Franz Hartmann und Vier Temperamente: Unterschied zwischen den Seiten

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Dr. '''Franz Hartmann''' (* [[22. November]] [[1838]] in [[Donauwörth]], [[Bayern]]; † [[7. August]] [[1912]] in [[Kempten im Allgäu]]) war ein deutscher [[Theosophie|Theosoph]], [[Freimaurerei|Freimaurer]], [[Rosenkreuzer]] und Autor von [[Esoterik|esoterischen]] Werken.  
Die '''vier Temperamente''' ([[Latein|lat.]] ''temperamentum'' „das richtige Maß, die richtige Mischung“, von [[Latein|lat.]] ''temperare'' „mäßigen, mischen“; im 16. Jahrhundert im Sinne von „ausgeglichenes Mischungsverhältnis“ in der Pharmazie verwendet), bestimmen die die mehr oder weniger ''dauerhafte'' Grundgestimmtheit oder [[Gemüt]]sart des [[Mensch]]en. Grundsätzlich verfügt ''jeder'' Mensch über ''alle vier'' Temperamente, die ganz individuell auf die vielfältigste Weise gemischt sind. Im Idealfall sind alle vier Temperamente im harmonischen Gleichgewicht, in der Regel gibt es aber Akzentverschiebungen, durch die meist ein Temperamente stärker hervorsticht, die zwei benachbarten mitschwingen und das vierte, gegensätzliche in den Hintergrund tritt.


== Leben ==
== Temperamente und Ätherleib ==
=== Kindheit und Jugend ===
Franz Hartmann wurde am 22. November 1838 in Donauwörth als Sohn von ''Karl Hartmann'' und dessen Frau ''Elise von Stack'' geboren. Kurz nach seiner Geburt übersiedelte die Familie nach Kempten im Allgäu, da der Vater, ein [[Allgemeinmedizin|praktischer Arzt]], dort eine Stelle als königlich bayerischer [[Gerichtsarzt]] angenommen hatte. Nach seiner Kindheit, Jugend und Schulbesuch in Kempten, meldete er sich 1859 als Freiwilliger zur [[Bayerische Armee|bayerischen Armee]] beim 1. Königlich-bayerischen-[[Artillerie]]regiment in [[Würzburg]]. Doch bereits ein Jahr später quittierte er den Dienst beim Militär und begann sich an der [[Ludwig-Maximilians-Universität München|Ludwig-Maximilians-Universität]] in [[München]] auf sein [[Staatsexamen]] vorzubereiten. Nach der Prüfung 1862 begann er mit dem Studium der [[Pharmakologie]], um [[Apotheker]] zu werden.


=== Erfahrungen in den USA ===
Anders als augenblickliche [[Emotion]]en oder [[Gefühl]]e, haben die Temperamente ihren Sitz im [[Ätherleib]]. Von hier aus wirken sie aber teilweise bis in die ''äußere'' [[Gestalt]]ung des [[Physischer Leib|physischen Leibes]] hinein, anderseits spiegeln sie sich in ''inneren'' Erlebnissen des [[Astralleib]]s bzw. der [[Seelische Wesensglieder|seelischen Wesensglieder]] wider.
Noch vor Abschluss seines Studiums machte Hartmann 1865 eine Ferienreise nach [[Frankreich]] und, als ihm in [[Le Havre]] die Stelle eines [[Schiffsarzt]]es auf einem [[USA|US-amerikanischen]] [[Frachtschiff|Paketboot]] angeboten wurde, sagte er aus purer Abenteuerlust zu. So gelangte er in die USA, wo er sich schließlich in [[Saint Louis]] niederließ. Hier beendete er sein Studium, praktizierte als [[Augenheilkunde|Augenarzt]] und erwarb die amerikanische [[Staatsbürgerschaft]]. 1870 wurde ihm das ruhige Leben dort zu langweilig, er gab seine gut gehende Praxis auf und begann eine ausgedehnte Reisetätigkeit. In [[Mexiko]] lebte er einige Zeit in [[Córdoba (Veracruz)|Córdoba]] und [[Orizaba]], studierte die [[Indianer|indianische]] Kultur bei verschiedenen Stämmen und praktizierte 1871 wieder als Arzt in [[New Orleans]]. 1872 ließ er sich im US-[[Bundesstaat]] [[Texas]] nieder, kaufte eine Farm und heiratete. Doch bereits sieben Monate später starb seine Frau, woraufhin Hartmann die Farm wieder verkaufte und erneut zu reisen begann. Kreuz und quer durchstreifte er die USA, lernte bei Indianern, untersuchte zahlreiche [[Parapsychologie|parapsychologische]] Phänomene und beschäftigte sich mit den Anschauungen verschiedenster Religionen bis er 1879 in [[Georgetown (Colorado)|Georgetown]] im Bundesstaat [[Colorado]] wieder als Arzt praktizierte. 1882 wurde Hartmann dort zum [[Gerichtsarzt]] bestellt. Hier trat er auch der [[Alte Freie und Angenommene Maurer|AFAM]]-[[Freimaurerloge]] ''Georgetown No. 12'' bei.


=== Der Theosoph ===
{{GZ|Diese vier Temperamente drücken sich im Ätherleib aus. Es gibt also vier verschiedene Hauptarten von Ätherleibern. Diese haben wiederum verschiedene Strömungen und Bewegungen, die sich in einer bestimmten Grundfarbe im [[Astralleib]] ausdrücken. Das ist nicht etwa vom Astralleib abhängig, es zeigt sich nur darin.|95|64}}
==== In den USA und Indien ====
Infolge seiner [[Esoterik|esoterischen]] Interessen lernte er 1882 [[Helena Blavatsky]]s Buch [[Isis entschleiert]] kennen und schätzen, und, nach einem weiteren Umzug nach New Orleans, wurde er Anfang 1883 Mitglied der dortigen Loge der [[Theosophische Gesellschaft|Theosophischen Gesellschaft]] (TG). Dem Wunsch folgend, Blavatsky persönlich kennen zu lernen, suchte Hartmann brieflichen Kontakt mit ihr und daraus folgend dann auch mit [[Henry Steel Olcott]]. Von diesem wurde er eingeladen, nach [[Indien]], ins Hauptquartier der TG, nach [[Adyar]] bei [[Madras]] zu kommen. Am 11. Oktober 1883 schiffte er sich in [[San Francisco]] ein und, nach Zwischenstopps in [[Japan]] und [[China]], erreichte er am 4. Dezember Madras. Dem Beispiel einiger führenden Theosophen in Adyar folgend, trat Hartmann am 26. Dezember 1883 zum [[Buddhismus]] über. Innerhalb kürzester Zeit wurde er engster Vertrauter von Blavatsky, Olcott sowie [[Subba Row]] und schließlich administrativer Leiter der TG-Zentrale. Hartmann setzte sich intensiv mit den Lehren der [[Theosophie]] auseinander, vertiefte sich in die Philosophie von Buddhismus und [[Hinduismus]] und beschäftigte sich mit den verschiedenen Ausprägungen des [[Yoga]]. Während Blavatsky, die Hartmann gerne „dirty Franz“ nannte, und Olcott von Februar bis Dezember 1884 auf einer Europareise von Adyar abwesend waren, begann die umstrittene [[Coulomb-Affäre]] Wellen zu schlagen, diese zog sowohl den Ruf Blavatskys als auch der TG in Mitleidenschaft. Hartmann, als Mitglied des Kontrollrates der TG in Adyar, versuchte Blavatsky zu verteidigen, kam dadurch in Konflikt mit den aufgebrachten Anhängern der TG und der durch den Bericht ungünstig beeinflussten öffentlichen Meinung. Dies torpedierte die Ausübung der leitenden Funktion Hartmann's bei der Adyar-TG und machte seinen weiteren Aufenthalt in Indien unmöglich. Gemeinsam mit Blavatsky, deren Bleiben in Indien durch diese Vorfälle ebenfalls nicht mehr erwünscht war, verließ er im Frühjahr 1885 das Land (zwischen 26. März und 7. April, es gibt unterschiedliche Angaben über den Abreisetermin), um nie mehr dorthin zurückzukehren. In [[Neapel]] angekommen, trennte er sich nach einigen Tagen endgültig, doch in bestem Einvernehmen, von Blavatsky, um nach [[Kempten im Allgäu|Kempten]] zu fahren, wo er am 20. Mai 1885 eintraf.


==== In Deutschland ====
== Temperamente und Elemente ==
In diesem Jahr 1885 trat er der theosophischen [[Loge Germania]] bei, diese zeigte jedoch, durch den mittlerweile auch in Deutschland bekannt gewordene [[Coulomb-Affäre]], bereits ernste Auflösungserscheinungen und war dadurch nicht mehr in der Lage, die theosophische Idee wirksam zu verbreiten. So reifte in Hartmann der Gedanke, eine „neue“ deutsche TG zu gründen. Diese sollte unbelastet vom ruinierten Ruf der Adyar-TG entstehen, und durch [[Katherine Tingley]], die designierte Präsidentin der [[Theosophische Gesellschaft in Amerika|Theosophischen Gesellschaft in Amerika]] bot sich ihm 1896 diese Gelegenheit. Tingley besuchte in diesem Jahr auf ihrer Werbe-Weltreise für die (amerikanische) Theosophie auch Deutschland. Schon vorher hatte Hartmann [[Paul Raatz]] kennengelernt, und unter dessen Führung wurde am 24. Juni 1896 in [[Berlin]] die [[Theosophische Gesellschaft in Europa (Deutschland)]] (TGE) gegründet. Auf der ersten Hauptversammlung am 30. August 1896 wurde Hartmann unter Anwesenheit von Katherine Tingley, zum Präsidenten der neuen Gesellschaft gewählt, [[Theodor Reuss]] wurde Vizepräsident. Nach gut einem Jahr, am 3. September 1897, trennte sich Hartmann jedoch wieder von der TGE, um am selben Tag in [[München]] die [[Internationale Theosophische Verbrüderung]] (I.T.V.) zu gründen. Diese sollte als übergeordnete Organisation alle theosophischen Logen vereinigen. Hartmann war ein Jahr lang selbst Präsident der I.T.V., dann übergab er 1898 dieses Amt an [[Hermann Rudolph]] (1865-1946). Unter dem Dach der I.T.V. gründete Hartmann 1898 in [[Leipzig]] die [[Theosophische Gesellschaft in Deutschland]] (TGD), deren Mitglieder in Folge oft als „Hartmannianer“ bezeichnet wurden, da deren theosophische Richtung von ihrem Gründer geprägt war. Diese Gesellschaft besteht bis heute (2005).
[[Datei:Bild 268xyz.jpg||mini|hochkant=1.6|Die anthroposophische-galensche Lehre der vier Elemente und der vier Temperamente]]


==== In Österreich ====
Nach [[Hippokrates von Kós]] (460-375 v. Chr.), der die ''Temperamentenlehre'' erstmals ''exoterisch'' formuliert hat, werden vier Temperamente unterschieden, die den [[Elemente|vier Elementen]] entsprechen:
Hartmann kannte seit Mitte der 1880-er-Jahre den vielseitig gebildeten und [[Esoterik|esoterisch]] interessierten [[Friedrich Eckstein]] in [[Wien]], dieser hatte die Theosophie bereits früher kennengelernt und war 1884 mit Blavatsky und Olcott in [[England]] zusammengetroffen. Hartmann fand hier einen Geistesverwandten und machte ihn, und später auch seine Frau [[Bertha Diener]], neben der Theosophie mit verschiedenen [[Yoga]]techniken bekannt. Eckstein wiederum war eng mit [[Sigmund Freud]] befreundet, der auf diese Weise die Theosophie und Yoga kennenlernte. Zu Eckstein's Bekanntenkreis gehörte auch der zu dieser Zeit in Wien studierende [[Rudolf Steiner]], der durch diese Quelle erstmals mit der Theosophie in Berührung kam. Eckstein, bekannt mit zahlreichen „Größen“ der Zeit um die Jahrhundertwende (19./20.), vermittelte dieses theosophische Gedankengut auch u.a. an [[Anton Bruckner]], [[Hugo von Hofmannsthal]], [[Karl Kraus]], [[Adolf Loos]], [[Robert Musil]], [[Rainer Maria Rilke]], [[Felix Salten]], [[Arthur Schnitzler]], [[Franz Werfel]], [[Hugo Wolf]] und [[Leo Trotzki]].
Als Eckstein, durch eine von [[Helena Blavatsky]] 1886 ausgestellte Stiftungsurkunde ermächtigt, eine ''Wiener Theosophische Gesellschaft'' gründete, wurde Hartmann als Präsident gewählt. In dieser Loge verkehrte auch Rudolf Steiner, besonders angezogen durch das TG-Mitglied [[Marie Lang]].


1903 kam Hartmann über die okkulte Zeitschrift ''Gnosis'' (1904 mit [[Rudolf Steiner]]s Zeitschrift ''Luzifer'' zur [[Lucifer-Gnosis]] vereinigt), in Kontakt mit [[Guido von List]], welcher dort einen Artikel über die „arische Ursprache“ veröffentlicht hatte. Hartmann stellte den Kontakt zur Wiener- und zur deutschen-TG (TGD) her und machte List mit der Theosophie bekannt. List, ein [[Vordenker des Nationalsozialismus]], übernahm aus dieser Beziehung u.a. die [[Wurzelrassenhypothese]] von [[Helena Blavatsky]] und gebrauchte sie für seine [[Ariosophie]]. Aus dieser Bekanntschaft entwickelte Hartmann zumindest ein Naheverhältnis zur [[Guido-von-List-Gesellschaft]]. In diesem Zusammenhang stehen auch die Kontakte Hartmanns zum 1907 von [[Jörg Lanz von Liebenfels]] gegründeten ''Ordo Novi Templi''.
<div style="margin-left:50px">
* [[Choleriker]] ([[Feuer]])
* [[Sanguiniker]] ([[Luft]])
* [[Phlegmatiker]] ([[Wasser]])
* [[Melancholiker]] ([[Erde (Element)|Erde]])
</div>


[[Karl Kellner (Okkultist)|Karl Kellner]], ein Wiener Papier-Industrieller, kam durch Hartmann mit der Theosophie und Yoga in Berührung. Zusammen entwickelten sie in den 1890-er-Jahren das ''Lignosulfit-Inhalationsverfahren'' gegen [[Keuchhusten]] und [[Tuberkulose]]. Hartmann konnte, durch Vermittlung Kellners, eine gut bezahlte Anstellung im ''Sanatorium Lahmann'', im österreichischen [[Hallein]], bekommen, wo er dieses Verfahren mit Erfolg u.a. an [[Gustav Meyrink]] anwandte. Für Hartmann, der die meiste Zeit seines Lebens unter chronischem Geldmangel litt, war diese Stelle vor allem in finanzieller Hinsicht interessant, sicherte diese ihm doch ein regelmäßiges Einkommen. 1895 war Kellner im [[USA|US-amerikanischen]] [[Chicago]] Mitbegründer des [[Hermetik|hermetischen]] Ordens [[Hermetic Brotherhood of Light|Hermetische Bruderschaft des Lichts]]. Als Ableger dieser Organisation riefen Kellner, Hartmann und [[Heinrich Klein]] im selben Jahr in Wien eine geheime und eher lose zusammenhängende Gruppe ins Leben. Aus dieser ging 1903 der nun offiziell gegründete [[Ordo Templi Orientis]] (OTO) mit Hartmann als Mitbegründer hervor. Doch bereits ein Jahr später, etwa ab 1904, begann sich Hartmann, wegen des zunehmenden Einflusses von [[Theodor Reuss]], davon zu distanzieren. Der Grund war, dass sich das von Hartmann propagierte [[Raja-Yoga]] im OTO nicht durchsetzte, vielmehr bald das von Reuss favorisierte [[Hatha-Yoga|Hatha-]] und [[Kundalini|Kundalini-Yoga]], vermischt mit [[Freimaurerei|freimaurerischen]] Elementen, dominierte.
{{GZ|Es steht nun in einer geheimnisvollen Verwandtschaft mit den vier Elementen der elementarischen
Welt dasjenige im Menschen, was man seine Temperamente nennt,
und zwar so, daß eine Verwandtschaft besteht zwischen dem melancholischen Temperament
und dem Elemente der Erde, zwischen dem phlegmatischen Temperament
und dem Elemente des Wassers, zwischen dem sanguinischen Temperament
und dem Elemente der Luft, und zwischen dem cholerischen Temperament und
dem Elemente des Feuers. Diese Verwandtschaft kommt im Erleben der elementarischen
Welt so zum Ausdruck, daß in der Tat zum Beispiel der cholerische Mensch
mehr Neigung hat, mit den im Feuer in der elementarischen Welt lebenden Wesenheiten
und Tatsachen zusammenzuwachsen als mit den in den anderen Elementen
lebenden Wesenheiten. Der Sanguiniker hat wiederum mehr die Neigung, mit den
im Element der Luft auftretenden Wesenheiten zusammenzuwachsen, der Phlegmatiker
mit den im Wasser und der Melancholiker mit den in der Erde auftretenden Tatsachen
und Wesenheiten. So kommt man in eine gewisse Abhängigkeit in dem Augenblicke,
in dem man durch wirkliches Erleben die elementarische Welt betritt.
Und Sie können sich daraus leicht die Vorstellung bilden, daß die verschiedensten
Menschen Ihnen im Grunde genommen das Verschiedenste erzählen können von
der elementarischen Welt und daß eigentlich keiner so ganz unrecht zu haben
braucht, wenn er verschieden von einem andern seine eigenen Erlebnisse in dieser
Welt schildert. Daher brauchen Sie sich gar nicht zu verwundern, wenn die Schilderungen
gewisser niederer [[Hellseher]] in bezug auf die elementarische Welt sehr voneinander
abweichend sind, denn beurteilen kann man diese Welt doch erst dann,
wenn man eine genaue Erkenntnis von sich selber hat.|119|163f}}


=== In Geheimgesellschaften und Geheimbünden ===
== Die Temperamente und die Viersäftelehre ==
Ebenso war Hartmann Mitglied der [[Rosenkreuzer#Ab dem 19. Jahrhundert|Societas Rosicruciana in Anglia (SRIA)]], der [[England|englischen]] Rosenkreuzer-Gesellschaft, sowie Mitglied im 1896 von [[Leopold Engel]] in Berlin gegründeten ''Weltbund der Illuminaten'' (manchmal auch ''Weltliga der Illuminaten'').


Es wird vermutet, dass Hartmann 1889 zusammen mit [[Constance Wachtmeister]], ''Alfredo Pioda'' und ''R. Thurmann'', am [[Monte Verità]], im [[Schweiz|schweizerischen]] [[Ascona]], eine Art „theosophisches Laienkloster“, gegründet hatte. Dies sollte die Verwirklichung einer in seinen Büchern beschriebenen Idee sein. Nach [[Rosenkreuzer]]ischen Vorbild betrieben, wurde dieser Orden ''Fraternitas'' genannt. Weiters wird vermutet, dass Hartmann, zusammen mit [[Leopold Engel]], in [[Dresden]] den ''Esoterischen Orden von Rosenkreuz'' gegründet haben soll, welcher 1905 von [[Theodor Reuss]] übernommen wurde. ''Horst E. Miers'' zufolge, scheint dieser der spätere „innere Kreis“ des OTO geworden zu sein.
Erst [[Wikipedia:Galenos von Pergamon|Galenos von Pergamon]] ([[Wikipedia:Deutsche Sprache|dt.]] Galēn; * um 129 n. Chr. in [[Wikipedia:Pergamon|Pergamon]]; † um 216 n. Chr. in [[Wikipedia:Rom|Rom]]) verband die Temperamentenlehre mit der ebenfalls schon von Hippokrates aufgestellten [[Viersäftelehre|Viersäftelehre]] ([[Humoralpathologie|Humoralpathologie]]), in dem er den ''humores'', den vier hauptsächlichen Körperflüssigkeiten, jeweils ein Temperament zuordnete:


=== Der Schriftsteller ===
<div style="margin-left:50px">
Franz Hartmann galt als Meister der Sprache. Selbst schwierige Zusammenhänge vermochte er in einfachen und leicht verständlichen Worten darzulegen. Seinen Worten zufolge, wollte er niemals Schriftsteller werden, sondern begann zum „Selbstunterricht“ zu schreiben, anfangs in [[Englische Sprache|englisch]], erst später in deutsch. Sein Hauptwerk war die Zeitschrift [[Lotosblüten (Zeitschrift)|Lotosblüten]], die er 13 Jahre lang herausgab und wo er den größten Teil der Artikel selbst schrieb. Viele dieser Aufsätze wurden später in Buchform veröffentlicht. Daneben publizierte er u.a. auch in den Zeitschriften [[Sphinx (Zeitschrift)|Sphinx]] und [[Neue Metaphysische Rundschau]]. Neben den [[Christliche Mystik|christlichen Mystikern]] schrieb er über [[Yoga]], die [[Veda|Veden]], [[Upanishaden]] und die [[Bhagavad Gita]]. [[Okkultismus]] und [[Magie]] gehörte ebenso zu seinem Repertoire wie Themen aus der Theosophie. Hartmann betätigte sich auch als Übersetzer, so z.B. der Bhagavad Gita. Seine Übersetzung des [[Daodejing|Tao Te King]] aus dem [[Chinesische Sprachen|chinesischen]] wird allerdings bezweifelt, da unbekannt ist, wann und wo er diese Sprache erlernt hätte.
*[[Blut]] ([[lat.]] sanguis, {{ELSalt|αἷμα}} ''háima''): [[Sanguiniker]] ({{polytonisch|αἱματώδης}} ''háimatodes'')
*[[Schleim]] ({{ELSalt|φλέγμα}} ''phlégma''): [[Phlegmatiker]] ({{polytonisch|φλεγματικός}} ''phlegmatikós'')
*[[Schwarze Galle]]nflüssigkeit ({{ELSalt|μέλαινα χολή}} ''mélaina cholḗ'' bzw. {{polytonisch|χυμός μελαγχολικός}} ''chymós melagcholikós''): [[Melancholiker]] ({{polytonisch|μελαγχολικός}} ''melagcholikós'')
*[[Gelbe Galle]]nflüssigkeit ({{ELSalt|χολή}} ''cholḗ''): [[Choleriker]] ({{polytonisch|χολερικός}} ''cholerikós'')
</div>


==Tod==
== Die Bildung der Temperamente bei der Inkarnation ==
Hartmann bereiste seit 1885 praktisch nur mehr die deutschsprachigen Länder und England, diese jedoch umso häufiger, dabei hielt er zahlreiche Vorträge, in erster Linie für die Theosophie. Er starb am 7. August 1912 in [[Kempten im Allgäu]], wo er auch begraben wurde. Der Tod ereilte ihn während der Heimfahrt von einer Vortragsreise zu seinem letzten Wohnsitz in [[Algund]] bei [[Meran]].


==Kritik==
Wenn der [[Mensch]] zu einer neuen [[irdisch]]en [[Inkarnation]] heruntersteigt, muss sich seine [[geist]]ige [[Individualität]], sein [[ewig]]er [[Wesenskern]], der durch [[Reinkarnation|wiederholte Erdenleben]] schreitet, mit dem durch die [[Vererbung]]sströmung bereitgestellten vergänglichen [[Leib]] verbinden und es muss ein richtiger Ausgleich dieser beiden Strömungen gesucht werden. Dieser Ausgleich spiegelt sich im Temperament wieder:
Hartmann kann als einer der wichtigsten Wegbereiter der Theosophie im deutschsprachigen Raum angesehen werden. Neben seinen vielen Kontakten erreichte er durch zahlreiche Vorträge und Publikationen ein grosses und vor allem einflussreiches Publikum. Die von ihm gegründete [[Theosophische Gesellschaft in Deutschland]] (TGD) stand lange Jahre in direkter Konkurrenz zu der von [[Rudolf Steiner]] geführten [[Deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft|Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft]], was eine gegenseitige Befruchtung mit sich brachte. Er schuf Verbindungen zwischen der religiös-mystischen Welt Indiens und Europas, und trug damit wesentlich zur Verbreitung [[Östliche Philosophie|östlicher Philosophien]] im Westen bei. Andererseits steht Hartmanns Werk im Widerspruch zu den traditionellen [[Liste der christlichen Konfessionen|christlichen Konfessionen]] und wird deshalb auch von diesen abgelehnt.  


==Werke (Auswahl)==
{{GZ|Nun entsteht die
* [[Lotosblüten (Zeitschrift)|Lotosblüten]], als Herausgeber 1893-1900 und 1908-1912
große Frage: Wie kann dasjenige, was aus ganz anderen Welten stammt, was sich Vater
* ''Andere Dimensionen des Denkens, Wissen und Erkenntnis, eine Einführung in die Geheimwissenschaft''. Manas, Stuttgart 1984; ISBN 3-89071-004-2
und Mutter suchen muß, sich vereinen mit dem Leiblich-Physischen, wie kann es
* ''Das Evangelium Buddhas, sein Leben und seine Lehre''. Ullrich, Calw 1994; ISBN 3-924411-52-2
sich umkleiden mit dem, was die körperlichen Merkmale sind, durch die der Mensch
* ''Die Erkenntnislehre der Bhagavad-gita, im Lichte der Geheimlehre betrachtet''. Lang, Kolbermoor 1999; ISBN 3-930664-06-2
hineingestellt wird in die Vererbungslinie? Wie geschieht die Vereinigung der beiden
* ''Die Mystik in Goethes "Faust", Eine Betrachtung''. Theosophisches Verlagshaus, Leipzig 1918
Strömungen, der geistig-seelischen Strömung, in die der Mensch hineingestellt ist
* ''Die Symbole der Bibel und der Kirche, ihre esoterische Bedeutung''. Schatzkammerverlag, Calw 1966
durch die Wiederverkörperung, und der leiblichen Strömung der Vererbungslinie? Es
* ''Grundriss der Geheimlehre von H. P. Blavatsky''. Schatzkammerverlag, Calw 1980
muß ein Ausgleich geschaffen werden. Indem die beiden Strömungen sich vereinigen,
* ''Karma oder Wissen, Wirken und Werden, mit praktischen Anweisungen über die okkulte Wissenschaft für alle, die nicht nur wissen, sondern auch werden wollen''. Lang, Kolbermoor 1999; ISBN 3-930664-00-3
färbt die eine Strömung die andere. Sie färben sich gegenseitig. So wie sich die
* ''Theophrastus Paracelsus als Mystiker''. Theosophisches Verlagshaus, Leipzig 1930
blaue und die gelbe Farbe etwa vereinigen in dem Grün, so vereinigen sich die beiden
* ''Unter den Adepten und Rosenkreuzern''. Schikowski, Berlin 1986
Strömungen im Menschen zu dem, was man sein Temperament nennt. Das
* ''Was ist Yoga?''. Schatzkammerverlag, Calw 1962
Temperament gleicht das Ewige mit dem Vergänglichen aus. Dieser Ausgleich geschieht
* Fährmann, Johannes (Hrsg.): ''Franz Hartmanns ausgewählte theosophische Werke, 10 Bände''. Schatzkammerverlag, Buenos Aires und Calw 1954-1992
dadurch, daß dasjenige, was wir als die Glieder der menschlichen Natur kennengelernt
haben, in ganz bestimmter Art und Weise miteinander ins Verhältnis tritt.|57|277f}}


==Literatur==
== Temperamente und Wesensglieder ==
* Einbeck, Walter (Hrsg.): ''Zum Gedächtnis an Dr. Franz Hartmann (1838-1912)''. Theosophischer Kultur-Verlag, Leipzig 1925
[[Bild:Vier Apostel (Albrecht Duerer).jpg|thumb|[[Wikipedia:Die vier Apostel|Die vier Apostel]] von [[Wikipedia:Albrecht Dürer|Albrecht Dürer]], eine Darstellung der vier Temperamente: [[Johannes (Apostel)|Johannes]] ([[Sanguiniker]]), [[Simon Petrus|Petrus]] ([[Phlegmatiker]]), [[Markus (Evangelist)|Markus]] ([[Choleriker]]) und [[Paulus von Tarsus|Paulus]] ([[Melancholiker]])]]
* Hartmann, Franz: ''Autobiographische Schriften''. Ullrich, Calw (Jahrgang unbekannt); ISBN 3-924411-44-1
* Priem, Georg: ''Franz Hartmann, sein Leben und Wirken, Eine Gedenkschrift zur Erinnerung an den Gründer der Internationalen Theosophischen Verbrüderung''. Theosophischer Kultur-Verlag, Leipzig 1912


== Weblinks ==
Die vier Temperamente hängen eng mit den vier grundlegenden [[Wesensglieder]]n des [[Mensch]]en zusammen. Dominiert eines der Wesensglieder die anderen, so drückt sich das in den im [[Ätherleib]] wirkenden Temperamenten folgendermaßen aus, wobei zugleich auch ganz bestimmte Organsysteme besonders hervortreten. Für den Erwachsenen ergibt sich dabei folgender Zusammenhang:
* {{PND|118546287}}
 
* {{BBKL|http://www.bautz.de/bbkl/h/hartmann_f.shtml}}
<div style="margin-left:50px">
*[[Ich]] - [[Blut]]kreislauf<ref name="Blut">Es ist kein Widerspruch, dass hier das Blut, als einer der vier Körper''säfte'', dem Sanguiniker zugeordnet wird, anderseits der [[Blut]]kreislauf, als Organsystem, dem Choleriker entspricht.</ref> - [[Choleriker]]
*[[Astralleib]] - [[Nervensystem]] - [[Sanguiniker]]
*[[Ätherleib]] - [[Drüsen]]system - [[Phlegmatiker]]
*[[Physischer Leib]] - [[Knochen]]system - [[Melancholiker]]
</div>
 
{{GZ|Beherrscht der Ich-Träger die übrigen Glieder des Menschen, so herrscht das cholerische Temperament vor. Herrscht
der Astralleib über die anderen Glieder, so sprechen wir dem Menschen ein sanguinisches
Temperament zu. Herrscht vor der Ätherleib, so sprechen wir vom phlegmatischen
Temperament. Und ist vorherrschend der physische Leib, so handelt es sich
um ein melancholisches Temperament. Das Ich drückt sich in der Zirkulation des
Blutes aus. Deshalb ist beim Choleriker vorherrschend das Blutsystem. Der Astralleib
findet seinen physischen Ausdruck im Nervensystem; wir haben deshalb beim
Sanguiniker im physischen Leibe tonangebend das Nervensystem. Der Ätherleib
drückt sich physisch aus im Drüsensystem; deshalb ist beim Phlegmatiker im physischen
Leibe tonangebend das Drüsensystem. Der physische Leib als solcher kommt
nur im physischen Leibe zum Ausdruck; deshalb ist der physische Leib beim Melancholiker
das äußerlich Tonangebende.|57|278f}}
 
Beim [[Kind]] ist die Beziehung der Temperamente zu den Wesensgliedern bis etwa zum 9./10. Lebensjahr noch anders gelagert {{Lit|vgl. Eltz, S. 84}}:
 
<div style="margin-left:50px">
*[[Ich]] - [[Melancholiker]]
*[[Astralleib]] - [[Choleriker]]
*[[Ätherleib]] - [[Sanguiniker]]
*[[Physischer Leib]] - [[Phlegmatiker]]
</div>
 
== Charakteristik der vier Temperamente ==
 
Reine Temperamente in ihrer vollen Einseitigkeit sind im Leben kaum zu finden. Im Grunde hat jeder Mensch alle vier Temperamente, aber oft sticht eines besonders hervor. Oft sind auch zwei Temperamente sehr stark ausgebildet, ein drittes spielt noch leise mit, während das vierte nur sehr, sehr schwach hervortritt. Das cholerische Temperament ist häufig mit dem melancholischen verbunden, ebenso das sanguinische mit dem phlegmatischen, wobei sich in dem jeweils ersteren die aktive, im zweiten die mehr passive Seite des Charakters ausdrückt. Problematischer ist die enge Verbindung der beiden aktiven Temperamente, also Cholerik und Sanguinik, was einen hyperaktiven Charakter ergibt, oder die Verbindung der beiden passiven Temperamente, Phlegmatik und Melancholie, was dem Menschen einen passiv verzweifelnden Charakter verleiht. Die Temperamente bilden auch Gegensatzpaare, von denen dann das eine sehr stark, das andere kaum ausgeprägt ist. Dem cholerischen Temperament steht das phlegmatische als schroffer Gegensatz gegenüber, ebenso dem sanguinischen das melancholische, so wie [[Feuer]] und [[Wasser]] Gegensätze sind und auch [[Luft]] und [[Erde]].
 
Es gibt kein ''gutes'' und kein ''schlechtes'' Temperament. Jedes hat positive, das Eigenwohl und das soziale Miteinander gleichermaßen fördernde, wie auch negative, lebenshemmende Eigenschaften. Durch Erziehung und später durch Selbsterziehung sollen die Temperamente keineswegs geschwächt oder nivelliert, sondern in ihrer positven Kraft gestärkt werden. Im Idealfall kommt der Mensch dazu, über die positiven Kräfte aller vier Temperamente in voller Stärke und im ausgewogenen Gleichmaß frei zu verfügen - aber das ist in der Regel ein fernes Entwicklungsziel, das nur durch die energische Arbeit am [[Ätherleib]] erreicht werden kann.
 
=== Physiognomie ===
<gallery class="center centered" perrow="4">
Bild:Sanguiniker.jpg|Sanguiniker
Bild:Choleriker.jpg|Choleriker
Bild:Melancholiker.jpg|Melancholiker
Bild:Phlegmatiker.jpg|Phlegmatiker
</gallery>
 
=== Die vier Grundtypen ===
Die reinen [[Typen (Psycholgie)|Grundtypen]], um sie recht anschaulich zu machen, charakterisiert [[Rudolf Steiner]] so:
 
{{GZ|Beim Choleriker ist vorzugsweise das Ich und das Blutsystem vorherrschend. Dadurch tritt er auf als der Mensch, der sein Ich unter allen Umständen durchsetzen will. Von der Zirkulation des Blutes schreibt sich alles Aggressive des Cholerikers her, alles was mit der starken Willensnatur des Cholerikers zusammenhängt. Im Nervensystem und Astralleib sind die auf- und abwogenden Empfindungen und Gefühle. Nur dadurch, daß diese durch das Ich gebändigt werden, kommt Harmonie und Ordnung hinein. Würde er sie nicht durch sein Ich bändigen, so würden sie auf- und abfluten, ohne daß man bemerken könnte, der Mensch übt irgendeine Herrschaft über sie aus. Der Mensch würde hingegeben sein allem Wogen von Empfindung zu Empfindung, von Bild zu Bild, von Vorstellung zu Vorstellung und so weiter.
 
Etwas von dem tritt ein, wenn der astralische Leib vorherrscht, also beim Sanguiniker, der in gewisser Weise den auf- und abwogenden Bildern, Empfindungen und Vorstellungen hingegeben ist, da bei ihm der Astralleib und das Nervensystem vorherrschen. Das, was des Menschen Blutzirkulation ist, ist der Bändiger des Nervenlebens. Was tritt ein, wenn ein Mensch blutarm, bleichsüchtig ist, wenn der Bändiger nicht da ist? Dann tritt ein zügelloses Auf- und Abfluten der Bilder; Illusionen, Halluzinationen treten auf. Einen kleinen Anflug davon haben wir beim Sanguiniker. Der Sanguiniker kann nicht bei einem Eindruck verweilen, er kann nicht festhalten an einem Bilde, er haftet nicht mit seinem Interesse an einem Eindruck. Er eilt von Lebenseindruck zu Lebenseindruck, von Wahrnehmung zu Wahrnehmung. Das kann man besonders beim sanguinischen Kinde beobachten; da kann es einem Sorge machen. Leicht ist Interesse da, ein Bild fängt leicht an zu wirken, macht bald einen Eindruck, aber der Eindruck ist bald wieder verschwunden.
 
Gehen wir jetzt zum phlegmatischen Temperament über! Wir sahen, daß das phlegmatische Temperament dadurch entsteht, daß vorherrschend gemacht ist das, was wir Äther- oder Lebensleib nennen, das, was des Menschen Wachstums- und Lebensvorgänge im Innern regelt. Es kommt das in innerer Behaglichkeit zum Ausdruck. Je mehr der Mensch in seinem Ätherleib lebt, desto mehr ist er in sich selber beschäftigt, und läßt die äußeren Dinge laufen. Er ist in seinem Innern beschäftigt.
 
Beim Melancholiker haben wir gesehen, daß der physische Leib, also das dichteste Glied der menschlichen Wesenheit, der Herr wird über die anderen. Immer, wenn der dichteste Teil Herr wird, dann fühlt das der Mensch so, daß er nicht Herr ist darüber, daß er ihn nicht handhaben kann. Denn der physische Leib ist das Instrument, das er durch seine höheren Glieder überall beherrschen soll; jetzt aber herrscht dieser physische Leib, setzt dem anderen Widerstand entgegen. Das empfindet der Mensch als Schmerz, Unlust, als die trübselige Stimmung des Melancholikers. Es ist immer ein Aufsteigen von Schmerzen da. Von nichts anderem rührt diese Stimmung her, als daß der physische Leib der innern Behaglichkeit des Ätherleibes, der Beweglichkeit des Astralleibes und der Zielsicherheit des Ichs Widerstände entgegenstellt.
 
Was wir da sehen als die Mischung der vier Wesensglieder des Menschen, das tritt uns im äußeren Bilde klar und deutlich entgegen. Wenn das Ich vorherrscht, will der Mensch sich gegen alle äußeren Widerstände durchsetzen, will in Erscheinung treten. Es hält dann förmlich die anderen Glieder des Menschen im Wachstum zurück, den Astralleib und den Ätherleib, läßt sie nicht zu ihrem Rechte kommen. Rein äußerlich tritt das einem schon entgegen. Johann Gottlieb Fichte zum Beispiel, der deutsche Choleriker, ist schon äußerlich als solcher kenntlich. Er verriet schon äußerlich deutlich im Wuchs, daß die anderen Wesensglieder zurückgehalten worden sind. Oder ein klassisches Beispiel eines Cholerikers ist Napoleon, der so klein geblieben ist, weil das Ich die anderen Wesensglieder zurückgehalten hat. Es handelt sich nun natürlich nicht darum, daß behauptet wird, der Choleriker sei klein und der Sanguiniker groß. Wir dürfen die Gestalt des Menschen nur mit seinem eignen Wuchs vergleichen. Es kommt darauf an, in welchem Verhältnis zur ganzen Gestalt der Wuchs steht. Beim Sanguiniker herrscht das Nervensystem, der Astralleib vor. Er wird in seinem in sich beweglichen Leben an den Gliedern arbeiten; er wird auch das äußere Abbild des Menschen so beweglich wie möglich machen. Haben wir beim Choleriker scharf geschnittene Gesichtszüge, so beim Sanguiniker bewegliche, ausdrucksvolle, sich verändernde Gesichtszüge. Sogar in der schlanken Gestalt, im Knochenbau, sehen wir die innere Beweglichkeit des Astralleibes am ganzen Menschen. In den schlanken Muskeln zum Beispiel kommt sie zum Ausdruck. Das ist auch zu sehen in dem, was der Mensch äußerlich darlebt. Auch wer nicht hellsehend ist, kann dem Menschen schon von hinten ansehen, ob er Sanguiniker oder Choleriker ist. Dazu braucht man nicht Geisteswissenschaftler zu sein. Sieht man einen Choleriker gehen, so kann man beobachten, wie er jeden Fuß so setzt, als ob er bei jedem Schritt nicht nur den Boden berühren wolle, sondern als ob der Fuß noch ein Stück in den Boden hineingehen sollte. Beim Sanguiniker dagegen haben wir einen hüpfenden, springenden Gang. Auch feinere Merkmale finden sich in der äußeren Gestalt. Die Innerlichkeit der Ich-Natur, die geschlossene Innerlichkeit des Cholerikers tritt uns entgegen in dem schwarzen Auge des Cholerikers. Sehen Sie sich den Sanguiniker an, bei dem die Ich-Natur nicht so tief gewurzelt ist, bei dem der astralische Leib seine ganze Beweglichkeit ausgießt, da ist das blaue Auge vorherrschend. So könnten viele Merkmale angeführt werden, die das Temperament in der äußeren Erscheinung zeigen.
 
Das phlegmatische Temperament tritt einem entgegen in der unbeweglichen, teilnahmslosen Physiognomie, in der Fülle des Körpers, besonders in der Ausarbeitung der Fettpartien; denn das ist das, was besonders der Ätherleib ausarbeitet. In alledem tritt uns die innere Behaglichkeit des Phlegmatikers entgegen. Er hat einen schlotternden Gang. Er tritt sozusagen nicht ordentlich auf, setzt sich nicht in Beziehung zu den Dingen. - Und sehen Sie sich den Melancholiker an, wie er zumeist einen vorhängenden Kopf hat, nicht aus sich heraus die Kraft hat, den Nacken zu steifen. Das Auge ist trübe; da ist nicht der Glanz des schwarzen Cholerikerauges. Der Gang ist zwar fest, aber es ist nicht der Gang des Cholerikers, das feste Auftreten des Cholerikers, sondern es ist etwas Schleppend-Festes.|57|279f}}
 
== Die karmischen Ursachen des Temperaments ==
 
Wiederholte Erlebnisse, die in einem früheren Erdenleben von ''außen'' an den Menschen herangekommen sind, drücken sich in der nächsten [[Inkarnation]] in der Temperamentsanlage aus, wobei auch eine wesentliche Rolle spielt, wie wir im damaligen Erdenleben, mit diesen sich wiederholenden Erfahrungen umgegangen sind:
 
{{GZ|Was Sie in diesem Leben wiederholt erleben, das kommt in Ihrem folgenden Leben
als Grundcharakter. Ein melancholisches Temperament kommt daher, daß der
Mensch im vorigen Leben viele traurige Eindrücke gehabt hat, die ihn immer wieder
in eine traurige Stimmung versetzt haben; dadurch hat eben der nächste Ätherleib
eine Neigung für eine traurige Stimmung. Umgekehrt ist es bei denen, die allem im
Leben eine gute Seite abgewinnen, die dadurch in ihrem Astralleib Lust und Freude,
frohe Erhebung erzeugt haben; das gibt im nächsten Leben eine bleibende Charaktereigenschaft
des Ätherleibes und bewirkt ein heiteres Temperament. Wenn der
Mensch aber, trotzdem ihn das Leben in eine harte Schule nimmt, all das Traurige
kraftvoll überwindet, dann wird im nächsten Leben sein Ätherleib geboren mit einem
cholerischen Temperament. Man kann also, wenn man all das weiß, geradezu
sich seinen Ätherleib für das nächste Leben vorbereiten.|100|85}}
 
Man kann dadurch bis zu einem gewissen Grad vorhersehen bzw. sogar beeinflussen, wie sich das Temperament in der nächsten Inkarnation gestalten wird, wobei allerdings, wie schon oben besprochen, die durch Vererbung erworbenen Leibesglieder, auf die man zunächst keinen direkten Einfluss hat, auch eine nicht unwesentliche Rolle spielen.
 
{{GZ|Das melancholische Temperament wird karmisch
besonders dann hervorgerufen, wenn ein Mensch im vorhergehenden Leben
gezwungen war, im kleinsten, engsten Kreise zu leben, viel für sich allein zu sein, immer
nur sich mit sich selbst zu beschäftigen, so daß er kein Interesse für anderes in
sich wecken konnte. Wer dagegen viel kennengelernt hat, wer mit vielen Dingen zusammengekommen
ist und sie nicht bloß angeschaut hat, mit dem das vorige Leben
hart umgegangen ist, der wird ein Choleriker. Wenn man ein angenehmes Leben ohne
viel Kämpfe und Mühsale hatte, oder auch wenn man viel gesehen hat, an vielem vorbeigekommen ist, es aber nur angesehen hat, so geht das alles karmisch immer im nächsten Leben im Grundwesen auf den nächtstdichteren Leib über. Man wird
ein Phlegmatiker oder Sanguiniker.|95|64}}
 
== Psychopathologie der Temperamente ==
 
{{GZ|Bei der Erziehung handelt es sich nicht darum, die Temperamente auszugleichen, zu nivellieren, sondern es handelt sich darum, sie in die richtigen Geleise zu bringen. Aber in jedem Temperamente liegt eine kleine und eine große Gefahr der Ausartung. Beim cholerischen Menschen liegt in der Jugend die Gefahr vor, daß ein solcher Mensch durch Zornwütigkeit, ohne daß er sich beherrschen kann, sein Ich eingeprägt erhält. Das ist die kleine Gefahr. Die große Gefahr ist die Narrheit, die aus ihrem Ich heraus irgendein einzelnes Ziel verfolgen will. Beim sanguinischen Temperamente ist die kleine Gefahr die, daß der Mensch in Flatterhaftigkeit verfällt. Die große Gefahr ist, daß das Auf- und Abwogen der Empfindungen in Irrsinn einmündet. Die kleine Gefahr des Phlegmatikers ist die Interesselosigkeit gegenüber der äußeren Welt; die große Gefahr ist die Idiotie, der Stumpfsinn. Die kleine Gefahr beim melancholischen Temperament ist der Trübsinn, die Möglichkeit, daß der Mensch nicht herauskommt über das, was im eignen Innern aufsteigt. Die große Gefahr ist der Wahnsinn.|57|291}}
 
== Temperamente und Pädagogik ==
[[Datei:GA295 028.gif|center|500px|Die vier Temperamente]]
{{GZ|Was ist das? Das ist auch eine Charakterisierung der vier Temperamente.
Die melancholischen Kinder sind in der Regel schlank und
dünn; die sanguinischen sind die normalsten; die, welche die Schultern
mehr heraus haben, sind die phlegmatischen Kinder; die den untersetzten
Bau haben, so daß der Kopf beinah untersinkt im Körper, sind
die cholerischen Kinder.
 
Bei Michelangelo und Beethoven haben Sie eine Mischung von melancholischem
und cholerischem Temperament.
 
Nun bitte ich, durchaus zu berücksichtigen, daß wir, wenn es sich
um das Temperament beim Kinde handelt, als Lehrer durchaus nicht
berufen sind, die betreffenden Temperamente von vornherein als «Fehler
» anzusehen und bekämpfen zu wollen. Wir müssen das Temperament
erkennen und uns die Frage stellen: Wie haben wir es zu behandeln,
um ein wünschbares Lebensziel mit ihm zu erreichen, so daß aus
dem Temperament das Allerbeste wird und die Kinder mit Hilfe des
Temperaments das Lebensziel erreichen?|295|28}}
 
=== Die Erziehung des Kindes ===
 
{{GZ|Wenn wir uns das alles vorhalten, so werden wir sehen, daß in dem Lenken und Leiten der Temperamente eine bedeutsame Aufgabe der Lebenspraxis liegt. Aber um die Temperamente zu leiten, ist der Grundsatz zu beachten, daß immer mit dem gerechnet werden muß, was da ist, nicht mit dem, was nicht da ist. Hat ein Kind ein sanguinisches Temperament, so können wir ihm nicht dadurch in der Entwicklung weiterhelfen, daß wir Interesse hineinprügeln wollen; man kann nicht ihm einbleuen etwas anderes, als was eben sein sanguinisches Temperament ist. Wir sollen nicht fragen: Was fehlt dem Kinde, was sollen wir ihm einprügeln? - sondern wir sollen fragen: Was hat ein sanguinisches Kind in der Regel? Und damit müssen wir rechnen. In der Regel werden wir eines finden, ein Interesse kann immer erregt werden; das Interesse für irgendeine Persönlichkeit, wenn das Kind auch noch so flatterhaft ist. Wenn wir die richtige Persönlichkeit nur sind, oder wenn wir ihm die richtige Persönlichkeit beigesellen können, so tritt das Interesse schon auf. Nur auf dem Umwege der Liebe zu einer Persönlichkeit kann beim sanguinischen Kinde Interesse auftreten. Mehr als jedes andere Temperament braucht das sanguinische Kind Liebe zu einer Persönlichkeit. Alles muß getan werden, daß bei einem solchen Kinde die Liebe erwache. Liebe ist das Zauberwort. Wir müssen sehen, was da ist. Wir müssen sehen, allerlei Dinge in die Umgebung des Kindes zu bringen, von denen man doch bemerkt hat, daß es tieferes Interesse daran hat. Diese Dinge muß man zum Sanguiniker sprechen lassen, muß sie auf das Kind wirken lassen, muß sie ihm dann wieder entziehen, damit das Kind sie wieder begehrt, und sie ihm von neuem geben. Man muß sie so auf das Kind wirken lassen, wie die Gegenstände der gewöhnlichen Welt auf das sanguinische Temperament wirken.
 
Beim cholerischen Kinde gibt es auch einen Umweg, durch den die Entwicklung immer zu leiten ist. Hier heißt das, was die Erziehung sicher leitet: Achtung und Schätzung einer Autorität. Hier handelt es sich nicht um ein Beliebt¬machen durch die persönlichen Eigenschaften, wie beim sanguinischen Kinde, sondern es kommt darauf an, daß das cholerische Kind immer den Glauben hat, daß der Erzieher die Sache versteht. Man muß zeigen, daß man in den Dingen Bescheid weiß, die um das Kind vorgehen. Man darf sich nicht eine Blöße geben. Das Kind muß immer den Glauben erhalten, daß der Erzieher die Sache kann, sonst hat er sofort verspielt. Ist Liebe zur Persönlichkeit das Zaubermittel beim sanguinischen Kinde, so Achtung und Schätzung des Wertes einer Person das Zauberwort beim cholerischen Kinde. Ihm müssen besonders solche Gegenstände in den Weg geführt werden, die ihm Widerstand entgegensetzen. Widerstände, Schwierigkeiten müssen ihm in den Weg gelegt werden. Man muß versuchen, ihm das Leben nicht so leicht zu machen.
 
Das melancholische Kind ist nicht leicht zu leiten. Hier aber gibt es wieder ein Zaubermittel. Wie beim sanguinischen Kinde Liebe zur Persönlichkeit, beim cholerischen Schätzung und Achtung des Wertes des Erziehers die Zauberworte sind, so ist beim melancholischen Kinde das, worauf es ankommt, daß die Erzieher Persönlichkeiten sind, die im Leben in einer gewissen Weise geprüft sind, die aus einem geprüften Leben heraus handeln und sprechen. Das Kind muß fühlen, daß der Erzieher wirkliche Schmerzen durchgemacht habe. Lassen Sie das Kind merken an allen den hunderterlei Dingen des Lebens die eigenen Lebensschicksale. Das Mitfühlen mit dem Schicksale dessen, der um einen ist, wirkt hier erziehend. Auch hier beim Melancholiker muß man rechnen mit dem, was er hat. Er hat Schmerzfähigkeit, Unlustfähigkeit; die sitzen in seinem Innern, die können wir nicht ausprügeln. Aber wir können sie ablenken. Lassen wir ihn gerade im Außenleben berechtigten Schmerz, berechtigtes Leid erfahren, damit er kennenlernt, daß es Dinge gibt, an denen er Schmerz erleben kann. Das ist es, worauf es ankommt. Nicht soll man ihn zerstreuen: dadurch verhärten Sie seine Trübsinnigkeit, seinen Schmerz im Innern. Er soll sehen, daß es Dinge im Leben gibt, an denen man Schmerz erfahren kann. Wenn man es auch nicht zu weit treiben darf, so kommt es doch darauf an, daß an den äußeren Dingen Schmerz erregt wird, der ihn ablenkt.
 
Der Phlegmatiker darf nicht einsam aufwachsen. Wenn es bei den anderen schon gut ist, Gespielen zu haben, so ist das besonders beim Phlegmatiker der Fall. Er muß Gespielen haben mit den mannigfaltigsten Interessen. Er kann erzogen werden durch das Miterleben der Interessen und möglichst vieler Interessen der anderen Persönlichkeiten. Wenn er sich gleichgültig verhält gegen das, was in der Umgebung ist, so kann sein Interesse angefacht werden dadurch, daß die Interessen der Gespielen, der Gesellen auf ihn wirken. Kommt es beim melancholischen Kinde auf das Miterleben des Schicksals einer anderen Persönlichkeit an, so beim phlegmatischen auf das Miterleben der Interessen seiner Gespielen. Nicht Dinge als solche wirken auf den Phlegmatiker; aber wenn sich die Dinge in anderen Menschen spiegeln, dann spiegeln sich diese Interessen in der Seele des phlegmatischen Kindes. Dann sollen wir beson¬ders darauf sehen, daß wir Gegenstände in seine Umgebung bringen, Ereignisse in seiner Nähe geschehen lassen, wo das Phlegma am Platze ist. Man muß das Phlegma auf die richtigen Gegenstände lenken, denen gegenüber man phlegmatisch sein darf.|57|292ff}}
 
==== Wie kann man auf die Temperamente durch die Farben wirken ? ====
 
{{GZ|Nehmen wir also an, ein Kind tritt einem im frühen Lebensalter als ein cholerisches Kind gegenüber. Es wird nicht erst ein
Frage- und Antwortspiel brauchen, um darauf zu kommen, daß es
sich um ein cholerisches Kind handelt, sondern es wird sich
vielleicht dadurch schon zeigen, daß es furchtbar strampelt bei
jeder Gelegenheit, daß es sich auf den Boden wirft, um sich
schlägt. Alle diese Äußerungen sind die entsprechenden bei dem
cholerischen Kinde.
 
Nun wird man, wenn man Laie ist, wahrscheinlich glauben,
daß man ein solches Kind bändigen kann, indem man es möglichst
in eine beruhigende farbige Umgebung bringt. Das ist aber nicht
wahr. Wenn Sie das cholerische Kind mit Blau umgeben oder mit
blauen Kleidern anziehen, dann wird es gerade dadurch, daß es
diese beruhigende blaue Farbe um sich hat, die es nicht stößt, sein
cholerisches Temperament da hinein ausleben; es wird gerade
noch z'widerer, polternder werden. Dagegen in einer Umgebung,
in der es überall mit roter, mit der aufregenden roten Farbe
umgeben sein wird — Sie wissen ja aus anderen Vorträgen, daß die Gegenfarbe die grüne ist, daß die grün-bläuliche Gegenfarbe hervorgerufen wird —, da muß sich das Kind innerlich, indem es
fortwährend mit Rot umgeben wird, anstrengen, um innerlich die
Gegenfarbe zu erleben und wird gerade nicht äußerlich aufgeregt.
Also das Gleiche, das ist dasjenige, was bändigend auf ein aufgeregtes Kind wirkt.
 
Auf der anderen Seite wird man auf ein melancholisches Kind
gut wirken, wenn man es gerade veranlaßt, indem man es in eine
blaue, grünlich-blaue Umgebung bringt, aus sich herauszugehen,
also nicht etwa sich davor fürchtet, daß wenn man ihm eine
beruhigende, eine zur Verehrung herausfordernde blaue oder
blaugrüne Umgebung gibt, daß man es dadurch noch melancholischer macht. Hier handelt es sich darum, wirklich einzusehen, wie
aus der Wesenheit des Menschen es folgt, daß man Gleiches mit
Gleichem bekämpft. Sie sehen, es handelt sich überall darum, von
der Wesenheit des Menschen auszugehen und mit der Erkenntnis,
die man da gewinnt, ans Leben heranzukommen.
 
Ich möchte aber ausdrücklich bemerken, daß es im allgemeinen
nicht zu einer Schematisierung kommen soll, wenn man das Erziehungswesen als Kunst betrachtet, und daß daher schon diese
Denkweise, die da auftritt, wenn man sagt: Wie kann man die
Temperamente durch Farben beeinflussen und dergleichen - daß
das schon wiederum so eine intellektuelle Systematisiererei zeigt.
Wird das Erziehungswesen zur Kunst, dann kommt man nicht zu
solchem intellektualistischen Schematisieren. Da wird man nicht,
wenn es sich um die Farbe handelt, auf die Temperamente blicken,
sondern da wird man im allgemeinen mehr darauf bedacht sein, ob
das Kind ein aufgeregtes oder ein abgeregtes Kind ist. Es kann
zum Beispiel auch vorkommen, daß ein unter Umständen phlegmatisches Kind auch in derselben Weise wie ein melancholisches
Kind mit den Farben und dergleichen behandelt werden muß.
Kurz, es wird sich darum handeln, daß man aus einer lebendigen
Erziehungswissenschaft auch eine lebendige Erziehungskunst entwickle.|291a|443f}}
 
=== Selbsterziehung des Erwachsenen ===
 
Der [[Verstand]] kann bei der [[Selbsterziehung]] direkt nur wenig helfen. Es genügt nicht, das Richtige zu ''wissen'', sondern es muss ''getan'', d.h. regelmäßig ''geübt'' werden. Nur durch rhythmisch wiederholtes Üben kann der [[Ätherleib]] allmählich verwandelt werden:
 
{{GZ|Auch die Selbsterziehung kann der Mensch hier in die Hand nehmen. Nicht dadurch kommt zum Beispiel der Sanguiniker zum Ziele, daß er sich sagt: Du hast ein sanguinisches Temperament, das mußt du dir abgewöhnen. - Der Verstand, direkt angewandt, ist auf diesem Gebiete oft ein Hindernis. Indirekt vermag er dagegen viel. Der Verstand ist hier die allerschwächste Seelenkraft. Bei stärkeren Seelenkräften, wie es die Temperamente sind, vermag der Verstand direkt sehr wenig, kann nur indirekt wirken. Der Mensch muß mit seinem Sanguinismus rechnen; Selbstermahnungen fruchten nicht. Es kommt darauf an, den Sanguinismus am rechten Orte zu zeigen. Wir können uns durch den Verstand Erlebnisse schaffen, für die das kurze Interesse des Sanguinikers berechtigt ist. Wenn wir also solche Verhältnisse auch noch so sehr im Kleinen herbeiführen, bei denen das kurze Interesse am Platze ist, so wird es schon hervorrufen, was nötig ist. Beim cholerischen Temperament, da ist es gut, solche Gegenstände zu wählen, durch den Verstand solche Verhältnisse herbeizuführen, bei denen es uns nichts hilft, daß wir toben, wo wir durch unser Toben uns selbst ad absurdum führen. Das melancholische Temperament soll nicht an den Schmerzen und Leiden des Lebens vorbeigehen, sondern soll sie gerade aufsuchen, soll mitleiden, damit sein Schmerz abgelenkt werde an die richtigen Gegenstände und Ereignisse. Sind wir Phlegmatiker, die keine Interessen haben, so ist es gut, daß wir uns möglichst viel mit recht uninteressanten Gegenständen beschäftigen, uns mit recht viel Quellen der Langweile umgeben, daß wir uns gründlich langweilen. Dann werden wir uns gründlich kurieren von unserem Phlegma, es uns gründlich abgewöhnen. So rechnet man mit dem, was da ist, und nicht mit dem, was nicht da ist.|57|294}}
 
== Tabelle ==
<table cellspacing="0" cellpadding="5" width="99%" border="1">
  <tr style="background:#800080; color:white">
    <td colspan="2"><strong>Temperament</strong></td>
    <td><strong><center>Choleriker</center></strong></td>
    <td><strong><center>Sanguiniker</center></strong></td>
    <td><strong><center>Phlegmatiker</center></strong></td>
    <td><strong><center>Melancholiker</center></strong></td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Wesensglied</strong></td>
    <td>[[Ich]]</td>
    <td>[[Astralleib]]</td>
    <td>[[Ätherleib]]</td>
    <td>[[Physischer Leib]]</td>
  </tr>
 
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Körpersäfte</strong></td>
    <td>[[Gelbe Galle]] (Chole)</td>
    <td>[[Blut]]<ref name="Blut"> </ref> (Sanguis)</td>
    <td>[[Schleim]] (Phlegma)</td>
    <td>[[Schwarze Galle]] (Melas Chole)</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Eigenschaften</strong></td>
    <td>warm und trocken</td>
    <td>warm und feucht</td>
    <td>kalt und feucht</td>
    <td>kalt und trocken</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Element</strong></td>
    <td>[[Feuer]]</td>
    <td>[[Luft]]</td>
    <td>[[Wasser]]</td>
    <td>[[Erde (Element)|Erde]]</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Altersstufe</strong></td>
    <td>[[Jugend]]</td>
    <td>[[Kindheit]]</td>
    <td>[[Alter]]</td>
    <td>[[Erwachsenenalter]]</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Richtung</strong></td>
    <td>[[Süden]]</td>
    <td>[[Osten]]</td>
    <td>[[Westen]]</td>
    <td>[[Norden]]</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Jahreszeit</strong></td>
    <td>[[Sommer]]</td>
    <td>[[Frühling]]</td>
    <td>[[Herbst]]</td>
    <td>[[Winter]]</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Tageszeit</strong></td>
    <td>[[Mittag]]</td>
    <td>[[Morgen]]</td>
    <td>[[Abend]]</td>
    <td>[[Nacht]]</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Bewusstsein</strong></td>
    <td>Wachen</td>
    <td>Träumen</td>
    <td>Schlafen</td>
    <td>Sterben, Kranksein, Tod</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Organsystem</strong></td>
    <td>Blutkreislauf<ref name="Blut"> </ref>, Galle</td>
    <td>Nervensystem, Lunge</td>
    <td>Drüsensystem, Verdauung</td>
    <td>Knochensystem, Gelenke, Sehnen</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Mimik</strong></td>
    <td>Nasenwurzel zusammengezogen (Wutfalte), Mund gepresst</td>
    <td>gehobene Brauen und Mundwinkel</td>
    <td>Augenlider und Kiefer locker hängend</td>
    <td>in der Mitte hochgezogene Brauen und Mittelfalte, Mundwinkel gesenkt</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Gestik</strong></td>
    <td>kraftvoll abwärts</td>
    <td>mit Leichtigkeit rhythmisch aufstrebend</td>
    <td>bequem sinkenlassend</td>
    <td>vergebens mühsam aufstrebend</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Gang</strong></td>
    <td>stampfend (Ferse), O-beinig</td>
    <td>hüpfend, tänzelnd</td>
    <td>schlurfend</td>
    <td>X-beinig</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Tugend</strong></td>
    <td>Mut</td>
    <td>Liebe, Interesse</td>
    <td>Geduld</td>
    <td>Mitleid</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Untugend</strong></td>
    <td>Wut</td>
    <td>Triebhaftigkeit</td>
    <td>Trägheit</td>
    <td>Wehleidigkeit</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Bosheit</strong><br>
:tätig<br>
:erleidend</td>
    <td><br>
Gewalttätigkeit<br>
Angst</td>
    <td><br>
Lügenhaftigkeit<br>
Leichtsinnigkeit</td>
    <td><br>
Hartherzigkeit<br>
Antriebslosigkeit</td>
  <td><br>
Grausamkeit<br>
Masochismus</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Geisteskrankheit</strong></td>
    <td>Tobsucht</td>
    <td>Irrsinn, Narrheit</td>
    <td>Stumpfsinn</td>
    <td>Trübsinn, Wahnsinn</td>
  </tr>
  <tr>
    <td colspan="2"><strong>Wappentier<ref name="Wappentier>Die Wappentiere entsprechen den vier [[Sphinx]]-Tieren bzw. den Evangelisten-Symbolen und auch den entsprechenden [[Tierkreiszeichen]]. Dabei ergibt sich allerdings eine andere Zuordnung der [[Elemente]] zu den Tierkreiszeichen, als sie heute in der [[Astrologie]] üblich ist, indem die Luft- und Wasserzeichen vertauscht sind. Der Adler, der dem Skorpion entspricht, ist hier dem Luftelement zugeordnet und der Wassermann oder Engel dem Wasserelement.</ref></strong></td>
    <td>Löwe</td>
    <td>Adler</td>
    <td>Wassermann (Mensch/Engel)</td>
    <td>Stier</td>
  </tr>   
</table>
 
== Literatur ==
# Rudolf Steiner: ''Wo und wie findet man den Geist?'', [[GA 57]] (1984) {{Vorträge|57}}
# Rudolf Steiner: ''Vor dem Tore der Theosophie'', [[GA 95]] (1990) {{Vorträge|95}}
# Rudolf Steiner: ''Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis'', [[GA 100]] (1981) {{Vorträge|100}}
# Rudolf Steiner: ''Makrokosmos und Mikrokosmos'', [[GA 119]] (1988) {{Vorträge|119}}
# Rudolf Steiner: ''Farbenerkenntnis'', [[GA 291a]] (1990) {{Vorträge|291a}}
# Heinrich Eltz: ''Die menschlichen Temperamente'', 3. Auflage, Verlag Paul Haupt, Bern - Stuttgart - Wien 2000, ISBN 978-3258049540
# [[Karl Rössel-Majdan]]: ''Vom Wunder der menschlichen Stimme. Sprachgestaltung''. Troxler, Wien 1975


=== Biographien ===
{{GA}}
* [http://www.magieausbildung.de/Biographien/h/franz_hartmann/hartmann.htm Ausführliche Biografie]
* [http://www.theosophische-informationsstelle.de/Hartmann/body_hartmann.html Biografie und Bild bei der Theosophischen Informationsstelle]
* [http://www.philos-website.de/index_g.htm?autoren/hartmann-franz_g.htm~main2 Franz Hartmann] Kurze Biografie sowie Zitate und Gedanken Hartmanns (im Index unter „Hartmann, Franz“)


=== Mitgliedschaften ===
== Weblinks ==
* [http://user.cyberlink.ch/~koenig/sunrise/carl.htm Zusammenhänge zwischen Karl Kellner und Hartmann]
* [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/anthroposophie/Rudolf_Steiner/Das_Geheimnis_der_menschlichen_Temperamente.pdf Das Geheimnis der menschlichen Temperamente] - Vortrag gehalten von Dr. Rudolf Steiner in Berlin am 4. März 1909
* [http://user.cyberlink.ch/~koenig/sunrise/hartmann.htm Hartmann war nie Mitglied im OTO, wird hier behauptet] (englisch)
* [http://www.rosejourn.com/index.php/rose/article/view/9/52 Christian Rittelmeyer: ''Die Temperamente in der Waldorfpädagogik. Ein Modell zur Überprüfung ihrer Wissenschaftlichkeit''] ([http://projektart-berne.de/Downloads/Rittelemeyer_Temperamente.pdf alternativer Download])
* [http://www.hermetic.com/sabazius/hartmann.htm Kurze Biografie und Bild und Zusammenhänge mit dem OTO] (englisch)
* [http://www.georgetown12.org/ Die Website seiner Freimaurerloge]


[[Kategorie:Biographie]]
== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Mann|Hartmann, Franz]]
<references/>
[[Kategorie:Deutscher|Hartmann, Franz]]
[[Kategorie:Theosoph|Hartmann, Franz]]
[[Kategorie:Freimaurer (19. Jh.)|Hartmann, Franz]]
[[Kategorie:Freimaurer (20. Jh.)|Hartmann, Franz]]
[[Kategorie:Rosenkreuzer|Hartmann, Franz]]
[[Kategorie:Autor|Hartmann, Franz]]
[[Kategorie:Geboren 1838|Hartmann, Franz]]
[[Kategorie:Gestorben 1912|Hartmann, Franz]]


{{Personendaten|
{{Navigationsleiste Temperamente}}
NAME=Hartmann, Franz
|ALTERNATIVNAMEN=
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher [[Theosophie|Theosoph]] und Autor von esoterischen Werken
|GEBURTSDATUM=[[1838]]
|GEBURTSORT=[[Donauwörth]]
|STERBEDATUM=[[1912]]
|STERBEORT=[[Kempten (Allgäu)]]
}}


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Temperamente|!101]]
[[Kategorie:Psychologie]]
[[Kategorie:Elemente]]
[[Kategorie:Typen (Psychologie)]]
[[Kategorie:Pädagogik]]
[[Kategorie:Waldorfpädagogik]]
[[Kategorie:Naturphilosophie]]
[[Kategorie:Christliche Kabbala]]
[[Kategorie:Zahlenmystik]]
[[Kategorie:Vierheit]]

Version vom 28. November 2018, 08:56 Uhr

Die vier Temperamente (lat. temperamentum „das richtige Maß, die richtige Mischung“, von lat. temperare „mäßigen, mischen“; im 16. Jahrhundert im Sinne von „ausgeglichenes Mischungsverhältnis“ in der Pharmazie verwendet), bestimmen die die mehr oder weniger dauerhafte Grundgestimmtheit oder Gemütsart des Menschen. Grundsätzlich verfügt jeder Mensch über alle vier Temperamente, die ganz individuell auf die vielfältigste Weise gemischt sind. Im Idealfall sind alle vier Temperamente im harmonischen Gleichgewicht, in der Regel gibt es aber Akzentverschiebungen, durch die meist ein Temperamente stärker hervorsticht, die zwei benachbarten mitschwingen und das vierte, gegensätzliche in den Hintergrund tritt.

Temperamente und Ätherleib

Anders als augenblickliche Emotionen oder Gefühle, haben die Temperamente ihren Sitz im Ätherleib. Von hier aus wirken sie aber teilweise bis in die äußere Gestaltung des physischen Leibes hinein, anderseits spiegeln sie sich in inneren Erlebnissen des Astralleibs bzw. der seelischen Wesensglieder wider.

„Diese vier Temperamente drücken sich im Ätherleib aus. Es gibt also vier verschiedene Hauptarten von Ätherleibern. Diese haben wiederum verschiedene Strömungen und Bewegungen, die sich in einer bestimmten Grundfarbe im Astralleib ausdrücken. Das ist nicht etwa vom Astralleib abhängig, es zeigt sich nur darin.“ (Lit.:GA 95, S. 64)

Temperamente und Elemente

Die anthroposophische-galensche Lehre der vier Elemente und der vier Temperamente

Nach Hippokrates von Kós (460-375 v. Chr.), der die Temperamentenlehre erstmals exoterisch formuliert hat, werden vier Temperamente unterschieden, die den vier Elementen entsprechen:

„Es steht nun in einer geheimnisvollen Verwandtschaft mit den vier Elementen der elementarischen Welt dasjenige im Menschen, was man seine Temperamente nennt, und zwar so, daß eine Verwandtschaft besteht zwischen dem melancholischen Temperament und dem Elemente der Erde, zwischen dem phlegmatischen Temperament und dem Elemente des Wassers, zwischen dem sanguinischen Temperament und dem Elemente der Luft, und zwischen dem cholerischen Temperament und dem Elemente des Feuers. Diese Verwandtschaft kommt im Erleben der elementarischen Welt so zum Ausdruck, daß in der Tat zum Beispiel der cholerische Mensch mehr Neigung hat, mit den im Feuer in der elementarischen Welt lebenden Wesenheiten und Tatsachen zusammenzuwachsen als mit den in den anderen Elementen lebenden Wesenheiten. Der Sanguiniker hat wiederum mehr die Neigung, mit den im Element der Luft auftretenden Wesenheiten zusammenzuwachsen, der Phlegmatiker mit den im Wasser und der Melancholiker mit den in der Erde auftretenden Tatsachen und Wesenheiten. So kommt man in eine gewisse Abhängigkeit in dem Augenblicke, in dem man durch wirkliches Erleben die elementarische Welt betritt. Und Sie können sich daraus leicht die Vorstellung bilden, daß die verschiedensten Menschen Ihnen im Grunde genommen das Verschiedenste erzählen können von der elementarischen Welt und daß eigentlich keiner so ganz unrecht zu haben braucht, wenn er verschieden von einem andern seine eigenen Erlebnisse in dieser Welt schildert. Daher brauchen Sie sich gar nicht zu verwundern, wenn die Schilderungen gewisser niederer Hellseher in bezug auf die elementarische Welt sehr voneinander abweichend sind, denn beurteilen kann man diese Welt doch erst dann, wenn man eine genaue Erkenntnis von sich selber hat.“ (Lit.:GA 119, S. 163f)

Die Temperamente und die Viersäftelehre

Erst Galenos von Pergamon (dt. Galēn; * um 129 n. Chr. in Pergamon; † um 216 n. Chr. in Rom) verband die Temperamentenlehre mit der ebenfalls schon von Hippokrates aufgestellten Viersäftelehre (Humoralpathologie), in dem er den humores, den vier hauptsächlichen Körperflüssigkeiten, jeweils ein Temperament zuordnete:

Die Bildung der Temperamente bei der Inkarnation

Wenn der Mensch zu einer neuen irdischen Inkarnation heruntersteigt, muss sich seine geistige Individualität, sein ewiger Wesenskern, der durch wiederholte Erdenleben schreitet, mit dem durch die Vererbungsströmung bereitgestellten vergänglichen Leib verbinden und es muss ein richtiger Ausgleich dieser beiden Strömungen gesucht werden. Dieser Ausgleich spiegelt sich im Temperament wieder:

„Nun entsteht die große Frage: Wie kann dasjenige, was aus ganz anderen Welten stammt, was sich Vater und Mutter suchen muß, sich vereinen mit dem Leiblich-Physischen, wie kann es sich umkleiden mit dem, was die körperlichen Merkmale sind, durch die der Mensch hineingestellt wird in die Vererbungslinie? Wie geschieht die Vereinigung der beiden Strömungen, der geistig-seelischen Strömung, in die der Mensch hineingestellt ist durch die Wiederverkörperung, und der leiblichen Strömung der Vererbungslinie? Es muß ein Ausgleich geschaffen werden. Indem die beiden Strömungen sich vereinigen, färbt die eine Strömung die andere. Sie färben sich gegenseitig. So wie sich die blaue und die gelbe Farbe etwa vereinigen in dem Grün, so vereinigen sich die beiden Strömungen im Menschen zu dem, was man sein Temperament nennt. Das Temperament gleicht das Ewige mit dem Vergänglichen aus. Dieser Ausgleich geschieht dadurch, daß dasjenige, was wir als die Glieder der menschlichen Natur kennengelernt haben, in ganz bestimmter Art und Weise miteinander ins Verhältnis tritt.“ (Lit.:GA 57, S. 277f)

Temperamente und Wesensglieder

Die vier Apostel von Albrecht Dürer, eine Darstellung der vier Temperamente: Johannes (Sanguiniker), Petrus (Phlegmatiker), Markus (Choleriker) und Paulus (Melancholiker)

Die vier Temperamente hängen eng mit den vier grundlegenden Wesensgliedern des Menschen zusammen. Dominiert eines der Wesensglieder die anderen, so drückt sich das in den im Ätherleib wirkenden Temperamenten folgendermaßen aus, wobei zugleich auch ganz bestimmte Organsysteme besonders hervortreten. Für den Erwachsenen ergibt sich dabei folgender Zusammenhang:

„Beherrscht der Ich-Träger die übrigen Glieder des Menschen, so herrscht das cholerische Temperament vor. Herrscht der Astralleib über die anderen Glieder, so sprechen wir dem Menschen ein sanguinisches Temperament zu. Herrscht vor der Ätherleib, so sprechen wir vom phlegmatischen Temperament. Und ist vorherrschend der physische Leib, so handelt es sich um ein melancholisches Temperament. Das Ich drückt sich in der Zirkulation des Blutes aus. Deshalb ist beim Choleriker vorherrschend das Blutsystem. Der Astralleib findet seinen physischen Ausdruck im Nervensystem; wir haben deshalb beim Sanguiniker im physischen Leibe tonangebend das Nervensystem. Der Ätherleib drückt sich physisch aus im Drüsensystem; deshalb ist beim Phlegmatiker im physischen Leibe tonangebend das Drüsensystem. Der physische Leib als solcher kommt nur im physischen Leibe zum Ausdruck; deshalb ist der physische Leib beim Melancholiker das äußerlich Tonangebende.“ (Lit.:GA 57, S. 278f)

Beim Kind ist die Beziehung der Temperamente zu den Wesensgliedern bis etwa zum 9./10. Lebensjahr noch anders gelagert (Lit.: vgl. Eltz, S. 84):

Charakteristik der vier Temperamente

Reine Temperamente in ihrer vollen Einseitigkeit sind im Leben kaum zu finden. Im Grunde hat jeder Mensch alle vier Temperamente, aber oft sticht eines besonders hervor. Oft sind auch zwei Temperamente sehr stark ausgebildet, ein drittes spielt noch leise mit, während das vierte nur sehr, sehr schwach hervortritt. Das cholerische Temperament ist häufig mit dem melancholischen verbunden, ebenso das sanguinische mit dem phlegmatischen, wobei sich in dem jeweils ersteren die aktive, im zweiten die mehr passive Seite des Charakters ausdrückt. Problematischer ist die enge Verbindung der beiden aktiven Temperamente, also Cholerik und Sanguinik, was einen hyperaktiven Charakter ergibt, oder die Verbindung der beiden passiven Temperamente, Phlegmatik und Melancholie, was dem Menschen einen passiv verzweifelnden Charakter verleiht. Die Temperamente bilden auch Gegensatzpaare, von denen dann das eine sehr stark, das andere kaum ausgeprägt ist. Dem cholerischen Temperament steht das phlegmatische als schroffer Gegensatz gegenüber, ebenso dem sanguinischen das melancholische, so wie Feuer und Wasser Gegensätze sind und auch Luft und Erde.

Es gibt kein gutes und kein schlechtes Temperament. Jedes hat positive, das Eigenwohl und das soziale Miteinander gleichermaßen fördernde, wie auch negative, lebenshemmende Eigenschaften. Durch Erziehung und später durch Selbsterziehung sollen die Temperamente keineswegs geschwächt oder nivelliert, sondern in ihrer positven Kraft gestärkt werden. Im Idealfall kommt der Mensch dazu, über die positiven Kräfte aller vier Temperamente in voller Stärke und im ausgewogenen Gleichmaß frei zu verfügen - aber das ist in der Regel ein fernes Entwicklungsziel, das nur durch die energische Arbeit am Ätherleib erreicht werden kann.

Physiognomie

Die vier Grundtypen

Die reinen Grundtypen, um sie recht anschaulich zu machen, charakterisiert Rudolf Steiner so:

„Beim Choleriker ist vorzugsweise das Ich und das Blutsystem vorherrschend. Dadurch tritt er auf als der Mensch, der sein Ich unter allen Umständen durchsetzen will. Von der Zirkulation des Blutes schreibt sich alles Aggressive des Cholerikers her, alles was mit der starken Willensnatur des Cholerikers zusammenhängt. Im Nervensystem und Astralleib sind die auf- und abwogenden Empfindungen und Gefühle. Nur dadurch, daß diese durch das Ich gebändigt werden, kommt Harmonie und Ordnung hinein. Würde er sie nicht durch sein Ich bändigen, so würden sie auf- und abfluten, ohne daß man bemerken könnte, der Mensch übt irgendeine Herrschaft über sie aus. Der Mensch würde hingegeben sein allem Wogen von Empfindung zu Empfindung, von Bild zu Bild, von Vorstellung zu Vorstellung und so weiter.

Etwas von dem tritt ein, wenn der astralische Leib vorherrscht, also beim Sanguiniker, der in gewisser Weise den auf- und abwogenden Bildern, Empfindungen und Vorstellungen hingegeben ist, da bei ihm der Astralleib und das Nervensystem vorherrschen. Das, was des Menschen Blutzirkulation ist, ist der Bändiger des Nervenlebens. Was tritt ein, wenn ein Mensch blutarm, bleichsüchtig ist, wenn der Bändiger nicht da ist? Dann tritt ein zügelloses Auf- und Abfluten der Bilder; Illusionen, Halluzinationen treten auf. Einen kleinen Anflug davon haben wir beim Sanguiniker. Der Sanguiniker kann nicht bei einem Eindruck verweilen, er kann nicht festhalten an einem Bilde, er haftet nicht mit seinem Interesse an einem Eindruck. Er eilt von Lebenseindruck zu Lebenseindruck, von Wahrnehmung zu Wahrnehmung. Das kann man besonders beim sanguinischen Kinde beobachten; da kann es einem Sorge machen. Leicht ist Interesse da, ein Bild fängt leicht an zu wirken, macht bald einen Eindruck, aber der Eindruck ist bald wieder verschwunden.

Gehen wir jetzt zum phlegmatischen Temperament über! Wir sahen, daß das phlegmatische Temperament dadurch entsteht, daß vorherrschend gemacht ist das, was wir Äther- oder Lebensleib nennen, das, was des Menschen Wachstums- und Lebensvorgänge im Innern regelt. Es kommt das in innerer Behaglichkeit zum Ausdruck. Je mehr der Mensch in seinem Ätherleib lebt, desto mehr ist er in sich selber beschäftigt, und läßt die äußeren Dinge laufen. Er ist in seinem Innern beschäftigt.

Beim Melancholiker haben wir gesehen, daß der physische Leib, also das dichteste Glied der menschlichen Wesenheit, der Herr wird über die anderen. Immer, wenn der dichteste Teil Herr wird, dann fühlt das der Mensch so, daß er nicht Herr ist darüber, daß er ihn nicht handhaben kann. Denn der physische Leib ist das Instrument, das er durch seine höheren Glieder überall beherrschen soll; jetzt aber herrscht dieser physische Leib, setzt dem anderen Widerstand entgegen. Das empfindet der Mensch als Schmerz, Unlust, als die trübselige Stimmung des Melancholikers. Es ist immer ein Aufsteigen von Schmerzen da. Von nichts anderem rührt diese Stimmung her, als daß der physische Leib der innern Behaglichkeit des Ätherleibes, der Beweglichkeit des Astralleibes und der Zielsicherheit des Ichs Widerstände entgegenstellt.

Was wir da sehen als die Mischung der vier Wesensglieder des Menschen, das tritt uns im äußeren Bilde klar und deutlich entgegen. Wenn das Ich vorherrscht, will der Mensch sich gegen alle äußeren Widerstände durchsetzen, will in Erscheinung treten. Es hält dann förmlich die anderen Glieder des Menschen im Wachstum zurück, den Astralleib und den Ätherleib, läßt sie nicht zu ihrem Rechte kommen. Rein äußerlich tritt das einem schon entgegen. Johann Gottlieb Fichte zum Beispiel, der deutsche Choleriker, ist schon äußerlich als solcher kenntlich. Er verriet schon äußerlich deutlich im Wuchs, daß die anderen Wesensglieder zurückgehalten worden sind. Oder ein klassisches Beispiel eines Cholerikers ist Napoleon, der so klein geblieben ist, weil das Ich die anderen Wesensglieder zurückgehalten hat. Es handelt sich nun natürlich nicht darum, daß behauptet wird, der Choleriker sei klein und der Sanguiniker groß. Wir dürfen die Gestalt des Menschen nur mit seinem eignen Wuchs vergleichen. Es kommt darauf an, in welchem Verhältnis zur ganzen Gestalt der Wuchs steht. Beim Sanguiniker herrscht das Nervensystem, der Astralleib vor. Er wird in seinem in sich beweglichen Leben an den Gliedern arbeiten; er wird auch das äußere Abbild des Menschen so beweglich wie möglich machen. Haben wir beim Choleriker scharf geschnittene Gesichtszüge, so beim Sanguiniker bewegliche, ausdrucksvolle, sich verändernde Gesichtszüge. Sogar in der schlanken Gestalt, im Knochenbau, sehen wir die innere Beweglichkeit des Astralleibes am ganzen Menschen. In den schlanken Muskeln zum Beispiel kommt sie zum Ausdruck. Das ist auch zu sehen in dem, was der Mensch äußerlich darlebt. Auch wer nicht hellsehend ist, kann dem Menschen schon von hinten ansehen, ob er Sanguiniker oder Choleriker ist. Dazu braucht man nicht Geisteswissenschaftler zu sein. Sieht man einen Choleriker gehen, so kann man beobachten, wie er jeden Fuß so setzt, als ob er bei jedem Schritt nicht nur den Boden berühren wolle, sondern als ob der Fuß noch ein Stück in den Boden hineingehen sollte. Beim Sanguiniker dagegen haben wir einen hüpfenden, springenden Gang. Auch feinere Merkmale finden sich in der äußeren Gestalt. Die Innerlichkeit der Ich-Natur, die geschlossene Innerlichkeit des Cholerikers tritt uns entgegen in dem schwarzen Auge des Cholerikers. Sehen Sie sich den Sanguiniker an, bei dem die Ich-Natur nicht so tief gewurzelt ist, bei dem der astralische Leib seine ganze Beweglichkeit ausgießt, da ist das blaue Auge vorherrschend. So könnten viele Merkmale angeführt werden, die das Temperament in der äußeren Erscheinung zeigen.

Das phlegmatische Temperament tritt einem entgegen in der unbeweglichen, teilnahmslosen Physiognomie, in der Fülle des Körpers, besonders in der Ausarbeitung der Fettpartien; denn das ist das, was besonders der Ätherleib ausarbeitet. In alledem tritt uns die innere Behaglichkeit des Phlegmatikers entgegen. Er hat einen schlotternden Gang. Er tritt sozusagen nicht ordentlich auf, setzt sich nicht in Beziehung zu den Dingen. - Und sehen Sie sich den Melancholiker an, wie er zumeist einen vorhängenden Kopf hat, nicht aus sich heraus die Kraft hat, den Nacken zu steifen. Das Auge ist trübe; da ist nicht der Glanz des schwarzen Cholerikerauges. Der Gang ist zwar fest, aber es ist nicht der Gang des Cholerikers, das feste Auftreten des Cholerikers, sondern es ist etwas Schleppend-Festes.“ (Lit.:GA 57, S. 279f)

Die karmischen Ursachen des Temperaments

Wiederholte Erlebnisse, die in einem früheren Erdenleben von außen an den Menschen herangekommen sind, drücken sich in der nächsten Inkarnation in der Temperamentsanlage aus, wobei auch eine wesentliche Rolle spielt, wie wir im damaligen Erdenleben, mit diesen sich wiederholenden Erfahrungen umgegangen sind:

„Was Sie in diesem Leben wiederholt erleben, das kommt in Ihrem folgenden Leben als Grundcharakter. Ein melancholisches Temperament kommt daher, daß der Mensch im vorigen Leben viele traurige Eindrücke gehabt hat, die ihn immer wieder in eine traurige Stimmung versetzt haben; dadurch hat eben der nächste Ätherleib eine Neigung für eine traurige Stimmung. Umgekehrt ist es bei denen, die allem im Leben eine gute Seite abgewinnen, die dadurch in ihrem Astralleib Lust und Freude, frohe Erhebung erzeugt haben; das gibt im nächsten Leben eine bleibende Charaktereigenschaft des Ätherleibes und bewirkt ein heiteres Temperament. Wenn der Mensch aber, trotzdem ihn das Leben in eine harte Schule nimmt, all das Traurige kraftvoll überwindet, dann wird im nächsten Leben sein Ätherleib geboren mit einem cholerischen Temperament. Man kann also, wenn man all das weiß, geradezu sich seinen Ätherleib für das nächste Leben vorbereiten.“ (Lit.:GA 100, S. 85)

Man kann dadurch bis zu einem gewissen Grad vorhersehen bzw. sogar beeinflussen, wie sich das Temperament in der nächsten Inkarnation gestalten wird, wobei allerdings, wie schon oben besprochen, die durch Vererbung erworbenen Leibesglieder, auf die man zunächst keinen direkten Einfluss hat, auch eine nicht unwesentliche Rolle spielen.

„Das melancholische Temperament wird karmisch besonders dann hervorgerufen, wenn ein Mensch im vorhergehenden Leben gezwungen war, im kleinsten, engsten Kreise zu leben, viel für sich allein zu sein, immer nur sich mit sich selbst zu beschäftigen, so daß er kein Interesse für anderes in sich wecken konnte. Wer dagegen viel kennengelernt hat, wer mit vielen Dingen zusammengekommen ist und sie nicht bloß angeschaut hat, mit dem das vorige Leben hart umgegangen ist, der wird ein Choleriker. Wenn man ein angenehmes Leben ohne viel Kämpfe und Mühsale hatte, oder auch wenn man viel gesehen hat, an vielem vorbeigekommen ist, es aber nur angesehen hat, so geht das alles karmisch immer im nächsten Leben im Grundwesen auf den nächtstdichteren Leib über. Man wird ein Phlegmatiker oder Sanguiniker.“ (Lit.:GA 95, S. 64)

Psychopathologie der Temperamente

„Bei der Erziehung handelt es sich nicht darum, die Temperamente auszugleichen, zu nivellieren, sondern es handelt sich darum, sie in die richtigen Geleise zu bringen. Aber in jedem Temperamente liegt eine kleine und eine große Gefahr der Ausartung. Beim cholerischen Menschen liegt in der Jugend die Gefahr vor, daß ein solcher Mensch durch Zornwütigkeit, ohne daß er sich beherrschen kann, sein Ich eingeprägt erhält. Das ist die kleine Gefahr. Die große Gefahr ist die Narrheit, die aus ihrem Ich heraus irgendein einzelnes Ziel verfolgen will. Beim sanguinischen Temperamente ist die kleine Gefahr die, daß der Mensch in Flatterhaftigkeit verfällt. Die große Gefahr ist, daß das Auf- und Abwogen der Empfindungen in Irrsinn einmündet. Die kleine Gefahr des Phlegmatikers ist die Interesselosigkeit gegenüber der äußeren Welt; die große Gefahr ist die Idiotie, der Stumpfsinn. Die kleine Gefahr beim melancholischen Temperament ist der Trübsinn, die Möglichkeit, daß der Mensch nicht herauskommt über das, was im eignen Innern aufsteigt. Die große Gefahr ist der Wahnsinn.“ (Lit.:GA 57, S. 291)

Temperamente und Pädagogik

Die vier Temperamente
Die vier Temperamente

„Was ist das? Das ist auch eine Charakterisierung der vier Temperamente. Die melancholischen Kinder sind in der Regel schlank und dünn; die sanguinischen sind die normalsten; die, welche die Schultern mehr heraus haben, sind die phlegmatischen Kinder; die den untersetzten Bau haben, so daß der Kopf beinah untersinkt im Körper, sind die cholerischen Kinder.

Bei Michelangelo und Beethoven haben Sie eine Mischung von melancholischem und cholerischem Temperament.

Nun bitte ich, durchaus zu berücksichtigen, daß wir, wenn es sich um das Temperament beim Kinde handelt, als Lehrer durchaus nicht berufen sind, die betreffenden Temperamente von vornherein als «Fehler » anzusehen und bekämpfen zu wollen. Wir müssen das Temperament erkennen und uns die Frage stellen: Wie haben wir es zu behandeln, um ein wünschbares Lebensziel mit ihm zu erreichen, so daß aus dem Temperament das Allerbeste wird und die Kinder mit Hilfe des Temperaments das Lebensziel erreichen?“ (Lit.:GA 295, S. 28)

Die Erziehung des Kindes

„Wenn wir uns das alles vorhalten, so werden wir sehen, daß in dem Lenken und Leiten der Temperamente eine bedeutsame Aufgabe der Lebenspraxis liegt. Aber um die Temperamente zu leiten, ist der Grundsatz zu beachten, daß immer mit dem gerechnet werden muß, was da ist, nicht mit dem, was nicht da ist. Hat ein Kind ein sanguinisches Temperament, so können wir ihm nicht dadurch in der Entwicklung weiterhelfen, daß wir Interesse hineinprügeln wollen; man kann nicht ihm einbleuen etwas anderes, als was eben sein sanguinisches Temperament ist. Wir sollen nicht fragen: Was fehlt dem Kinde, was sollen wir ihm einprügeln? - sondern wir sollen fragen: Was hat ein sanguinisches Kind in der Regel? Und damit müssen wir rechnen. In der Regel werden wir eines finden, ein Interesse kann immer erregt werden; das Interesse für irgendeine Persönlichkeit, wenn das Kind auch noch so flatterhaft ist. Wenn wir die richtige Persönlichkeit nur sind, oder wenn wir ihm die richtige Persönlichkeit beigesellen können, so tritt das Interesse schon auf. Nur auf dem Umwege der Liebe zu einer Persönlichkeit kann beim sanguinischen Kinde Interesse auftreten. Mehr als jedes andere Temperament braucht das sanguinische Kind Liebe zu einer Persönlichkeit. Alles muß getan werden, daß bei einem solchen Kinde die Liebe erwache. Liebe ist das Zauberwort. Wir müssen sehen, was da ist. Wir müssen sehen, allerlei Dinge in die Umgebung des Kindes zu bringen, von denen man doch bemerkt hat, daß es tieferes Interesse daran hat. Diese Dinge muß man zum Sanguiniker sprechen lassen, muß sie auf das Kind wirken lassen, muß sie ihm dann wieder entziehen, damit das Kind sie wieder begehrt, und sie ihm von neuem geben. Man muß sie so auf das Kind wirken lassen, wie die Gegenstände der gewöhnlichen Welt auf das sanguinische Temperament wirken.

Beim cholerischen Kinde gibt es auch einen Umweg, durch den die Entwicklung immer zu leiten ist. Hier heißt das, was die Erziehung sicher leitet: Achtung und Schätzung einer Autorität. Hier handelt es sich nicht um ein Beliebt¬machen durch die persönlichen Eigenschaften, wie beim sanguinischen Kinde, sondern es kommt darauf an, daß das cholerische Kind immer den Glauben hat, daß der Erzieher die Sache versteht. Man muß zeigen, daß man in den Dingen Bescheid weiß, die um das Kind vorgehen. Man darf sich nicht eine Blöße geben. Das Kind muß immer den Glauben erhalten, daß der Erzieher die Sache kann, sonst hat er sofort verspielt. Ist Liebe zur Persönlichkeit das Zaubermittel beim sanguinischen Kinde, so Achtung und Schätzung des Wertes einer Person das Zauberwort beim cholerischen Kinde. Ihm müssen besonders solche Gegenstände in den Weg geführt werden, die ihm Widerstand entgegensetzen. Widerstände, Schwierigkeiten müssen ihm in den Weg gelegt werden. Man muß versuchen, ihm das Leben nicht so leicht zu machen.

Das melancholische Kind ist nicht leicht zu leiten. Hier aber gibt es wieder ein Zaubermittel. Wie beim sanguinischen Kinde Liebe zur Persönlichkeit, beim cholerischen Schätzung und Achtung des Wertes des Erziehers die Zauberworte sind, so ist beim melancholischen Kinde das, worauf es ankommt, daß die Erzieher Persönlichkeiten sind, die im Leben in einer gewissen Weise geprüft sind, die aus einem geprüften Leben heraus handeln und sprechen. Das Kind muß fühlen, daß der Erzieher wirkliche Schmerzen durchgemacht habe. Lassen Sie das Kind merken an allen den hunderterlei Dingen des Lebens die eigenen Lebensschicksale. Das Mitfühlen mit dem Schicksale dessen, der um einen ist, wirkt hier erziehend. Auch hier beim Melancholiker muß man rechnen mit dem, was er hat. Er hat Schmerzfähigkeit, Unlustfähigkeit; die sitzen in seinem Innern, die können wir nicht ausprügeln. Aber wir können sie ablenken. Lassen wir ihn gerade im Außenleben berechtigten Schmerz, berechtigtes Leid erfahren, damit er kennenlernt, daß es Dinge gibt, an denen er Schmerz erleben kann. Das ist es, worauf es ankommt. Nicht soll man ihn zerstreuen: dadurch verhärten Sie seine Trübsinnigkeit, seinen Schmerz im Innern. Er soll sehen, daß es Dinge im Leben gibt, an denen man Schmerz erfahren kann. Wenn man es auch nicht zu weit treiben darf, so kommt es doch darauf an, daß an den äußeren Dingen Schmerz erregt wird, der ihn ablenkt.

Der Phlegmatiker darf nicht einsam aufwachsen. Wenn es bei den anderen schon gut ist, Gespielen zu haben, so ist das besonders beim Phlegmatiker der Fall. Er muß Gespielen haben mit den mannigfaltigsten Interessen. Er kann erzogen werden durch das Miterleben der Interessen und möglichst vieler Interessen der anderen Persönlichkeiten. Wenn er sich gleichgültig verhält gegen das, was in der Umgebung ist, so kann sein Interesse angefacht werden dadurch, daß die Interessen der Gespielen, der Gesellen auf ihn wirken. Kommt es beim melancholischen Kinde auf das Miterleben des Schicksals einer anderen Persönlichkeit an, so beim phlegmatischen auf das Miterleben der Interessen seiner Gespielen. Nicht Dinge als solche wirken auf den Phlegmatiker; aber wenn sich die Dinge in anderen Menschen spiegeln, dann spiegeln sich diese Interessen in der Seele des phlegmatischen Kindes. Dann sollen wir beson¬ders darauf sehen, daß wir Gegenstände in seine Umgebung bringen, Ereignisse in seiner Nähe geschehen lassen, wo das Phlegma am Platze ist. Man muß das Phlegma auf die richtigen Gegenstände lenken, denen gegenüber man phlegmatisch sein darf.“ (Lit.:GA 57, S. 292ff)

Wie kann man auf die Temperamente durch die Farben wirken ?

„Nehmen wir also an, ein Kind tritt einem im frühen Lebensalter als ein cholerisches Kind gegenüber. Es wird nicht erst ein Frage- und Antwortspiel brauchen, um darauf zu kommen, daß es sich um ein cholerisches Kind handelt, sondern es wird sich vielleicht dadurch schon zeigen, daß es furchtbar strampelt bei jeder Gelegenheit, daß es sich auf den Boden wirft, um sich schlägt. Alle diese Äußerungen sind die entsprechenden bei dem cholerischen Kinde.

Nun wird man, wenn man Laie ist, wahrscheinlich glauben, daß man ein solches Kind bändigen kann, indem man es möglichst in eine beruhigende farbige Umgebung bringt. Das ist aber nicht wahr. Wenn Sie das cholerische Kind mit Blau umgeben oder mit blauen Kleidern anziehen, dann wird es gerade dadurch, daß es diese beruhigende blaue Farbe um sich hat, die es nicht stößt, sein cholerisches Temperament da hinein ausleben; es wird gerade noch z'widerer, polternder werden. Dagegen in einer Umgebung, in der es überall mit roter, mit der aufregenden roten Farbe umgeben sein wird — Sie wissen ja aus anderen Vorträgen, daß die Gegenfarbe die grüne ist, daß die grün-bläuliche Gegenfarbe hervorgerufen wird —, da muß sich das Kind innerlich, indem es fortwährend mit Rot umgeben wird, anstrengen, um innerlich die Gegenfarbe zu erleben und wird gerade nicht äußerlich aufgeregt. Also das Gleiche, das ist dasjenige, was bändigend auf ein aufgeregtes Kind wirkt.

Auf der anderen Seite wird man auf ein melancholisches Kind gut wirken, wenn man es gerade veranlaßt, indem man es in eine blaue, grünlich-blaue Umgebung bringt, aus sich herauszugehen, also nicht etwa sich davor fürchtet, daß wenn man ihm eine beruhigende, eine zur Verehrung herausfordernde blaue oder blaugrüne Umgebung gibt, daß man es dadurch noch melancholischer macht. Hier handelt es sich darum, wirklich einzusehen, wie aus der Wesenheit des Menschen es folgt, daß man Gleiches mit Gleichem bekämpft. Sie sehen, es handelt sich überall darum, von der Wesenheit des Menschen auszugehen und mit der Erkenntnis, die man da gewinnt, ans Leben heranzukommen.

Ich möchte aber ausdrücklich bemerken, daß es im allgemeinen nicht zu einer Schematisierung kommen soll, wenn man das Erziehungswesen als Kunst betrachtet, und daß daher schon diese Denkweise, die da auftritt, wenn man sagt: Wie kann man die Temperamente durch Farben beeinflussen und dergleichen - daß das schon wiederum so eine intellektuelle Systematisiererei zeigt. Wird das Erziehungswesen zur Kunst, dann kommt man nicht zu solchem intellektualistischen Schematisieren. Da wird man nicht, wenn es sich um die Farbe handelt, auf die Temperamente blicken, sondern da wird man im allgemeinen mehr darauf bedacht sein, ob das Kind ein aufgeregtes oder ein abgeregtes Kind ist. Es kann zum Beispiel auch vorkommen, daß ein unter Umständen phlegmatisches Kind auch in derselben Weise wie ein melancholisches Kind mit den Farben und dergleichen behandelt werden muß. Kurz, es wird sich darum handeln, daß man aus einer lebendigen Erziehungswissenschaft auch eine lebendige Erziehungskunst entwickle.“ (Lit.:GA 291a, S. 443f)

Selbsterziehung des Erwachsenen

Der Verstand kann bei der Selbsterziehung direkt nur wenig helfen. Es genügt nicht, das Richtige zu wissen, sondern es muss getan, d.h. regelmäßig geübt werden. Nur durch rhythmisch wiederholtes Üben kann der Ätherleib allmählich verwandelt werden:

„Auch die Selbsterziehung kann der Mensch hier in die Hand nehmen. Nicht dadurch kommt zum Beispiel der Sanguiniker zum Ziele, daß er sich sagt: Du hast ein sanguinisches Temperament, das mußt du dir abgewöhnen. - Der Verstand, direkt angewandt, ist auf diesem Gebiete oft ein Hindernis. Indirekt vermag er dagegen viel. Der Verstand ist hier die allerschwächste Seelenkraft. Bei stärkeren Seelenkräften, wie es die Temperamente sind, vermag der Verstand direkt sehr wenig, kann nur indirekt wirken. Der Mensch muß mit seinem Sanguinismus rechnen; Selbstermahnungen fruchten nicht. Es kommt darauf an, den Sanguinismus am rechten Orte zu zeigen. Wir können uns durch den Verstand Erlebnisse schaffen, für die das kurze Interesse des Sanguinikers berechtigt ist. Wenn wir also solche Verhältnisse auch noch so sehr im Kleinen herbeiführen, bei denen das kurze Interesse am Platze ist, so wird es schon hervorrufen, was nötig ist. Beim cholerischen Temperament, da ist es gut, solche Gegenstände zu wählen, durch den Verstand solche Verhältnisse herbeizuführen, bei denen es uns nichts hilft, daß wir toben, wo wir durch unser Toben uns selbst ad absurdum führen. Das melancholische Temperament soll nicht an den Schmerzen und Leiden des Lebens vorbeigehen, sondern soll sie gerade aufsuchen, soll mitleiden, damit sein Schmerz abgelenkt werde an die richtigen Gegenstände und Ereignisse. Sind wir Phlegmatiker, die keine Interessen haben, so ist es gut, daß wir uns möglichst viel mit recht uninteressanten Gegenständen beschäftigen, uns mit recht viel Quellen der Langweile umgeben, daß wir uns gründlich langweilen. Dann werden wir uns gründlich kurieren von unserem Phlegma, es uns gründlich abgewöhnen. So rechnet man mit dem, was da ist, und nicht mit dem, was nicht da ist.“ (Lit.:GA 57, S. 294)

Tabelle

Temperament
Choleriker
Sanguiniker
Phlegmatiker
Melancholiker
Wesensglied Ich Astralleib Ätherleib Physischer Leib
Körpersäfte Gelbe Galle (Chole) Blut[1] (Sanguis) Schleim (Phlegma) Schwarze Galle (Melas Chole)
Eigenschaften warm und trocken warm und feucht kalt und feucht kalt und trocken
Element Feuer Luft Wasser Erde
Altersstufe Jugend Kindheit Alter Erwachsenenalter
Richtung Süden Osten Westen Norden
Jahreszeit Sommer Frühling Herbst Winter
Tageszeit Mittag Morgen Abend Nacht
Bewusstsein Wachen Träumen Schlafen Sterben, Kranksein, Tod
Organsystem Blutkreislauf[1], Galle Nervensystem, Lunge Drüsensystem, Verdauung Knochensystem, Gelenke, Sehnen
Mimik Nasenwurzel zusammengezogen (Wutfalte), Mund gepresst gehobene Brauen und Mundwinkel Augenlider und Kiefer locker hängend in der Mitte hochgezogene Brauen und Mittelfalte, Mundwinkel gesenkt
Gestik kraftvoll abwärts mit Leichtigkeit rhythmisch aufstrebend bequem sinkenlassend vergebens mühsam aufstrebend
Gang stampfend (Ferse), O-beinig hüpfend, tänzelnd schlurfend X-beinig
Tugend Mut Liebe, Interesse Geduld Mitleid
Untugend Wut Triebhaftigkeit Trägheit Wehleidigkeit
Bosheit
tätig
erleidend

Gewalttätigkeit

Angst

Lügenhaftigkeit

Leichtsinnigkeit

Hartherzigkeit

Antriebslosigkeit

Grausamkeit

Masochismus
Geisteskrankheit Tobsucht Irrsinn, Narrheit Stumpfsinn Trübsinn, Wahnsinn
Wappentier[2] Löwe Adler Wassermann (Mensch/Engel) Stier

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Wo und wie findet man den Geist?, GA 57 (1984) pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Vor dem Tore der Theosophie, GA 95 (1990) pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis, GA 100 (1981) pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Makrokosmos und Mikrokosmos, GA 119 (1988) pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  5. Rudolf Steiner: Farbenerkenntnis, GA 291a (1990) pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  6. Heinrich Eltz: Die menschlichen Temperamente, 3. Auflage, Verlag Paul Haupt, Bern - Stuttgart - Wien 2000, ISBN 978-3258049540
  7. Karl Rössel-Majdan: Vom Wunder der menschlichen Stimme. Sprachgestaltung. Troxler, Wien 1975
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Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Es ist kein Widerspruch, dass hier das Blut, als einer der vier Körpersäfte, dem Sanguiniker zugeordnet wird, anderseits der Blutkreislauf, als Organsystem, dem Choleriker entspricht.
  2. Die Wappentiere entsprechen den vier Sphinx-Tieren bzw. den Evangelisten-Symbolen und auch den entsprechenden Tierkreiszeichen. Dabei ergibt sich allerdings eine andere Zuordnung der Elemente zu den Tierkreiszeichen, als sie heute in der Astrologie üblich ist, indem die Luft- und Wasserzeichen vertauscht sind. Der Adler, der dem Skorpion entspricht, ist hier dem Luftelement zugeordnet und der Wassermann oder Engel dem Wasserelement.