Weltanschauung

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Zwölf Weltanschauungen und sieben Seelenstimmungen.

Die Weltanschauung bezeichnet die geistige Grundhaltung, von der aus die erlebte Wirklichkeit betrachtet wird. Rudolf Steiner hat zwölf grundlegende Weltanschauungen unterschieden, die in ihrer Totalität für die menschliche Seele ein geistiges Abbild des Tierkreises bilden. Jede Weltanschauung für sich genommen ist eine Einseitigkeit; erst durch die lebendige Ganzheit aller 12 Weltanschauungen lässt sich ein rundum befriedigendes Bild der Welt gewinnen. Jede dieser zwölf Weltanschauungen kann dabei wieder durch 7 Weltanschauungsstimmungen nuanciert werden, die kosmisch dem Planetensystem entsprechen.

Zwölf Weltanschauungen

"Es ist so wesentlich, wenn man überhaupt über das Denken sich eine Vorstellung machen will, daß man sich darüber klar wird, daß die Wahrheit eines Gedankens auf seinem Gebiete noch nichts aussagt über die allgemeine Gültigkeit eines Gedankens. Ein Gedanke kann durchaus auf seinem Gebiete richtig sein; aber nichts wird dadurch ausgemacht über die allgemeine Gültigkeit des Gedankens. Beweist man mir daher dieses oder jenes, und beweist man es mir noch so richtig, unmöglich kann es sein, dieses also Bewiesene auf ein Gebiet anzuwenden, auf das es nicht hingehört. Es ist daher notwendig, daß sich der, welcher sich ernsthaft mit den Wegen beschäftigen will, die zu einer Weltanschauung führen, vor allen Dingen damit bekannt macht, daß Einseitigkeit der größte Feind aller Weltanschauungen ist und daß es vor allen Dingen nötig ist, die Einseitigkeit zu meiden. Einseitigkeit müssen wir meiden." (Lit.: GA 151, S. 33)

Folgende Weltanschauungen nennt Rudolf Steiner:

Materialismus Krebs
Sensualismus Löwe
Phänomenalismus Jungfrau
Realismus Waage
Dynamismus Skorpion
Monadismus Schütze
Spiritualismus Steinbock
Pneumatismus Wassermann
Psychismus Fische
Idealismus Widder
Rationalismus Stier
Mathematismus Zwillinge

"Ich habe gestern diejenigen Weltanschauungsnuancen darzustellen versucht, welche dem Menschen möglich sind, so möglich, daß für jede dieser Weltanschauungsnuancen gewisse vollgültige Beweise der Richtigkeit, der Wahrheit für ein gewisses Gebiet erbracht werden können. Für den, der nicht darauf aus ist, alles, was er auf einem bestimmten engbegrenzten Gebiete zu beobachten, zu überdenken in der Lage war, zu einem Begriffssystem zusammenzuschmieden und dann die Beweise dafür zu suchen, sondern für den, der darauf aus ist, wirklich in die Wahrheit der Welt einzudringen, ist es wichtig zu wissen, daß diese Allseitigkeit Notwendigkeit ist, die sich darin ausspricht, daß dem menschlichen Geist wirklich zwölf typische Weltanschauungsnuancen - auf die Übergänge dazwischen kommt es jetzt nicht an - möglich sind. Will man wirklich zur Wahrheit kommen, dann muß man den Ver such machen, sich die Bedeutung dieser Weltanschauungsnuancen ein mal klarzumachen, muß den Versuch machen, zu erkennen, auf welchen Gebieten des Daseins die eine oder die andere dieser Weltanschauungs nuancen den besseren Schlüssel bildet. Wenn wir uns noch einmal diese zwölf Weltanschauungsnuancen vor Augen führen, wie das gestern ge schehen ist, so ist es also der Materialismus, der Sensualismus, der Phänomenalismus, der Realismus, der Dynamismus, der Monadismus, der Spiritualismus, der Pneumatismus, der Psychismus, der Idealismus, der Rationalismus und der Mathematismus.

Es ist nun in der wirklichen Welt des menschlichen Forschungsstrebens nach der Wahrheit leider so, daß bei den einzelnen Geistern, bei den einzelnen Persönlichkeiten immer die Hinneigung zu der einen oder der anderen dieser Weltanschauungsnuancen überwiegt und daß da durch die Einseitigkeiten in den verschiedenen Weltanschauungen der verschiedenen Epochen auf die Menschen wieder wirken. Was ich so als die zwölf Hauptweltanschauungen hingestellt habe, das muß man kennen als etwas, was man wirklich so überschaut, daß man gleichsam immer die eine Weltanschauung neben die andere so kreisförmig hin stellt und sie ruhend betrachtet. Sie sind möglich; man muß sie kennen. Sie verhalten sich wirklich so, daß sie ein geistiges Abbild des uns ja wohlbekannten Tierkreises sind. Wie den Tierkreis scheinbar die Sonne durchläuft und wie andere Planeten scheinbar den Tierkreis durch laufen, so ist es der menschlichen Seele möglich, einen Geisteskreis zu durchlaufen, welcher zwölf Weltanschauungsbilder enthält." (Lit.: GA 151, S. 46f)

Sieben Weltanschauungsstimmungen

Zusätzlich zu den 12 grundlegenden Weltanschauungen unterscheidet Rudolf Steiner sieben Seelenstimmungen, durch die jede dieser 12 Weltanschauungen erlebt werden können. Diese sieben Weltanschauungsstimmungen entsprechen den sieben Planeten (geordnet nach der okkulten Reihenfolge der Planeten).

Gnosis Saturn
Logismus Jupiter
Voluntarismus Mars
Empirismus Sonne
Mystik Venus
Transzendentalismus Merkur
Okkultismus Mond

Drei Seelentöne

Alle Weltanschauungen können nach Rudolf Steiner auch noch dadurch modifiziert werden, dass sie einen bestimmten Seelenton erhalten. Steiner unterscheidet drei solcher Töne, denen kosmisch Sonne, Mond und Erde entsprechen. Diese drei Töne sind:

Theismus Sonne
Intuitismus Mond
Naturalismus Erde

"Es kommt allerdings noch eines dazu. Das ist, daß diese Weltanschauungen - es sind ihrer schon sehr viele Nuancen, wenn Sie sich alle Kombinationen suchen - noch dadurch modifiziert werden, daß sie alle einen ganz bestimmten Ton erhalten können. Aber auf diesem Gebiete des Tones haben wir nur dreierlei zu unterscheiden. Alle Weltanschauungen, alle Kombinationen, die auf diese Weise entstehen, können wieder in dreifacher Weise auftreten. Sie können erstens sein theistisch, so daß ich das, was in der Seele als Ton auftritt, zu benennen habe mit Theismus. Sie können so sein, daß wir im Gegensatz zum Theismus den betreffenden Seelenton zu nennen haben Intuitismus. Theismus entsteht, wenn der Mensch sich an alles Äußere hält, um seinen Gott zu finden, wenn er seinen Gott im Äußeren sucht. Der althebräische Monotheismus war vorzugsweise eine theistische Weltanschauung. Intuitismus entsteht, wenn der Mensch seine Weltanschauung vorzugsweise durch das sucht, was intuitiv in seinem Inneren aufleuchtet. Es gibt zu diesen beiden noch einen dritten Ton; das ist der Naturalismus.

Theismus
Intuitismus
Naturalismus

Diese drei Seelentöne haben auch ein Abbild in der äußeren Welt des Kosmos, und zwar verhalten sie sich nun in der menschlichen Seele genauso wie Sonne, Mond und Erde, so daß der Theismus der Sonne entspricht - jetzt Sonne als Fixstern, nicht als Planet aufgefaßt -, daß der Intuitismus dem Mond entspricht und der Naturalismus der Erde. Derjenige - übersetzen Sie sich das einzelne, was hier als Sonne, Mond und Erde bezeichnet ist, ins Geistige - , welcher über die Erscheinungen der Welt hinausgeht und sagt: Wenn ich hinausschaue, so offenbart sich mir in alledem der Gott, der die Welt erfüllt, - der Erdenmensch, der sich aufrichtet, wenn er in die Sonnenstrahlen kommt, ist der Theist. Der Mensch, der nicht über die Naturvorgänge hinausgeht, sondern bei den einzelnen Erscheinungen stehenbleibt, so wie der, welcher nie seinen Blick zur Sonne hinaufrichtet, sondern nur auf das sieht, was ihm die Sonne hervorbringt auf der Erde, der ist Naturalist. Der, welcher das Beste, was er in der Seele haben kann, aufsucht dadurch, daß er es in seinen Intuitionen aufgehen läßt, der ist wie der den Mond besingende und vom silbernen, milden Mondenglanz in seiner Seele angeregte intuitistische Dichter und läßt sich mit ihm vergleichen. Wie man mit der Phantasie das Mondenlicht in Zusammenhang bringen kann, so muß man okkult den Intuitisten, wie er hier gemeint ist, mit dem Monde in Beziehung bringen." (Lit.: GA 151, S. 61ff)

Anthropomorphismus

"Endlich gibt es noch ein Viertes; das ist allerdings nur in einem einzigen Element vorhanden. Wenn der Mensch sich gewissermaßen in bezug auf alle Weltanschauung ganz nur an das hält, was er an oder um oder in sich selbst erfahren kann:, das ist Anthropomorphismus.

Anthropomorphismus

Er entspricht der Erde, wenn man diese als solche betrachtet, abgesehen davon, ob sie von der Sonne, vom Mond oder anderem umgeben ist. Wie wir die Erde für sich allein betrachten können, so können wir auch in bezug auf Weltanschauungen auf nichts Rücksicht nehmen als auf das, was wir als Menschen in uns finden können. Dann wird der in der Welt so verbreitete Anthropomorphismus entstehen." (Lit.: GA 151, S. 63)

Siehe auch

  • Weltanschauung - Artikel in der deutschen Wikipedia - mit einem ausführlichen Abschnitt zur Begriffs- und Bedeutungsgeschichte

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Der menschliche und der kosmische Gedanke, GA 151 (1990)
  2. Sigismund von Gleich: Die Wahrheit als Gesamtumfang aller Weltansichten, J.Ch.Mellinger Vlg., Stuttgart 1989
  3. Mario Betti: Zwölf Wege, die Welt zu verstehen, Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2001
  4. Corinna Gleide/Ralf Gleide: Der Sternhimmel der Vernunft Auf dem Weg der zwölf Weltanschauungen, Verlag Freies Geistesleben & Urachhaus GmbH, Stuttgart 2008; ISBN 978-3-7725-1435-7
  5. Joachim Stiller: Verschiedene Weltanschauungssystematiken PDF


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Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.