Manjushri und Lesen: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Manjushri''' ([[Sanskrit]]: m., मञ्जुश्री, ''Mañjuśrī''; {{zh|c=文殊|p=wén shū|w=Wen-shu}}; [[Wikipedia:Japanische Sprache|Japanisch]]: ''Monju''; [[Wikipedia:Umschrift nach Wylie|Tibetisch]]: '' 'jam dpal dbyangs'') ist eine Figur aus dem [[Buddhismus]]. Er ist sowohl als ein [[Buddha]] als auch als ein [[Bodhisattva]] – eine [[Emanation]] [[Adibuddha#Vairocana|Vairocanas]]<ref>khandro.net des [[Urgyen Trinley Dorje]]: [http://www.khandro.net/deity_Manjushri.htm Manjushri (englisch)]</ref> – bekannt, da er mehrere Aspekte besitzt je nach Land und Überlieferung.
[[Datei:Georgios Jakobides Girl reading c1882.jpg|mini|hochkant|''Lesendes Mädchen'' Gemälde von Georgios Jakobides, 1882]]


Manjushri gehört zusammen mit [[Avalokiteshvara]] und [[Vajrapani]] zu den drei großen Bodhisattvas. Er hilft, die Unwissenheit zu überwinden und Weisheit zu erlangen. Rechts mit der „männlichen Hand“ oder der „Methodenhand“ trägt er das Schwert, das die Unwissenheit zerschneidet und gleichzeitig als eine Fackel Licht in die Dunkelheit bringt. In der linken, „weiblichen“ Hand oder „Weisheitshand“ hält er das Buch der transzendenten Weisheit. Er ist der Schutzherr der Gelehrten und Studierenden, gibt Inspiration und Erkenntnis, wenn man ihn anruft. Der erste Tag des tibetischen Jahres ist ihm geweiht. Er wird morgens angerufen, um mit seinem Flammenschwert die Dämonen der Finsternis zu vertreiben und das Licht zu bringen. Manjushri gilt außerdem als der himmlische Baumeister, der den irdischen Architekten beisteht, würdige Tempel zu bauen.<ref>Schumann, Hans Wolfgang (2001): ''Buddhistische Bilderwelt''. München: Hugendubel, 4. Aufl. S. 141,142.</ref>
'''Lesen''' (von [[Latein|lat.]] ''legere'' = "sammeln, auswählen, auf- oder auslesen, lesen") im engeren Sinn besteht ''heute'' in der [[Fähigkeit]] [[schrift]]lich festgehaltene [[Sprache]] (siehe → [[Schreiben]]) gegebenfalls wieder in zusammenhängend gesprochene [[Wort]]e umzusetzen (''Vorlesen'') und die darin enthaltenen [[Gedanken]] zu erfassen und zu [[verstehen]] (''sinnerfassendes Lesen''), sie gleichsam zu ''erraten'' bzw. zu ''enträtseln'' (vgl. dazu [[Englische Sprache|eng.]] ''to read'' = "lesen", verwandt mit [[Deutsche Sprache|dt.]] ''raten'' bzw. [[Englische Sprache|eng.]] ''riddle'' = "Rätsel").  


Im Buddha-Aspekt wird er mit einem Schwert und einem Buch oder einer [[Wikipedia:Schriftrolle|Schriftrolle]] dargestellt. Das Schwert repräsentiert Weisheit bzw. [[Prajna]]. In einigen Ländern wie Japan wird er als Bodhisattva oft mit femininen Zügen und/oder auf einem Löwen reitend dargestellt. Jeder Buddha hat ein [[Mantra]], Manjushris Mantra lautet: OM AH RA PA TSA NA DHI ({{bo|w=om a ra pa tsa na d+hIH|t=<font face="Jomolhari, 'Tibetan Machine Uni'">ༀ་ཨ་ར་པ་ཙ་ན་དྷཱི</font>|lang=yes}}).
== Allgemeines ==
[[Datei:Carl Spitzweg 021.jpg|thumb|230px|[[Wikipedia:Carl Spitzweg|Carl Spitzweg]], Der Bücherwurm, um 1850]]
Lesen hat traditionell auch die Bedeutung des Auslesens. Scheidung der guten Linsen von den nicht guten (Aschenputtel), in moderner Auffassung: Unterscheidung von beachtenstenswerten Mitteilungen von Informationsmüll, Rezeption was relevant dünkt, und Ignoranz für das andere, das dann oft aber nur unzureichend erfaßt ist, oder oft garnicht mal leider.


Manjushri ist auch bekannt als: Bodhisattva des Wissens und des Lernens, Buddha der Weisheit bzw. Weisheits-Buddha. Er ist einer der traditionellen japanischen Dreizehn Buddhas. Das Schwert wird benutzt, um den Schleier der Ignoranz zu durchtrennen. Die Schriftrolle oder das Buch repräsentieren die Perfektion von Wissen. Nach einer Überlieferung residiert er auf dem Berg [[Wikipedia:Wu Tai Shan|Wu Tai Shan]] in China. Manjushri soll der Legende nach ein Schüler des historischen Buddha [[Shakyamuni]] gewesen sein. Zusammen mit diesem und dem anderen Schüler, [[Samantabhadra]], bildet er die „Shakyamuni-Trinität“.
Eine sehr wichtige Übung für den [[Geistesschüler]] (vgl. z.B. [[Rudolf Steiner]]: ''[[Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten]]''), heißt: Lerne das Wesentliche von dem Unwesentlichen unterscheiden.  


In der [[Wikipedia:Kosmogonie|Kosmogonie]] des westmongolischen Volkes der [[Wikipedia:Kalmücken|Kalmücken]] entspricht Manjushri dem Schöpfer der Erde Mandschischiri. Dieser verwandelt sich in eine große [[Wikipedia:Schildkröten#Mythologie|Schildkröte]], die auf dem Rücken liegend die Erde über der Wasseroberfläche hält. Wenn die Schildkröte eine Zehe bewegt, ereignet sich ein Erdbeben.<ref>[[Uno Harva]]: ''Die religiösen Vorstellungen der altaischen Völker.'' FF Communications N:o 125. Suomalainen Tiedeakatemia, Helsinki 1938, S. 27</ref>
Eine gute Linse ist oftmals in einem Misthaufen verborgen, während faule Linsen im Schaufenster des Juweliers usw. vorkommen, oder andersrum. Lesen heißt insofern urteilen, und wenn das nicht möglich ist, entscheiden: z.B. Welches Buch soll/will ich als nächstes lesen?. Genauso die Entscheidung, wie gründlich will ich dieses Buch lesen, will ich es gründlich studieren, oder zur Unterhaltung darin blättern und ein paar Sätze zur Kenntnis nehmen? Usw.  


In der Tradition des tibetischen Buddhismus galten die [[Wikipedia:China|chinesischen]] [[Wikipedia:Kaiser der Qing-Dynastie|Kaiser der Qing-Dynastie]] als Inkarnationen von Manjushri (Mañjugoṣa, འཇམ་པའི་དབྱངས་).<ref>Vladimir Uspensky: ''The Previous Incarnations of the Qianlong Emperor According to the [[Wikipedia:Panchen Lama|]] Blo bzang dpal ldan ye shes.'' In: Henk Blezer (Hrsg.): ''Tibet, Past and Present''. Brill 2000, S. 215–228.</ref>
Goethe empfiehlt, im Buch der Natur zu lesen: "Die Natur ist doch das einzige Buch, das auf allen Blättern großen Gehalt bietet." (Italienische Reise, 9.3.1787).
 
== Zur Geschichte des Lesens ==
 
Im Allgemeinen geht man davon aus, dass in der [[Griechisch-Lateinische Kultur|griechisch-römischen Zeit]] noch bis weit in die ersten [[christlich]]en Jahrhunderte auch ''einsame'' Leser vornehmlich ''laut'' [[Rezitation|rezitierend]] zu lesen pflegten<ref>Eduard Norden: ''Die Antike Kunstprosa vom VI. Jahrhundert v.Chr. bis in die Zeit der Renaissance I'', Leipzig/Berlin 1909</ref><ref>Josef Balogh: ''Voces Paginarum. Beiträge zur Geschichte des lauten Lesens und Schreibens'', Philologus 82 (1927)</ref><ref>G. L. Hendrickson: ''Ancient Reading'' (1929), S 182–196</ref>, obwohl diese These gelegentlich auch angezweifelt wird<ref>B. M. W. Knox: ''Silent Reading in Antiquity'' (1968), S 421–435</ref><ref>A. K. Gavrilov: ''Techniques of Reading in Classical Antiquity'' (1997), S 56–73</ref><ref>M. F. Burnyeat: ''Postscript on Silent Reading'', (1997), S 74–76</ref>. Oft zitiert wird diesbezüglich die Stelle aus den "[[Wikipedia:Confessiones|Bekentnissen]]" des [[Augustinus]], der sich über den leise lesenden Bischof [[Wikipedia:Ambrosius von Mailand|Ambrosius von Mailand]] verwundert:
 
{{Zitat|Und wenn er las, schweiften die Augen über die Seiten und das Herz erforschte den Sinn, er selbst aber schwieg. Oft, wenn wir gegenwärtig waren, denn jeder hatte Zutritt, auch pflegte der Kommende nicht angemeldet zu werden, sahen wir ihn schweigend lesen, und nie anders; lange Zeit saßen wir schweigend da - denn wer hätte es gewagt, eine solche Vertiefung zu stören?|Augustinus|Confessiones 6,3}}
 
Mit dem Lesen, z.B. zu Korrekturzwecken, und zum lauten Vorlesen vor einer versammelten Gemeinschaft, z.B beim [[Gottesdienst]] und später auch an den [[Universität]]en, wurden [[Lektor]]en beauftragt. In der [[Freie Hochschule für Geisteswissenschaft|Freien Hochschule für Geisteswissenschaft]] sind Lektoren dazu bestellt, die von [[Rudolf Steiner]] gegebenen [[Klassenstunden]] vorzulesen oder frei zu referieren.
 
== Lesenlernen ==
=== Waldorfpädagogik ===
Um Lesen zu [[lernen]], geht man in der [[Waldorfpädagogik]] vom [[Schreiben]] aus, das aus einem [[zeichnen]]den [[Malen]] und malendem Zeichnen entwickelt wird und schließt erst daran das Lesen an:
 
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"... denn für
das Kind ist es gut, wenn es gleich Farben verwendet, es lebt ja in
der Farbe, das weiß jeder, der das Kind kennt -, wenn man aus dem
malenden Zeichnen zum Schreiben übergeht und erst aus dem Schreiben
das Lesen gewinnt. Denn das Schreiben ist eine Betätigung des
ganzen Menschen. Da muß die Hand in Betracht kommen, da muß sich
der ganze Leib in irgendeiner Weise, wenn auch fein, einfügen, da ist
der ganze Mensch daran beteiligt. Das hat noch etwas Konkretes, das
Schreiben, das aus dem malenden Zeichnen herausgeholt wird. Das
Lesen, nun, da sitzt man schon dabei, da ist man schon ein richtiger
Duckmäuser, da strengt sich nur noch ein Teil des Menschen an, der
Kopf. Das Lesen ist schon abstrakt geworden. Das muß nach und nach
als eine Teilerscheinung aus dem Ganzen heraus entwickelt werden.
 
Bei diesen Dingen ist es heute außerordentlich schwer, im rein
Naturgemäßen standzuhalten gegen die Vorurteile der Gegenwart.
Denn wenn man anfängt, in einer solch ganz naturgemäßen Weise die
Kinder zu unterrichten, dann lernen sie etwas später lesen, als man
es heute verlangt. Wenn dann die Kinder von einer solchen Schule
übertreten in eine andere Schule, dann können sie noch nicht soviel
wie die Kinder der anderen Schule. Ja, aber es kommt doch gar nicht
darauf an, was man sich aus dem materialistischen Kulturzeitalter für
eine Vorstellung darüber gebildet hat, was das Kind mit acht Jahren
können soll. Sondern es kommt darauf an, daß es vielleicht gar nicht
gut ist für das Kind, wenn es zu früh lesen lernt. Denn da sperrt man
auch wiederum für das spätere Leben etwas zu, wenn das Kind zu
früh lesen lernt. Lernt das Kind zu früh lesen, dann führt man es zu
früh in die Abstraktheit hinein. Und Sie würden unzählige spätere
Sklerotiker beglücken für ihr Leben, wenn Sie ihnen nicht zu früh das
Lesen beibrächten als Kinder. Denn diese Verhärtung des ganzen Organismus
- ich nenne es populär so -, die in der mannigfaltigsten
Form der Sklerose später auftritt, die kann man zurückverfolgen zu
einer falschen Art, das Lesen beizubringen. Natürlich kommen diese
Dinge auch noch von vielen anderen Sachen, aber darum handelt es
sich, daß es diese Dinge durchaus gibt, daß ein naturgemäßer Unterricht
vom Seelisch-Geistigen aus überall hygienisch auf den Leib
wirkt. Erfassen Sie, wie Sie den Unterricht und die Erziehung gestalten
sollen, so erfassen Sie zu gleicher Zeit, wie Sie dem Kinde die
beste Gesundheit fürs Leben geben." {{Lit|{{G|306|81f}}}}
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Durch das verzögerte Lesenlernen wird zumeist die ''Lesekompetenz'' gesteigert, jedenfalls aber nicht beeinträchtigt<ref>   Sebastian P. Suggatea, Elizabeth A. Schaughency, Elaine Reese: ''Children learning to read later catch up to children reading earlier'' (2012) [http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0885200612000397]</ref>.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Lesen}}
 
== Literatur ==
 
* Tobias Landwehr: ''Lesefähigkeit - Wie Schrift unsere Art zu denken ändert'', Spektrum der Wissenschaft 17.07.2017 [https://www.spektrum.de/news/wie-schrift-unsere-art-zu-denken-aendert/1479833 online]
* [[Stanislas Dehaene]], Laurent Cohen, José Morais, Régine Kolinsky: ''Illiterate to literate: behavioural and cerebral changes induced by reading acquisition'', in Nature Reviews Neuroscience Vol. 16 (4), April 2015, pp. 234-244 {{doi|10.1038/nrn3924}} [http://www.unicog.org/publications/Dehaene_Cohen_Morais_Kolinsky_IlliteratetoliterateChangesinducedbyreadingacquisitionNa%20ReviewsNeuroscience2015.pdf pdf]
* Stanislas Dehaene, Laurent Cohen: ''The unique role of the visual word form area in reading'', in: Trends in Cognitive Sciences Volume 15, Issue 6, June 01, 2011, pp. 254-262 {{doi|10.1016/j.tics.2011.04.003}} [http://www.unicog.org/publications/1-s2.0-S1364661311000738-main.pdf pdf]
* Bruce D. McCandliss, Laurent Cohen, Stanislas Dehaene: ''The visual word form area: expertise for reading in the fusiform gyrus'', in: Trends in Cognitive Sciences Vol.7, No.7  July 2003 {{doi|10.1016/S1364-6613(03)00134-7}} [https://www.cs.indiana.edu/~port/teach/sem08/McCandliss.visual.word.form.area.TCS2003.pdf pdf]
* Rudolf Steiner: ''Die pädagogische Praxis vom Gesichtspunkte geisteswissenschaftlicher Menschenerkenntnis. Die Erziehung des Kindes und jüngeren Menschen.'', [[GA 306]] (1989), ISBN 3-7274-3060-5 {{Vorträge|306}}
 
{{GA}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Manjusri}}
 
* [http://www.tibet-galerie.de/manjushri.html www.tibet-galerie über Manjushri]
* [http://www.rhm.uni-koeln.de/145/Busch.pdf Stephan Busch: ''Lautes und leises Lesen in der Antike'']  
* Journal der [[Wikipedia:Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens|Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens]]: [http://www.westernbuddhistreview.com/vol1/manjusri.html westernbuddhistreview über THE CULT OF MAÑJU'SRII (englisch)]
* [https://www.burfeind-beratung.de/images/tbm/texte/lesen.pdf Carsten Burfeind: ''Wen hörte Philippus? Leises Lesen und lautes Vorlesen in der Antike]
* [http://www.himalayanart.org/pages/manjushri/index.html himalayanart.org: Manjushri: Bodhisattva & Meditational Deity]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references/>
 
[[Kategorie:Buddha]]
[[Kategorie:Bodhisattva]]


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Sprache]] [[Kategorie:Pädagogik]] [[Kategorie:Waldorfpädagogik]] [[Kategorie:Hobby]] [[Kategorie:Lesen|!]] [[Kategorie:Handlung und Verhalten]] [[Kategorie:Soziales Leben]] [[Kategorie:Alltagskultur]]

Version vom 3. Juli 2019, 10:31 Uhr

Lesendes Mädchen Gemälde von Georgios Jakobides, 1882

Lesen (von lat. legere = "sammeln, auswählen, auf- oder auslesen, lesen") im engeren Sinn besteht heute in der Fähigkeit schriftlich festgehaltene Sprache (siehe → Schreiben) gegebenfalls wieder in zusammenhängend gesprochene Worte umzusetzen (Vorlesen) und die darin enthaltenen Gedanken zu erfassen und zu verstehen (sinnerfassendes Lesen), sie gleichsam zu erraten bzw. zu enträtseln (vgl. dazu eng. to read = "lesen", verwandt mit dt. raten bzw. eng. riddle = "Rätsel").

Allgemeines

Carl Spitzweg, Der Bücherwurm, um 1850

Lesen hat traditionell auch die Bedeutung des Auslesens. Scheidung der guten Linsen von den nicht guten (Aschenputtel), in moderner Auffassung: Unterscheidung von beachtenstenswerten Mitteilungen von Informationsmüll, Rezeption was relevant dünkt, und Ignoranz für das andere, das dann oft aber nur unzureichend erfaßt ist, oder oft garnicht mal leider.

Eine sehr wichtige Übung für den Geistesschüler (vgl. z.B. Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten), heißt: Lerne das Wesentliche von dem Unwesentlichen unterscheiden.

Eine gute Linse ist oftmals in einem Misthaufen verborgen, während faule Linsen im Schaufenster des Juweliers usw. vorkommen, oder andersrum. Lesen heißt insofern urteilen, und wenn das nicht möglich ist, entscheiden: z.B. Welches Buch soll/will ich als nächstes lesen?. Genauso die Entscheidung, wie gründlich will ich dieses Buch lesen, will ich es gründlich studieren, oder zur Unterhaltung darin blättern und ein paar Sätze zur Kenntnis nehmen? Usw.

Goethe empfiehlt, im Buch der Natur zu lesen: "Die Natur ist doch das einzige Buch, das auf allen Blättern großen Gehalt bietet." (Italienische Reise, 9.3.1787).

Zur Geschichte des Lesens

Im Allgemeinen geht man davon aus, dass in der griechisch-römischen Zeit noch bis weit in die ersten christlichen Jahrhunderte auch einsame Leser vornehmlich laut rezitierend zu lesen pflegten[1][2][3], obwohl diese These gelegentlich auch angezweifelt wird[4][5][6]. Oft zitiert wird diesbezüglich die Stelle aus den "Bekentnissen" des Augustinus, der sich über den leise lesenden Bischof Ambrosius von Mailand verwundert:

„Und wenn er las, schweiften die Augen über die Seiten und das Herz erforschte den Sinn, er selbst aber schwieg. Oft, wenn wir gegenwärtig waren, denn jeder hatte Zutritt, auch pflegte der Kommende nicht angemeldet zu werden, sahen wir ihn schweigend lesen, und nie anders; lange Zeit saßen wir schweigend da - denn wer hätte es gewagt, eine solche Vertiefung zu stören?“

Augustinus: Confessiones 6,3

Mit dem Lesen, z.B. zu Korrekturzwecken, und zum lauten Vorlesen vor einer versammelten Gemeinschaft, z.B beim Gottesdienst und später auch an den Universitäten, wurden Lektoren beauftragt. In der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft sind Lektoren dazu bestellt, die von Rudolf Steiner gegebenen Klassenstunden vorzulesen oder frei zu referieren.

Lesenlernen

Waldorfpädagogik

Um Lesen zu lernen, geht man in der Waldorfpädagogik vom Schreiben aus, das aus einem zeichnenden Malen und malendem Zeichnen entwickelt wird und schließt erst daran das Lesen an:

"... denn für das Kind ist es gut, wenn es gleich Farben verwendet, es lebt ja in der Farbe, das weiß jeder, der das Kind kennt -, wenn man aus dem malenden Zeichnen zum Schreiben übergeht und erst aus dem Schreiben das Lesen gewinnt. Denn das Schreiben ist eine Betätigung des ganzen Menschen. Da muß die Hand in Betracht kommen, da muß sich der ganze Leib in irgendeiner Weise, wenn auch fein, einfügen, da ist der ganze Mensch daran beteiligt. Das hat noch etwas Konkretes, das Schreiben, das aus dem malenden Zeichnen herausgeholt wird. Das Lesen, nun, da sitzt man schon dabei, da ist man schon ein richtiger Duckmäuser, da strengt sich nur noch ein Teil des Menschen an, der Kopf. Das Lesen ist schon abstrakt geworden. Das muß nach und nach als eine Teilerscheinung aus dem Ganzen heraus entwickelt werden.

Bei diesen Dingen ist es heute außerordentlich schwer, im rein Naturgemäßen standzuhalten gegen die Vorurteile der Gegenwart. Denn wenn man anfängt, in einer solch ganz naturgemäßen Weise die Kinder zu unterrichten, dann lernen sie etwas später lesen, als man es heute verlangt. Wenn dann die Kinder von einer solchen Schule übertreten in eine andere Schule, dann können sie noch nicht soviel wie die Kinder der anderen Schule. Ja, aber es kommt doch gar nicht darauf an, was man sich aus dem materialistischen Kulturzeitalter für eine Vorstellung darüber gebildet hat, was das Kind mit acht Jahren können soll. Sondern es kommt darauf an, daß es vielleicht gar nicht gut ist für das Kind, wenn es zu früh lesen lernt. Denn da sperrt man auch wiederum für das spätere Leben etwas zu, wenn das Kind zu früh lesen lernt. Lernt das Kind zu früh lesen, dann führt man es zu früh in die Abstraktheit hinein. Und Sie würden unzählige spätere Sklerotiker beglücken für ihr Leben, wenn Sie ihnen nicht zu früh das Lesen beibrächten als Kinder. Denn diese Verhärtung des ganzen Organismus - ich nenne es populär so -, die in der mannigfaltigsten Form der Sklerose später auftritt, die kann man zurückverfolgen zu einer falschen Art, das Lesen beizubringen. Natürlich kommen diese Dinge auch noch von vielen anderen Sachen, aber darum handelt es sich, daß es diese Dinge durchaus gibt, daß ein naturgemäßer Unterricht vom Seelisch-Geistigen aus überall hygienisch auf den Leib wirkt. Erfassen Sie, wie Sie den Unterricht und die Erziehung gestalten sollen, so erfassen Sie zu gleicher Zeit, wie Sie dem Kinde die beste Gesundheit fürs Leben geben." (Lit.: GA 306, S. 81f)

Durch das verzögerte Lesenlernen wird zumeist die Lesekompetenz gesteigert, jedenfalls aber nicht beeinträchtigt[7].

Siehe auch

Literatur

  • Tobias Landwehr: Lesefähigkeit - Wie Schrift unsere Art zu denken ändert, Spektrum der Wissenschaft 17.07.2017 online
  • Stanislas Dehaene, Laurent Cohen, José Morais, Régine Kolinsky: Illiterate to literate: behavioural and cerebral changes induced by reading acquisition, in Nature Reviews Neuroscience Vol. 16 (4), April 2015, pp. 234-244 doi:10.1038/nrn3924 pdf
  • Stanislas Dehaene, Laurent Cohen: The unique role of the visual word form area in reading, in: Trends in Cognitive Sciences Volume 15, Issue 6, June 01, 2011, pp. 254-262 doi:10.1016/j.tics.2011.04.003 pdf
  • Bruce D. McCandliss, Laurent Cohen, Stanislas Dehaene: The visual word form area: expertise for reading in the fusiform gyrus, in: Trends in Cognitive Sciences Vol.7, No.7 July 2003 doi:10.1016/S1364-6613(03)00134-7 pdf
  • Rudolf Steiner: Die pädagogische Praxis vom Gesichtspunkte geisteswissenschaftlicher Menschenerkenntnis. Die Erziehung des Kindes und jüngeren Menschen., GA 306 (1989), ISBN 3-7274-3060-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eduard Norden: Die Antike Kunstprosa vom VI. Jahrhundert v.Chr. bis in die Zeit der Renaissance I, Leipzig/Berlin 1909
  2. Josef Balogh: Voces Paginarum. Beiträge zur Geschichte des lauten Lesens und Schreibens, Philologus 82 (1927)
  3. G. L. Hendrickson: Ancient Reading (1929), S 182–196
  4. B. M. W. Knox: Silent Reading in Antiquity (1968), S 421–435
  5. A. K. Gavrilov: Techniques of Reading in Classical Antiquity (1997), S 56–73
  6. M. F. Burnyeat: Postscript on Silent Reading, (1997), S 74–76
  7. Sebastian P. Suggatea, Elizabeth A. Schaughency, Elaine Reese: Children learning to read later catch up to children reading earlier (2012) [1]