. Er kann gar nicht zugeben, daß das, was er sozialwissenschaftlich erforscht hat, darum falsch sein soll, weil es nicht mit allem übereinstimmt, was Rudolf Steiner über den sozialen Organismus gesagt hat. Um Schmundt zu widerlegen, muß man ihm in seiner phänomenologischen Arbeit folgen und ihm seine in ihr befindlichen Denk- oder Beobachtungsfehler nachweisen. Man wird diese finden können. Es mögen schon diese Axiome sein, die er seiner Forschung voraussetzt:

    „Das Gefüge des sozialen Organismus, wie es der heutigen Stufe des Menschentums entspricht, ergibt sich aus den zutage liegenden Phänomenen dann, wenn man drei axiomatische Gegebenheiten beachtet. »Axiome« meint hier Aussagen, welche unmittelbar einleuchten und im Rahmen der Soziologie keiner weiteren Begründung bedürfen. Es handelt sich um das Gestalt-Axiom, um das Demokratie-Axiom und um das Freiheits-Axiom. Das Gestalt-Axiom hat es mit der Gestalt des sozialen Organismus zu tun, wie sie sich von der Vergangenheit her in die Gegenwart herein entwickelt hat. Das Demokratie-Axiom umschließt das Fordern der Gleichheit im Rahmen zwischenmenschlicher Rechtsvereinbarungen. Das Freiheits-Axiom fordert das Erfüllen dessen, was aus der Zukunft auf die Kulturmenschheit zugekommen ist: Daß nämlich der erwachsene Mensch die Möglichkeit freien Handelns habe, - daß es heute keine andere Quelle fruchtbaren Handelns mehr gibt als die sich selbst bestimmende Individualität.“ (Lit.: Schmundt, 1981)

    Das sind keine Axiome, sondern sehr voraussetzungsreiche Annahmen, und keineswegs solche von der Art, die unmittelbar einleuchten. Schon hier muß die Kritik einsetzen, eine immanente Krtik, die darauf verzichten kann, dogmatisch Schmundt entgegen zu halten, daß Steiner etwas anderes gesagt hatte, oder Steiner anders zu verstehen sei. Aber angenommen, es seien Ideen, Urbilder gemeint, Schmundt spricht ja später auch vom Gestalt-Urbild: Solche Urbilder enthalten geradezu alles, es sind keine Axiome. Vergleicht man diese Axiome Schmundts mit den vier Königen aus Goethes Märchen, ergibt sich folgendes: Goethe: Gemischter König (Vergangenheit) - Goldener, silberner und ehener König (Zukunft). Schmundt: Gestalt-Axiom (Vergangenheit) - Demokratie-Axiom - Freiheits-Axiom (Zukunft). Für den ehernen König gibt es bei Schmundt kein entsprechendes Axiom, seine Axiome entsprechen einer Dreiheit des gemischten, silbernen, und goldenen König.

    Es ergeben sich im Anschluß an eine solche urbildliche Differenz zwischen der Steinerschen und der Schmundtschen Dreigliederung viele Fragen. Eine ist diese: Inwiefern ist der gemischte König in Goethes Märchen tatsächlich der sog. "Einheitsstaat", und was hat es mit diesem angeblichen Einheitsstaat eigentlich auf sich? Kann man heute noch von solch einem Einheitsstaat sprechen, oder hat sich der gemischte König längst metamorphosiert zur Einheitswirtschaft? Hat Schmundt die drei befreiten bzw. zu befreienden Könige, den ehernen, silbernen und goldenen König nicht in einem historisch gewordenen Einheitsstaat aufgesucht, sondern in der modernen Wirtschaftsgesellschaft, in der das Staats- und Rechtsleben bereits zum Überbau eines alles beherrschenden kapitalistischen Wirtschaftslebens heruntergekommen ist? (In eine ähnliche Richtung hat auch Herbert Witzenmann gedacht, mit seiner Ansicht, die Dreigliederung ließe sich nicht mehr so verwirklichen, wie es nach dem ersten Weltkrieg möglich gewesen wäre, man müsse innerhalb des Wirtschaftslebens nach einer Dreigliederung des sozialen Organismus suchen. (vgl. z.B. Witzenmann: Die organische Geldordnung, Seite 62ff., mit Berufung auf den Nationalökonomischen Kurs und der höchst problematischen Annahme, schon 1922 habe Rudolf Steiner eine Dreigliederung i.S. der Kernpunkte nicht mehr für möglich gehalten: "Die institutionären Machtballungen und mit der Entschlossenheit des Stärkerechts ausgestatteten Gruppenegoismen unserer Zeit geben einer Erwartung, wie man sie damals hegen konnte, nicht mehr Raum. Auch Rudolf Steiner hat der bereits zu seiner Zeit entscheidend veränderten Lage Rechnung getragen. Sein sog. 'nationalökonomischer Kurs' ist der Beweis dafür." (S. 62) "Die erste Variante der Dreigliederungsidee entwickelte die sozialorganische Differenzierung und Integrierung von Menschengruppen innerhalb großer Gegenseitigkeitsgeflechte. Die neue Variante betrifft die Einordnung von Menschen und Menschengruppen in Kooperationssysteme beliebiger Größenordnung. Diese können sich daher auch innerhalb größerer sozialer Zusammenhänge anderer Art bilden." (S. 64) Die witzenmannsche Dreigliederung der Wirtschaft auf Grundlage einer Interpretation des NöK, auch über diesen hinausschauend, unterscheidet sich allerdings in wesentlichen Punkten von derjenigen Schmundts. Die Zuständigkeit für die Geldordnung liegt bei der Wirtschaft (wobei allerdings die Assoziationen mit höherer Kompetenz ausgestattet werden, was letztlich darauf hinauslaufen könnte, daß demokratische Legitimierungsverfahren in sie hineinragen, was allerdings kein Thema für Witzenmann ist: Allein Sachkompetenz entscheidet, mit Hinzunahme von Gerechtigkeitsgesichtspunkten. Gerechtigkeit wird freilich von allen Betroffenen geltend gemacht), das Rechtsleben manifestiert sich in den gerechten Preisen, die Ergebnis der beiden Wertbildungsfaktoren Naturveredlung und organisierender Geist sind, mit ihren ermittelten gerechten Leistungsanteilen: "Die Idee der sozialen Dreigliederung erscheint damit in neuer Metamorphose als ein Sich-Bedingen der wert- und rechtsbildenden Faktoren. Der wirtschaftliche Systemanteil tritt hierbei als Veredlung, der geistige, wenn auch noch halbfrei an die Bedarfsdeckung gebundene, als organisierende Leistungsfreisetzung, der rechtliche als Preisbildung und Preisregulation auf." (63f.) Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu Schmundt können hier nicht weiter verfolgt werden. Zu Witzenmanns Dreigliederung sowie zu Kritik seiner Verabschiedung der Dreigliederung der Kernpunkte siehe Sozialorganik.) Wenn der gemischte König längst schon kein Staat mehr ist, sondern totalitärer Kapitalismus, muß möglicherweise die Befreiung der Könige, die Verselbständigung, Selbstverwaltung von Rechtsleben und Geistesleben auf neue Art begriffen werden, - im Sinne Schmundts? Eine andere Frage ist die, ob nicht die schmundtianische Auffassung als eine Teilperspektive angesehen werden könnte, diejenige (oder als eine von möglichen derjenigen) von der Wirtschaft aus? Für die Wirtschaft sagt Rudolf Steiner, daß sich ihre Wirklichkeit je nach Standpunkt unterschiedlich darstelle, man könne deshalb nur gemeinsam im Austausch zu Erkenntnissen der Sachlage, und dann zu sachgerechtem wirtschaftlichen Handeln kommen (Vgl. z.B. hinsichtlich der Frage der Goldwährung GA 79, S. 250f.). Aus der Perspektive der Wirtschaft kommt es, so könnte man folgern, dann auch zu unterschiedlichen Sichtweisen, wie ihr Verhältnis zum Rechts- und Geistesleben zu gestalten sei? Und muß man dann nicht, wenn sich Vertreter der Wirtschaft und Vertreter des Rechtslebens einigen können sollen, auch demokratische Verfahrensweisen mit hinzunehmen, bzw. was demokratisch entschieden worden ist, oder zu entscheiden sein wird, berücksichtigen?

  22. Also ist auch der "gemischte König" soziale Plastik, oder etwa nicht? Man könnte die These aufstellen, daß die soziale Plastik die Auflösung des gemischten Königs sei. Dabei hätte die Auflösung eine doppelte Bedeutung: Sie wäre der Weg dorthin und sein Ergebnis. Diese These wird sich aber nicht halten lassen. Der gemischte König ist ebenfalls soziale Plastik, nicht nur in der alten Form des Einheitsstaats, sondern insbesondere auch in seinen vielen neuen Formen, die vorgeben, keine retardischen im Sinne der Figur des Retardus zu sein, sondern sich als progressive Neugestalten mit zumindest langfristiger Auflösungsqualität gerieren. Letztlich läßt sich jede soziale Plastik, der keine Auflösungsqualität zukommt (wer kann dies beurteilen?), als eine interpretieren, die auf dem Weg zu solcher Auflösung ist, oder den Weg zur Auflösung des gemischten Königs bzw. die Wegbereitung für den goldenen, silbernen und ehernen König, indirekt unterstützt und dergleichen. Um bei dem Bild zu bleiben, sieht Schweppenhäuser die soziale Plastik Schmundts als mißraten an, die drei Könige wären in Schmundts Lehre nicht vollständig (d.h. auch in richtiger Relation) befreit, sondern nur teils und auf falsche Weise, und in anderen Hinsichten wieder neu verquickt, vermischt.
  23. Einer sich als empirische Wissenschaft (mit dem Vorbild der Naturwissenschaften und der mathematisierenden Ökonomie) verstehenden Soziologie gelten ansonsten Großtheorien wie diejenigen Habermas und Luhmann lediglich als "Sozialphilosophie", brauchbar vielleicht für einige Orientierungs- und Ordnungsgesichtspunkte, aber weil nicht operationalisierbar und falsifizierbar, für die empirische Forschung als unbrauchbar. (Das auch von Habermas konstatierte Faktum eines unintegrierten Nebeneinanders von soziologischer (Groß)-Theorie und empirischer Sozialforschung ist auch durch die Aufstellung von Theorien "mittlerer Reichweite" zu überbrücken versucht worden.) Unter solches Verdikt, bloße Philosophie zu sein, dürften auch Soziallehren wie die Dreigliederung oder auch Heinrichs Viergliederungskonzept fallen. Bis eine goetheanistische Sozialwissenschaft im akademischen Diskurs zur Anerkennung als empirische Wissenschaft kommt, ist es noch ein langer Weg, wenn es überhaupt jemals geschieht, vielleicht sogar besser gar nicht sollte. Im Rahmen von Philosophie gibt es allerdings mehr Freiheit, und gerade unter dem Aspekt der Notwendigkeit der Bewußtmachung und hinweisenden Verbreitung von Wissen für eine mögliche soziale Praxis kann Sozialphilosophie viel bewirken, hier in dem besonderen Fall auch durch den gründlichen und genauen Vergleich der verschiedenen Lehren.

Werke (Auswahl)

"Vorläufer"

  • Wandlung des Kapitalbegriffs In: Die Drei, Heft 2/1950, S. 95ff. (Text auf www.dreigliederung.de Text)
  • Sozialwissenschaft als Gegenstand des Hauptunterrichts, in: Erziehungskunst, Juni (Heft 6), 1959, S. 161 - 172, Volltext

Grundwerk

  • Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt, (Studienmaterial der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft), Philosophisch-Anthroposophischer Vlg. am Goetheanum, Dornach 1977, (1. Aufl.: 1968, die erste Auflage enthält ein Geleitwort von Herbert Witzenmann, S. 5f.), (Neuauflage im FIU-Verlag, Wangen 1993 (3. Auflage))
  • Revolution und Evolution. Auf dem Weg zu einer Elementarlehre des sozialen Organismus, hrsg. u. mit e. Vorw. vers. von Wilfried Heidt u. Ulrich Rösch, 1973, ISBN 3-88103-020-4, Rezension
  • Erkenntnisübungen zur Dreigliederung des sozialen Organismus. Durch Revolution der Begriffe zur Evolution der Gesellschaft, Achberger Verlag, Achberg 1982 (Neuauflage 2003), (2. erw. und umgestaltete Auflage von "Revolution und Evolution. Auf dem Weg zu einer Elementarlehre des sozialen Organismus"), (Aufsatzsammlung, bearbeitet)
  • Zeitgemäße Wirtschaftsgesetze. Über die Rechtsgrundlagen einer nachkapitalistischen, freien Unternehmensordnung >Entwurf einer Einführung<, Achberger Vlg., Achberg 1975, 2. erw. Aufl. 1980, PDF, (kritische Rezension von Boris Tullander in: Bausteine 4/80, S. 46 - 56[1])

Einzelausgaben, Aspekte, Erläuterung, Vertiefung und Fortführung

  • Zum Kriterium des Wirklichkeitsgemäßen auf goetheanistischem Erkenntnisfelde, Math.-Phys. Korrespondenz Nr. 38, Weihn. 1962, S.3-7
  • Physikalische Miniaturen. Ein Gedankenweg zum Bilden wirklichkeitsgemaBer Begriffe im Reich der Physik, Sonderheft der Mathematische-Physikalischen Korrespondenz, 1971, Vorwort Georg Unger, Hrsg: Mathematisch-Physikalisches Institut
  • Ausblick auf eine Elementarlehre des dreigliedrigen sozialen Organismus, Manuskript 1971, 30 S., Lehr-Kurs, basiert auf "Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt", PDF, auch enthalten in: Lit: Erkenntnisübungen, S. 51 - 75
  • Das Unternehmerkapital im sozialen Organismus, in: Die Drei, 07-8/1975, (Text auf www.dreigliederung.de Text), auch in: Lit.: Erkenntnisübungen, S. 204 - 211
  • Die Zeit und ihre sozialen Forderungen, in Stefan Leber (Hrsg.): Der Mensch in der Gesellschaft, Beiträge zur Anthroposophie 2, 1977, Verlag Freies Geistesleben, ISBN 3772504027, S. 65 - 80
  • Drei Quellen zum Erfüllen des sozialen Hauptgesetzes, erschienen in: Das Goetheanum, Nr. 32, 6.8.1978, ebenso in: "Erkenntnisübungen zur Dreigliederung des sozialen Organismus, Achberger Verlag, 1982 und 2003", S. 184 - 188 PDF
  • Eine Kurzbeschreibung des "Gestalt-Urbildes" des sozialen Organismus. Möglicher Beitrag zu dem Seminar im Institut für soziale Gegenwartsfragen am 8./9. März 1980 zum Thema Geld, in: Schweppenhäuser, Fallstudie 5, S. 54 - 58, (Darstellung des Urbildes der Elementarlehre in konzentrierter Form, Schmundt nahm an dem Seminar nicht teil)
  • Elementarlehre des sozialen Organismus, in: Reinhard Giese: Sozial handeln - aus der Erkenntnis des sozial Ganzen. Soziale Dreigliederung heute, Verlag Reinhard Giese, Rabel 1980, ISBN 3922683010, S. 73 - 81
  • Eine Elementarlehre des sozialen Organismus. Wie kann man sie begründen - was vermag sie zu leisten?, Die Drei, 05/1981, S.345-354, Text, auch in Lit: Erkenntnisübungen, S. 33 - 49
  • Die Elementarlehre des sozialen Organismus als Grundlage politischen Wirkens. Oder: Über die Kunst des sozialen Bauens, in: Lit: Rainer Rappmann (Hrsg.): Die Kunst des sozialen Bauens, S. 97 - 110, (zuerst 1981 in Johannes Stüttgen (Hrsg.): Similia Similibus, Köln 1981)
  • Der soziale Organismus und das Soziale Hauptgesetz, in: Das Soziale Hauptgesetz, Verlag Freies Geistesleben, 1986 (Reihe Sozialwissenschaftliches Forum Bd. 1, Herausgeber Stefan Leber), S. 54 - 64, ISBN 3772508596, PDF
  • Der Typus der sozialen Organismen, in: Lit.: Die Kunst es sozialen Bauens, S. 85 - 90, (Ein Entwurf aus dem Jahre 1986, in Form eines fiktiven Interviews)
  • Die Assoziation als Gestaltelement des sozialen Organismus, in: Stefan Leber (Hrsg.): Die wirtschaftlichen Assoziationen, Verl. Freies Geistesleben, 1987, ISBN 3772509037, S. 136 - 148
  • Der Geldkreislauf als Organsystem des sozialen Organismus, in: Stefan Leber (Hrsg.): Wesen und Funktion des Geldes, Freies Geistesleben, Stuttgart 1989, S. 71 - 79
  • Zwei Grundprobleme des 20. Jahrhunderts. Die Materie und ihr Ursprung. Der Soziale Organismus und sein Krankheitszustand, Freie Volkshochschule Argental, Wangen 1988, ISBN 3-926673-06-0, ("Der Autor hat es in hohem Alter ... unternommen, in zwei zusammenfassenden, äußerst dichten Abhandlungen dasjenige zur Darstellung zu bringen, was sich ihm in langen Jahren seines Forschens ergeben, begründet und befestigt hat. (...) Methodisch geht diese Arbeit ... den Weg der goetheanistischen Erkenntnistheorie." (Bernd Volk, Flensburger Hefte Nr. 25, S. 218). "Die Materie und ihr Ursprung" ist eine Arbeit zur Physik. Das Buch enthält außerdem als 3. Teil eine biographische Skizze in Gesprächsform.)
  • Die Aufgabe Mitteleuropas. Die Lehre vom sozialen Organismus in seiner Freiheitsgestalt als Brückenschlag zwischen Ost und West, FIU-Verlag, Wangen 1997, ISBN 3-928780-16-6, (2 Vorträge vom 28. und 29. Dezember 1981)
  • Denkschritte - Auf dem Weg zur Idee des sozialen Organismus, FIU-Verlag, Wangen 1999, (Buch inkl. CD mit Original-Vortrag von Wilhelm Schmundt (72,5 min.) über seinen Lebens- und Forschungsweg, gehalten am 31. Dezember 1976 im Internationalen Kulturzentrum Achberg.), ISBN 9783928780216, Verlagsauskunft , (Auszüge aus Schmundts Bericht über seinen Lebens- und Forschungsweg sind auch in Lit: Die Kunst des sozialen Bauens enthalten, 1993, unter dem Titel: Auf dem Wege zur Idee des sozialen Organismus. Ein Wanderbericht, S. 111 - 129, mit zahlr. Fotos)
  • Neuanfänge, in: Erziehungskunst Nr. 9, Jg. 41, 1977, S. 447f., Volltext (Biographisches, Schmundt als Waldorflehrer)
  • Rudolf Steiners Erkenntnistheorie für die Chemie fruchtbar gemacht. Gerhard Ott: Grundriß einer Chemie nach phänomenologischer Methode, Rezension, in: Erziehungskunst, Jg. 25, Heft 6 1961, Volltext
  • Zeichen der Zeit. Über das Wesen der mathematischen Naturwissenschaft, Rezension zu: A.E. Kornmüller: "Zur Beziehung zwischen Psyche, Gehirn und Natur im Zusammenhang mit dem Naturbild der modernen Physik", in: Erziehungskunst, Jg. 21, 1957, Heft 5, S. 154 - 156, Volltext

Nachweise, Anmerkungen

  1. "Schumdt spricht stets von wesenhaften Begriffen und goetheanistischer Methode. Weder das eine noch das andere ist gültig für die Texte Schmundts. Seine Formulierungen werden gesteuert von abstrakten, selbstgemachten Worten, und nicht von Phänomenen, nicht von Begriffen. In der Schrift "Zeitgemäße Wirtschaftsgesetze" wimmelt es von Worten und Ausdrücken, die nicht den Charakter von Begriffen, sondern von irgendwelchen ganz lose erfundenen Bezeichnungen haben. (...) Wo findet man ähnliches in der Nationalökonomie? Man findet es - im größten Ausmaße beim Mißbrauch der Mathematik. Der Mathematiker bestimmt nach seinem Gutachten die Variablen und setzt dafür Buchstaben, Symbole ein. 'Jeder Theoretiker hat seinen eigenen Begriffsapparat' - man charakterisiert es so. Nur sind die wirtschaftlichen Begriffe nicht nominalistisch wie die mathematischen, sondern realistisch. Wenn die Leute dann auf eigene Hand die Definitionen fabrizieren, entsteht eine heillose Sprachverwirrung. Es entsteht eine endlose Diskussion darüber, was jeder 'mit seinen Begriffen meint'. (Boris Tullander in: Bausteine 4/80, S. 54f.) Auch wenn man als Schmundtianer Tullander entgegen halten könnte, er habe Schmundt eben nicht verstanden, bleibt zumindest richtig, folgt man der Ansicht Rudolf Steiners, im Wirtschaftsleben komme es auf Verständigung und gemeinsame Erkenntnisse an, daß eine gemeinsame Sprache nötig ist, mit klaren Wortbedeutungen, die allgemein bekannt sind und gelten. Es ist schon schwer genug, zu verstehen, was Rudolf Steiner mit "Assoziation" meinte. Wohin soll es dann führen, wenn die verschiedensten Varianten der Wortbedeutung von "Assoziation" in Kurs kommen, ohne daß diese klar in ihrer Differenz zur Steinerschen Bedeutung expliziert sind, oder explizierbar sind. Entweder sollte man dazu stehen, daß man unter Assoziation das gleiche verstehen will wie Steiner (dann läßt sich das untersuchen und ein Verständnis eventuell kritisieren), oder aber man sollte, wenn man einen abweichenden Gegenstand vor Augen hat, wenn das "Phänomen" different ist, ein anderes Wort verwenden. Dies gilt auch für ganze Komplexe von Phänomenen: Wenn diese in ihrer Gesamtheit einen spezifischen differenten Gegenstand ausmachen, verbietet sich die beliebige Übernahme von Bezeichnungen, die aus einem anderen Kontext stammen, da der differente Gegenstand dann in der Auffassung mit dem fremden Kontext verschwimmt.

Literatur

  • Rainer Rappmann (Hrsg): Die Kunst des sozialen Bauens. Beiträge zu Wilhelm Schmundt, mit Beiträgen von Wilhelm Schmundt, Rainer Rappmann (Einführung), Johannes Stüttgen, Ulrich Rösch, Leif Holbaek-Hanssen, Bernd Volk, Frank Meyer, Günther Lierschof, FIU-Verlag, Wangen 1993
  • Rainer Rappmann (Hrsg.): Beuys, Dutschke, Schilinski, Schmundt. Vier Leben für Freiheit, Demokratie und Sozialismus, FIU-Verlag, Wangen 1996
  • Johannes Stüttgen: Ökonomie/Wirtschaftsleben. In: Harald Szeemann (Hrsg.): Beuysnobiscum, Fundus/Vlg. der Kunst, Amsterdam; Dresden 1997, S. 269 - 281
  • Hans Georg Schweppenhäuser: Die soziale Dreigliederung von Rudolf Steiner und die Elementarlehre des sozialen Organismus von Wilhelm Schmundt. Fallstudien Heft 5., Freiburg 1980, 122 S., Inhaltsverzeichnis
  • Hans Georg Schweppenhäuser: Die Elementarlehre von Wilhelm Schmundt. - Ein Briefwechsel als Dokumentation über eine Kontroverse zur sozialen Dreigliederung. Fallstudien. Heft 6a und 6b., Freiburg 1981, 116 und 100 S.
  • Hans Georg Schweppenhäuser: "Fähigkeiten"- oder "Erfahrungs"- Wirtschaft?, Bausteine, 4.Jg., 4/1980, S.40-45, (Zur Kontroverse Schmundt Schweppenhäuser)
  • Redaktion (Reinhard Giese): Zitate Rudolf Steiners und Hans Georg Schweppenhäusers mit Erläuterungen zum Thema, in: Beiträge zur Dreigliederung des sozialen Organismus, 24.Jg., Nr.36, Dez.1983, S.13-33, Thema: Zur assoziativen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. In Memoriam Hans Georg Schweppenhäuser, (enthält einen Exkurs zur Kontroverse Schweppenhäuser - Schmundt S. 23 - 25, in dem insbesondere auf den Begriff der Assoziation eingegangen wird. Schmundt und im Anschluß auch Ulrich Rösch und Benediktus Hardorp[1]u.a. würden einen Assoziationsbegriff zugrundelegen, der von demjenigen Steiners und Schweppenhäusers abweiche, mit auch Konsequenzen für die dann unterschiedliche Gesamtauffassung der sozialen Dreigliederungidee, die von derjenigen Steiners und Schweppenhäusers abweichen würde, obwohl manchmal nach dem Wortlaut der Darlegungen eine Übereinstimmung scheinbar gegeben ist.)[2]
  • Andreas Schurack: Stüttgens Sünden wider die soziale Dreigliederung, 2014, Text, Ein Kommentar
  • Boris Tullander: Bedauerliche Blätter, in: Jedermensch Nr. 648, Herbst 2008, Volltext
  • Herbert Witzenmann: Zum Geleit, in: Schmundt: Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt, 1. Aufl. 1968, S. 5f. (Dieses Geleitwort ist nur in der 1. Auflage enthalten. Ersetzt in der zweiten Auflage 1977 durch eine Widmung an bzw. Hinweis auf Hunold Graf v. Baudissin und Prof. Adolf Reichwein, und eine leere Seite)
  • Benediktus Hardorp: Anthroposophie und Dreigliederung. Das soziale Leben als Entwicklungsfeld des Menschen, Verlag Freies Geistesleben, 1986, ISBN 3772508731, Inhaltsverzeichnis

Nachweise, Anmerkungen

  1. vgl. z.B. Hardorp: Anthroposophie und Dreigliederung, wo Hardorp S. 91ff. Schmundts "Gestaltbild" ohne den leisesten Anflug von kritischer Distanz übernimmt, und zu einer Beschreibung der Assoziation übergeht, in der die Konsumentenseite nicht vorkommt. Hardorp identifiziert diese schmundtische Auffassung von Assoziation mit derjenigen Steiners (S. 95), verweist für seinen eigenen Assoziationsbegriff allerdings auch auf seine Dissertation "Elemente einer Neubestimmung ...(S. 277ff.)" und auf Latrille. "Assoziation" sei: "ein soziales Organ, das es möglich macht, Sachgegebenheiten und Gestaltungsmöglichkeiten einer gegebenen sozialen Lage in gemeinsamer Urteilsbildung der Beteiligten zu gemeinsamer Urteilsschau verfügbar zu machen, um so ein sinnvolles Handeln aller an diesem Wirtschaftsprozeß Beteiligten möglich zu machen." (Mit Wirtschaftsprozeß ist der Produktionsprozeß in Arbeitskollektven gemeint. Konsumenten, die einen Bedarf im Hinblick auf eine bedarfsorientierte Produktion geltend machen, kommen nicht vor.) "Das Wesen dessen, was in der anthroposophischen Literatur zur Dreigliederung als Assoziation geschildert worden ist, scheint uns damit auf den entscheidenden Punkt gebracht zu sein." (96f.) Dabei bringt Hardorp in keiner Weise auch nur andeutungsweise zum Ausdruck, daß in der anthroposophischen Literatur und von ihm selbst von dem Steinerschen Assoziationsbegriff abgewichen werde. Man glaubt mit "Assoziation" dasselbe zu meinen, was Rudolf Steiner mit dem Begriff gemeint hatte.
  2. "Kontrovers zu den genannten Ansichten versteht Wilhelm Schmundt die Assoziation nicht als eine Einrichtung, sondern als organisches Gestaltelement, das sich so entfaltet, daß Menschen von allein in rechte Verhältnisse zueinander kommen." (St. Leber in "Die wirtschaftlichen Assoziationen, S. 29). "Und so seien - so jene Ansicht - Assoziationen zweckmäßig, um die verschiedenen Interessen von Konsumenten und Produzenten aufeinander abzustimmen. Im folgenden soll der Begriff der Assoziation in anderer Weise angegangen werden und zwar in Hinsicht der Frage, ob vielleicht die «Assoziation» ein Gestaltelement des «sozialen Organismus» sei. Kann man doch den Eindruck haben, daß Rudolf Steiner diesen Begriff in solchem Sinne verwendet. (...) - kurz gesagt: der soziale Organismus - wenn er gesund ist - «assoziiert» die Menschen in rechter Weise." (e.d., S. 136f.)

Weblinks

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