Bibliothek:Rudolf Steiner/Arbeitervorträge/GA 347 Die Erkenntnis des Menschenwesens/Zehnter Vortrag

Aus AnthroWiki

[169]

ZEHNTER VORTRAG

Dornach, 30. September 1922

Frage: In bezug darauf, daß die Sonne in der Erde drinnen war, war ich sehr erstaunt; darüber habe ich noch nie etwas gehört. So wie ich die letzten Vorträge verstanden habe, ist die Erde nichts anderes gewesen als der Mensch, und daß die Tiere eigentlich von alledem abstammen. Wie erklärt man es dazu im Gegensatz, daß der Mensch vom Affen abstamme?

Dr. Steiner: Ich bin sehr erfreut, daß Sie die Frage stellen, denn wir können gerade dadurch, daß wir diese Frage beantworten, ein gutes Stück weiterkommen.
Wenn Sie den heutigen Menschenkopf für sich nehmen, so wie er ist, was finden Sie an diesem Menschenkopf? Diesen Menschenkopf finden Sie zunächst von außen nach innen von oben umhüllt mit einer ziem lich harten, knöchernen Schale. Ja, meine Herren, wenn Sie diese knö cherne Schale, die ja im Verhältnis zum ganzen Kopf dünn ist, nehmen und sie vergleichen mit demjenigen, was Sie zum Beispiel finden, wenn Sie in das Juragebirge hineingehen, so finden Sie da eine ganz merk würdige Ähnlichkeit. Es ist nämlich dasjenige, was knöcherne Kopf-schale ist, im wesentlichen aus ganz ähnlichen Bestandteilen bestehend wie die Kalkablagerung, Kalkkruste, die Sie da finden, wenn Sie in das Juragebirge hineingehen.
Nun finden Sie überhaupt solche Ablagerungen zumeist auf der Oberfläche der Erde. Natürlich, in diesen Kalkablagerungen, da könnte man nicht gerade sehr gut Früchte anbauen. Aber das kann dann ge schehen in einer Schichte, die nicht aus Kalk besteht, sondern eben aus Ackererde, und die sich über dem Kalkboden noch auflagert.
Nun, meine Herren, Sie werden ja schon gesehen haben: Wenn man von der Natur spricht, so muß man alles berühren. Und Sie wissen ja, daß der Kopf des Menschen, wenigstens nach außen hin, sich auch mit einer Haut bedeckt, die sich sogar abschuppt, so daß über der kalk-haltigen Kopfschale, über dem Kopfskelett außen die Haut liegt. Wenn man diese Haut wiederum studiert, so hat sie große Ähnlichkeit mit dem, was Ackererde ist. In der Kopfhaut wachsen die Haare. Die Haare

[170]
haben wiederum eine große Ähnlichkeit mit dem, was als Pflanzen her auswächst aus der Ackererde. Wenn man es schematisch zeichnet, bildhaft, so können wir eigentlich sagen: An gewissen Stellen der Erde, da ist oben Kalkablagerung; darüber ist die Ackererde, und aus der Ackererde wachsen die Pflanzen heraus. Beim Menschen haben wir nach außen diese kalkhaltige Schale, darüber die Haut, und aus der Haut wachsen die Haare heraus.

[Bild GA 347 170]

Jetzt erinnern Sie sich an etwas anderes. Da kann ich also ähnlich zeichnen kurioserweise, wenn ich die Erde oder den Menschenkopf auf-zeichne. Nun erinnern Sie sich aber, daß ich Ihnen ja noch etwas gesagt habe. Ich habe Ihnen gesagt, daß, wenn man tiefer in die Erde hineingeht und dasjenige studiert, was da tiefer in der Erde ist, man in der Erde Uberreste von alten Lebewesen, von alten Tieren und Pflanzen findet. Ich habe Ihnen gesagt, wie diese Tiere und Pflanzen früher aus-geschaut haben. Ichthyosaurier, Plesiosaurier und so weiter, das waren recht große Viecher. Aber wenn wir jetzt ins Innere des Menschen-kopfes hineingehen, was habe ich Ihnen da gesagt? Ich habe Ihnen ge sagt: Im Blut schwimmen die weißen Blutkörperchen, und das sind eigentlich auch kleine Tiere. Im Menschenkopf drinnen, da sind diese kleinen Tiere immerfort im Absterben, sind gewissermaßen halb tot, werden nur in der Nacht immer wiederum lebendig gemacht, aber sie sind auf dem Weg zum Absterben. Und je weiter man zum Kopfe kommt, desto mehr stirbt der Kopf ab. Unter der Kopfschale, zwischen dem Gehirn und der äußeren Knochenschale, ist eine recht abgestorbene Haut. So daß, wenn man in den Kopf hineingeht, man auch etwas fin­det, was im Absterben ist.
Also kann man sagen: Wenn der Mensch stirbt, und man nimmt

[171]

nachher seinen Kopf - was ja vorzugsweise die Wissenschaft tut, die sich nicht gern mit dem lebendigen Menschen befaßt, sondern mit dem toten Menschen auf dem Seziertisch -, ja, meine Herren, da hat man in der Tat diese abgestorbenen Gehirnzellen, die eigentlich versteinerte Blutzellen sind, und außen die harte Schale. Da wird die Geschichte ganz ähnlich der Erde. So daß wir gar nicht anders sagen können, als:
Wenn wir da durch diese harte Gehirnhaut - man nennt sie sogar deshalb die «harte Gehirnhaut», weil sie schon ganz abgestorben ist - in das eigentliche Gehirn hereinkommen, so sehen wir da auch fort während Versteinerungen. Auf der Erde findet man überall diese Ver steinerungen. Wenn wir die Erde heute anschauen, so gleicht sie näm lich aufs Haar, könnte man sagen, einem abgestorbenen Menschenkopf. Der ist natürlich nur kleiner. Die Erde ist größer, daher nimmt sich alles anders aus. Die Erde gleicht einem abgestorbenen Menschenkopf. Wer also die Erde heute studiert, der muß eigentlich sich sagen: Die Erde ist ein riesiger Menschenschädel, und zwar ein solcher, der gestorben ist.
Nun, meine Herren, Sie werden sich niemals vorstellen können, daß etwas gestorben sein kann, wenn es nicht vorher gelebt hat. Nicht wahr, das gibt es nicht. Das behauptet nur die Wissenschaft. Aber ich glaube, Sie würden sich selber für dumm halten, wenn Sie irgendwo einen toten Menschenkopf finden würden und Sie sagen würden: Das hat sich halt gebildet aus Materie. - Das werden Sie doch nie sagen, sondern Sie wer den sagen: Dasjenige, was so ausschaut, das muß einmal einem leben digen Menschen gehört haben, das muß einmal lebendig gewesen sein; denn was abgestorben ist, muß einmal lebendig gewesen sein. - So daß also, wenn einer vernünftig nachdenkt darüber, wenn er heute die Erde studiert und er einen abgestorbenen Menschenkopf findet, er sich natür lich vorstellen muß - sonst wäre er einfach, ich möchte sagen, dumm -, daß das einmal gelebt hat, daß also die Erde einmal ein lebendiger Men schenkopf war, daß sie im Weltenall gelebt hat, wie heute der Mensch auf der Erde lebt.
Nun, der Menschenkopf, der könnte aber nicht leben, könnte un möglich leben, wenn er nicht sein Blut vom Menschenkörper bekäme. Der Menschenkopf allein, der kann höchstens zum Spaß einmal gezeigt

[172]

werden. Als ich ein kleiner Bub war und im Dorf gewohnt habe, da haben sich manchmal solche herumziehenden Wandertruppen nieder gelassen und eine Bude aufgerichtet. Wenn man da vorbeigegangen ist, ist immer einer herausgekommen: Meine Herrschaften, bitte eintreten, es beginnt gleich die Vorstellung! Hier ist der lebend sprechende Men schenkopf zu sehen! - Also die haben einen lebend sprechenden Men schenkopf gezeigt. Sie wissen, das wird durch allerlei Spiegelapparate gemacht, daß man den Körper nicht sieht, nur den Kopf. Aber sonst gibt es natürlich nicht den Kopf allein, sondern sein Blut und alles das, was ihn ernährt, muß er vom Menschenleib bekommen. So muß die Erde auch einmal so gewesen sein, daß sie sich aus dem Weltenraum her aus hätte ernähren können. Ja, könnte man denn auch dafür Gründe anführen, daß die Erde wirklich einmal so etwas wie ein Mensch war und sich aus dem Weltenraum heraus hat ernähren können?
Viel ist nachgedacht worden darüber, wie es eigentlich kommt, daß die Sonne - letzthin habe ich es gezeigt - einmal mit der Erde verbunden war. Aber das ist ja schon lange her. Seit jener Zeit ist die Sonne außerhalb der Erde und gibt der Erde Licht und Wärme. Sogar die Wärme, die in der Erde selbst drinnen ist, ist ja von der Sonne, bleibt nur im Winter aufgespart. Nun kann man wirklich berechnen, wieviel das beträgt, was die Sonne alljährlich an Wärme ausgibt. Das ist sehr viel, was die Sonne an Wärme ausgibt. Und die Physiker haben solche Rechnungen auch angestellt. Das sind Millionen und Millionen Kalorien. Aber, meine Herren, bei dieser Rechnung ist den Physikern wirk lich angst und bange geworden, denn sie haben zwar dabei heraus bekommen, wieviel die Sonne in jedem Jahr an Wärme ausgibt; sie haben aber auch herausbekommen, daß, wenn das richtig wäre, die Sonne längst erkaltet sein müßte und wir alle erfroren sein müßten. Die Rechnung ist also richtig angestellt, aber sie stimmt doch nicht. Das gibt es nämlich. Man kann rechnen, es kann etwas aufs allerschönste berechnet sein, aber die Rechnung stimmt doch nicht, gerade weil sie so schön ist.
Nun war ein Physiker da, ein Schwabe, Julius Robert Mayer heißt er, der hat tatsächlich ganz interessante Gedanken gehabt, so in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dieser Julius Robert Mayer, der in Heilbronn

[173]

in Württemberg ansässig war, war Arzt und hat in ähnlicher Weise wie Darwin auf seiner Weltreise seine Entdeckungen gemacht, hat nämlich da ganz interessante Beobachtungen gemacht bei einer Reise nach dem südlichen Asien, auf den Inseln dort, wie durch den Einfluß der Wärme das Menschenblut anders aussieht als in etwas kälteren Gegenden und ist durch diese Beobachtungen zu interessanten Tatsachen gekommen. Diese Beobachtungen hat er dann zusammengefaßt und zunächst aufgeschrieben in einem ganz kurzen Aufsatz. Den hat er dazumal an die bedeutendste deutsche naturwissenschaftliche Zeitschrift geschickt. Das war 1841. Und diese naturwissenschaftliche Zeitschrift hat ihm den Aufsatz zurückgeschickt, weil die Leute gesagt haben: Das ist alles unbedeutendes Zeug, dilettantisch, dumm. - Heute sehen dieselben Leute, das heißt ihre Nachfolger natürlich, das für eine der größten Entdeckungen im 19. Jahrhundert an!
Aber von den Poggendorffschen «Annalen für Physik und Chemie», die dazumal die berühmteste deutsche naturwissenschaftliche Zeit schrift war, hat man dem Julius Robert Mayer nicht bloß dazumal diese Abhandlung zurückgeschickt, wo die Geschichte drinnenstand, sondern man hat ihn noch außerdem - ins Irrenhaus gesperrt! Weil er wirklich sehr begeistert war von seiner Wissenschaft - sie ist nicht ganz richtig, aber er war sehr begeistert für seine Wissenschaft -, hat er sich ein bißchen anders benommen als die anderen Menschen - die anderen haben ja auch nicht gerade dasselbe gewußt wie er -, und das haben dann seine Ärztekollegen und die anderen Ärzte bemerkt, und dafür ist er ins Irrenhaus gekommen! So daß Sie da auf eine wissenschaftliche Entdeckung kommen, die herrührt von einem Menschen, der dafür ins Irrenhaus gesperrt worden ist. Wenn Sie heute nach Heilbronn kom­men ins Schwabenland, finden Sie dort auf dem wichtigsten Platze ein Denkmal von Julius Robert Mayer. Aber das ist nachträglich gemacht worden! Das ist nur ein Beispiel, wie die Leute umgehen mit solchen Leuten, die so ein bißchen Gedanken im Kopfe haben.
Nun, sehen Sie, dieser Julius Robert Mayer, der sich über diesen Einfluß, den er da von der Wärme auf das Blut gekannt hat, Gedanken gemacht hat, hat sich auch Gedanken gemacht, wie denn die Sonne zu der Wärme kommen kann. Die anderen rechnen bloß aus, wieviel sie

[174]

hergibt. Aber Julius Robert Mayer fragte sich auch: Ja, wo kommt denn das alles her? - Was tut die Physik? Man möchte sagen, die Phy sik, die rechnet gerade so, wie man bei einem Menschen rechnen würde:
Der hat einmal gegessen und jetzt ist er satt geworden, aber außerdem speichert sich noch etwas auf in seinem eigenen Fett und seinen Mus keln.Wenn er jetzt nichts mehr essen kann, so nimmt er das aus seinem Fett und seinen Muskeln. Und da kann er vierzig, sechzig Tage leben, aber nachher stirbt er, wenn er nichts zu essen kriegt. Das haben die Physiker auch bei der Sonne berechnet, was sie jeden Tag hergibt, nachdem sie eben einmal auf wunderbare Weise diese Wärme gehabt hat. Wie sie dazumal gegessen hat, wurde zwar nicht beachtet, aber jedenfalls ausgerechnet, wieviel sie hergibt.
Aber woher sie das nimmt, das hat doch der Julius Robert Mayer gefragt. Und da hat er herausbekommen, daß jedes Jahr so und so viele Himmelskörper in die Sonne hereinfliegen, die wie die Kometen sind. Sehen Sie, das ist die Speise der Sonne. Aber wenn wir heute noch auf die Sonne heraufschauen, so können wir ja sehen: Die hat einen guten Magen, die frißt jährlich eine ungeheure Anzahl von Kometen. So wie wir unsere Mittagsmahlzeit verzehren und dadurch unsere Wärme ent wickeln, so entwickelt die Sonne Wärme, indem sie in ihren guten Magen hinein Kometen frißt.
Nun, meine Herren, das heißt: Wenn die Kometen schon ganz zer splittert sind und herunterfallen, so sind sie allerdings harte Eisenkerne, aber es fällt eben nur das Eisen herunter. Der Mensch hat ja auch Eisen in seinem Blut. Wenn der Mensch irgendwo aufgelöst würde und nur das Eisen herunterfallen würde, so würden die Menschen wahrschein lich sagen: Da oben ist etwas, das hat geleuchtet, und das besteht aus Eisen. - Weil also die Meteorsteine, in die sich die Kometen auflösen, aus Eisen bestehen, sagt man, die Kometen sind aus Eisen. Das ist aber ein Unsinn, geradeso wie es ein Unsinn wäre zu glauben, daß der Mensch aus Eisen besteht, weil er Eisen in seinem Blute hat und man da einen ganz kleinen Eisenbatzen finden würde. So findet man eben die Meteorsteine; die sind zerfallene Kometen. Die Kometen sind eben etwas ganz anderes, die Kometen leben! Und die Sonne lebt eben auch, hat einen Magen, frißt nicht nur die Kometen, sondern nährt sich

[175]

geradeso wie wir. In unserem Magen ist auch Eisen drinnen. Wenn einer Spinat ißt, so merkt er nicht, daß da sehr viel Eisen drinnen ist, im allgemeinen natürlich. Trotzdem ist es gut, wenn man gerade blut armen Menschen sehr viel zu Spinatessen rät, weil sie dadurch viel sicherer Eisen ins Blut kriegen, als wenn man ihnen einfach Eisen in den Magen hineintut, das ja doch meistens durch die Därme wieder abgeht.
Wenn die Kometen bloß aus Eisen bestehen und in die Sonne herein fallen würden, da sollten Sie nur einmal sehen, wie das alles wieder ab geht! Da würde man einen ganz anderen Prozeß sehen. Da würde man wahrscheinlich im Himmelsraum ein Riesenklosett aufrichten müssen, wenn das richtig wäre! Die Sache ist natürlich ganz anders. Die Kome ten bestehen nur zum geringsten Teil aus Eisen; aber die Sonne frißt sie.
Nun denken Sie zurück, daß die Erde selber einmal die Sonne in sich gehabt hat. Da hat die Sonne dasselbe gemacht, was sie jetzt allein tut; da hat sie auch Kometen gefressen. Und Sie haben jetzt den Grund, warum dieser Riesenkopf, der die Erde ist, leben konnte: weil die Sonne seinen Ernährungsapparat darstellte. Solange die Sonne bei der Erde war, ernährte sich aus dem Weltenall heraus die Erde durch die Sonne, wie wir uns jetzt ernähren von der Erde durch unseren Ernährungsapparat.
Also dafür war schon gesorgt, daß die Erde doch, als noch die Sonne bei ihr war, sich ernähren konnte. Nur müssen Sie sich natürlich vor stellen, daß die Sonne riesig viel größer als die Erde ist, und daß also die Sonne, indem sie da drinnen war in der Erde, eigentlich nicht in der Erde drinnen war, sondern die Erde war in der Sonne drinnen. So daß man sich die Sache so vorstellen muß (siehe Zeichnung S.176), daß da mals hier die Sonne war, da war die Erde drinnen und in der Erde erst wiederum der Mond. Also: Sonne, in der Sonne die Erde und in der Erde der Mond. In einem gewissen Sinne war das ja umgekehrt wie beim Menschen. Aber das ist ja beim Menschen auch nur scheinbar, daß er den kleinen Magen hat; der kleine Magen allein könnte ja nicht viel machen. Der kleine Magen, den der Mensch hat - darüber werden wir später noch sprechen -, der steht überall in Beziehung zur Außenwelt. Eigentlich ist der Mensch in der Erde drinnen, so wie die Erde einmal in der Sonne drinnen war. Und der eigentliche Erdenmagen, der war

[176]

[Bild GA 347 176]

dann der Mittelpunkt der Sonne. Wenn das die Sonne ist (siehe Zeich nung), das die Erde, so war eben der Magen hier (in der Mitte), und die Sonne, die hat nur überall diese Kometen herangezogen und hat sie dann dem Magen überliefert, so daß die Verdauung der Erde doch innerhalb der Erde geschehen ist.
Nun können Sie wiederum sagen: Dem widerspricht ja, daß der menschliche Kopf nicht selber verdaut. - Das ist ganz richtig. Aber es hat sich ja die Geschichte auch verändert. Ein bißchen verdaut nämlich dennoch der menschliche Kopf. Sehen Sie, ich habe Ihnen beschrieben:
Wenn wir die Speisen essen, dann kommen sie ja zunächst auf die Zunge, an den Gaumen heran. Da werden sie zuerst eingespeichelt mit Ptyalin, und dann gehen sie durch die Speiseröhre. Aber nicht alle Spei sen gehen durch die Speiseröhre, sondern der Mensch ist ja im Grunde eine Wassersäule - es ist ja alles weich, es sind ja nur die festen Teile eingelagert -, so daß schon im Mund etwas von den Speisen aufgesogen wird im Kopf. Eine direkte Ernährung geht vom Gaumen aus in den Kopf hinein. Das ist so. Sehen Sie, daß die Dinge nicht so grob sind, wie man gewöhnlich glaubt, das können Sie ja einfach daraus ent nehmen, wenn Sie vergleichen. Ein Menschenei, das können Sie nicht an die Luft bringen, damit es dort äußerlich ausgebrütet wird. Beim Vogelei können Sie das. Das kommt an die Luft und wird erst außen ausgebrütet. So ist es natürlich - in ähnlicher Weise - auch mit dem menschlichen Kopf. Der heutige Menschenkopf könnte sich von dem bißchen Nahrung, das er bloß vom Gaumen aus kriegt, nicht ernähren. Aber die Erde war eben anders eingerichtet. Die hat in sich einen Magen, der zugleich Mund war, gehabt, und hat sich eben ganz von

[177]

diesem Munde aus ernährt. So daß wir sagen können: Solange die Sonne mit der Erde verbunden war, hatte dieses riesige Wesen die Möglich keit, sich aus dem Weltenall heraus zu ernähren.
Nun habe ich Ihnen aber gesagt: Wenn man heute die Erde studiert, so ist sie wie ein abgestorbener Menschenkopf. Ja, ein abgestorbener Menschenkopf, der muß aber einmal gelebt haben. Also muß die Erde eben einmal gelebt haben. Sie hat sich ernährt durch die Sonne.
Nun, meine Herren, will ich Ihnen noch etwas anderes sagen. Sehen Sie, wenn Sie in einer bestimmten Zeit den Menschenkeim im Mutter-leibe anschauen, also nach der Befruchtung, ich will sagen, zwei, drei, vier Wochen nach der Befruchtung anschauen, da schaut dieser Men schenkeim außerordentlich interessant aus. Da ist zunächst im mütter lichen Leibe, rundherum im Mutterkörper, den man Uterus nennt, eine Haut, die viele Blutgefäße hat. Und die Blutgefäße, die da im mütter lichen Leibe drinnen extra sind - die sind ja natürlich dann im Men schenleibe nicht, wenn nicht gerade ein Kind getragen wird -, diese Blutgefäße stehen in Verbindung mit den anderen Blutgefäßen, die die Mutter hat. Die gehen da überall in die Blutadern hinein. So daß also die Mutter in ihr eigenes Blutsystem diese Kugel da eingeschaltet hat (siehe Zeichnung) und während sonst das Blut im Leibe zirkuliert, rinnt das Blut extra noch in diese Kugel hinein, nur in die äußere Kugel.
Nun, meine Herren, da finden Sie innerhalb dieser Kugel alle Organe. Da ist zum Beispiel ein Organ, das sieht aus wie ein Sack, und

[Bild GA 347 177]

[178]

daneben wiederum eines, das ist ein kleinerer Sack. In diese Säcke, in die setzen sich auch diese Blutadern fort, die sonst, wenn die Mutter kein Kind trägt, gar nicht da sind, weil ja die ganze Kugel dann fehlt; da hinein setzen sich auch diese Adern dann fort. So daß wir sagen können: Diese Adern gehen überall da hinein und das alles, was ich Ihnen bis jetzt aufgezeichnet habe, das ist da, wenn sich das Kind in den ersten Wochen entwickelt; das ist da, und ganz klein hängt daran, also winzigklein hängt daran hier das Kind. Ganz winzigklein hängt es daran!
Und kurioserweise, wenn ich Ihnen das Kind jetzt groß aufzeichnen würde, wie es in der nächsten Zeit ist, dann müßte ich das so zeichnen:

[Bild GA 347 178]

das Kind nämlich ist fast nur ein Kopf, das andere ist ganz winzig daran. Sie sehen, da habe ich zwei solche Stetzelchen hingezeichnet, das werden später die Arme. Die Beine sind fast gar nicht da. Dafür aber setzen sich dann eben an das Kind diese zwei Taschen, die ich da gezeichnet habe, und in diese zwei Taschen gehen die Blutgefäße hin ein. Und diese Blutgefäße bringen die Nahrung mit, und der Kopf wird ernährt. Ein Magen ist ja noch gar nicht da, und ein Herz auch nicht.

[179]

Eine eigene Blutzirkulation hat das Kind in den ersten Wochen gar nicht. Das Kind ist ja nur ein Kopf. Und das wächst und wächst all mählich so heran, daß es im zweiten, dritten Monat menschenähnlich wird, daß sich die anderen Organe ansetzen. Aber ernährt wird das Kind immer noch von außen, von demjenigen, was da als Taschen ist. Und dann speichert sich da Nahrung ringsherum so auf (es wird ge zeichnet). Aber Blut wird zugeführt. Atmen kann ja das Kind noch nicht, es bekommt nur Luft auf dem Umwege durch die Mutter. Das Kind ist also eigentlich ein Menschenkopf, und die anderen Organe dienen ihm noch gar nicht besonders. Mit den Lungen kann es nichts anfangen. Mit dem Magen kann es nichts anfangen. Essen kann es noch nicht; es muß also alle Nahrung nur so bekommen, daß sein Kopf er nährt wird. Atmen kann es noch nicht. Eine Nase hat es auch noch nicht. Die Organe entwickeln sich zwar, aber es kann sie noch nicht
gebrauchen. Also das Kind ist im mütterlichen Leibe ja ein Kopf; nur ist alles weich. Das spätere Gehirn, das ist furchtbar weich hier drinnen, ganz weich und furchtbar lebendig, ganz lebendig. Und wenn Sie ein Riesenmikroskop nehmen könnten und könnten gerade einen Kinder-kopf anschauen, der meinetwillen aus der zweiten oder dritten Woche nach der Befruchtung ist, so würde der recht ähnlich ausschauen dem, was ich Ihnen von der Erde gesagt habe, wie sie einmal war, als da die Ichthyosaurier und Plesiosaurier und so weiter herumgewatet sind. Ganz verflucht ähnlich würde das ausschauen, nur in der Größe unter schieden.
So daß man sagen kann: Wo gibt es ein Bild von der Erde, die ein mal da war, heute noch? Im Menschenkopf, wenn der Menschenkopf eben noch ungeboren ist und als Keim vorhanden ist. Dieser Menschen-kopf ist nämlich ein deutliches Abbild von der Erde.
Und all das, was da dran sein muß, diese Taschen am Leibe, das, was da herum ist, das wird als die sogenannte Nachgeburt, nachdem es ganz brüchig geworden ist, abgeworfen, und der Mensch bleibt übrig, wird geboren. Also von dem, was als Nachgeburt abgeworfen wird, von dem bekommt man eigentlich die Nahrung als Kind im Mutterleibe - die Nachgeburt besteht aus den zerfetzten Blutgefäßen. Diese sogenannte Allantois und dieses Amnion - das also sind die zerfetzten Organe -,

[180]

die sind uns, solange wir im Mutterleibe sind, außerordentlich wichtig, weil sie den Magen und die Atmungsorgane ersetzen. Aber wenn wir sie nicht mehr gebrauchen, wenn wir geboren werden, selber atmen und essen können, wird das als Nachgeburt abgeworfen.
Nun, meine Herren, wenn Sie sich so etwas anschauen, wie ich es Ihnen da aufgezeichnet habe, so brauchen Sie sich nur vorzustellen:
Da wäre das Weltall, hier wäre die Erde, und da drinnen der Menschen-kopf und ringsherum ganz fein die Sonne (siehe Zeichnung S.177). Und nun kommt die Geburt, das heißt, es hört das auf, was einmal da war. Die Sonne und der Mond fliegen heraus, und die Geburt der Erde ist da. Die Erde muß sich selber weiterhelfen.
Man kann zweierlei beschreiben. Zunächst konnte ich Ihnen das so beschreiben, daß ich Ihnen gesagt habe: Die Erde hat einmal so aus-geschaut - da waren Ichthyosaurier, Plesiosaurier drinnen und so wei ter. Jetzt könnte ich Ihnen aber ebensogut den Menschenkeim beschrei ben. Es ist nur alles kleiner, aber ich müßte dasselbe reden. So daß Sie heute sagen können: Die Erde war einmal der Keim eines Riesen-menschen.
Da ist wiederum außerordentlich interessant, daß in früheren Zeiten die Menschen auf eine merkwürdige Weise - darüber wollen wir noch reden - mehr gewußt haben als die späteren Menschen. Die späteren Menschen haben nämlich zumeist aus der mißverstandenen hebräischen Urkunde, aus dem mißverstandenen Alten Testament gelernt, und die haben sich vorgestellt, nicht wahr: Da war die Erde und irgendwo das Paradies, und da ist der fertige Adam im Paradies als so ein kleiner Knirps darauf gestanden. Diese Vorstellung, die sich die Menschen aus dem mißverstandenen Alten Testament gemacht haben, die ist ungefähr gerade so, wie wenn sich heute einer vorstellen würde: Der Mensch kommt nicht von dem kleinen Ding, was da von den Allantois- und Amniontaschen da ist, von dieser Haut und so weiter - davon käme nicht der Mensch, sondern das alles, das wäre eine Sache für sich; aber im mütterlichen Leibe, da sitzt eben ein kleinwinziger Floh, und aus diesem kleinen Floh kommt der Mensch. So ungefähr ist es, wenn man sich vorstellt: Die Erde war da, der Adam und die Eva lebten gleich Flöhen daraufsitzend, und nachher das Menschengeschlecht. Das ist

[181]

eben aus einem Mißverständnis des Alten Testaments entstanden, währenddem diejenigen, die in alten Zeiten etwas gewußt haben, nicht von Adam geredet haben, sondern von Adam Kadmon. Und der Adam Kadmon, der ist etwas anderes als der Adam. Der ist dieser Riesenkopf, der die Erde einmal war. Und das ist eine natürliche Vorstellung. Zum Erdenfloh ist dieser Adam Kadmon erst geworden, als sich die Men schen nicht mehr vorstellen konnten, daß ein Menschenkopf so groß werden kann wie die Erde, als sie nicht mehr daran geglaubt haben, und da haben sie sich die abnorme Vorstellung gebildet, als wenn es zum Spaß da sei, daß die ganzen neun Monate im mütterlichen Leibe vor sich gehen, und aus dieser mütterlichen Kugel der Mensch geboren wird.
In Wirklichkeit müssen wir uns vorstellen, daß der Mensch einmal die ganze Erde war - die ganze Erde. Und die Erde war viel lebendiger. Aber, meine Herren, das ist ja gar nicht anders; sehen Sie, wenn ich Ihnen die Erde heute zeichne, so ist sie ein abgestorbenes Wesen, wie der menschliche Kopf im Absterben begriffen ist, und wenn wir zu­rückgehen zu diesem menschlichen Kopfe, der da im mütterlichen Leibe ist, so ist der durch und durch lebendig. Der ist so, wie die Erde einmal war. Und die Erde ist heute gestorben. Aber sie war einmal durch und durch lebendig.
Sehen Sie, wenn die Menschen alles zusammenhalten könnten, was die Wissenschaft gibt, so würden sie auf manches kommen. Die Wissen-schaft ist schon recht, nur die Menschen, die die heutige Wissenschaft verwalten, die können mit der Wissenschaft nicht viel anfangen. Wenn heute einer sich diese Erdenoberfläche anschaut, so muß er sagen: Das ist ja wie ein abgestorbener Menschenkopf. Wir gehen ja eigentlich auf Totem herum, das einmal gelebt haben muß. Das habe ich Ihnen gesagt; aber ich sage Ihnen auch alles dasjenige noch, was daraus folgt.
Nun war in Wien noch zu meiner Jugendzeit einmal ein sehr be rühmter Geologe, das ist Erdenkundiger. Der hat ein großes Buch ge schrieben: «Das Antlitz der Erde.» Da steht das drinnen: Wir gehen heute, wenn wir über die Erdschollen von Böhmen oder Westfalen gehen, über abgestorbene Sachen. Das war einmal lebendig. - Die Ein­zelheiten ahnt die Wissenschaft schon, aber sie kann die Sachen nicht

[182]

zusammenreimen. Das, was ich Ihnen sage, widerspricht nirgends der Wissenschaft. Sie können das überall, wenn Sie die Wissenschaft ver folgen, bestätigt finden. Aber die Wissenschafter kommen selber nicht draus aus demjenigen, was da aus den Sachen folgt.
Also kommen wir wirklich dazu, zu sagen: Die Erde war einmal ein Riesenmensch. Das war sie. Und sie ist gestorben, und heute wandeln wir auf der gestorbenen Erde herum.
Nun, sehen Sie, da bleiben jetzt wichtige Fragen übrig, zwei wich tige Fragen durch die Frage des Herrn Burle. Die eine ist diese: Wenn wir zurückgehen, so sieht man, daß die Erde ein Riesenmensch war. Woher kommen die Tiere? Und die zweite Frage ist: Die Erde war also ein Riesenmensch. Woher kommt es, daß der Mensch heute so ein klei­ner Floh auf der Erde ist? Woher kommt es, daß er so klein geworden ist? Diese zwei Fragen sind tatsächlich wichtige Fragen.
Die erste ist eigentlich gar nicht so schwer zu beantworten; man muß sie nur nicht aus allerlei phantastischen Spielereien heraus beant worten wollen, sondern muß sie aus den Tatsachen beantworten.
Meine Herren, was glauben Sie, wenn nun ein Weib während der Schwangerschaft stirbt, solange die Geschichte da drinnen noch so aus schaut, wie ich sie Ihnen auf der Tafel hergezeichnet habe, und Sie sezieren diese Kugel heraus, in der dann diejenigen Dinge drinnen sind, die mit der Nachgeburt abfallen, und in der der Embryo drinnen ist, der später der Mensch würde - nehmen Sie an, wir nehmen das alles heraus und geben das nicht in Spiritus, in dem es sich ja halten würde, sondern wir lassen das so irgendwo liegen, besonders wo es feucht ist, und wir gehen nach einiger Zeit wiederum hin -, was glauben Sie, was wir da sehen würden? Ja, meine Herren, wenn wir da nach einiger Zeit wiederum hingehen und dann anfangen würden das zu zerschneiden, da würde lauter Getier herauslaufen; lauter kleine Viecher laufen da heraus. Der ganze Menschenkopf, der im Mutterleibe lebendig war, stirbt ab. Und indem er abstirbt - wir brauchen ihn nur auseinander-zuschneiden, um es zu sehen -, da läuft alles mögliche Getier heraus.
Ja, meine Herren, denken Sie sich, die Erde war einmal ein solcher Menschenkopf im Weltenraum und ist abgestorben. Brauchen Sie sich zu verwundern, daß da alles mögliche Getier herauslief? Das tut es ja

[183]

heute noch. Wenn Sie das in Betracht ziehen, da haben Sie die Entstehung der Tiere. Sie können das heute noch beobachten.
Das ist die eine Frage. Wir werden darüber noch weiter reden, wie die einzelnen Tierformen entstanden sind. Aber im Prinzip haben Sie da, daß ja die Tiere da sein müssen. Ich kann diese Frage heute nur an deuten, später werde ich sie noch ausführlich beantworten.
Jetzt bleibt die andere Frage: Warum ist der Mensch heute ein so kleiner Knirps? Nun, da müssen Sie wiederum alles zusammennehmen, was Sie wissen können. Erstens können Sie fragen: Ja, aber da hat ein mal ein Mensch gelebt im Weltenraum, der heute Erde ist, abgestorben ist und heute Erde ist. Hat denn der nicht geboren? Hat sich denn der nicht vermehrt? - Auf diese Frage braucht man ja nicht weiter ein zugehen; wenn er sich vermehrt hat, so sind dazumal die anderen im Weltenraum irgendwo zu anderem aufgerufen worden. Also wir brau chen uns erst zu interessieren, als ein bestimmter Punkt der Vermehrung eintrat.
Ja, meine Herren, wenn Sie heute noch verfolgen, wie eine kleine Zelle sich vermehrt, so ist sie zuerst so (siehe Zeichnung), dann ist sie so,

[Bild GA 347 183]

dann werden zwei daraus. Dann werden aus jeder wiederum zwei; das sind schon vier. Und so wird der ganze Menschenkörper aufgebaut, so daß er zuletzt aus lauter kleinen einzelnen, im Blut lebenden und im Kopf abgestorbenen kleinen Viechern besteht, die alle aus einer ein zigen Zelle hervorkommen. So ist aus einem Teil der ursprünglichen Erde, geradeso wie heute der Mensch nicht nur aus einem ganzen Men schen herausgeboren wird, sondern aus einem Teil des Menschen - die heutige Erde entstanden. Es frägt sich nur: Warum kommt er heute nicht mehr heraus? Weil die Erde nicht mehr so in Verbindung steht mit dem Weltall, seitdem die Sonne herausgegangen ist. Jetzt bleiben alle diese Wesen drinnen. Sie wurden von der Sonne außen beschienen,

[184]

als die Sonne herausgegangen war, während sie früher drinnen war. -Sie müssen alles zusammennehmen, was Sie wissen können.
Meine Herren, wissen Sie aber vielleicht, daß man die Hunde, die ja im allgemeinen eine bestimmte Größe haben, unter die sie nicht her-untergehen, aber doch so klein züchten kann, daß sie manchmal fast nicht größer sind als große Ratten. Wenn man den Hunden zum Beispiel Alkohol zu saufen gibt, so bleiben sie klein - das hängt ja ab von dem, was da wirkt auf das Wesen, wie groß es wird -; allerdings werden diese Hunde furchtbar nervös.
Es waren wirklich - wenn auch nicht die ganze Welt voll Alkohol war -, aber es waren die Stoffwirkungen ganz andere geworden, als die Sonne von der Erde weggegangen war. Als sie noch in der Erde war, ist eben eine ganz andere Wirkung dagewesen als später, als die Sonne draußen war. Und während der Mensch zuerst so groß war wie die Erde selber, ist er durch diese Rieseneinwirkung eben klein geworden. Aber das war ein Glück für ihn, denn als er noch so groß war wie die Erde, da mußten alle anderen, die geboren wurden, in den Weltenraum hinausfliegen. Wir werden später einmal hören, was mit denen ge schehen ist. Jetzt konnten sie in der Erde drinnen bleiben, weil sie mit einander auf der Erde herumwandeln können. Und jetzt entstand statt des einen Menschen das Menschengeschlecht, weil die Menschen klein blieben.
Ja, meine Herren, wahr ist es: Wir stammen alle von einem Men schen ab! Das ist ja auch schließlich begreiflich, nicht wahr. Aber dieser eine Mensch war nicht so ein kleiner Erdenfloh, wie jetzt die Menschen sind, sondern er war die Erde selber. Nur, als die Sonne herausging, da ist auf der einen Seite die Erde abgestorben, und da krochen die Tiere heraus, wie jetzt auch noch die Tiere herauskriechen, wenn etwas ab-gestorben ist. Und auf der anderen Seite blieben noch die Kräfte zu rück. Nur wurden sie jetzt nicht von innen durch die Sonne angeregt, sondern von außen, und der Mensch wurde klein und konnte zu vielen Menschen werden.
Dadurch also, daß die Sonne von außen wirkt, läßt sie den Menschen klein. Das kann Ihnen ja auch ganz gut begreiflich sein. Denn denken Sie nur einmal, wenn das die Erde ist - ich will die Erde jetzt

[185]

ganz klein zeichnen - und früher die Sonne das war, wo die Erde also drinnensteckte, da straMten ja alle Kräfte so heraus, und wenn sich die Erde bewegte, da ging ja immer die Sonne mit; es war ja eines und das selbe (Zeichnung links). Jetzt, da die Sonne heraußen ist, ist die Geschichte

[Bild GA 347 185]

so: Da ist ja die Sonne und da die Erde, die geht um die Sonne herum. Wenn die Erde da ist, dann kriegt sie diese Strahlen; wenn sie dort ist, kriegt sie jene Strahlen (Zeichnung rechts). Sie sehen nur immer eine kleine Parzelle von Strahlen. Wenn die Sonne draußen ist, kriegt die Erde nur noch wenige Strahlen. Als die Sonne noch in der Erde war, kam noch immer von innen heraus die ganze Wirkung der Sonne. Kein Wunder, daß wenn die Sonne so herumkreist, sie auf jedem einzelnen Punkt der Erde einen Menschen beleuchten kann, während sie früher, als sie drinnen war und vom Mittelpunkt ausstrahlen mußte, nur einen Menschen bestrahlen konnte. Als die Sonne anfing, vom Umkreis her zu wirken, da verkleinerte sie den Menschen.
Es ist schon interessant, wirklich interessant, daß nicht nur die asia tischen Gelehrten, als schon längst das Alte Testament mißverstanden wurde und so ausgelegt wurde, wie es später ausgelegt worden ist, noch von dem Adam Kadmon geredet haben, der eigentlich ein Mensch ist, der die ganze Erde ist, sondern die Vorfahren der jetzigen mitteleuro päischen Menschen, die überall sind, in der Schweiz, in Deutschland, die haben eine Sage gehabt, in der gesagt wurde: Die Erde war einmal ein Riesenmensch, der Riese Ymir. Und die Erde ist befruchtet worden.
Also sie haben so geredet von der Erde, wie man heute von einem Menschen reden muß. Und das ist natürlich später nicht mehr verstan den worden, weil an die Stelle dieser ja allerdings bildhaften, richtigen

[186]

Sagenbilder - sie sind ja furchtbar wahr -, weil an die Stelle dieser wahren Bilder die falsche lateinische Auslegung des Alten Testaments getreten ist. Also die alten Germanen hier in Europa - es war ja bild lich, wie wenn sie geträumt hätten, aber der Traum war viel richtiger als später, wo man das Alte Testament mißverstand und statt von der ganzen Erde, von dem Adam Kadmon zu reden, von dem kleinen Adam redete - hatten noch eine alte, allerdings bloß traumhafte bildliche Wissenschaft.
Ja, sehen Sie, man bekommt schon einen Riesenrespekt vor dem, was einmal ausgerottet worden ist an alter, allerdings bloß traumhafter bildlicher Wissenschaft. Aber die war da, und die ist ausgerottet wor den. Es braucht einen nicht zu wundern. In einer bestimmten Zeit kam eben diese allgemeine Ausrottung. Und wenn ich Ihnen erzählen würde, was zum Beispiel in Kleinasien, in Vorderasien, in Nordafrika, in Süd europa, in Griechenland, Italien einmal vorhanden war - ja, meine Herren, im 1., 2., 3.Jahrhundert, da es schon das Christentum gegeben hat, da konnten Sie überall, wenn Sie in Asien oder Afrika auf dem Acker gingen, merkwürdige Statuen finden; die waren überall da. Und in diesen Statuen drückten die Menschen, die noch nicht lesen und schreiben konnten, aus, wie es einmal war auf der Erde. Aus diesen Statuen hätte man studieren können, wie das einmal war auf der Erde. Es war in der Form, in der Bildhauerei ausgedrückt, daß einmal die Erde ein lebendiges Wesen war.
Und dann haben die Leute eben diese Rage, diese Wut gekriegt, und es ist in kurzer Zeit all das, was an solchen Statuen vorhanden war, einfach weggemacht worden. Es ist ja riesig viel zerstört worden, woraus man riesig viel hätte entnehmen können. Dasjenige, was heute noch gefunden wird von alten Denkmälern, das ist ja das wenigst wichtige, denn in den ersten Jahrhunderten, da hat man gut gewußt, welches das Wichtigere ist. Das hat man wegrasiert.
Also das ist schon so, daß die Menschheit einmal ein wunderbares Wissen gehabt hat; aber sie haben das eben geträumt, diese Menschen. Und sehen Sie, das ist eine außerordentlich interessante Tatsache, daß einmal die Menschen, statt daß sie nachgedacht haben - was sie heute müssen -, eigentlich geträumt haben auf der Erde. Sie haben es eigentlich

[187]

mehr in der Nacht gemacht als beim Tage. Denn alles das, was Sie von der älteren Menschenweisheit erfahren, ist durchsetzt davon, daß man sieht: Diese Menschen haben in der Nacht viel beobachtet. Die Hirten auf dem Felde haben in der Nacht viel beobachtet. Und diese alte Weisheit war bei den Deutschen also vorhanden, bei den Ger­manen, indem sie von einem riesigen Menschen geredet haben. Und nachher gab es auch noch einen riesigen Menschen. Der Mensch ist wirklich nicht auf einmal kleiner geworden. Und zuletzt ist er eben so geworden, wie die Menschen jetzt sind.
Von dem Punkte aus, meine Herren, wollen wir, wenn ich wieder einmal bei Ihnen sein kann, weiterreden. Sie sehen, solch eine Frage gibt immer die Anregung, über recht vieles zu reden. Ich muß jetzt wiederum nach Deutschland reisen, nach Stuttgart. Danach können wir ja weiterreden. Bereiten Sie inzwischen recht schöne Fragen vor Ich werde Ihnen dann sagen, wann die nächste Stunde ist.