Trieb und Genetik: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Bild 229xyz.jpg|mini|hochkant|[[Frits H. Julius]]: ''Die zwölf Triebe in Tier und Mensch'']]
[[Datei:4 Kittens.jpg|miniatur| Die [[Rekombination (Genetik)|Rekombination]] der elterlichen Gene führt zu unterschiedlichen [[Phänotyp]]en innerhalb eines [[Wurf (Fortpflanzung)|Wurfes]].]]
Die '''Genetik''' (moderne Wortschöpfung zu [[Griechische Sprache|griechisch]] γενεά ''geneá'' ‚Abstammung‘, γένεσις ''génesis'' ‚Ursprung‘)<ref>Vgl. [http://www.perseus.tufts.edu/cgi-bin/ptext?doc=Perseus%3Atext%3A1999.04.0057%3Aentry%3D%2321880 genetikós] in: Henry George Liddell, Robert Scott, ''A Greek-English Lexicon'', at Perseus</ref><ref>Vgl. [http://www.perseus.tufts.edu/cgi-bin/ptext?doc=Perseus%3Atext%3A1999.04.0057%3Aentry%3D%2321873 génesis] in: Henry George Liddell, Robert Scott, ''A Greek-English Lexicon'', at Perseus</ref> oder '''Vererbungslehre''' ist die Wissenschaft von der [[Vererbung (Biologie)|Vererbung]] und ein Teilgebiet der [[Biologie]]. Sie befasst sich mit den Gesetzmäßigkeiten und materiellen Grundlagen der Ausbildung von erblichen [[Merkmal]]en und der Weitergabe von Erbanlagen ([[Gen]]en) an die nächste [[Generation]].


Der '''Trieb''' entspringt aus den inneren vitalen Lebensbedürfnissen eines [[Lebewesen]]s, die nach Erfüllung streben. Er ist eine Äußerung des [[Wille]]ns im [[Ätherleib]].
Das Wissen, dass individuelle Merkmale über mehrere Generationen hinweg weitergegeben werden, ist relativ jung; Vorstellungen von solchen natürlichen Vererbungsprozessen prägten sich erst im 18. und frühen 19. Jahrhundert aus. Als Begründer der Genetik (zunächst als einen quantifizierbaren Zusammenhang zwischen den Generationen herstellende Transmissionsgenetik) gilt der [[Augustinerorden|Augustinermönch]] und Hilfslehrer [[Gregor Mendel]], der in den Jahren 1856 bis 1865 im Garten seines Klosters systematisch [[Kreuzung (Genetik)|Kreuzungsexperimente]] mit Erbsen durchführte und diese [[Statistik|statistisch]] auswertete. So entdeckte er die später nach ihm benannten [[Mendelsche Regeln|Mendelschen Regeln]], die in der Wissenschaft allerdings erst im Jahr 1900 rezipiert und bestätigt wurden. Der heute weitaus bedeutendste Teilbereich der Genetik ist die [[Molekulargenetik]], die sich mit den molekularen Grundlagen der Vererbung befasst. Aus ihr ging die [[Gentechnik]] hervor, in der die Erkenntnisse der Molekulargenetik praktisch angewendet werden.


== Instinkt, Trieb und Begierde ==
== Etymologie ==
Das Adjektiv „genetisch“ wurde schon um 1800 von [[Johann Wolfgang von Goethe]] in dessen Arbeiten zur [[Morphologie (Biologie)|Morphologie]] der Pflanzen und in der Folgezeit häufig in der [[Romantik|romantischen]] [[Naturphilosophie]] sowie in der [[Deskription|deskriptiven]] [[Embryologie]] verwendet.<ref>[[Ilse Jahn]], Rolf Löther, Konrad Senglaub (Hrsg.): ''Geschichte der Biologie'', 2. Aufl., VEB Gustav Fischer Verlag, Jena 1985, S. 284 und 413</ref> Anders als heute meinte man damit eine „Methode'“ („genetische Methode“) der Untersuchung und Beschreibung der Individualentwicklung ([[Ontogenese]]) von Organismen. Das Substantiv „Genetik“ gebrauchte erstmals William Bateson 1905 zur Bezeichnung der neuen Forschungsdisziplin.


Der Trieb, der seinen Ursprung im Ätherleib hat, unterscheidet sich dadurch sowohl vom [[Instinkt|instinktgeleiteten Verhalten]], das unmittelbar im [[Physischer Leib|physischen Leib]] verwurzelt ist, als auch von der [[Begierde]], die von den Bedürfnissen des [[Astralleib]]s ausgeht. Beim [[Mensch]]en wird das [[bewusst]]e [[Handeln]] durch [[Motiv]]e geleitet, die seinem [[Ich]] entspringen.
In Deutschland wurde bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts der Ausdruck „Erbbiologie“ bedeutungsgleich gebraucht, zumeist zur Unterscheidung der „Erbbiologie des Menschen“ ([[Humangenetik]]) von der allgemeinen Genetik. Die Bezeichnung „Humangenetik“ war dabei in Deutschland bereits um 1940 etabliert. Damit wurde ein Rückzug auf wissenschaftlich gebotene Grundlagenforschung angezeigt, während „Rassenhygiene“ angewandte Wissenschaft darstellte.<ref>Peter Weingart, Jürgen Kroll, Kurt Bayertz: ''Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992, S. 557 f.</ref> Nach 1945 verschwanden die Bezeichnungen „Erbbiologie“ sowie „Rassenhygiene“ allmählich aus dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch.


In der [[Pflanzenwelt]] äußert sich der Trieb in seiner reinsten Form nur als [[Bewusstsein|bewusstloser]] (-> [[Schlafbewusstsein]]) keuscher '''Wachstumstrieb'''. Bei [[Tier]] und [[Mensch]] spiegelt er sich in Form von [[Lust]] oder [[Unlust]] im [[Astralleib]] wider, in dem dadurch sehr leicht [[Begierden]] erregt werden. Beispiele hierfür sind etwa der '''Nahrungstrieb''', der der Erhaltung des individuellen Lebewesens dient, oder der '''Fortpflanzungstrieb''', der auf die Arterhaltung ausgerichtet ist.
== Teilbereiche ==
[[Datei:Jug Ear Heredity.jpg|miniatur|Weitergabe phänotypischer Merkmale: Vater und Sohn mit Haarwirbel und [[Abstehende Ohren|Otapostasis]]]]


{{GZ|Nun lebt in unserem physischen Leibe, diesen ganz durchgestaltend, durchdringend, der Ätherleib. Er ist für die äußeren Sinne übersinnlich, unsichtbar. Aber wenn wir auf die Willensnatur schauen, dann ist es so, daß ebenso, wie der Ätherleib den physischen Leib durchdringt, so ergreift er auch das, was sich im physischen Leibe als Instinkt äußert. Dann wird der Instinkt zum Trieb. Im physischen Leib ist der Wille Instinkt; sobald der Ätherleib sich des Instinktes bemächtigt, wird der Wille Trieb. Es ist dann sehr interessant, zu verfolgen, wie in der Beobachtung der Instinkt, den man in der äußeren Form mehr konkret erfassen kann, sich verinnerlicht und sich auch mehr vereinheitlicht, indem man ihn als Trieb betrachtet. Von Instinkt wird man immer so sprechen, daß er, wenn er sich im Tiere oder in seiner Abschwächung im Menschen vorfindet, dem Wesen von außen aufgedrängt ist; beim Trieb ist schon daran zu denken, daß das, was sich in einer mehr verinnerlichten Form äußert, auch mehr von innen kommt, weil der übersinnliche Ätherleib sich des Instinktes bemächtigt und dadurch der Instinkt zum Trieb wird.
* Die von Mendel begründete ''klassische'' Genetik untersucht, in welchen Kombinationen die Gene bei [[Kreuzung (Genetik)|Kreuzungsexperimenten]] bei den Nachkommen auftreten ([[Mendelsche Regeln]]) und wie das die Ausprägung bestimmter [[phänotyp]]ischer [[Merkmal]]e beeinflusst. Zur klassischen Genetik gehört darüber hinaus die [[Zytogenetik]], die im [[lichtmikroskop]]ischen Größenbereich die Anzahl, Gestalt und Struktur der [[Chromosom]]en als Träger der genetischen [[Information]] untersucht.
* Die Molekulargenetik – ein Teilgebiet der [[Molekularbiologie]] – untersucht die [[Molekül|molekularen]] Grundlagen der Vererbung: die Struktur der molekularen Träger der Erbinformation (gewöhnlich [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]], bei manchen [[Viren]] [[Ribonukleinsäure|RNA]]), die Vervielfältigung dieser Makromoleküle ([[Replikation]]) und die dabei auftretenden Veränderungen des Informationsgehalts ([[Mutation]]en, [[Rekombination (Genetik)|Rekombination]]) sowie die Realisierung der Erbinformation im Zuge der [[Genexpression]] ([[Transkription (Biologie)|Transkription]] und [[Translation (Biologie)|Translation]]). Zur Molekulargenetik gehört des Weiteren als angewandter Bereich die [[Gentechnik]].
* Die [[Populationsgenetik]] und die [[Ökologische Genetik]] untersuchen genetische Strukturen und Prozesse auf der Ebene von Populationen und von anderen ökologischen Einheiten (z.&nbsp;B. ganzen Lebensgemeinschaften).
* Die [[Epigenetik]] beschäftigt sich mit der Weitergabe von Eigenschaften auf die Nachkommen, welche nicht auf Abweichungen in der DNA-[[Nukleotidsequenz|Sequenz]] zurückgehen, sondern auf vererbbare Änderungen der [[Genregulation]].


Nun hat der Mensch auch noch den Empfindungsleib. Der ist noch innerlicher. Er ergreift nun wieder den Trieb, und dann wird nicht nur eine Verinnerlichung erzeugt, sondern es wird Instinkt und Trieb auch schon ins Bewußtsein heraufgehoben, und so wird daraus dann die Begierde. Die Begierde finden Sie auch noch beim Tiere, wie Sie den Trieb bei ihm finden, weil das Tier ja alle diese drei Glieder, physischen Leib, Ätherleib, Empfindungsleib, auch hat. Aber wenn Sie von der Begierde sprechen, so werden Sie schon, ganz instinktiv, sich herbeilassen müssen, die Begierde als etwas sehr Innerliches anzusehen. Beim Trieb sprechen Sie so, daß er doch, ich möchte sagen von der Geburt bis zum späten Alter sich einheitlich äußert; bei der Begierde sprechen Sie von etwas, was erkraftet wird von dem Seelischen, was mehr einmalig erkraftet wird. Eine Begierde braucht nicht charakterologisch zu sein, sie braucht nicht dem Seelischen anzuhaften, sondern sie entsteht und vergeht. Dadurch zeigt sich die Begierde als mehr dem Seelischen eigentümlich als der bloße Trieb.|293|66f|64}}
== Geschichte ==
=== Übersicht ===
* ''1866'' – [[Gregor Mendel]] veröffentlichte seine ''Versuche über Pflanzen-Hybriden'', die aber kaum beachtet wurden.
* ''1869'' – [[Friedrich Miescher]] isolierte aus Zellkernen das „Nuclein“, dessen Aufbau und Funktion zunächst rätselhaft blieb.
* ''1889'' – [[Richard Altmann]] identifizierte die „[[Nucleinsäuren|Nucleinsäure]]“ und eine basische Proteinfraktion als Bestandteile des Nucleins.
* ''1900'' – [[Hugo de Vries]], [[Carl Correns]] und [[Erich Tschermak]] bestätigten Mendels Entdeckungen.
* ''1903'' – [[Chromosom]]en wurden als Träger der [[Erbinformation]] erkannt ([[Walter Sutton]]).
* ''1906'' – [[William Bateson]] prägte den Begriff ''Genetik''.
* ''1907'' – [[Thomas Hunt Morgan]] wählte die [[Taufliege]] ''[[Drosophila melanogaster]]'' als Versuchstier.
* ''1909'' – [[Wilhelm Johannsen]] prägte den Begriff ''[[Gen]]''.
* ''1927'' – Auslösung künstlicher [[Mutation]]en durch [[Röntgenstrahlung]] ([[Hermann Joseph Muller]])
* ''1928'' – Erste Beschreibung der [[Transformation (Genetik)|Transformation]] durch [[Frederick Griffith]] ([[Griffiths Experiment]])
* ''1931'' – [[Zellbiologie|Zytologische]] Aufklärung des [[Crossing-over]] ([[Barbara McClintock]], [[Harriet B. Creighton]], [[Curt Stern]])
* ''1940'' – [[George Beadle]] und [[Edward Tatum]] formulierten die [[Ein-Gen-ein-Enzym-Hypothese]].
* ''1943'' – Das [[Luria-Delbrück-Experiment]] belegte, dass Mutationen in dem Sinn zufällig sind, dass sie keine Umweltreaktionen darstellen.
* ''1944'' – [[Oswald Avery]], [[Colin MacLeod]] und [[Maclyn McCarty]]: [[Transformation (Genetik)|Transformation]] von Bakterien durch [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]]
* ''1950'' – [[Erwin Chargaff]] zeigte mit den [[Chargaff-Regeln]], dass die vier [[Nukleotid]]e in paarweise gleicher Häufigkeit in der DNA vorkommen: [A]&nbsp;=&nbsp;[T] und [C]&nbsp;=&nbsp;[G].
* ''1951'' – McClintock berichtete erstmals über [[Transposon|springende Gene]], stieß aber auf komplettes Unverständnis.
* ''1952'' – Das [[Hershey-Chase-Experiment]] zeigte, dass die genetische Information von [[Bakteriophage]]n in der DNA gespeichert ist.
* ''1953'' – [[James Watson]] und [[Francis Crick]] postulierten die [[Doppelhelix]]-Struktur der DNA.
* ''1957'' – Nachweis der semikonservativen [[Replikation]] der DNA und des [[Crossing-over]] durch [[James Herbert Taylor]] ([[Taylor-Experiment (Genetik)|Taylor-Experiment]])
* ''1958'' – Nachweis der semikonservativen [[Replikation]] der DNA durch [[Meselson-Stahl-Versuch|Meselson und Stahl]]
* ''1958'' – Crick postulierte das „[[Zentrales Dogma der Molekularbiologie|Zentrale Dogma]]“ der Molekulargenetik.
* ''1961'' – [[François Jacob]] und [[Jacques Monod (Biologe)|Jacques Monod]] stellten das [[Operon]]-Konzept vor
* ''1961'' bis ''1965'' – [[Entschlüsselung|Dechiffrierung]] des [[Genetischer Code|genetischen Codes]] ([[Marshall Warren Nirenberg]] und [[Heinrich Matthaei]])
* ''1969'' – [[Jonathan Beckwith]] gelang als erstem die Isolierung eines einzelnen Gens (aus ''[[E. coli]]'').
* ''1969'' – [[Werner Arber]], [[Daniel Nathans]] und [[Hamilton Othanel Smith]] entdeckten die [[Restriktionsenzyme]].
* ''1975'' – [[DNA-Sequenzierung]] ([[Frederick Sanger]], [[Allan Maxam]], [[Walter Gilbert]])
* ''1977'' – [[Intron]]-[[Exon]]-Struktur eukaryotischer Gene
* ''1983'' – [[Kary Mullis]] entwickelte die [[Polymerase-Kettenreaktion]] (PCR) zur Vervielfältigung von DNA.
* ''1995'' – Das erste [[Prokaryoten|prokaryotische]] [[Genom]] (von ''[[Haemophilus influenzae]]'') wurde sequenziert.
* ''1997'' – Das erste [[Eukaryoten|eukaryotische]] Genom, das der [[Bäckerhefe]] ''Saccharomyces cerevisiae'', ist sequenziert
* ''2003'' – Als Resultat des [[Humangenomprojekt]]es steht die Referenzsequenz des menschlichen Genoms zum Download im Internet bereit


== Niedere Triebe und der problematische Verkehr mit den Toten ==
=== Vorgeschichte ===
Schon in der [[Antike]] versuchten Menschen die Gesetzmäßigkeiten der [[Zeugung]] und die Ähnlichkeiten zwischen Verwandten zu erklären, und einige der im antiken Griechenland entwickelten Konzepte blieben bis in die [[Neuzeit]] gültig oder wurden in der Neuzeit wieder aufgegriffen.<ref>Jahn et al., S. 56–59</ref><ref>[[Erna Lesky]]: ''Die Zeugungs- und Vererbungslehren der Antike und ihr Nachwirken.'' Wiesbaden 1951 (= ''Akademie der Wissenschaften und der Literatur [zu Mainz]: Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse [1950]'', 19, S. 1–201).</ref> So lehrte der griechische Philosoph [[Alkmaion (Philosoph)|Alkmaion]] um 500&nbsp;v.&nbsp;Chr., dass die Zeugung der Nachkommen durch die Zusammenwirkung des männlichen und des weiblichen „[[Sperma|Samens]]“ geschehe. Sein [[Postulat]] eines weiblichen Samens fand in der damaligen [[Naturphilosophie]] und später auch in der [[Hippokrates von Kos|hippokratischen]] Medizin allgemeine Anerkennung. Davon abweichend behaupteten [[Hippon]] und [[Anaxagoras]], dass nur der Mann zeugungsfähigen Samen bilde und dass der weibliche Organismus den Keim nur ernähre. Die Bildung des Samens erfolgte laut Alkmaion im Gehirn, von wo aus er durch die [[Blutgefäß|Adern]] in den [[Hoden]] gelange. Demgegenüber erklärten Anaxagoras und [[Demokrit]], dass der gesamte Organismus zur Bildung des Samens beitrage, – eine Ansicht, die als [[Pangenesistheorie]] über 2000 Jahre später von [[Charles Darwin]] erneut vertreten wurde. Auch die Überlegungen des Anaxagoras, wonach alle Körperteile des Kindes bereits im Samen (Sperma) vorgebildet seien, traten als [[Präformationslehre]] in der Neuzeit wieder auf. In der Antike wurden diese frühen Lehren weitgehend abgelöst durch die Ansichten des [[Aristoteles]] ([[De generatione animalium]]), wonach das Sperma aus dem Blut entsteht und bei der Zeugung nur immateriell wirkt, indem es Form und Bewegung auf die durch den weiblichen Organismus bereitgestellte flüssige Materie überträgt.<ref>Jahn et al., S. 68–71</ref> Die Entwicklung des Keims beschrieb Aristoteles als [[Epigenese]], wonach im Gegensatz zur Präformation die verschiedenen Organe nacheinander durch die Einwirkung des väterlichen Formprinzips ausgebildet werden. Neben der geschlechtlichen Zeugung kannte Aristoteles auch die [[Parthenogenese]] (Jungfernzeugung) sowie die (vermeintliche) [[Urzeugung]] von Insekten aus faulenden Stoffen.


Während das allgemeine Sich-Bekanntmachen mit der geistigen Welt relativ unproblematisch ist, kann der Verkehr mit konkreten [[Tote]]n, die sich im [[Kamaloka]] befinden, ohne entsprechende [[Läuterung]] größere Schwierigkeiten bereiten, da dadurch sehr leicht die niederen Triebe angeheizt werden können. Was für den Toten höheres Leben ist, hängt für den auf Erden verkörperten Menschen mit den niederen Trieben und Begierden zusammen. Das Kamaloka ist nämlich der „Ort“, wo sich die drei obersten Bereiche der [[physisch-ätherische Welt|physisch-ätherischen Welt]] ([[Lichtäther]], [[Klangäther]] und [[Lebensäther]]) mit den drei untersten Regionen der [[Astralwelt]] ([[Begierdenglut]], [[fließende Reizbarkeit]] und [[Region der Wünsche]]) überschneiden; das ist zugleich die [[sublunare Sphäre]]:
Der Aristoteles-Schüler [[Theophrastos von Eresos|Theophrastus]] postulierte eine ''transmutatio frumentorum'' und nahm an, dass sich Getreidearten zu ihrer Wildform zurückverwandeln können. Zudem unterschied er männliche und weibliche Pflanzen bei der Dattelpalme.<ref>Hans-Peter Kröner: ''Genetik.'' 2005, S. 468.</ref>


{{GZ|Wenn wir vom physischen Plan ausgehen, so haben wir hier (es wird gezeichnet) sieben Unterabteilungen
Vererbung war bis in das 18. Jahrhundert ein juristischer Begriff und fand für natürliche Vorgänge keine Anwendung. Denn Ähnlichkeiten zwischen Verwandten wurden ausreichend über jeweils spezifische lokale Faktoren und die Lebensweise des Individuums erklärt: über das Klima, die Ernährung, die Art der Betätigungen usw. Wie gewisse Merkmale unter Nachkommen blieben auch diese Faktoren für die Nachkommen in der Regel konstant. Irreguläre Merkmale konnten dann entsprechend auf irreguläre Einflüsse bei der Zeugung oder der Entwicklung des Individuums zurückgeführt werden. Erst mit dem zunehmenden internationalen Verkehr und zum Beispiel der Anlage von exotischen Gärten wurde ein Wahrnehmungsraum dafür geschaffen, dass es vom Individuum und seinem jeweiligen Ort ablösbare, natürliche Gesetze geben müsse, die sowohl die Weitergabe von regulären als auch zuweilen eine Weitergabe von neu erworbenen Eigenschaften regeln.<ref>[[Hans-Jörg Rheinberger]], Staffan Müller-Wille: ''Vererbung. Geschichte und Kultur eines biologischen Konzepts.'' Frankfurt am Main 2009</ref>
des physischen Planes; dann kämen sieben Unterabteilungen
des Astralplanes. Von diesen fallen die drei untersten mit den
drei obersten des physischen Planes zusammen. Wir müssen den
Astralplan mit dem physischen Plan so zusammengeschoben betrachten,
daß die drei obersten Partien des physischen Planes zugleich
die drei untersten Partien des Astralplanes sind. Wir können
von einer Randzone sprechen, das ist die, welche unsere Seelen nach
dem Tode nicht verlassen können, wenn sie durch Begierden noch
an die Erde gefesselt sind. Man nennt sie Kamaloka.|101|223}}


{{GZ|Das andere ist das, was man nennen kann unmittelbarer Verkehr
[[Datei:Preformation.GIF|miniatur|Präformistische Darstellung des [[Spermium]]s von [[Nicolas Hartsoeker]], 1695]]
mit den Wesen der geistigen Welt, konkreter unmittelbarer Verkehr,
Der Begriff der [[Fortpflanzung]] oder [[Reproduktion]], in dessen Kontext von Vererbung im biologischen Sinn gesprochen werden kann, kam erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf.<ref>[[François Jacob]]: ''Die Logik des Lebenden – Von der [[Urzeugung]] zum genetischen Code.'' Frankfurt am Main 1972, S. 27 f.</ref> In früheren Jahrhunderten galt die „Zeugung“ eines Lebewesens als ein [[Schöpfung]]sakt, der grundsätzlich eines göttlichen Eingriffs bedurfte und im Rahmen des Präformismus vielfach als Teilaspekt der Erschaffung der Welt betrachtet wurde. Dabei unterschied man die Zeugung durch den Samen (Sperma) im Mutterleib von der [[Spontanzeugung|Urzeugung]], durch welche niedere Tiere (etwa Würmer, Insekten, Schlangen und Mäuse) aus toter Materie hervorzugehen schienen.<ref>Jacob, S. 32 f.</ref> Die „Samenzeugung“ betrachtete man als Eigenheit des Menschen und der höheren Tiere, welche zu ihrer Ausbildung eines Mutterleibs bedürfen. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts setzte sich, vor allem aufgrund der Experimente [[Francesco Redi]]s, die Einsicht durch, dass Würmer, Insekten und andere niedere Tiere nicht aus toter Materie entstehen, sondern von gleichartigen Tieren gezeugt werden. Nun betrachtete man die Zeugung nicht mehr als Schöpfungsakt, sondern verlegte diesen in die Zeit der Erschaffung der Welt, bei der, wie man annahm, alle zukünftigen Generationen von Lebewesen zugleich ineinandergeschachtelt erschaffen wurden. Die Zeugung war somit nur noch eine Aktivierung des längst vorhandenen Keims, der sich dann zu einem voll ausgebildeten Organismus entfaltete. Strittig war dabei, ob die Keime durch das weibliche oder durch das männliche Geschlecht weitergegeben werden, ob sie also im Ei oder im „Samentierchen“ eingeschachtelt sind. Beide Ansichten hatten ihre Anhänger (Ovisten und Animalkulisten), bis die Entdeckung der [[Parthenogenese|Jungfernzeugung]] bei der [[Blattläuse|Blattlaus]] durch [[Charles Bonnet]] 1740 den Streit zugunsten der Ovisten entschied.<ref>Jacob, S. 72</ref>
aus dem wir heute herausgreifen wollen den Verkehr, den
man haben kann von hier aus zu den sogenannten Toten hinüber.
Das ist etwas, was durchaus möglich ist, was aber eben größere
Schwierigkeiten bietet als das zuerst Charakterisierte. Das Erstcharakterisierte
ist etwas, was leicht zu erringen ist; das andere, wirklich
mit einzelnen Toten zu verkehren, das ist zwar durchaus möglich,
es ist aber schwierig zu erringen, weil es Achtsamkeit erfordert von
dem, der diesen Verkehr sucht. Es ist notwendig zu diesem besonderen
Verkehr, daß der Mensch sich wirklich in eine gewisse Zucht
nehmen kann. Denn es gibt ein sehr bedeutsames Gesetz für den
Verkehr mit der geistigen Welt. Das kann man so aussprechen, daß
man sagt: Dasjenige, was gerade für den Menschen hier mehr niedrige
Triebe sind, das ist von der anderen Seite, von der geistigen Seite
angesehen, höheres Leben, und es kann daher sehr leicht sein, wenn
der Mensch sich nicht ordentlich in der Zucht hat, daß er durch den
unmittelbaren Verkehr mit den sogenannten Toten niedere Triebe
erregt fühlt. Wenn wir nur mit der geistigen Welt im allgemeinen
zusammenkommen, wenn wir uns Erkenntnisse verschaffen über
unsere eigene Unsterblichkeit und es da zu tun haben mit dem
Seelisch-Geistigen, da kann nicht die Rede davon sein, daß da irgendwie
etwas Unlauteres hineinkommen kann. Wenn wir es aber
zu tun haben mit einzelnen konkreten Toten, dann ist immer eine
Beziehung des einzelnen Toten - so sonderbar es klingt - zu unserem
Blut- und Nervensystem. In die Triebe, die im Blut- und Nervensystem
sich ausleben, lebt sich der Tote hinein; das kann niedere
Triebe anregen. Gefahrvoll kann es natürlich nur für den sein, der
nicht seine Natur durch Zucht geläutert hat. Das muß einmal betont
werden, denn das ist der Grund, warum das Alte Testament geradezu
den Menschen verbietet, mit den Toten zu verkehren; nicht
weil es sündhaft wäre, wenn es in der richtigen Weise geschieht.
Man muß von den Methoden des modernen Spiritismus natürlich
absehen. Wenn es geistig geschieht, ist es nicht sündhaft, aber wenn
der Mensch nicht diesen Verkehr mit reinen, durchseelten Gedanken
pflegt, führt es sehr leicht dazu, daß der Mensch, wie gesagt, niedere
Leidenschaften aufstacheln kann. Nicht die Toten stacheln sie
auf, aber das Element, in dem die Toten leben. Bedenken Sie:
Was wir hier als tierisch empfinden, ist das Grundelement, in dem
die Toten leben. Das Reich, in dem die Toten leben, das kann
sehr leicht, indem es in uns hereinschlägt, umschlagen; es kann in
uns niedrig werden, was dort eigentlich ein Höheres ist. Das ist
sehr wichtig, daß wir das ins Auge fassen. Das kann man durchaus
sagen, wenn über den Verkehr der sogenannten Lebenden mit
den sogenannten Toten gesprochen wird, weil es eine okkulte
Tatsache ist.|182|42f}}


== Die zwölf Triebe in Tier und Mensch ==
Neben der sehr populären Präformationslehre, die 1625 durch [[Giuseppe degli Aromatari]] (1587–1660) ins Spiel gebracht worden war, gab es im 17. Jahrhundert auch renommierte Anhänger der an Aristoteles anknüpfenden Epigenesislehre, namentlich [[William Harvey]] und [[René Descartes]]. Deren Ansichten galten jedoch als antiquiert und wurden als unwissenschaftlich verworfen, da sie immaterielle Wirkprinzipien voraussetzten, während der Präformismus rein mechanistisch gedacht werden konnte und zudem durch die Einführung des Mikroskops einen starken Auftrieb erfuhr.<ref>Jahn et al., S. 218–220 und 231</ref>


[[Frits Julius]] hat [[Phänomenologie|phänomenologisch]] zwölf grundlegende Triebe in [[Tier]] und [[Mensch]] unterschieden, die er paarweise gegenüberliegenden [[Tierkreiszeichen]] zuordnet, um ihre einander ergänzende Gegensätzlichkeit deutlich zu machen.
Die Vorstellung der Präformation herrschte bis in das 19. Jahrhundert hinein vor, obwohl es durchaus Forschungsergebnisse gab, die nicht mit ihr in Einklang gebracht werden konnten. Großes Erstaunen riefen die Versuche zur [[Regeneration (Biologie)|Regeneration]] bei [[Salamander]]n, [[Süßwasserpolypen]] und anderen Tieren hervor. Polypen kann man fein zerhacken, und jedes Teilstück entwickelt sich, wie [[Abraham Trembley]] 1744 beschrieb, innerhalb von zwei bis drei Wochen zu einem kompletten Tier. In den Jahren 1744 bis 1754 veröffentlichte [[Pierre-Louis Moreau de Maupertuis]] mehrere Schriften, in denen er aufgrund von Beobachtungen bei Tieren und Menschen, wonach beide Eltern Merkmale an ihre Nachkommen weitergeben können, die Präformationslehre kritisierte und ablehnte. Entsprechende Beobachtungen publizierte auch [[Joseph Gottlieb Kölreuter]] (1761), der als Erster [[Kreuzung (Genetik)|Kreuzungen]] verschiedener Pflanzenarten studierte. Und [[Caspar Friedrich Wolff]] beschrieb 1759 minutiös die Entwicklung des Embryos im Hühnerei aus völlig undifferenzierter Materie. Trotz der Probleme, die derartige Forschungen aufwarfen, geriet die Präformationslehre jedoch erst im frühen 19. Jahrhundert durch die [[Embryologie|embryologischen]] Untersuchungen von [[Christian Heinrich Pander]] (1817) und [[Karl Ernst von Baer]] (1828) ins Wanken, bei denen diese die Bedeutung der [[Keimblatt|Keimblätter]] aufklärten und allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten der [[Embryogenese]] der Tiere aufzeigten.<ref>Jacob, S. 74–79; Jahn et al., S. 232–249</ref>


{|width="95%" align="center"
Mit der Etablierung der von [[Matthias Jacob Schleiden]] (1838), [[Theodor Schwann]] (1839) und [[Rudolf Virchow]] (1858) entwickelten Allgemeinen [[Zelltheorie]] wurde deutlich, dass die Gründe für die Ähnlichkeit von Eltern und Nachkommen in der [[Zelle (Biologie)|Zelle]] lokalisiert sein müssen. Alle Organismen bestehen aus Zellen, Wachstum beruht auf der Vermehrung der Zellen durch [[Zellteilung|Teilung]], und bei der [[Geschlechtliche Fortpflanzung|geschlechtlichen Fortpflanzung]], die bei Vielzellern der Normalfall ist, vereinigen sich je eine [[Gamet|Keimzelle]] beiderlei Geschlechts zu einer [[Zygote]], aus welcher durch fortwährende Teilung und [[Differenzierung (Biologie)|Differenzierung]] der neue Organismus hervorgeht.<ref>Jacob, S. 123–139</ref>
|-
 
|'''Zeichen'''
=== Klassische Genetik ===
|'''Name'''
 
|width="300px" | '''Trieb'''
Die Gesetzmäßigkeiten der Vererbung blieben lange im Unklaren. Schon in den Jahren 1799 bis 1823 führte [[Thomas Andrew Knight]] – wie einige Jahrzehnte später [[Gregor Mendel]] – Kreuzungsexperimente mit Erbsen durch, bei denen er bereits die Erscheinungen der [[Dominanz (Genetik)|Dominanz]] und der Aufspaltung von Merkmalen beobachtete.<ref>Jahn et al., S. 417 und 691</ref> 1863 publizierte [[Charles Naudin]] (1815–1899) die Ergebnisse seiner Kreuzungsexperimente mit zahlreichen Pflanzengattungen, wobei er das sehr gleichartige Aussehen aller Pflanzen der ersten Tochtergeneration und die „extreme Verschiedenartigkeit der Formen“ in den folgenden Generationen konstatierte und damit weitere bedeutende Aspekte der fast zeitgleichen Erkenntnisse Mendels vorwegnahm, aber im Unterschied zu Mendel keine [[Statistik|statistische]] Auswertung durchführte.<ref>Jahn et al., S. 418 f.</ref>
|'''Beschreibung'''<ref>vgl. Julius, S. 53ff.</ref>
 
|-
[[Datei:Gregor Mendel.png|miniatur|[[Gregor Mendel]]]]
|[[Bild:Aries.svg|20px|Widder]]
Der entscheidende Durchbruch gelang dann Mendel mit seinen 1856 begonnenen Kreuzungsversuchen, bei denen er sich auf ''einzelne Merkmale'' konzentrierte und die erhaltenen Daten ''statistisch auswertete''. So konnte er die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten bei der Verteilung von Erbanlagen auf die Nachkommen ermitteln, die heute als [[Mendelsche Regeln]] bezeichnet werden. Diese Entdeckungen, die er 1866 publizierte, blieben jedoch zunächst in der Fachwelt fast unbeachtet und wurden erst im Jahr 1900 von [[Hugo de Vries]], [[Carl Correns]] und [[Erich Tschermak]] wiederentdeckt und aufgrund eigener Versuche bestätigt.
|[[Widder (Tierkreiszeichen)|Widder]]
 
|[[Wachtrieb]]
Einen radikalen Umbruch der Vorstellungen von der Vererbung brachte die Keimbahn- oder [[Keimplasmatheorie]] mit sich, die [[August Weismann]] in den 1880er Jahren entwickelte.<ref>Jacob, S, 232–235</ref> Schon seit dem [[Altertum]] galt es als selbstverständlich, dass Merkmale, welche die Eltern während ihres Lebens erworben haben, auf die Nachkommen übertragen werden können. Nach [[Jean-Baptiste de Lamarck]], in dessen [[Evolutionstheorie]] sie eine bedeutende Rolle spielte, wird diese Ansicht heute als [[Lamarckismus]] bezeichnet. Doch auch [[Charles Darwin]] postulierte in seiner [[Pangenesistheorie]], dass der ganze elterliche Organismus auf die Keimzellen einwirke – unter anderem sogar indirekt durch [[Telegonie (Genetik)|Telegonie]]. Weismann unterschied nun zwischen der [[Keimbahn]], auf der die Keimzellen eines Organismus sich von der Zygote herleiten, und dem Soma als der Gesamtheit aller übrigen Zellen, aus denen keine Keimzellen hervorgehen können und von denen auch keine Einwirkungen auf die Keimbahn ausgehen. Diese Theorie war allerdings anfangs sehr umstritten.<ref>Jahn et al., S. 410–412</ref>
|„Beim Erwachen gibt sich das Tier sofort seinen Sinneswahrnehmungen hin, stellt sich zugleich aber auch seiner Umwelt entgegen und sucht ihr gegenüber einen Zustand der Spannung aufzubauen. Es erhebt sich, verläßt sein Versteck, setzt sich in Bewegung usw. Dahinter steckt wiederum ein scharf umgrenzter Trieb, der Drang zum Wachen, zum Erwachen.
 
|-
[[Datei:Hugo de Vries.jpg|miniatur|links|[[Hugo de Vries]]]]
|[[Bild:Taurus.svg|20px|Stier]]
Mit seinem zweibändigen Werk ''Die Mutationstheorie'' (1901/03) führte de Vries den bis dahin in der [[Paläontologie]] gebräuchlichen Begriff „[[Mutation]]“ in die Vererbungslehre ein. Nach seiner Auffassung handelte es sich bei Mutationen um umfassende, sprunghafte Veränderungen, durch welche eine neue [[Art (Biologie)|Art]] entstehe. Dabei stützte er sich auf seine Studien an [[Nachtkerzen]], bei denen eine „in allen ihren Organen“ stark veränderte Pflanze aufgetreten war, deren Merkmale sich als erbkonstant erwiesen und die er daher als neue Art (''Oenothera gigas'') beschrieb. (Später stellte sich heraus, dass ''„Oe. gigas“'' im Unterschied zu den [[Diploidie|diploiden]] Ausgangspflanzen [[Tetraploidie|tetraploid]] war und somit – aus heutiger Sicht – der Sonderfall einer [[Genommutation]] (Autopolyploidie) vorlag.) Dieser Befund stand im Widerspruch zu der an [[Charles Darwin]] anschließenden [[Evolutionstheorie]], die das Auftreten geringfügiger Veränderungen voraussetzte, und das war einer der Gründe, warum der „[[Mutationismus|Mendelismus]]“ sich zeitweilig im Widerstreit mit dem damals noch nicht allgemein akzeptierten [[Darwinismus]] befand.
|[[Stier (Tierkreiszeichen)|Stier]]
 
|[[Nahrungstrieb]]
In den Jahren um die Jahrhundertwende untersuchten etliche Forscher die unterschiedlichen Formen der [[Chromosom]]en und deren Verhalten bei [[Zellteilung]]en. Aufgrund der Beobachtung, dass gleich aussehende Chromosomen paarweise auftreten, äußerte [[Walter Sutton]] 1902 als erster die Vermutung, dass dies etwas mit den ebenfalls gepaarten Merkmalen und deren „Spaltung“ in den Untersuchungen von Mendel und seinen Wiederentdeckern zu tun haben könne.<ref>Jahn et al., S. 463</ref> Im Anschluss daran formulierte [[Theodor Boveri (Biologe)|Theodor Boveri]] 1904 die [[Chromosomentheorie der Vererbung]], wonach die Erbanlagen an die Chromosomen gebunden sind und deren Verhalten bei der [[Meiose]] und [[Befruchtung]] den Mendelschen Regeln entspricht.<ref>Jahn & al., S. 463 f.</ref>
|„Durch seinen Körperumfang, seine Nahrung sowie durch seine gesamte Konstitution ist es dazu bestimmt, einen großen Teil seines Lebens der Aufnahme und Verarbeitung von Nahrung zu widmen. Das Rind ist überwiegend vom Nahrungstrieb oder Freßtrieb beherrscht.
 
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[[Datei:Sexlinked inheritance white.jpg|miniatur|Vererbung der Augenfarbe bei ''[[Drosophila]]''. Abbildung aus ''The Physical Basis of Heredity'' (1919)]]
|[[Bild:Gemini.svg|20px|Zwillinge]]
Eine sehr folgenreiche Entscheidung war die Wahl von [[Taufliegen]] als Versuchsobjekt durch die Arbeitsgruppe um [[Thomas Hunt Morgan]] im Jahre 1907, vor allem weil diese in großer Zahl auf kleinem Raum gehalten werden können und sich sehr viel schneller vermehren als die bis dahin verwendeten Pflanzen. So stellte sich bald heraus, dass es auch geringfügige Mutationen gibt, auf deren Grundlage allmähliche Veränderungen innerhalb von Populationen möglich sind (Morgan: ''For Darwin'', 1909). Eine weitere wichtige Entdeckung machte Morgans Team etwa 1911, als man die schon 1900 von Correns publizierte Beobachtung, dass manche Merkmale meist zusammen vererbt werden ([[Genkopplung]]), mit Untersuchungen der Chromosomen verband und so zu dem Schluss kam, dass es sich bei den Koppelungsgruppen um Gruppen von Genen handelt, welche auf demselben Chromosom liegen. Wie sich weiter herausstellte, kann es zu einem Austausch von Genen zwischen homologen Chromosomen kommen ([[Crossing-over]]), und aufgrund der relativen Häufigkeiten dieser intrachromosomalen [[Rekombination (Genetik)|Rekombinationen]] konnte man eine lineare Anordnung der Gene auf einem Chromosom ableiten ([[Genkarte]]). Diese Erkenntnisse fasste Morgan 1921 in ''The Physical Basis of Heredity'' und 1926 programmatisch in ''The Theory of the Gene'' zusammen, worin er die Chromosomentheorie zur Gentheorie weiterentwickelte.
|[[Zwillinge (Tierkreiszeichen)|Zwillinge]]
 
|[[Spieltrieb]]
Diese Theorie war schon während ihrer allmählichen Herausbildung sehr umstritten. Ein zentraler Streitpunkt war die Frage, ob die Erbanlagen sich ausschließlich im [[Zellkern]] oder auch im [[Zytoplasma]] befinden. Vertreter der letzteren Ansicht waren u.&nbsp;a. Boveri, Correns, [[Hans Driesch]], [[Jacques Loeb]] und [[Richard Goldschmidt]]. Sie postulierten, dass im Kern nur relativ geringfügige Erbfaktoren bis hin zu Artmerkmalen lokalisiert seien, während Merkmale höherer systematischer Kategorien ([[Gattung (Biologie)|Gattung]], [[Familie (Biologie)|Familie]] usw.) durch das Plasma vererbt würden. Der entschiedenste Vertreter der Gegenseite war Morgans ehemaliger Mitarbeiter [[Hermann Joseph Muller]], der in ''The Gene as the Basis of Life'' (1929) die im Kern lokalisierten Gene als die Grundlage des Lebens überhaupt bezeichnete und die Bedeutung des Plasmas als sekundär einstufte.
|„Betrachtet man aber, wie das Spielen das Tier ganz und gar gefangennimmt, und berücksichtigt man, daß dabei ein ganz charakteristisches und sonst nirgends zu beobachtendes Verhältnis zur Umwelt zustande kommt, so liegt der Schluß nahe, daß man hier von einem Trieb sprechen muß.
 
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Muller war es auch, der 1927 erstmals von der Erzeugung von Mutationen durch [[Röntgenstrahlung]] berichtete, wodurch die genetische Forschung nicht mehr darauf angewiesen war, auf spontan auftretende Mutationen zu warten. Der von de Vries, Morgan, Muller und Anderen vertretenen Ansicht der Zufälligkeit der Mutationen stand das u.&nbsp;a. von [[Paul Kammerer]] und [[Trofim Denissowitsch Lyssenko]] verfochtene Postulat gegenüber, dass Mutationen „gerichtet“ und qualitativ durch Umwelteinflüsse bestimmt seien.
|[[Bild:Cancer.svg|20px|Krebs]]
 
|[[Krebs (Tierkreiszeichen)|Krebs]]
=== Populationsgenetik ===
|[[Selbsterhaltungstrieb]]
Nach dem allgemeinen Bekanntwerden von Mendels mathematisch exakter Beschreibung des [[Vererbung (Biologie)#Dominant-rezessive Vererbung|dominant-rezessiven Erbgangs]] im Jahr 1900 wurde die Frage diskutiert, ob [[rezessiv]]e Merkmale in natürlichen [[Population (Biologie)|Populationen]] allmählich verschwinden oder auf Dauer erhalten bleiben.<ref>Jahn et al., S. 468 f.</ref> Hierzu fanden der deutsche Arzt [[Wilhelm Weinberg]] und der britische Mathematiker [[Godfrey Harold Hardy]] 1908 fast gleichzeitig eine Formel, die das Gleichgewicht dominanter und rezessiver Merkmale in Populationen beschreibt. Diese Entdeckung wurde jedoch unter Genetikern zunächst kaum beachtet. Erst 1917 führte [[Reginald Punnett]] das von ihm so genannte „Hardy-Gesetz“ in die Populationsforschung ein, was ein wichtiger Beitrag zur Begründung der [[Populationsgenetik]] als eigenständigem Forschungszweig in den 1920er Jahren war. Weinbergs Beitrag wurde sogar erst 1943 von [[Curt Stern]] wiederentdeckt, der die Formel daraufhin in „[[Hardy-Weinberg-Gleichgewicht|Hardy-Weinberg-Gesetz]]“ umbenannte.
|„Eine Maus wird ähnlich wie der Krebs größtenteils vom Drang zur Vorsicht beherrscht und neigt dazu, sich versteckt zu halten.
 
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Die Grundlagen der Populationsgenetik wurden parallel von [[Sewall Wright]], [[Ronald Aylmer Fisher|Ronald A. Fisher]] und [[J. B. S. Haldane]] entwickelt.<ref>Jahn et al., S. 482–484</ref> Sie erkannten, dass Vererbungsvorgänge in der Natur sinnvollerweise auf der Ebene von Populationen zu betrachten sind, und formulierten dafür die theoretischen Grundlagen (Haldane: ''A Mathematical Theory of Natural and Artificial Selection'', 1924–1932; Fisher: ''The Genetical Theory of Natural Selection'', 1930; Wright: ''Evolution in Mendelian Populations'', 1931).
|[[Bild:Leo.svg|20px|Löwe]]
 
|[[Löwe (Tierkreiszeichen)|Löwe]]
=== Die Erbsubstanz ===
|[[Kampftrieb]]
Seit 1889 ([[Richard Altmann]]) war bekannt, dass Chromosomen aus „[[Nukleinsäuren|Nucleinsäure]]“ und basischem Protein bestehen. Über deren Aufbau und Funktion konnte jedoch lange Zeit nur spekuliert werden. 1902 postulierten [[Emil Fischer]] und [[Franz Hofmeister]], dass Proteine [[Polypeptid]]e seien, also lange Ketten von [[Aminosäuren]]. Das war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch sehr spekulativ. Als 1905 die ersten Analysen der Aminosäuren-Zusammensetzung von Proteinen publiziert wurden, erfassten diese lediglich ein Fünftel des untersuchten Proteins, und die Identifikation aller 20 proteinogenen Aminosäuren zog sich bis 1935 hin. Dagegen war bei der Nukleinsäure schon 1903 klar ([[Albrecht Kossel]]), dass sie neben Zucker und Phosphat lediglich fünf verschiedene [[Nukleinbasen]] enthält. Erste Analysen der Basenzusammensetzung durch [[Hermann Steudel]] ergaben 1906, dass die vier hauptsächlich vorhandenen Basen zu annähernd gleichen Anteilen enthalten sind. Daraus schloss Steudel (1907), dass die Nukleinsäure „ein relativ einfach gebauter Körper sei“<ref>H. Steudel, Hoppe-Seyler's Z. Physiol. Chem. 53 (1907), S. 18, zitiert nach [[Peter Karlson]]: ''100 Jahre Biochemie im Spiegel von [[Hoppe-Seyler's Zeitschrift für Physiologische Chemie]]'', dito Bd. 358 (1977), S. 717–752, Zitat S. 747</ref>, dem man keine anspruchsvollen Funktionen beimessen könne. Dies etablierte sich als Lehrmeinung, die bis in die 1930er Jahre gültig blieb, und auf dieser Grundlage betrachtete man nicht die Nukleinsäure(n), sondern die Proteine als „Erbsubstanz“.
|„Als besonders charakteristisch für den Löwen erscheint seine Neigung, große Tiere anzufallen und zu vernichten. Etwas von dieser Neigung finden wir bei den unterschiedlichsten Tieren in Form des Kampftriebes.
 
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Zu der Einsicht, dass es sich gerade umgekehrt verhält und die Nukleinsäure [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] als Erbsubstanz angesehen werden muss, führten die Experimente der Arbeitsgruppe von [[Oswald Avery]] zur [[Transformation (Genetik)|Transformation]] von [[Pneumokokken]] (1944)<ref>[[Oswald Avery|Oswald T. Avery]] et al.: ''Studies on the chemical nature of the substance inducing transformation of pneumococcal types. Inductions of transformation by a desoxyribonucleic acid fraction isolated from pneumococcus type III.'' In: ''J Exp Med.'' Band 79, Nr. 2, 1944, S. 137–158.</ref> und das [[Hershey-Chase-Experiment]] von 1952 mit [[Bakteriophage]]n. Außerdem zeigte [[Erwin Chargaff]] 1950, dass die vier [[Nukleotide]], aus denen die DNA besteht, nicht zu gleichen, sondern zu ''paarweise'' gleichen Anteilen enthalten sind. Zusammen mit [[Kristallstrukturanalyse|Röntgenstrukturanalyse]]-Daten von [[Rosalind Franklin]] war das die Grundlage für die Entwicklung des [[Doppelhelix]]-Strukturmodells der DNA durch [[James Watson]] und [[Francis Crick]] 1953.
|[[Bild:Virgo.svg|20px|Jungfrau]]
|[[Jungfrau (Tierkreiszeichen)|Jungfrau]]
|[[Brutpflegetrieb]]
|„Beim entgegengesetzten Zeichen der Jungfrau wird der Umhüllung, auch der des Kindes, allergrößte Sorge entgegengebracht. Hier wird auf etwas hingedeutet, was bei jeder Brutpflege stattfindet: das Zurückhalten der Fortpflanzungsprodukte, ihre Umhüllung und ihr Schutz.
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|[[Bild:Libra.svg|20px|Waage]]
|[[Waage (Tierkreiszeichen)|Waage]]
|[[Schlaftrieb]]
|„Daß es einen Drang zum Schlafen gibt, der uns vollständig beherrschen kann, wissen wir aus eigener Erfahrung nur allzugut, und wir können seine Symptome auch bei den Tieren wiederfinden. Er zeigt deutlich alle Eigenschaften, die ihn als Trieb charakterisieren und äußert sich unter anderem dadurch, daß die Tätigkeit der Sinnesorgane ausgeschaltet wird.
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|[[Bild:Scorpio.svg|20px|Skorpion]]
|[[Skorpion (Tierkreiszeichen)|Skorpion]]
|[[Lauertrieb]], Beschleichen der Beute
|„Bei einem Skorpion spielt die Aufnahme und Verarbeitung seiner Nahrung eine viel geringere Rolle, was sich auch deutlich an seiner Taille ablesen läßt. Um so mehr Mühe muß er sich mit dem Belauern und Beschleichen seiner Beute geben. Für ihn ist der Lauertrieb von größter Bedeutung.“
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|[[Bild:Sagittarius.svg|20px|Schütze]]
|[[Schütze (Tierkreiszeichen)|Schütze]]
|[[Jagdtrieb]]
|„Der Schütze ist ein Wesen mit einem ungewöhnlich stark entwickelten Fortbewegungsapparat und einer Schußwaffe. Er lebt sich also in der schnellen Bewegung aus, die auf ein fliehendes Ziel und seine Tötung ausgerichtet ist. Deutlich ist zu erkennen, daß es sich hier um den Jagdtrieb handelt.
|-
|[[Bild:Capricorn.svg|20px|Steinbock]]
|[[Steinbock (Tierkreiszeichen)|Steinbock]]
|[[Selbstdarstellungstrieb]]
|„Wie ganz anders lebt dagegen ein Mauersegler! Andauernd fliegt er in pfeilschneller Bewegung umher. Selten berührt er die Erde oder ihre Erhebungen, außer in der Zeit des Nestbaus. Nie sucht er irgendwo Schutz. Gefahren entgeht er durch seine alles übertreffende Schnelligkeit und Unermüdlichkeit. Seine Lebensweise macht ihn zu einem der auffallendsten Tiere.“
|-
|[[Bild:Aquarius.svg|20px|Wassermann]]
|[[Wassermann (Tierkreiszeichen)|Wassermann]]
|[[Nährtrieb]], Säugen der Jungen
|„Kann sich ein Löwe auch anders verhalten, kann er sich zurückhalten, einem anderen Wesen helfen und es unterstützen,so wie es dem Menschen angemessen ist? Tatsächlich finden wir ein solches Verhalten bei der Löwin, die ihre Jungen säugt und füttert. Den Nährtrieb dürfen wir also dem gegenüberliegenden Zeichen des Wassermanns zuordnen.“
|-
|[[Bild:Pisces.svg|20px|Fische]]
|[[Fische (Tierkreiszeichen)|Fische]]
|[[Fortpflanzungstrieb]]
|„Unter all den Tierkreiszeichen zeigen die Fische bei der Fortpflanzung die größte Sorglosigkeit. Der Fischlaich wird in großen Mengen rückhaltlos in die Umgebung geschleudert.
|}


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
 
* {{WikipediaDE|Genetik}}
* [[Trieb (Psychologie)]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* François Jacob: ''La logique du vivant: Une histoire de l'hérédité.'' Gallimard, Paris 1971, deutsch: ''Die Logik des Lebenden.'' Fischer, Frankfurt am Main 1972, Neuausgabe 2002
* Wilfried Janning, Elisabeth Knust: ''Genetik.'' 2. Aufl., Thieme, Stuttgart 2008
* William S. Klug, Michael R. Cummings, Charlotte A. Spencer: ''Genetik.'' 8. Aufl., Pearson Studium, München 2007
* Hans-Peter Kröner: ''Genetik.'' In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 468–475
* Katharina Munk (Hrsg.): ''Taschenlehrbuch Biologie: Genetik'', Thieme, Stuttgart 2010
* Hans-Jörg Rheinberger, Staffan Müller-Wille: ''Vererbung – Geschichte und Kultur eines biologischen Konzepts'', Fischer, Frankfurt am Main 2009


*[[Frits Julius]]: ''Die zwölf Triebe in Tier und Mensch: Eine kosmisch orientierte Triebpsychologie'', Urachhaus Verlag, Stuttgart 1996, ISBN 978-3825170769
== Weblinks ==
*[[Rudolf Steiner]]: ''Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik'', [[GA 293]] (1992), Vierter Vortrag, Stuttgart, 25. August 1919
* [http://www.schule-bw.de/unterricht/faecher/biologie/dna/ Deutsche Fassung von "DNA from the Beginning" des Dolan DNA Learning Center]
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/psychologie_triebpsychologie.pdf Zur Triebpsychologie] PDF
* [http://learn.genetics.utah.edu/ Genetic Science Learning Center – University of Utah] (engl.), Gewinner des ''Science Prize for Online Resources in Education''.<ref>Louisa A. Stark, Kevin Pompei: ''Making Genetics Easy to Understand.'' In: ''[[Science]]'', Band 327, Nr. 5965, S. 538–539, {{DOI|10.1126/science.1183029}}</ref>
 
* Michael Stang: [http://www.deutschlandfunk.de/datenschutz-gehackte-gene.740.de.html?dram:article_id=299344 deutschlandfunk.de: ''Gehackte Gene'']. Deutschlandfunk, ''Wissenschaft im Brennpunkt'', 3. Oktober 2014. Zum Datenschutz der „genetischen Privatsphäre“
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== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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Version vom 22. Februar 2018, 06:29 Uhr

Die Rekombination der elterlichen Gene führt zu unterschiedlichen Phänotypen innerhalb eines Wurfes.

Die Genetik (moderne Wortschöpfung zu griechisch γενεά geneá ‚Abstammung‘, γένεσις génesis ‚Ursprung‘)[1][2] oder Vererbungslehre ist die Wissenschaft von der Vererbung und ein Teilgebiet der Biologie. Sie befasst sich mit den Gesetzmäßigkeiten und materiellen Grundlagen der Ausbildung von erblichen Merkmalen und der Weitergabe von Erbanlagen (Genen) an die nächste Generation.

Das Wissen, dass individuelle Merkmale über mehrere Generationen hinweg weitergegeben werden, ist relativ jung; Vorstellungen von solchen natürlichen Vererbungsprozessen prägten sich erst im 18. und frühen 19. Jahrhundert aus. Als Begründer der Genetik (zunächst als einen quantifizierbaren Zusammenhang zwischen den Generationen herstellende Transmissionsgenetik) gilt der Augustinermönch und Hilfslehrer Gregor Mendel, der in den Jahren 1856 bis 1865 im Garten seines Klosters systematisch Kreuzungsexperimente mit Erbsen durchführte und diese statistisch auswertete. So entdeckte er die später nach ihm benannten Mendelschen Regeln, die in der Wissenschaft allerdings erst im Jahr 1900 rezipiert und bestätigt wurden. Der heute weitaus bedeutendste Teilbereich der Genetik ist die Molekulargenetik, die sich mit den molekularen Grundlagen der Vererbung befasst. Aus ihr ging die Gentechnik hervor, in der die Erkenntnisse der Molekulargenetik praktisch angewendet werden.

Etymologie

Das Adjektiv „genetisch“ wurde schon um 1800 von Johann Wolfgang von Goethe in dessen Arbeiten zur Morphologie der Pflanzen und in der Folgezeit häufig in der romantischen Naturphilosophie sowie in der deskriptiven Embryologie verwendet.[3] Anders als heute meinte man damit eine „Methode'“ („genetische Methode“) der Untersuchung und Beschreibung der Individualentwicklung (Ontogenese) von Organismen. Das Substantiv „Genetik“ gebrauchte erstmals William Bateson 1905 zur Bezeichnung der neuen Forschungsdisziplin.

In Deutschland wurde bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts der Ausdruck „Erbbiologie“ bedeutungsgleich gebraucht, zumeist zur Unterscheidung der „Erbbiologie des Menschen“ (Humangenetik) von der allgemeinen Genetik. Die Bezeichnung „Humangenetik“ war dabei in Deutschland bereits um 1940 etabliert. Damit wurde ein Rückzug auf wissenschaftlich gebotene Grundlagenforschung angezeigt, während „Rassenhygiene“ angewandte Wissenschaft darstellte.[4] Nach 1945 verschwanden die Bezeichnungen „Erbbiologie“ sowie „Rassenhygiene“ allmählich aus dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch.

Teilbereiche

Weitergabe phänotypischer Merkmale: Vater und Sohn mit Haarwirbel und Otapostasis

Geschichte

Übersicht

Vorgeschichte

Schon in der Antike versuchten Menschen die Gesetzmäßigkeiten der Zeugung und die Ähnlichkeiten zwischen Verwandten zu erklären, und einige der im antiken Griechenland entwickelten Konzepte blieben bis in die Neuzeit gültig oder wurden in der Neuzeit wieder aufgegriffen.[5][6] So lehrte der griechische Philosoph Alkmaion um 500 v. Chr., dass die Zeugung der Nachkommen durch die Zusammenwirkung des männlichen und des weiblichen „Samens“ geschehe. Sein Postulat eines weiblichen Samens fand in der damaligen Naturphilosophie und später auch in der hippokratischen Medizin allgemeine Anerkennung. Davon abweichend behaupteten Hippon und Anaxagoras, dass nur der Mann zeugungsfähigen Samen bilde und dass der weibliche Organismus den Keim nur ernähre. Die Bildung des Samens erfolgte laut Alkmaion im Gehirn, von wo aus er durch die Adern in den Hoden gelange. Demgegenüber erklärten Anaxagoras und Demokrit, dass der gesamte Organismus zur Bildung des Samens beitrage, – eine Ansicht, die als Pangenesistheorie über 2000 Jahre später von Charles Darwin erneut vertreten wurde. Auch die Überlegungen des Anaxagoras, wonach alle Körperteile des Kindes bereits im Samen (Sperma) vorgebildet seien, traten als Präformationslehre in der Neuzeit wieder auf. In der Antike wurden diese frühen Lehren weitgehend abgelöst durch die Ansichten des Aristoteles (De generatione animalium), wonach das Sperma aus dem Blut entsteht und bei der Zeugung nur immateriell wirkt, indem es Form und Bewegung auf die durch den weiblichen Organismus bereitgestellte flüssige Materie überträgt.[7] Die Entwicklung des Keims beschrieb Aristoteles als Epigenese, wonach im Gegensatz zur Präformation die verschiedenen Organe nacheinander durch die Einwirkung des väterlichen Formprinzips ausgebildet werden. Neben der geschlechtlichen Zeugung kannte Aristoteles auch die Parthenogenese (Jungfernzeugung) sowie die (vermeintliche) Urzeugung von Insekten aus faulenden Stoffen.

Der Aristoteles-Schüler Theophrastus postulierte eine transmutatio frumentorum und nahm an, dass sich Getreidearten zu ihrer Wildform zurückverwandeln können. Zudem unterschied er männliche und weibliche Pflanzen bei der Dattelpalme.[8]

Vererbung war bis in das 18. Jahrhundert ein juristischer Begriff und fand für natürliche Vorgänge keine Anwendung. Denn Ähnlichkeiten zwischen Verwandten wurden ausreichend über jeweils spezifische lokale Faktoren und die Lebensweise des Individuums erklärt: über das Klima, die Ernährung, die Art der Betätigungen usw. Wie gewisse Merkmale unter Nachkommen blieben auch diese Faktoren für die Nachkommen in der Regel konstant. Irreguläre Merkmale konnten dann entsprechend auf irreguläre Einflüsse bei der Zeugung oder der Entwicklung des Individuums zurückgeführt werden. Erst mit dem zunehmenden internationalen Verkehr und zum Beispiel der Anlage von exotischen Gärten wurde ein Wahrnehmungsraum dafür geschaffen, dass es vom Individuum und seinem jeweiligen Ort ablösbare, natürliche Gesetze geben müsse, die sowohl die Weitergabe von regulären als auch zuweilen eine Weitergabe von neu erworbenen Eigenschaften regeln.[9]

Präformistische Darstellung des Spermiums von Nicolas Hartsoeker, 1695

Der Begriff der Fortpflanzung oder Reproduktion, in dessen Kontext von Vererbung im biologischen Sinn gesprochen werden kann, kam erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf.[10] In früheren Jahrhunderten galt die „Zeugung“ eines Lebewesens als ein Schöpfungsakt, der grundsätzlich eines göttlichen Eingriffs bedurfte und im Rahmen des Präformismus vielfach als Teilaspekt der Erschaffung der Welt betrachtet wurde. Dabei unterschied man die Zeugung durch den Samen (Sperma) im Mutterleib von der Urzeugung, durch welche niedere Tiere (etwa Würmer, Insekten, Schlangen und Mäuse) aus toter Materie hervorzugehen schienen.[11] Die „Samenzeugung“ betrachtete man als Eigenheit des Menschen und der höheren Tiere, welche zu ihrer Ausbildung eines Mutterleibs bedürfen. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts setzte sich, vor allem aufgrund der Experimente Francesco Redis, die Einsicht durch, dass Würmer, Insekten und andere niedere Tiere nicht aus toter Materie entstehen, sondern von gleichartigen Tieren gezeugt werden. Nun betrachtete man die Zeugung nicht mehr als Schöpfungsakt, sondern verlegte diesen in die Zeit der Erschaffung der Welt, bei der, wie man annahm, alle zukünftigen Generationen von Lebewesen zugleich ineinandergeschachtelt erschaffen wurden. Die Zeugung war somit nur noch eine Aktivierung des längst vorhandenen Keims, der sich dann zu einem voll ausgebildeten Organismus entfaltete. Strittig war dabei, ob die Keime durch das weibliche oder durch das männliche Geschlecht weitergegeben werden, ob sie also im Ei oder im „Samentierchen“ eingeschachtelt sind. Beide Ansichten hatten ihre Anhänger (Ovisten und Animalkulisten), bis die Entdeckung der Jungfernzeugung bei der Blattlaus durch Charles Bonnet 1740 den Streit zugunsten der Ovisten entschied.[12]

Neben der sehr populären Präformationslehre, die 1625 durch Giuseppe degli Aromatari (1587–1660) ins Spiel gebracht worden war, gab es im 17. Jahrhundert auch renommierte Anhänger der an Aristoteles anknüpfenden Epigenesislehre, namentlich William Harvey und René Descartes. Deren Ansichten galten jedoch als antiquiert und wurden als unwissenschaftlich verworfen, da sie immaterielle Wirkprinzipien voraussetzten, während der Präformismus rein mechanistisch gedacht werden konnte und zudem durch die Einführung des Mikroskops einen starken Auftrieb erfuhr.[13]

Die Vorstellung der Präformation herrschte bis in das 19. Jahrhundert hinein vor, obwohl es durchaus Forschungsergebnisse gab, die nicht mit ihr in Einklang gebracht werden konnten. Großes Erstaunen riefen die Versuche zur Regeneration bei Salamandern, Süßwasserpolypen und anderen Tieren hervor. Polypen kann man fein zerhacken, und jedes Teilstück entwickelt sich, wie Abraham Trembley 1744 beschrieb, innerhalb von zwei bis drei Wochen zu einem kompletten Tier. In den Jahren 1744 bis 1754 veröffentlichte Pierre-Louis Moreau de Maupertuis mehrere Schriften, in denen er aufgrund von Beobachtungen bei Tieren und Menschen, wonach beide Eltern Merkmale an ihre Nachkommen weitergeben können, die Präformationslehre kritisierte und ablehnte. Entsprechende Beobachtungen publizierte auch Joseph Gottlieb Kölreuter (1761), der als Erster Kreuzungen verschiedener Pflanzenarten studierte. Und Caspar Friedrich Wolff beschrieb 1759 minutiös die Entwicklung des Embryos im Hühnerei aus völlig undifferenzierter Materie. Trotz der Probleme, die derartige Forschungen aufwarfen, geriet die Präformationslehre jedoch erst im frühen 19. Jahrhundert durch die embryologischen Untersuchungen von Christian Heinrich Pander (1817) und Karl Ernst von Baer (1828) ins Wanken, bei denen diese die Bedeutung der Keimblätter aufklärten und allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten der Embryogenese der Tiere aufzeigten.[14]

Mit der Etablierung der von Matthias Jacob Schleiden (1838), Theodor Schwann (1839) und Rudolf Virchow (1858) entwickelten Allgemeinen Zelltheorie wurde deutlich, dass die Gründe für die Ähnlichkeit von Eltern und Nachkommen in der Zelle lokalisiert sein müssen. Alle Organismen bestehen aus Zellen, Wachstum beruht auf der Vermehrung der Zellen durch Teilung, und bei der geschlechtlichen Fortpflanzung, die bei Vielzellern der Normalfall ist, vereinigen sich je eine Keimzelle beiderlei Geschlechts zu einer Zygote, aus welcher durch fortwährende Teilung und Differenzierung der neue Organismus hervorgeht.[15]

Klassische Genetik

Die Gesetzmäßigkeiten der Vererbung blieben lange im Unklaren. Schon in den Jahren 1799 bis 1823 führte Thomas Andrew Knight – wie einige Jahrzehnte später Gregor Mendel – Kreuzungsexperimente mit Erbsen durch, bei denen er bereits die Erscheinungen der Dominanz und der Aufspaltung von Merkmalen beobachtete.[16] 1863 publizierte Charles Naudin (1815–1899) die Ergebnisse seiner Kreuzungsexperimente mit zahlreichen Pflanzengattungen, wobei er das sehr gleichartige Aussehen aller Pflanzen der ersten Tochtergeneration und die „extreme Verschiedenartigkeit der Formen“ in den folgenden Generationen konstatierte und damit weitere bedeutende Aspekte der fast zeitgleichen Erkenntnisse Mendels vorwegnahm, aber im Unterschied zu Mendel keine statistische Auswertung durchführte.[17]

Gregor Mendel

Der entscheidende Durchbruch gelang dann Mendel mit seinen 1856 begonnenen Kreuzungsversuchen, bei denen er sich auf einzelne Merkmale konzentrierte und die erhaltenen Daten statistisch auswertete. So konnte er die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten bei der Verteilung von Erbanlagen auf die Nachkommen ermitteln, die heute als Mendelsche Regeln bezeichnet werden. Diese Entdeckungen, die er 1866 publizierte, blieben jedoch zunächst in der Fachwelt fast unbeachtet und wurden erst im Jahr 1900 von Hugo de Vries, Carl Correns und Erich Tschermak wiederentdeckt und aufgrund eigener Versuche bestätigt.

Einen radikalen Umbruch der Vorstellungen von der Vererbung brachte die Keimbahn- oder Keimplasmatheorie mit sich, die August Weismann in den 1880er Jahren entwickelte.[18] Schon seit dem Altertum galt es als selbstverständlich, dass Merkmale, welche die Eltern während ihres Lebens erworben haben, auf die Nachkommen übertragen werden können. Nach Jean-Baptiste de Lamarck, in dessen Evolutionstheorie sie eine bedeutende Rolle spielte, wird diese Ansicht heute als Lamarckismus bezeichnet. Doch auch Charles Darwin postulierte in seiner Pangenesistheorie, dass der ganze elterliche Organismus auf die Keimzellen einwirke – unter anderem sogar indirekt durch Telegonie. Weismann unterschied nun zwischen der Keimbahn, auf der die Keimzellen eines Organismus sich von der Zygote herleiten, und dem Soma als der Gesamtheit aller übrigen Zellen, aus denen keine Keimzellen hervorgehen können und von denen auch keine Einwirkungen auf die Keimbahn ausgehen. Diese Theorie war allerdings anfangs sehr umstritten.[19]

Hugo de Vries

Mit seinem zweibändigen Werk Die Mutationstheorie (1901/03) führte de Vries den bis dahin in der Paläontologie gebräuchlichen Begriff „Mutation“ in die Vererbungslehre ein. Nach seiner Auffassung handelte es sich bei Mutationen um umfassende, sprunghafte Veränderungen, durch welche eine neue Art entstehe. Dabei stützte er sich auf seine Studien an Nachtkerzen, bei denen eine „in allen ihren Organen“ stark veränderte Pflanze aufgetreten war, deren Merkmale sich als erbkonstant erwiesen und die er daher als neue Art (Oenothera gigas) beschrieb. (Später stellte sich heraus, dass „Oe. gigas“ im Unterschied zu den diploiden Ausgangspflanzen tetraploid war und somit – aus heutiger Sicht – der Sonderfall einer Genommutation (Autopolyploidie) vorlag.) Dieser Befund stand im Widerspruch zu der an Charles Darwin anschließenden Evolutionstheorie, die das Auftreten geringfügiger Veränderungen voraussetzte, und das war einer der Gründe, warum der „Mendelismus“ sich zeitweilig im Widerstreit mit dem damals noch nicht allgemein akzeptierten Darwinismus befand.

In den Jahren um die Jahrhundertwende untersuchten etliche Forscher die unterschiedlichen Formen der Chromosomen und deren Verhalten bei Zellteilungen. Aufgrund der Beobachtung, dass gleich aussehende Chromosomen paarweise auftreten, äußerte Walter Sutton 1902 als erster die Vermutung, dass dies etwas mit den ebenfalls gepaarten Merkmalen und deren „Spaltung“ in den Untersuchungen von Mendel und seinen Wiederentdeckern zu tun haben könne.[20] Im Anschluss daran formulierte Theodor Boveri 1904 die Chromosomentheorie der Vererbung, wonach die Erbanlagen an die Chromosomen gebunden sind und deren Verhalten bei der Meiose und Befruchtung den Mendelschen Regeln entspricht.[21]

Vererbung der Augenfarbe bei Drosophila. Abbildung aus The Physical Basis of Heredity (1919)

Eine sehr folgenreiche Entscheidung war die Wahl von Taufliegen als Versuchsobjekt durch die Arbeitsgruppe um Thomas Hunt Morgan im Jahre 1907, vor allem weil diese in großer Zahl auf kleinem Raum gehalten werden können und sich sehr viel schneller vermehren als die bis dahin verwendeten Pflanzen. So stellte sich bald heraus, dass es auch geringfügige Mutationen gibt, auf deren Grundlage allmähliche Veränderungen innerhalb von Populationen möglich sind (Morgan: For Darwin, 1909). Eine weitere wichtige Entdeckung machte Morgans Team etwa 1911, als man die schon 1900 von Correns publizierte Beobachtung, dass manche Merkmale meist zusammen vererbt werden (Genkopplung), mit Untersuchungen der Chromosomen verband und so zu dem Schluss kam, dass es sich bei den Koppelungsgruppen um Gruppen von Genen handelt, welche auf demselben Chromosom liegen. Wie sich weiter herausstellte, kann es zu einem Austausch von Genen zwischen homologen Chromosomen kommen (Crossing-over), und aufgrund der relativen Häufigkeiten dieser intrachromosomalen Rekombinationen konnte man eine lineare Anordnung der Gene auf einem Chromosom ableiten (Genkarte). Diese Erkenntnisse fasste Morgan 1921 in The Physical Basis of Heredity und 1926 programmatisch in The Theory of the Gene zusammen, worin er die Chromosomentheorie zur Gentheorie weiterentwickelte.

Diese Theorie war schon während ihrer allmählichen Herausbildung sehr umstritten. Ein zentraler Streitpunkt war die Frage, ob die Erbanlagen sich ausschließlich im Zellkern oder auch im Zytoplasma befinden. Vertreter der letzteren Ansicht waren u. a. Boveri, Correns, Hans Driesch, Jacques Loeb und Richard Goldschmidt. Sie postulierten, dass im Kern nur relativ geringfügige Erbfaktoren bis hin zu Artmerkmalen lokalisiert seien, während Merkmale höherer systematischer Kategorien (Gattung, Familie usw.) durch das Plasma vererbt würden. Der entschiedenste Vertreter der Gegenseite war Morgans ehemaliger Mitarbeiter Hermann Joseph Muller, der in The Gene as the Basis of Life (1929) die im Kern lokalisierten Gene als die Grundlage des Lebens überhaupt bezeichnete und die Bedeutung des Plasmas als sekundär einstufte.

Muller war es auch, der 1927 erstmals von der Erzeugung von Mutationen durch Röntgenstrahlung berichtete, wodurch die genetische Forschung nicht mehr darauf angewiesen war, auf spontan auftretende Mutationen zu warten. Der von de Vries, Morgan, Muller und Anderen vertretenen Ansicht der Zufälligkeit der Mutationen stand das u. a. von Paul Kammerer und Trofim Denissowitsch Lyssenko verfochtene Postulat gegenüber, dass Mutationen „gerichtet“ und qualitativ durch Umwelteinflüsse bestimmt seien.

Populationsgenetik

Nach dem allgemeinen Bekanntwerden von Mendels mathematisch exakter Beschreibung des dominant-rezessiven Erbgangs im Jahr 1900 wurde die Frage diskutiert, ob rezessive Merkmale in natürlichen Populationen allmählich verschwinden oder auf Dauer erhalten bleiben.[22] Hierzu fanden der deutsche Arzt Wilhelm Weinberg und der britische Mathematiker Godfrey Harold Hardy 1908 fast gleichzeitig eine Formel, die das Gleichgewicht dominanter und rezessiver Merkmale in Populationen beschreibt. Diese Entdeckung wurde jedoch unter Genetikern zunächst kaum beachtet. Erst 1917 führte Reginald Punnett das von ihm so genannte „Hardy-Gesetz“ in die Populationsforschung ein, was ein wichtiger Beitrag zur Begründung der Populationsgenetik als eigenständigem Forschungszweig in den 1920er Jahren war. Weinbergs Beitrag wurde sogar erst 1943 von Curt Stern wiederentdeckt, der die Formel daraufhin in „Hardy-Weinberg-Gesetz“ umbenannte.

Die Grundlagen der Populationsgenetik wurden parallel von Sewall Wright, Ronald A. Fisher und J. B. S. Haldane entwickelt.[23] Sie erkannten, dass Vererbungsvorgänge in der Natur sinnvollerweise auf der Ebene von Populationen zu betrachten sind, und formulierten dafür die theoretischen Grundlagen (Haldane: A Mathematical Theory of Natural and Artificial Selection, 1924–1932; Fisher: The Genetical Theory of Natural Selection, 1930; Wright: Evolution in Mendelian Populations, 1931).

Die Erbsubstanz

Seit 1889 (Richard Altmann) war bekannt, dass Chromosomen aus „Nucleinsäure“ und basischem Protein bestehen. Über deren Aufbau und Funktion konnte jedoch lange Zeit nur spekuliert werden. 1902 postulierten Emil Fischer und Franz Hofmeister, dass Proteine Polypeptide seien, also lange Ketten von Aminosäuren. Das war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch sehr spekulativ. Als 1905 die ersten Analysen der Aminosäuren-Zusammensetzung von Proteinen publiziert wurden, erfassten diese lediglich ein Fünftel des untersuchten Proteins, und die Identifikation aller 20 proteinogenen Aminosäuren zog sich bis 1935 hin. Dagegen war bei der Nukleinsäure schon 1903 klar (Albrecht Kossel), dass sie neben Zucker und Phosphat lediglich fünf verschiedene Nukleinbasen enthält. Erste Analysen der Basenzusammensetzung durch Hermann Steudel ergaben 1906, dass die vier hauptsächlich vorhandenen Basen zu annähernd gleichen Anteilen enthalten sind. Daraus schloss Steudel (1907), dass die Nukleinsäure „ein relativ einfach gebauter Körper sei“[24], dem man keine anspruchsvollen Funktionen beimessen könne. Dies etablierte sich als Lehrmeinung, die bis in die 1930er Jahre gültig blieb, und auf dieser Grundlage betrachtete man nicht die Nukleinsäure(n), sondern die Proteine als „Erbsubstanz“.

Zu der Einsicht, dass es sich gerade umgekehrt verhält und die Nukleinsäure DNA als Erbsubstanz angesehen werden muss, führten die Experimente der Arbeitsgruppe von Oswald Avery zur Transformation von Pneumokokken (1944)[25] und das Hershey-Chase-Experiment von 1952 mit Bakteriophagen. Außerdem zeigte Erwin Chargaff 1950, dass die vier Nukleotide, aus denen die DNA besteht, nicht zu gleichen, sondern zu paarweise gleichen Anteilen enthalten sind. Zusammen mit Röntgenstrukturanalyse-Daten von Rosalind Franklin war das die Grundlage für die Entwicklung des Doppelhelix-Strukturmodells der DNA durch James Watson und Francis Crick 1953.

Siehe auch

Literatur

  • François Jacob: La logique du vivant: Une histoire de l'hérédité. Gallimard, Paris 1971, deutsch: Die Logik des Lebenden. Fischer, Frankfurt am Main 1972, Neuausgabe 2002
  • Wilfried Janning, Elisabeth Knust: Genetik. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart 2008
  • William S. Klug, Michael R. Cummings, Charlotte A. Spencer: Genetik. 8. Aufl., Pearson Studium, München 2007
  • Hans-Peter Kröner: Genetik. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 468–475
  • Katharina Munk (Hrsg.): Taschenlehrbuch Biologie: Genetik, Thieme, Stuttgart 2010
  • Hans-Jörg Rheinberger, Staffan Müller-Wille: Vererbung – Geschichte und Kultur eines biologischen Konzepts, Fischer, Frankfurt am Main 2009

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. genetikós in: Henry George Liddell, Robert Scott, A Greek-English Lexicon, at Perseus
  2. Vgl. génesis in: Henry George Liddell, Robert Scott, A Greek-English Lexicon, at Perseus
  3. Ilse Jahn, Rolf Löther, Konrad Senglaub (Hrsg.): Geschichte der Biologie, 2. Aufl., VEB Gustav Fischer Verlag, Jena 1985, S. 284 und 413
  4. Peter Weingart, Jürgen Kroll, Kurt Bayertz: Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992, S. 557 f.
  5. Jahn et al., S. 56–59
  6. Erna Lesky: Die Zeugungs- und Vererbungslehren der Antike und ihr Nachwirken. Wiesbaden 1951 (= Akademie der Wissenschaften und der Literatur [zu Mainz]: Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse [1950], 19, S. 1–201).
  7. Jahn et al., S. 68–71
  8. Hans-Peter Kröner: Genetik. 2005, S. 468.
  9. Hans-Jörg Rheinberger, Staffan Müller-Wille: Vererbung. Geschichte und Kultur eines biologischen Konzepts. Frankfurt am Main 2009
  10. François Jacob: Die Logik des Lebenden – Von der Urzeugung zum genetischen Code. Frankfurt am Main 1972, S. 27 f.
  11. Jacob, S. 32 f.
  12. Jacob, S. 72
  13. Jahn et al., S. 218–220 und 231
  14. Jacob, S. 74–79; Jahn et al., S. 232–249
  15. Jacob, S. 123–139
  16. Jahn et al., S. 417 und 691
  17. Jahn et al., S. 418 f.
  18. Jacob, S, 232–235
  19. Jahn et al., S. 410–412
  20. Jahn et al., S. 463
  21. Jahn & al., S. 463 f.
  22. Jahn et al., S. 468 f.
  23. Jahn et al., S. 482–484
  24. H. Steudel, Hoppe-Seyler's Z. Physiol. Chem. 53 (1907), S. 18, zitiert nach Peter Karlson: 100 Jahre Biochemie im Spiegel von Hoppe-Seyler's Zeitschrift für Physiologische Chemie, dito Bd. 358 (1977), S. 717–752, Zitat S. 747
  25. Oswald T. Avery et al.: Studies on the chemical nature of the substance inducing transformation of pneumococcal types. Inductions of transformation by a desoxyribonucleic acid fraction isolated from pneumococcus type III. In: J Exp Med. Band 79, Nr. 2, 1944, S. 137–158.
  26. Louisa A. Stark, Kevin Pompei: Making Genetics Easy to Understand. In: Science, Band 327, Nr. 5965, S. 538–539, doi:10.1126/science.1183029


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