Der Blaue Reiter

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Dieser Artikel behandelt die Redaktion der von Wassily Kandinsky und Franz Marc organisierten Ausstellungen von 1911 und 1912 und des Almanachs Der Blaue Reiter. Für die Philosophiezeitschrift siehe Der blaue Reiter (Zeitschrift).
Franz Marc: Der Turm der blauen Pferde, 1913. Das Gemälde ist seit 1945 verschollen.

Der Blaue Reiter ist eine Bezeichnung von Wassily Kandinsky und Franz Marc für ihre Ausstellungs- und Publikationstätigkeit, bei der beide Künstler in dem erstmals Mitte Mai 1912 herausgegebenen gleichnamigen Almanach als alleinige Herausgeber fungierten.[1] Das Redaktionsteam organisierte in den Jahren 1911 und 1912 zwei Ausstellungen in München, um seine kunsttheoretischen Vorstellungen anhand der ausgestellten Kunstwerke zu belegen.[2] Es folgten Wanderausstellungen in deutschen und anderen europäischen Städten. Der Blaue Reiter löste sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 auf.

Die im Umfeld des Blauen Reiters tätigen Künstler waren wichtige Wegbereiter der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts; sie bildeten ein lockeres Beziehungsnetz, aber keine Künstlergruppe im engeren Sinne wie die Brücke in Dresden. Das Werk der angeschlossenen Künstler wird dem deutschen Expressionismus zugeordnet.

Zur Geschichte siehe auch

Rezeption

Einflüsse des Blauen Reiters

Paul Klee lehrte ab 1921 und Wassily Kandinsky ab 1922 am Bauhaus in Weimar und später in Dessau. Ferner bildeten mit Kandinsky, Klee und Alexej von Jawlensky drei der am Blauen Reiter beteiligten Künstler zusammen mit Lyonel Feininger unter der Regie von Galka Scheyer 1924 die Ausstellungsgruppe Die Blaue Vier – eine Reminiszenz an den Blauen Reiter – in Weimar, die Scheyer hauptsächlich in den USA vertrat.[3]

München als Ort der Avantgarde in der modernen Kunst endete mit der Auflösung des Blauen Reiters. Seine Ideen gerieten in Vergessenheit, und in der Zeit des Nationalsozialismus wurden zahlreiche Werke ihrer Künstler als „entartet“ verunglimpft, zerstört oder ins Ausland verkauft. Der Verkauf hatte eine sicher nicht beabsichtigte Folge: Die Bilder des Blauen Reiter wurden der internationalen Öffentlichkeit bekannt und die Konzepte der Künstler nach 1945 eher im Ausland als in Deutschland rezipiert. Künstler aus Dänemark, Belgien und den Niederlanden wie Asger Jorn oder die Gruppe CoBrA setzten Ideen von Kandinsky und Marc fort.[4]

Erst im Jahr 1949 zeigte das Münchner Haus der Kunst unter der Leitung von Ludwig Grote in der Ausstellung „Der Blaue Reiter. München und die Kunst des 20. Jahrhunderts. Der Weg von 1908–1914“ Werke der beteiligten Künstler. Gabriele Münter war Mitglied des Ehrenausschusses und konnte der Wiederentdeckung der abstrakten Malerei beiwohnen, die Kandinsky konsequent weitergeführt hatte. Sie gehörte unter vielen anderen Sammlern zu den Leihgebern der Exponate wie auch die Künstlerwitwen Nina Kandinsky und Sonia Delaunay. Bilder aus der Sammlung von Hildebrand Gurlitt, Hitlers ehemaligem Kunsthändler, waren ebenfalls vertreten. Veranstalter waren die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die Münchner Städtische Galerie sowie die „Cultural Affairs Branch'“, eine für den Kulturaustausch zuständige Abteilung der amerikanischen Besatzungsbehörde.[5] Parallel zu dieser Gedächtnisausstellung zeigte die Galerie Stangl vom 30. August 1949 an die Ausstellung Franz Marc. Aquarelle und Zeichnungen, zu der ein Katalog mit einem Vorwort von Klaus Lankheit erschien.[6][7]

Der Blaue Reiter gehört nach heutiger Ansicht zu den wichtigsten Stationen der Klassischen Moderne.

Der Blaue Reiter im Lenbachhaus

Das Lenbachhaus, Gartenansicht 2013

Nach der Trennung Wassily Kandinskys von Gabriele Münter hatte sich in den 1920er Jahren ein Rechtsstreit um die Eigentumsverhältnisse an dessen Murnauer Bildern entwickelt, der 1926 weitgehend zugunsten Münters ausging. Während der Zeit des Nationalsozialismus verbarg sie viele Bilder Kandinskys und die anderer Mitglieder des Blauen Reiters im Keller ihres Hauses. Anlässlich ihres 80. Geburtstags vermachte sie im Jahr 1957 einen großen Teil ihres Nachlasses der Stadt München. Darunter befanden sich 25 eigene Gemälde, 90 Ölbilder Kandinskys sowie mehr als 300 seiner Aquarelle, Temperablätter, Hinterglasbilder und Zeichnungen.[8] Münter schuf damit die Voraussetzung, dass Der Blaue Reiter in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München repräsentativ vertreten ist. 1965 kam zu der Schenkung Münters die Bernhard und Elly Koehler Stiftung hinzu, die den Bestand insbesondere mit Bildern von Franz Marc und August Macke ergänzte.[9] Da das Lenbachhaus für längere Zeit wegen Renovierungsarbeiten bis zum Frühjahr 2013 geschlossen war, wurden viele Werke der Künstler des Blauen Reiters anderen Ausstellungen zur Verfügung gestellt. Seit dem 7. Mai 2013, dem Tag der Neueröffnung, werden sie den Besuchern bei Tageslicht gezeigt.[10]

Das Blaue Jahr 2011

Briefmarke der Deutschen Post aus dem Jahr 2012 mit Marcs Motiv Blaues Pferd I

Der Freistaat Bayern feierte im Jahr 2011 zwei Jubiläen, den 125. Todestag des „Märchenkönigs“ Ludwig II. und zugleich den 100. Geburtstag des Blauen Reiters. Viele Ausstellungen in Museen zeigten in Sonderschauen die Werke der beteiligten Künstler, beispielsweise das Schloßmuseum Murnau, das Franz Marc Museum in Kochel am See, das Buchheim Museum in Bernried und das Stadtmuseum Penzberg.[11]

Die Deutsche Post AG gab zum 100. Jahrestag eine Sondermarke im Wert von 145 Eurocent heraus. Ausgabetag war der 9. Februar 2012. Die Briefmarke zeigt das Werk Blaues Pferd I aus dem Jahr 1911 von Franz Marc, der Entwurf stammt von der Kommunikationsdesignerin Nina Clausing aus Wuppertal.[12]

Künstler im Umfeld des Blauen Reiters

  • Paul Klee fühlte sich dem Blauen Reiter sehr verbunden, hatte jedoch keine führende Rolle in der Gruppe, zumal er seinen künstlerischen Schwerpunkt zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefunden hatte. Er beteiligte sich jedoch an den Ausstellungen und erhielt wichtige Impulse für sein späteres Werk.[13]
  • Robert Delaunay war der Gruppe verbunden und der erfolgreichste Künstler der ersten Ausstellung des Blauen Reiters.
  • Hanns Bolz zählte während seiner Münchener Zeit zum engeren Freundeskreis des Blauen Reiter und war Hauptillustrator der Satirezeitschrift Komet (1911/12).
  • Wilhelm Morgner beteiligte sich an mehreren Ausstellungen der Secession in Berlin und des Blauen Reiter in München.

Werke (Auswahl)

  • Albert Bloch: Kopf, 1911
  • Robert Delaunay: Fenêtre sur la ville, 1914
  • Alexej von Jawlensky: Die Spanierin, 1913
  • August Macke: Der Sturm, 1911
  • August Macke: Indianer auf Pferden, 1911
  • August Macke: Zoologischer Garten I, 1913
  • Franz Marc: Reh im Wald I, 1911
  • Franz Marc: Affenfries, 1911
  • Franz Marc: Die gelbe Kuh, 1911
  • Wassily Kandinsky: Impression IV (Gendarme), 1911
  • Wassily Kandinsky: Komposition V/Das Jüngste Gericht, 1911
  • Wassily Kandinsky: Mit Sonne (1911)
  • Gabriele Münter: Kandinsky und Erma Bossi am Tisch, 1912 Abb.
  • Arnold Schönberg: Selbstporträt (von hinten), 1911 Abb.

Siehe auch

Literatur

  • Wassily Kandinsky, Franz Marc: Der Blaue Reiter. Originalausgabe 1912. Kommentierte Neuausgabe von Klaus Lankheit, Piper, München 2004, ISBN 3-492-24121-2.
  • Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst. Insbesondere in der Malerei. Originalausgabe 1912. Revidierte Neuauflage, Benteli Verlag Bern 2004, ISBN 3-7165-1326-1.
  • Die Zweite Ausstellung der Redaktion Der Blaue Reiter Schwarz-Weiss. Ausgestellt durch Hans Goltz/Kunsthandlung München/Briennerstraße 8. Hans Goltz u. Putze Nachfolger, München, Druck: F. Bruckmann A.-G., München, 1912.

Sekundärliteratur

  • Die blaue Reiterei stürmt voran. Bildquellen für den Almanach Der Blaue Reiter. Die Sammlung von Wassily Kandinsky und Gabriele Münter. Herausgegeben von Helmut Friedel und Isabelle Jansen, Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München anlässlich der Ausstellung Die blaue Reiterei stürmt voran vom 10. Mai 2012 bis Herbst 2013 im Münter-Haus in Murnau. München 2012, ISBN 978-3-9815164-0-1.
  • Sybille Engels/Cornelia Trischberger: Der Blaue Reiter. Die Künstler, ihr Leben, ihre Zeit. Prestel, München 2014, ISBN 978-3-7913-8127-5.
  • Bernd Fäthke, Annegret Hoberg, Brigitte Salmen (Bearb.): Kandinsky, Münter, Jawlensky, Werefkin im Murnau, Murnau 2008, ISBN 978-3-932276-29-3.
  • Bernd Fäthke: Marianne Werefkin – „des blauen Reiterreiterin“. In: Ausstellungskatalog Marianne Werefkin, Vom Blauen Reiter zum Großen Bären, Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen 2014, S. 24 ff.
  • Helmut Friedel, Annegret Hoberg: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel, München 2000, ISBN 3-7913-2214-1; Auflage 2004 unter der ISBN 978-3-7913-6016-4; Auflage 2013 unter der ISBN 978-3-7913-5311-1.
  • Norbert Göttler: Der Blaue Reiter. Rowohlt, Reinbek 2008, ISBN 978-3-499-50607-9.
  • Annegret Hoberg, Helmut Friedel (Hrsg.): Der Blaue Reiter und das Neue Bild, Von der „Neuen Künstlervereinigung München“ zum „Blauen Reiter“, Ausstellungskatalog, Städtische Galerie im Lenbachhaus, Prestel, München 1999, ISBN 3-7913-2065-3.
  • Eckhard Hollmann: Der Blaue Reiter. Auf den Spuren der Künstlergruppe. Prestel, München 2011, ISBN 978-3-7913-4527-7
  • Christine Hopfengart: Der Blaue Reiter, DuMont, Köln 2000, ISBN 3-7701-5310-3.
  • Jessica Horsley: Der Almanach des Blauen Reiters als Gesamtkunstwerk: eine interdisziplinäre Untersuchung, Lang, Frankfurt am Main; Berlin; Bern; Bruxelles; New York; Oxford; Wien 2006, ISBN 978-3-631-54943-8 (Dissertation Uni Tübingen 2004, 493 Seiten).
  • Brigitte Lühl-Wiese: Georg Trakl – der Blaue Reiter: Form- und Farbstruktur in Dichtung und Malerei des Expressionismus, Münster 1963 DNB 481959858 (Dissertation Westfälische Wilhelms-Universität, Philosophische Fakultät, 19. Juli 1963, 192 Seiten).
  • Magdalena M. Moeller: Der Blaue Reiter. DuMont Buchverlag, Köln 1987, ISBN 3-7701-2128-7.
  • Magdalena M. Moeller (Hrsg.): Der Blaue Reiter und seine Künstler, Ausstellungskatalog Brücke-Museum Berlin, 3. Oktober 1998 bis 3. Januar 1999; Kunsthalle Tübingen, 16. Januar bis 28. März 1999, Hirmer, München 1998, ISBN 978-3-7774-7960-6.
  • Susanna Partsch: Marc. 9. Auflage, Taschen Verlag, Köln 2009, ISBN 3-8228-5585-5.
  • Birgit Poppe: Ich bin Ich. Die Frauen des Blauen Reiter. Dumont, Köln 2011, ISBN 978-3-8321-9359-1.
  • Volker Rattemeyer (Hrsg.): Das Geistige in der Kunst. Vom Blauen Reiter zum Abstrakten Expressionismus. Museum Wiesbaden, Wiesbaden 2010, mit Texten von Herbert Beck, Volker Rattemeyer, Annegret Hoberg, Jelena Hahl-Fontaine, Renate Petzinger, Jörg Daur und anderen, ISBN 978-3-89258-088-1.
  • Brigitte Roßbeck: Marianne von Werefkin. Die Russin aus dem Kreis des Blauen Reiters. Siedler, München 2010, ISBN 978-3-88680-913-4.
  • Brigitte Salmen (Hrsg.): Der Almanach „Der Blaue Reiter“. Bilder und Bildwerke in Originalen. Murnau 1998, ISBN 3-932276-03-5.
  • Sabine Windecker: Gabriele Münter. Eine Künstlerin aus dem Kreis des ‚Blauen Reiter‘, 1991, Reimer, Berlin 1991, ISBN 3-496-01080-0.

Weblinks

Commons: Der Blaue Reiter - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikisource: Der Blaue Reiter – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Klaus Lankheit: Der Blaue Reiter. Herausgegeben von Wassily Kandinsky und Franz Marc, Dokumentarische Neuausgabe, München /Zürich 1984, S. 15 und S. 253 ff.
  2. Dietmar Elger: Expressionismus, S. 141
  3. Wassily Kandinsky, Franz Marc: Der Blaue Reiter. Dokumentarische Neuausgabe von Klaus Lankheit, Piper, München 2004, S. 300
  4. Norbert Göttler: Der Blaue Reiter. S. 135 f.
  5. Julia Voss: Raubkunst: Ablasshandel mit der Moderne, faz.net, 27. November 2013, abgerufen am 1. März 2015
  6. Beate Ofczarek, Stefan Frey: Chronologie einer Freundschaft. In: Michael Baumgartner, Cathrin Klingsöhr-Leroy, Katja Schneider (Hrsg.): Franz Marc. Paul Klee. Dialog in Bildern, S. 225 f.
  7. Norbert Göttler: Der Blaue Reiter. S. 10 ff., 125
  8. Norbert Göttler: Der Blaue Reiter, S. 127–130
  9. Helmut Friedel, Annegret Hoberg: Der Blaue Reiter im Lenbachhaus München. Prestel, München 2013, S. 7
  10. Der Blaue Reiter erstrahlt in neuem Licht, focus.de, abgerufen am 7. Mai 2013
  11. Hier feiert man das Blaue Jahr, br.de, abgerufen am 19. März 2015
  12. 100 Jahre Der Blaue Reiter, philatelie.deutschepost.de, abgerufen am 15. Mai 2012
  13. Magdalena M. Moeller: Der Blaue Reiter, S. 47


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