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Bertalanffy unterscheidet verschiedene Typen von [[Gleichgewicht (Systemtheorie)|Gleichgewichten]] bei [[System]]en:
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* ''[[Fließgleichgewicht|Dynamisches Gleichgewicht]]'' ist der Überbegriff für ''echtes Gleichgewicht'' und ''Fließgleichgewicht'':
* '''''[[Fließgleichgewicht|Dynamisches Gleichgewicht]]''''' ist der Überbegriff für ''echtes Gleichgewicht'' und ''Fließgleichgewicht'':
* ''[[Echtes Gleichgewicht]]'' stellt sich in geschlossenen Systemen ein, die weder Materie noch Energie mit ihrer Umgebung austauschen. Es stellt den Zustand maximaler [[Entropie]] dar, das System kann also keine Arbeit mehr verrichten. Alle makroskopischen Zustandsgrößen sind konstant, auch wenn mikroskopische Prozesse weiterlaufen. (Beispiel: [[Chemisches Gleichgewicht]])
* '''''Echtes Gleichgewicht''''' stellt sich in geschlossenen Systemen ein, die weder Materie noch Energie mit ihrer Umgebung austauschen. Es stellt den Zustand maximaler [[Entropie]] dar, das System kann also keine Arbeit mehr verrichten. Alle makroskopischen Zustandsgrößen sind konstant, auch wenn mikroskopische Prozesse weiterlaufen. (Beispiel: [[Chemisches Gleichgewicht]])
* ''[[Fließgleichgewicht]]'' stellt sich in offenen Systemen ein, die mit ihrer Umgebung Materie oder Energie austauschen. Es ist durch die Konstanz einer Größe charakterisiert, die durch primäre Regulation (Rückwirkungen, die auf einfachen Prinzipien der Kinetik und Thermodynamik beruhen) bewirkt wird.
* '''''[[Fließgleichgewicht]]''''' stellt sich in offenen Systemen ein, die mit ihrer Umgebung Materie oder Energie austauschen. Es ist durch die Konstanz einer Größe charakterisiert, die durch primäre Regulation (Rückwirkungen, die auf einfachen Prinzipien der Kinetik und Thermodynamik beruhen) bewirkt wird.
* ''[[Homöostase|Homöostatisches Gleichgewicht]]'', ebenfalls ein Fließgleichgewicht, stellt sich in offenen Systemen durch sekundäre Regulation ein. Diese Systeme sind mit einem speziellen Informationssystem ausgestattet, das eine negative Rückkopplung bewirkt.
* '''''[[Homöostase|Homöostatisches Gleichgewicht]]''''', ebenfalls ein Fließgleichgewicht, stellt sich in offenen Systemen durch sekundäre Regulation ein. Diese Systeme sind mit einem speziellen Informationssystem ausgestattet, das eine negative Rückkopplung bewirkt.


Als theoretischer Biologe war Ludwig von Bertalanffy ein Kritiker des reduktionistischen Evolutionsmodells des [[Neodarwinismus]]', das er als vage, mangelhaft verifizierbar und dogmatisch charakterisierte.
Als theoretischer Biologe war Ludwig von Bertalanffy ein Kritiker des reduktionistischen Evolutionsmodells des [[Neodarwinismus]]', das er als vage, mangelhaft verifizierbar und dogmatisch charakterisierte.

Aktuelle Version vom 14. Mai 2020, 20:45 Uhr

Karl Ludwig von Bertalanffy (* 19. September 1901 in Atzgersdorf, Österreich; † 12. Juni 1972 in Buffalo, New York, USA) war einer der bedeutendsten theoretischen Biologen und Systemtheoretiker des 20. Jahrhunderts. Er war Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina[1] (seit 1968) und der New York Academy of Sciences.

Leben

Ludwig von Bertalanffy wurde 1901 in Atzgersdorf bei Wien als Sohn des nach Pressburg zuständigen Bahnstationschef Gustav Carl von Bertalanffy und der Wienerin Caroline Agnes Vogl geboren.[2] Er wuchs als Einzelkind auf und wurde von Privatlehrern unterrichtet, bis er zehn war, und besuchte im Anschluss das Gymnasium Wien XII. Rosasgasse. In dieser Zeit pflegte er auch Kontakt mit Paul Kammerer, einem Nachbarn, der ein berühmter Biologe und zugleich ein Vorbild für ihn war.

1918 begann er an der Universität Innsbruck Kunstgeschichte und Philosophie zu studieren, wechselte aber 1924 nach Wien. Er war mit der Zeit immer mehr hin- und hergerissen, sein Studium zu wechseln. So fasste er den Entschluss, schließlich auch Biologie zu studieren, da er der Meinung war, dass er auch noch zu einem späteren Zeitpunkt Philosoph werden könne. An der Universität Wien galt sein Interesse daher sowohl der Philosophie als auch den Naturwissenschaften (insbesondere der Biologie).

1926 verfasste er unter seinem Doktorvater Moritz Schlick, dem Physiker und Naturphilosophen, seine Doktorarbeit über den Physiker und Naturphilosophen Gustav Fechner mit dem Titel: „Fechner und das Problem der Integration höherer Ordnung“. Damit promovierte er zum Doktor der Philosophie. 1934 wurde er habilitiert.

Bertalanffy trat 1939 der NSDAP bei und wurde ein Jahr später außerplanmäßiger Professor an der Universität Wien. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde ihm aufgrund der NSDAP-Mitgliedschaft der Professorentitel aberkannt und die Lehrbefugnis entzogen.[3]

Später war er Professor an der Universität London (1948–49), an der Universität Montreal (1949), an der Universität Ottawa (1950–54), an der University of Southern California (1955–58), an der Menninger Foundation (1958–60), an der University of Alberta in Edmonton (1961–68) sowie von 1969 bis 1972 an der State University of New York in Buffalo (SUNY).

Bertalanffy starb 1972 an einem Herzinfarkt.

Familie

1924 lernte Bertalanffy seine zukünftige Frau Maria Bauer kennen, welche er für die nächsten 40 Jahre beinahe ohne Unterbrechung neben sich haben sollte. Sie heirateten 1925. Maria studierte ebenfalls, beendete ihr Studium aber nie, sondern unterstützte ihren Mann, soweit sie konnte. Zusammen hatten sie einen Sohn, der später in die Krebsforschung gehen sollte und somit die Arbeit seines Vaters weiterführte.

Werk

Der Wissenschaftler beschäftigte sich im Laufe seines Lebens mit den Themenkomplexen Physiologie und Krebsforschung, Biophysik offener Systeme (er führte hierbei den Begriff des Fließgleichgewichtes ein) und Thermodynamik lebender Systeme, die er von den geschlossenen Systemen der Physik unterschied.

Er verfasste eine Allgemeine Systemtheorie, die versucht, auf der Grundlage des methodischen Holismus gemeinsame Gesetzmäßigkeiten in physikalischen, biologischen und sozialen Systemen zu finden und zu formalisieren. Prinzipien, die in einer Klasse von Systemen gefunden werden, sollen auch in anderen Systemen zu beobachten sein. Dazu zählen zum Beispiel: Komplexität, Gleichgewicht, Rückkopplung und Selbstorganisation.

Bertalanffy unterscheidet verschiedene Typen von Gleichgewichten bei Systemen:

  • Dynamisches Gleichgewicht ist der Überbegriff für echtes Gleichgewicht und Fließgleichgewicht:
  • Echtes Gleichgewicht stellt sich in geschlossenen Systemen ein, die weder Materie noch Energie mit ihrer Umgebung austauschen. Es stellt den Zustand maximaler Entropie dar, das System kann also keine Arbeit mehr verrichten. Alle makroskopischen Zustandsgrößen sind konstant, auch wenn mikroskopische Prozesse weiterlaufen. (Beispiel: Chemisches Gleichgewicht)
  • Fließgleichgewicht stellt sich in offenen Systemen ein, die mit ihrer Umgebung Materie oder Energie austauschen. Es ist durch die Konstanz einer Größe charakterisiert, die durch primäre Regulation (Rückwirkungen, die auf einfachen Prinzipien der Kinetik und Thermodynamik beruhen) bewirkt wird.
  • Homöostatisches Gleichgewicht, ebenfalls ein Fließgleichgewicht, stellt sich in offenen Systemen durch sekundäre Regulation ein. Diese Systeme sind mit einem speziellen Informationssystem ausgestattet, das eine negative Rückkopplung bewirkt.

Als theoretischer Biologe war Ludwig von Bertalanffy ein Kritiker des reduktionistischen Evolutionsmodells des Neodarwinismus', das er als vage, mangelhaft verifizierbar und dogmatisch charakterisierte.

Die Systemtheorie Ludwig von Bertalanffys spielte eine entscheidende Rolle in der Pflegetheorie der US-Pflegetheoretikerin Imogene King (1923–2007).[4] In der psychiatrischen Krankenpflege publizierte die US-amerikanische Krankenschwester Shirley Smoyak im Jahr 1975 eine Arbeit zur "psychiatrischen Pflegekraft als Familientherapeut", in der sie sich grundlegend auf Ludwig von Bertalanffy bezog.[5][6]

Veröffentlichungen

  • Nikolaus von Kues (1928).
  • Kritische Theorie der Formbildung (1928).
  • Lebenswissenschaft und Bildung (1930),
  • Theoretische Biologie (1932).
  • Das Gefüge des Lebens (1937).
  • Vom Molekül zur Organismenwelt (1940).
  • Das biologische Weltbild (1949).
  • General System Theory. In: Biologia Generalis. 1/1949, S. 114–129.
  • The Theory of Open Systems in Physics and Biology. In: Science. Band 111, 1950, S. 23–29.
  • Biophysik des Fließgleichgewichtes (1953).
  • Die Evolution der Organismen. in Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie. 1953, S. 53–66.
  • Robots, men and minds (1967).
  • The Organismic Psychology and Systems Theory (1968)
  • General System Theory: Foundations, Development, Applications (1969).

Siehe auch

Literatur

  •  Luitfried Salvini-Plawen, Maria Mizzaro: 150 Jahre Zoologie an der Universität Wien. In: Verhandlungen der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Österreich. 136, Wien 1999, S. 1–76.
  •  David Pouvreau: Une biographie non officielle de Ludwig von Bertalanffy (1901–1972). Bertalanffy Center for the Study of Systems Science, Wien 2006, ISBN 978-3-200-00840-3 (http://www.bcsss.org/wp-content/uploads/2011/09/pdf29.pdf).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mitgliedseintrag von Ludwig von Bertalanffy (mit Bild und CV) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 9. März 2017.
  2. Taufbuch Wien-Atzgersdorf, Bd. 15, S. 333
  3. Bertalanffy, (Karl) Ludwig von (1901–1972), Biologe, Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950.
  4. Hubert Kolling (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte „Who was who in nursing history“. Band 7 hps media nidda 2015, S. 148–150.
  5. Shirley Smoyak: The Psychiatric Nurse as a Family Therapist. In: Nursing Research. 25, 1972, 3, S. 200–200.
  6. Maria Mischo-Kelling, Karin Wittneben: Pflegebildung und Pflegetheorien. 1. Auflage. Urban & Schwarzenberg, München / Wien / Baltimore 1995, S. 140, S. 198.


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