Bibliothek:Rudolf Steiner/Arbeitervorträge/GA 347 Die Erkenntnis des Menschenwesens/Neunter Vortrag

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NEUNTER VORTRAG

Dornach, 27. September 1922

Ich habe Ihnen das letzte Mal geredet von dem Herausfliegen des Mon des aus der Erde und wie das mit dem Leben auf der Erde überhaupt zusammenhängt. Ich kann mir schon denken, daß Sie viele Fragen haben werden. Wir können sie dann am nächsten Samstag behandeln. Überlegen Sie sich bis dahin einiges. Aber heute muß ich noch einiges auseinandersetzen. Da können sich auch vielleicht einige Fragen er geben.
Wir haben gesagt: Solange der Mond innerhalb der Erde war, so lange war es mit dem, was man Fortpflanzungskraft der tierischen Wesen nennen kann, etwas ganz anderes als später, nachdem der Mond hinausgeflogen war. Ich habe Ihnen gesagt, daß in der Zeit, in der der Mond noch in der Erde war, der Mond diejenigen Kräfte für die Erde hergegeben hat, die gewissermaßen die mütterlichen Kräfte sind, die weiblichen Kräfte. So daß wir uns vorstellen können: Es hat eine Zeit gegeben, da war der Mond noch in der Erde drinnen. Ich will Ihnen das nur ganz schematisch aufzeichnen, wie das war.

[Bild GA 347 149]

Als der Mond noch in der Erde drinnen war, da war er nicht in der Mitte drinnen, sondern etwas nach außen gelegen (siehe Zeichnung, links). Wenn Sie heute die Erde anschauen, dann werden Sie ja auch bemerken,

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daß auf der einen Seite, mehr dahin, wo Australien liegt, viel Wasser auf der Erde ist, währenddem auf der Seite, wo Europa liegt und Asien, viel Land ist. So daß die Erde eigentlich nicht Land und Wasser gleich verteilt hat, sondern die Erde ist so, daß sie auf der einen Seite eigentlich das meiste Land hat und auf der anderen Seite das meiste Wasser. Also gleich verteilt ist der Stoff auf der Erde nicht (siehe Zeich nung S.149, rechts). Das war auch nicht gleich verteilt, als der Mond noch in der Erde drinnen war. Der Mond war eben nach der Seite ge legen, wo die Erde überhaupt die Neigung hat, schwer zu sein. Natür lich, wenn da ein fester Stoff liegt, ist sie dort schwer. So daß ich also die Sache so zeichnen muß, wie ich es dort mit weißer Kreide bezeichnet habe.
Nun müssen Sie sich aber vorstellen, daß damals die Befruchtung so vor sich gegangen ist, daß der Mond, der in der Erde war, diesen Rie senviechern die Kräfte gegeben hat, durch die sie gewissermaßen Fort pflanzungsstoff lieferten. Man kann nicht sagen, daß dazumal schon etwa die Tiere richtige Eier gelegt hätten. Diese Riesenaustern sind ja selber eigentlich nur eine schleimige Masse gewesen und sie haben eben ein Stückchen von sich abgesondert. So daß solch eine riesige Auster, wie ich es Ihnen das letzte Mal beschrieben habe, die ursprünglich so groß gewesen sein könnte wie ganz Frankreich, da eine mächtige Schale gehabt hat, auf der man hätte herumspazieren können, und gegen das Innere der Erde zu eine Schleimmasse. Auf diese Schleimmasse haben die Mondenkräfte gewirkt, und da hat sich ein Stückchen Schleimmasse abgesondert. Das ist dann weitergeschwommen in der Erde. Und wenn

[Bild GA 347 150]

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wiederum die Sonne daraufgeschienen hat - ich habe Ihnen das an dem Beispiel vom Hund anschaulich erklärt -, hat sich eben eine Eischale gebildet, und dadurch, daß sich diese Eischale gebildet hat, wurde die schleimige Masse der Auster wiederum geneigt, ein Stückchen von sich abzusondern, und dann konnte ein neues Tier entstehen. So daß also die weiblichen Kräfte vom Mond kamen, der in der Erde war, und die männlichen Kräfte von der Sonne, die von außen auf die Erde drauf-schien. Nun, meine Herren, da schildere ich Ihnen eine ganz bestimmte Zeit, die Zeit eben, wo der Mond noch in der Erde drinnen war.
Nun müßten Sie sich folgendes vorstellen. Heute, wo der Mond draußen ist, außerhalb der Erde, da wirkt er ganz anders. Sie wissen ja auch, wenn die Kohlensäure im Menschen drinnen ist - ich habe es Ihnen das letzte Mal gesagt -, wirkt sie ganz anders, als wenn sie draußen ist, wo sie ein Gift ist. Wenn Sie sich an die Fortpflanzung der Tiere heute erinnern, so müssen Sie sagen: Die Tiere müssen Eier her vorbringen, und diese Eier müssen dann erst in irgendeiner Weise be fruchtet werden. Dasjenige also, was früher der Mond gegeben hat, als er drinnen war in der Erde, das haben jetzt die Tiere in sich. Die Tiere haben diese Mondenkräfte in sich.
Und von außen gibt ja der Mond auch noch Kräfte. Ich habe Ihnen das letzte Mal gesagt: Sogar die Dichter wissen das, daß der Mond der Erde Kräfte gibt. Aber das sind Kräfte, durch die die Phantasie an geregt wird, durch die man innerlich lebendiger wird. Das sind Kräfte, die nicht mehr auf die Fortpflanzung wirken, sondern die von außen hereinstrahlen, die gar nicht mehr die Fortpflanzung bewirken können.
So müssen Sie sich vorstellen: Dasjenige, was der Mond der Erde geben konnte, als er noch drinnen war, diese Fortpflanzungskräfte, die haben sich die Tiere angeeignet, als Erbschaft bekommen, und die pflanzen sie jetzt fort von einem Tier aufs andere. Also wenn Sie die Eier der Tiere anschauen, so müssen Sie sich sagen: Da drinnen sind die Mondenkräfte. Aber diejenigen Mondenkräfte sind da noch drinnen, welche gewirkt haben, als der Mond noch in der Erde war. Heute kann der Mond nicht mehr viel anderes bewirken, als daß er den Kopf an regt. Also der Mond wirkt heute auf den Kopf. Dazumal hat er aber gerade auf die Fortpflanzung gewirkt. Sehen Sie, das ist ein beträchtlicher

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Unterschied. Es ist ein großer Unterschied, ob irgend etwas in der Erde drinnen ist, oder ob es außerhalb der Erde ist.
Mit der Fortpflanzung ist es ja eben doch eine recht merkwürdige Sache. Aber wiederum müssen wir sagen: Alles Verständnis der Natur überhaupt hängt zusammen damit, daß man die Fortpflanzung ver steht. Denn dadurch entstehen heute noch die einzelnen Tiere und die einzelnen Pflanzen. Wenn die Fortpflanzung nicht wäre, wäre alles längst tot geworden. Man muß schon, wenn man irgend etwas über die Natur verstehen will, die Fortpflanzung verstehen. Aber mit der Fort pflanzung ist es etwas Eigentümliches auf der Erde.
Denken Sie sich einmal: Der Elefant hat die Eigentümlichkeit, daß er erst mit etwa fünfzehn, sechzehn Jahren imstande ist, ein einziges Junges hervorzubringen. Nehmen Sie dagegen eine Auster; das ist so ein kleines, schleimiges Tier. Wenn Sie sich dieses riesig groß denken, so haben Sie ungefähr diejenigen Viecher, die ich Ihnen für die damalige Zeit gezeigt habe. Also, an der Auster kann man schon etwas lernen. Aber die Auster ist nicht wie der Elefant, der so viele Jahre warten muß, um ein Junges hervorzubringen. Eine einzige Auster kann in einem Jahr eine Million Austern hervorbringen. Also eine Auster steht in einem anderen Verhältnis zu der Fortpflanzungsfähigkeit als der Elefant.
Nun, meine Herren, ein anderes interessantes Tier ist die Blattlaus. Sie wissen, sie kommt auf den Blättern der Bäume vor, findet sich über haupt als eine recht schädliche Bevölkerung der Pflanzenwelt. Man leidet sehr unter ihr. Eine Blattlaus ist ja, wie Sie wissen, viel kleiner als ein Elefant, aber sie kann in wenigen Wochen - eine einzige Blatt­laus! - mehrere tausend Millionen Nachkommen erzeugen. Also ein Elefant braucht etwa fünfzehn, sechzehn Jahre, bis er imstande ist, einen einzigen Nachkommen hervorzubringen, und die Blattlaus, die kann eben in wenigen Wochen sich so vermehren, daß von einer ein zigen mehrere Millionen kommen.
Und dann gibt es noch kleinwinzige Tiere, die nennt man Vorti-cellen. Wenn man sie durch ein Mikroskop anschaut, dann sind sie über haupt nur so ein ganz kleines Schleimklümpchen, und sie haben einen Faden, an dem sie sich fortschlängeln. Es sind ganz interessante Tiere,

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aber sie bestehen nur aus einem ganz kleinen Schleimklümpchen, wie wenn man einen Faden aus einer Auster herausnehmen würde, und sie schwimmen so herum. Diese kleinen Vorticellen, die sind nun ganz so, daß sie in vier Tagen hundertvierzig Billionen Nachkommen - eine einzige! - erzeugen können. Also man kann es auf die Tafel gar nicht aufschreiben, so viele Nullen muß man aufschreiben. Das einzige, was damit konkurrieren kann, ist jetzt die russische Valuta!
Also Sie sehen, es ist ein beträchtlicher Unterschied in der Fortpflan zungsfähigkeit zwischen einem Elefanten, der fünfzehn, sechzehn Jahre warten muß, um ein einziges Junges hervorzubringen, und solch einer kleinen Vorticelle, die in vier Tagen sich so vermehrt, daß hundert-vierzig Billionen Nachkommen wachsen.
Also sehen Sie, da liegen wirklich ganz bedeutende Naturgeheim nisse vor. Und es gibt eine ganz interessante französische Erzählung, die äußerlich mit dem nicht viel zu tun hat, aber innerlich doch. Da war ein bedeutender französischer Dichter - der hieß Racine. Und die ser Racine, der brauchte, um solch eine Dichtung, wie zum Beispiel die «Athalie» zu schreiben, sieben Jahre. Also er hat in sieben Jahren ein solches Theaterstück wie die «Athalie» geschrieben. Und da gab es zu seiner Zeit einen anderen Dichter, der war furchtbar stolz gegen den Racine und sagte: Der Racine braucht sieben Jahre, um ein Stück zu schreiben; ich schreibe in einem Jahr sieben Stücke! - Und da entstand eine Fabel, so eine Erzählung, und diese Erzählung, diese Fabel lautet:
Es haben einmal gestritten das Schwein und der Löwe; und das Schwein, das stolz war, sagte zum Löwen: Ich kriege jedes Jahr sieben Junge, aber du, Löwe, du bringst nur ein einziges in einem Jahr zustande. -Da sagte der Löwe: Jawohl, aber das einzige, das ist eben auch ein Löwe, und deine sieben sind Schweine. - Und damit, nicht wahr, hat Racine den Dichter abfertigen wollen. Er hat ihm nicht gerade sagen wollen, seine Theaterstücke seien Schweine, aber er verglich das, denn er sagte: Nun ja, du machst alle Jahr sieben solche Stücke, aber ich mache in sieben Jahren eine «Athalie» - die heute weltberühmt ist.
Sehen Sie, so kann man sagen: Selbst in einer solchen Fabel, in einer solchen Erzählung liegt so etwas drinnen, daß es wertvoller ist, nach Elefantenart fünfzehn, sechzehn Jahre zu brauchen, um dann ein

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Junges zu kriegen, als eine Vorticelle zu sein, die in vier Tagen sich so vermehrt, daß sie hundertvierzig Billionen Junge kriegt. Man redet schon viel, daß die Kaninchen so viel Junge kriegen; wenn man nun gar von der Vorticelle reden würde - eine solche Vermehrungsfähigkeit ist ja gar nicht auszudenken!
Nun muß man doch herausbekommen, woran das liegt, daß solche kleinwinzigen Tiere so viele Junge kriegen, während der Elefant so lange dazu braucht.
Nun habe ich Ihnen gesagt: Die Sonne, die ist dasjenige, was eigent lich der Befruchtung zugrunde liegt. Die Sonne braucht man also heute auch noch bei der Befruchtung. Und ich habe Ihnen auch gesagt: Wenn ein Himmelskörper draußen ist wie der Mond, so wirkt er höchstens noch auf den Kopf, aber nicht mehr wirkt er auf die Unterleibsorgane, also nicht mehr direkt auf die Fortpflanzungskräfte. Die Fortpflan zungskräfte müssen heute vererbt werden von einem Wesen aufs an dere. Aber, meine Herren, in einem gewissen Sinne ist dennoch das jenige, was da geschieht in der heutigen Fortpflanzung noch, doch noch vom Monde abhängig. Und das will ich Ihnen auf die folgende Weise erklären, indem ich auch wiederum auf die Sonne zurückgehe.
Sehen Sie, wir müssen uns fragen: Warum braucht der Elefant fünf zehn, sechzehn Jahre, um seine Fortpflanzungsfähigkeit so weit zu bringen, daß er ein Junges kriegt? Nun wissen Sie alle, daß der Elefant ein Dickhäuter ist, und weil er ein Dickhäuter ist, braucht er so lange. Eine dicke Haut läßt nämlich die Sonnenkräfte weniger stark durch sich durch, als wenn man eine Blattlaus ist und ganz weich ist und überall die Sonnenkräfte hereinkönnen. So daß tatsächlich die geringe Fortpflanzungsfähigkeit des Elefanten eben mit seiner Dickhäutigkeit zusammenhängt.
Das können Sie ja auch daran sehen: Denken Sie wiederum zurück an diese riesigen schwimmenden Austern. Ja, es würde niemals eine zweite Auster entstehen, wenn es auf die Sonne nur ankäme, die da draufstrahlt auf diesen Schuppenpanzer, auf die dicke Haut! Sondern diese Auster, die gibt ein bißchen Schleim ab, habe ich Ihnen gesagt; der Schleim, der hat noch keine Austernschale, da kann die Sonne drauf-kommen. Und indem sie anfängt, den Schleim abzutrocknen und eine

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neue Auster dadurch entstehen kann, wirkt sie auf diese Auster befruchtend. - Ja, wenn die Sonnenstrahlen von außen kommen, meine Herren, dann können sie eben nur Schalen erzeugen. Wie kommt es denn, daß die Sonnenkräfte dennoch befruchtend wirken können?
Sehen Sie, da müssen wir wiederum etwas anderes anschauen, damit Sie einsehen können, wie die Geschichte eigentlich zusammenhängt. Sie wissen vielleicht, daß die Bauern, wenn sie die Kartoffeln geerntet haben, ziemlich tiefe Gruben machen, und in diese Gruben hinein legen sie die Kartoffeln. Dann graben sie die Gruben wieder zu. Und sie graben dann später, wenn der Winter vorüber ist, aus diesen Gruben die Kartoffeln wiederum aus, weil sie da drinnen gut geblieben sind. Wenn sie die Kartoffeln einfach in dem Keller aufgehoben hätten, wären sie zugrunde gegangen. Da drinnen bleiben sie ganz gut.
Woher kommt das eigentlich? Es ist eine sehr interessante Sache. Die Bauern wissen nicht viel Auskunft darüber zu geben. Aber, meine Herren, wenn Sie selber eine Kartoffel wären und würden da hinein-gegraben in diese Grube, so würden Sie sich da drinnen, wenn Sie nicht gerade etwas zu essen brauchten, eigentlich außerordentlich gut fühlen. Denn sehen Sie, da drinnen bleibt nämlich die Sonnenwärme vom Sommer drinnen, und dasjenige, was im Sommer von der Sonne auf die Erde draufscheint, das zieht sich immer mehr und mehr eben nach unten hin. Und wenn man im Januar in die Erde hineingräbt, so ist da noch die Sonnenwärme und alle anderen Sonnenkräfte vom Sommer, die sind da eineinhalb Meter tief noch drinnen.
Das ist das Merkwürdige. Im Sommer, da ist die Sonne draußen, da erwärmt sie von draußen, und im Winter, da zieht sich die Sonnenkraft nach unten und ist weiter unten zu finden. Aber sie kann nicht sehr tief nach unten gehen; sie strömt wiederum zurück. Wenn man eine Kar toffel wäre und da unten läge, so würde es einem ganz gut gehen; ein-heizen brauchte man nicht, denn erstens ist da noch die Wärme vom Sommer drinnen, und zweitens kommt es ganz warm herauf von unten, weil die Sonnenkräfte wiederum zurückstrahlen. Und diesen Kartof feln ist es eigentlich furchtbar wohl. Da genießen sie eigentlich erst die Sonne. Im Sommer haben sie nicht viel von der Sonne, da ist es ihnen sogar unangenehm. Wenn sie Köpfe hätten, kriegten sie Kopfweh, wenn

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die Sonne so draufscheint; da ist es eigentlich unangenehm für die Kar toffeln. Aber im Winter, wenn ihnen die Wohltat geschieht, in die Erde hineingegraben zu werden, da können sie die Sonne erst so recht genießen.
Daraus sehen Sie, daß die Sonne ja nicht nur wirkt, wenn sie auf etwas draufscheint, sondern sie wirkt weiter, wenn ihre Kräfte von etwas aufgefangen, aufgehalten werden.
Ja, meine Herren, jetzt tritt eine Eigentümlichkeit ein. Ich habe Ihnen gesagt: Wenn ein Körper draußen ist aus der Erde, dann wirkt er abtötend, entweder - wie die Kohlensäure - wie ein Gift, oder aber wie die Sonne hier, die Schuppen erzeugt, wenn sie draufscheint; die ver härtet das Lebewesen, auf das sie draufscheint. Aber im Winter, da ist es ja gar nicht wahr, daß die Sonne von außen wirkt; da wirkt sie vom Inneren der Erde. Da läßt sie ihre Kraft zurück, wirkt im Inneren der Erde. Und da frischt sie im Inneren der Erde auch wiederum die Fort pflanzungskräfte auf. So daß die Fortpflanzungskräfte heute, in unserer Gegenwart, auch von der Sonne kommen, aber nicht etwa von der direkten Sonnenbestrahlung, sondern sie kommen von dem, was in der Erde drinnen zurückbleibt und im Winter dann wiederum zurück-strahlt.
Es ist eine sehr interessante Sache. Es ist gerade so, wie wenn wir die Kohlensäure einatmen: da ist sie ein Gift. Wenn aber die Kohlensäure in unserem Körper drinnen ist und durch das Blut geht, da brauchen wir sie. Denn hätten wir keinen Kohlenstoff, so hätten wir überhaupt nichts in uns. Da brauchen wir ihn im Inneren, da ist er wohltätig; von außen ist er Gift. Sonnenstrahlen von außen erzeugen Schalen bei den Tieren, Sonnenstrahlen, von innen aufgefangen und wiederum zurück gestrahlt, erzeugen Leben, machen die Tiere fortpflanzungsfähig.
Aber, meine Herren, denken Sie sich jetzt, Sie wären nicht eine Kar toffel, sondern ein Elefant. Da hätten Sie eine furchtbar dicke Haut, und da ließen Sie nur wenig von dieser Wärme in sich herein, die die Erde da von der Sonne hat. Daher brauchten Sie furchtbar lang, wenn Sie ein Elefant wären, um ein Elefantenkind hervorzubringen. Aber denken Sie sich, Sie wären eine Blattlaus oder eine Auster; da wären Sie ja - bei dieser Auster - gerade gegen die Erde zu nur eine Schleimmasse.

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Solch eine Schleimmasse ist der Elefant nicht. Der Elefant ist nach allen Seiten durch seine Haut abgeschlossen, läßt also diese Wärme, die von unten kommt, furchtbar langsam nur in sich hinein.
Nun, sehen Sie, das ist so: Solche Tiere wie Blattläuse, die halten sich auch so in der Nähe der Erde schon auf und außerdem an Pflanzen und haben gar keine dicken Häute; die können furchtbar leicht das, was da von der Erde zurückdunstet, mit dem Frühling aufnehmen, bekommen also ihre Fortpflanzungskräfte immer rasch aufgefrischt. Und die Vor ticellen erst recht, denn die leben im Wasser und das Wasser bewahrt die Sonnenwärme noch viel intensiver, so daß die aufgesparte Sonnen-wärme in den Vorticellen die hundertvierzig Billionen zur richtigen Jahreszeit hervorbringt; das heißt, wenn sie genügend aufgenommen haben von dem, was die Sonnenwärme im Wasser ist, können sie sich furchtbar rasch fortpflanzen. So können wir sagen: Heute ist es bei der Erde so, daß sie die Fortpflanzungsfähigkeit ihren Wesen dadurch gibt, daß sie die Sonnenkräfte in sich während des Winters bewahrt.
Nun gehen wir von da aus auf die Pflanzen über. Sehen Sie, bei den Pflanzen, da ist es so: Sie wissen, es gibt bei den Pflanzen auch eine Fortpflanzung durch sogenannte Stecklinge. Wenn also die Pflanze aus der Erde herauswächst, so kann man irgendwo einen Steckling ab schneiden. Man muß ihn ordentlich herausschneiden, kann ihn dann wiederum einsetzen, und das wächst sich dann zur Pflanze aus. Solch eine Fortpflanzung gibt es bei gewissen Pflanzen. Woher kommt denn das? Diese Kraft, die da die Pflanzen haben, sogar noch durch ein Stückchen von ihnen sich fortzupflanzen, haben die Pflanzen aus dem Grunde, weil sie ja den Samen im Winter in der Erde drinnen haben. Das ist nämlich eine ganz besonders wichtige Sache bei den Pflanzen. Will man irgendwie Pflanzen zum richtigen Wachstum bringen, so ist es ja so, nicht wahr, daß sie eigentlich im Winter in der Erde drinnen sein müssen. Sie müssen überhaupt aus der Erde herauswachsen. Es gibt ja Sommerfrüchte, da könnten wir ja später einmal darüber reden. Aber in der Hauptsache müssen die Pflanzen in der Erde drinnen ihren Samen entwickeln, und dann können sie wachsen. Man kann manchmal zwiebelartige Gewächse auch im Wasser zum Wachsen bringen, aber da muß man besondere Maßregeln ergreifen, nicht wahr. In der Hauptsache

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ist es so in der Natur, daß die Pflanzen in die Erde hineingesetzt werden müssen und von da aus ihre Kraft zum Wachsen haben müssen.
Was geschieht nun da, meine Herren, wenn ein Samenkorn in die Erde hineingelegt wird? Da ist dieses Samenkorn erst recht in dieWohl tat versetzt, diese von der Sonne der Erde übergebenen Kräfte in sich aufzunehmen. Gerade das Pflanzensamenkorn, das nimmt diese Kräfte, die da von der Sonne in die Erde hineinkommen, erst recht auf.
Beim Tier, da geht das viel schwerer. Diejenigen Tiere, die in der Erde selber drinnen sind wie die Regenwürmer und dergleichen, die nehmen diese Kraft auch leicht auf. Deshalb pflanzen sich diese auch alle sehr stark fort, alle die Tiere, die entweder ganz nahe der Erde oder in der Erde sind. Würmer sind ja auch so, daß sie furchtbar viel Nach­kommen haben, und zum Beispiel gerade solche Würmer, die auch leider in die menschlichen Gedärme kommen können, erzeugen furcht bar viele Nachkommen, und der Mensch muß fortwährend seine eigenen Kräfte anstrengen, damit diese Würmer nicht schrecklich viele Nachkommen erzeugen. So daß man da eben, wenn man Würmer in sich hat, fast alle Lebenskräfte anwenden muß, um diese Schreckens-kerle, die man in sich hat, zu töten.
Ja, aber Pflanzen, die sind in der Lage, daß sie aus dem Boden her-auswachsen (siehe Zeichnung); da unten ist die Wurzel, dann wachsen sie aus dem Boden heraus, und dann haben sie die Blätter, dann ent wickeln sie die Blüten und neue Samen. Aber, meine Herren, Sie wissen ganz genau: Wenn die Blüte anfängt sich zu entwickeln, da wächst die Pflanze nicht mehr nach oben. Das ist sehr interessant. Der Same der Pflanze, der Keim, der wird in den Boden gegeben; da wächst der Stengel heraus, es werden Blätter, grüne Blätter, und nachher kommt die Blüte. Da wird das Wachstum aufgehalten, und die Pflanze macht jetzt geschwind, erzeugt geschwind den Samen. Denn würde sie nicht geschwind den Samen erzeugen, so würde die Sonne alle Kraft auf diese Blütenblätter verwenden, die unfruchtbar wären. Die Pflanze würde oben eine riesige schöne Blüte kriegen, vielfarben, aber der Same würde sich nicht entwickeln können. Die Pflanze nimmt zuletzt noch alle Kraft zusammen, um geschwind den Samen zu erzeugen.
Sehen Sie, die Sonne, die von außen kommt, die hat die Eigentümlichkeit,

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[Bild GA 347 159]

die Pflanzen schön zu machen. Wenn wir schöne Pflanzen auf der Wiese finden, so ist es die äußere Sonne mit ihren Strahlen, die diese schönen Farben hervorbringt. Aber sie würde die Pflanzen damit er-sterben machen, geradeso wie sie mit der Austernschale die Auster ersterben macht, vertrocknet.
Daher können Sie das auch auf der ganzen Erde sehen. Dieses Wir ken der Sonne können Sie besonders schön sehen, wenn Sie in heiße Gegenden kommen, in Aquatorialgegenden; da schwirren alle Vögel in den wunderbarsten Farben durcheinander. Das ist die Wirkung der äußeren Sonne. Diese Federn sind alle wunderschön gefärbt, enthalten aber keine Lebenskraft mehr in sich. In den Federn ist die Lebenskraft am meisten abgestorben.
Und so ist es bei der Pflanze. Wenn sie aus dem Erdboden heraus-wächst, da hat sie strotzende Lebenskraft. Dann verliert sie diese immer mehr und muß zuletzt noch alle Kraft zusammennehmen; das ganz kleine bißchen Lebenskraft bringt sie noch in den Samen hinein. Und die Sonne macht schöne Blätter, farbige Blüten, aber sie tötet die Pflanze dabei ab. In den farbigen Blumenblättern lebt nichts von Fortpflan zungsfähigkeit.

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Aber was tut denn die Pflanze, wenn man ihren Samen in die Erde hereingibt? Da läßt sie sich nicht nur darauf ein, in die Erde hinein gelegt zu werden, sondern sie bringt Wachstum in den Blättern herauf; das trägt sie herauf. Wenn ich da etwas Grünes zeichne, entwickeln das die Sonnenkräfte, also Wärme, Licht und so weiter. So gehen die Son­nenkräfte herauf in der Pflanze. Die nimmt sich die Pflanze im Samen-korn mit, währenddem die Sonnenkräfte, die von außen kommen, die Pflanze ertöten, so daß da eine sehr schöne Blüte entsteht. Aber da mitten drin ist noch der Same, der noch von der mitten im Winter auf-gespeicherten Sonnenwärme kommt. Von der heurigen Sonne kommt der Same nicht. Das ist bloß eine falsche Vorstellung. Von der heurigen Sonne kommt die schöne Blüte; der Same aber kommt von der Sonnen-wärme des vorigen Jahres, der hat noch die Kraft, die die Sonne erst der Erde hingegeben hat. Die trägt die Pflanze durch ihren ganzen Körper durch.
Beim Tier ginge das nicht so leicht. Das Tier ist darauf angewiesen, daß diese Sonnenwärme mehr von außen, mehr von der Erde kommt und nur aufgefrischt wird. Denn das Tier nimmt nicht die Sonnenkräfte so direkt auf wie die Pflanze. Die Pflanze aber trägt durch ihren eigenen Leib bis zum Samen in der Blüte herauf die vorjährige Sonnen-wärme, die also in die Erde hinein sich aufgespeichert hat.
Wenn man diese Geschichte richtig betrachtet - es ist außerordent lich interessant, es ist wunderbar interessant -, dann sagt man sich:
Pflanzen und Tiere pflanzen sich fort. Sie könnten sich nicht fortpflan zen, wenn nicht die Sonne wirkte. Wäre keine Sonne da, könnten sie sich nicht fortpflanzen. Aber die Sonne, die draußen ist am Himmelsraume, außer der Erde, die tötet gerade die Fortpflanzungsfähigkeit. Es ist eine solche Sache wie mit der Kohlensäure: Wenn wir die Kohlen­säure einatmen, so tötet sie uns; wenn wir sie in uns haben, so belebt sie uns. Wenn die Erde die Sonnenstrahlen von außen bekommt, so wer den ihre Tiere und Pflanzen getötet; wenn die Erde den Tieren und Pflanzen von ihrem Inneren aus das, was in der Sonne ist, geben kann, so werden sie gerade recht belebt und zur Fortpflanzung angeregt. Das sieht man an den Pflanzen; die entwickeln fortpflanzungsfähige Samen nur aus der Kraft der Sonne, die sie von früher mitnehmen, vom

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vorigen Sommer. Was die Pflanze dieses Jahr schön werden läßt, das kommt von der heurigen Sonne. Das ist überhaupt so: Das Innere, das wächst von der Vergangenheit, und schön - schön wird man durch die Gegenwart.
Nun, meine Herren, dem Elefanten mit seiner dicken Haut, dem würde aber das bißchen Wärme von der Erde her und das bißchen Sonne drinnen, das er von der Erde her bekommt, furchtbar wenig nützen, denn der ist eben ein Dickhäuter. Da gehen diese Kräfte nicht so leicht durch. Der muß sehr viel in seinem eigenen Samen aufgespei chert haben von früher her. Mondenkräfte hat er aufgespeichert. Die braucht er ja natürlich zur mütterlichen, zur weiblichen Fortpflanzung. Die hat er aufgespeichert. Der Mond ist heraus aus der Erde, und die Tiere, die sich fortpflanzen, die haben eben jetzt die Mondenkräfte in sich.
Sehen Sie, da kommt etwas, was man überhaupt recht berücksich tigen muß. Es könnte natürlich einer kommen und sagen: Da ist solch ein dummer Kerl, der von den ehemaligen, von den früheren Monden kräften sagt, da leben in den Eiern, in den Fortpflanzungskräften noch solche alten Kräfte drinnen. Dieser dumme Kerl behauptet, die gegen­wärtigen Fortpflanzungskräfte, die seien von früher her. - Ich würde diesem Menschen einfach sagen: Hast du denn noch nie gesehen, daß etwas, was jetzt lebt, etwas in sich hat, was von früher her ist? - Ich würde ihm einen Buben zeigen, der seinem Vater so ähnlich ist, daß er ihm, wie man sagt, wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Ja, wenn man dann zurückgeht - der Vater könnte ja sogar schon gestorben sein; einer könnte den Vater gekannt haben, als der Vater selber ein so klei ner Bub war, wie der Junge jetzt ist, und der Betreffende könnte sagen:
Ja, der Bub ist seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. - Aber er schaut ihm gerade ähnlich, so wie der Vater war, als er selber so ein kleiner Bub war. Was Sie da vor vielleicht dreißig oder vierzig Jahren gesehen haben - bei dem kleinen Bub ist es jetzt noch drinnen! Immer sind die Kräfte der Vergangenheit in dem, was in der Gegenwart lebt, noch drinnen. Und so ist es auch mit den Fortpflanzungskräften. Das, was in der Gegenwart ist, das stammt aus der Vergangenheit.
Sie wissen ja, man hat es als einen besonders starken Aberglauben

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angeschaut, daß der Mond aufs Wetter wirken soll. Nun, darinnen steckt auch sehr viel Aberglaube. Aber einmal hat es doch zwei Ge lehrte gegeben in Deutschland, an der Universität in Leipzig, von denen hat der eine sich gesagt - Fechner hat er geheißen -: Vielleicht steckt in diesem Aberglauben, daß der Mond aufs Wetter wirke, wirklich ein bißchen Wahrheit. - Und da hat er sich notiert, wie das Wetter war beim Vollmond, und wie das Wetter war beim Neumond, und hat ge funden: Es ist ein Unterschied; es regnet mehr bei Vollmond als bei Neumond. - Das hat er herausgekriegt. Daran muß man ja noch nicht glauben. Solche Notizen sind nicht sehr überzeugend. Bei der wirk­lichen Wissenschaft muß man viel, viel genauer arbeiten. Aber er hat doch gesagt, man müsse eben solche Untersuchungen fortsetzen und sehen, ob nicht doch dabei herauskommt, daß der Mond auf das Wetter wirkt.
Nun war an derselben Universität Leipzig ein anderer, einer, der sich für viel gescheiter gehalten hat - Schleiden hat er geheißen -, der hat gesagt: Nun fangen sogar schon meine Kollegen an, davon zu reden, daß der Mond auf das Wetter wirkt. Donnerwetter, die Geschichte geht nicht, da muß man mit aller Kraft dagegen anstürmen! - Da hat der Fechner gesagt: Nun schön, zwischen uns Männern wird der Streit schon bestehen bleiben, aber wir haben ja auch Frauen. - Sehen Sie, das war noch in früheren Zeiten. Als die zwei Universitätsprofessoren in Leipzig gelebt haben, da haben die Universitätsprofessoren-Frauen noch einen alten Brauch gehabt in der Stadt. Sie haben nämlich ihre Tröge, ihre Bottiche in den Regen gestellt, um da Waschwasser zu bekommen. Sie haben das gesammelt, weil das Wasser nicht so leicht zu kriegen war im alten Leipzig. Es hat dazumal noch keine Wasser leitungen gegeben. - Da hat der Professor Fechner gesagt: Ja, diesen Streit sollen einmal unsere Frauen ausmachen. Die Frau Professor Schleiden und die Frau Professor Fechner, die sollen das so machen:
Damit sie immer gleich viel Regenwasser bekommen, kann Frau Pro fessor Schleiden beim Neumond ihre Tröge herausstellen, und meine Frau, die stellt die Tröge heraus beim Vollmond! - Da hat er sich ge sagt: Nach meiner Rechnung kriegt sie dann das meiste Regenwasser.
Nun, sehen Sie, die Frauen sind nicht darauf eingegangen. Die wollten

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nicht auf die Wissenschaft ihrer Männer eingehen. Die haben sich gar nicht überzeugen lassen. So kam einmal auf eine merkwürdigeWeise die Geschichte heraus, daß ein Mensch, selbst wenn die Wissenschaft in Form vom Mann dasteht, nicht daran glaubt, wie die Frau Schleiden, und sich nicht sagt: Ich kriege geradesoviel Wasser beim Neumond wie beim Vollmond, sondern ihre Regentröge auch beim Vollmond heraus stellen wollte, trotzdem ihr Mann fürchterlich gewettert hat auf den Fechner.
Das ist etwas, was ja noch nichts beweist. Aber sehen Sie, etwas Merkwürdiges ist doch, daß heute noch Ebbe und Flut mit Sonne und Mond zusammenhängen. So daß man schon sagen kann: Fluten treten bei einem Mondesviertel ganz anders auf als bei irgendeinem anderen Mondesviertel. Das hängt zusammen. Aber, meine Herren, davon kommt es nicht, daß der Mond irgendwo aufs Meer scheint und da durch eben Flut entsteht, sondern das ist eine alte Geschichte.
Als der Mond noch in der Erde drinnen war, da hat er seine Kräfte entwickelt und die Fluten bewirkt. Und die Erde hat noch immer diese Reste von den Kräften selbst, durch die die Flut entsteht. Kein Wunder, die Erde macht das schon selbständig. Heute ist es ein Aberglaube, wenn man glaubt, der Mond wirke auf die Erde. Aber er hat einmal auf die Erde gewirkt, als er noch drinnen war, als alles noch auf die Erde ge wirkt hat; und die Erde ist noch immer in diesem Zusammenhang drinnen. Sie macht deshalb Ebbe und Flut vom Monde abhängig. Aber das ist nur scheinbar. Geradeso wie wenn ich auf meine Uhr schaue, ich auch nicht sage: Sie wirft mich um zehn Uhr zum Saal heraus. - So treffen heute die Mondphasen mit Ebbe und Flut zusammen, weil das einmal voneinander abhing.
Und so ist es mit den Fortpflanzungskräften, soweit sie vom Mond abhängen, soweit sie also weiblich sind. Und so ist es mit den Fort pflanzungskräften, soweit sie von der Sonne abhängig sind, also von derjenigen Sonnenkraft kommen, die im Inneren der Erde ist.
Aber alle die Tiere, die sich so stark fortpflanzen, bis in die Billionen hinein, die also diese von der Sonne durch die Erde aufgespeicherten Sonnenkräfte benützen können, das sind niedere Tiere. Die höheren Tiere und die Menschen, die haben diese Fortpflanzungskräfte geschützt

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im Inneren. Da kommt zwar etwas noch von der Sonnenkraft heran und frischt diese Kräfte immerfort auf. Ohne Auffrischung würden sie auch nicht da sein. Aber aus dem, was heute in der Erde von der Son nenkraft drinnen ist, würden sie nicht so richtig ihre Fortpflanzungs-kräfte haben können.
Die Pflanze kann sie haben, weil sie das, was in der Erde drinnen lebt, vom Winter in den Sommer hinein durch ihren eigenen Körper hinaufträgt. Die Pflanze, die hat die Fortpflanzungskraft vom vorigen Jahr.
Aber der Elefant kann sie nicht haben vom vorigen Jahr. Der hat sie von einer Zeit vor Jahrmillionen, und hat sie eben in seinem Fortpflan zungssamen, den er wiederum vererbt vom Elefantenvater auf den Elefantensohn. Da hat er sie drinnen. Aber aus welcher Zeit hat er sie drinnen! Nun, geradeso wie die Pflanze in sich die Fortpflanzungskraft vom vorigen Jahr hat, so hat der Elefant die Fortpflanzungskraft von Jahrmillionen in sich. Deshalb kann sich die Pflanze-und die niedrigen Tiere - daraus fortpflanzen, weil sie heute noch die von der Erde auf-gespeicherte Kraft benützen können. Das sind ungeheuer starke Fort pflanzungskräfte. Diejenigen Tiere, die darauf angewiesen sind, sehr weit zurückliegende Kräfte in sich noch aufzubewahren, die können sich nur schwach fortpflanzen.
Aber gehen wir jetzt zurück zu der Zeit, wo da solche Riesenaustern waren: Kaum hat eine solche Auster das erreicht, daß sie von der Sonne beschienen worden ist, da verlor sie schon die innere Kraft, konnte nur diejenige benützen, die aus der Erde heraufkam. Aber sie konnte sie doch noch benützen, weil die Auster nach unten offen war. Wenn diese Auster auch so groß war wie heute Frankreich, nach unten war sie offen, konnte die Erdenkräfte, die von der Sonne kamen, in sich auf nehmen. Als diese Tiere sich dann umgestaltet hatten zu Megatherien, zu Ichthyosauriern, als sie von der Sonne so beschienen wurden, daß sie von allen Seiten kam, sie also nicht mehr von unten her offen waren, da waren sie auf die Fortpflanzungskraft angewiesen, die sie in sich selber hatten, die höchstens aufgefrischt wurde durch die Sonne.
Ja, meine Herren, was muß es denn da einmal für eine Zeit ge geben haben, wenn Tiere Fortpflanzungskräfte gekriegt haben, die sie

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nicht bekommen können, wenn die Sonne von außen scheint? Es muß einmal eine Zeit gegeben haben, wo die Sonne in der Erde drinnen war, wo also nicht bloß das bißchen Sonnenkräfte in die Erde hereingekom men ist, das im Winter zum Beispiel dableibt für die Kartoffeln; son dern es hat einmal eine Zeit gegeben, wo die ganze Sonne in der Erde drinnen war.
Nun werden Sie sagen: Die Physiker sagen aber, daß die Sonne so furchtbar heiß ist, und wenn die Sonne in der Erde drinnen war, so hätte sie ja alles verbrannt. - Ja, meine Herren, das wissen Sie ja nur von den Physikern. Aber die Physiker würden nämlich höchst erstaunt sein, wenn sie sehen könnten, wie die Sonne wirklich ausschaut. Wenn sie einmal einen Luftballon bauen und da hinauffahren könnten, so würden sie gar nicht finden, daß die Sonne so heiß ist, sondern die Sonne ist gerade in sich drinnen voller Lebenskräfte, und die Hitze ent wickelt sie, indem die Sonnenstrahlen durch Luft und alles mögliche durchgehen. Da entwickelt sie erst die Hitze. Also als die Sonne einmal in der Erde drinnen war, da war sie voller Lebenskräfte. Da hat sie nicht nur das bißchen Lebenskräfte geben können, das sie heute geben kann, sondern als die Sonne einmal in der Erde drinnen war, da konn ten diese lebendigen Wesen, Tiere und Pflanzen, die damals da waren, genügend kriegen von dem, was ihnen die Sonne gab, denn die Sonne war ja in der Erde selber drinnen. Da entwickelten diese Austern aber auch keine Schalen, sondern da waren sie überhaupt bloßer Schleim.
Und nun denken Sie sich: Da war also die Erde, der Mond in ihr, die Sonne war in der Erde drinnen, Austern entwickelten sich, die keine Schalen hatten, sondern die Schleim waren. Es entstand Schleim; der schmierte sich ab, trennte sich ab, wiederum entstand eine Auster, wiederum entstand eine Auster und so weiter fort. Die waren aber so riesengroß, daß man sie gar nicht voneinander unterscheiden konnte. Sie grenzten aneinander an. Wie muß denn dazumal die Erde aus gesehen haben? So ähnlich wie unser Gehirn nämlich, wo auch die Zel len nebeneinander liegen. Da liegt auch eine Zelle neben der anderen; nur sterben die ab, während dazumal, als die Sonne in der Erde drinnen war, Austernzellen, riesige Zellen, eine neben der anderen, waren, und die Sonne ihre Kräfte entwickelte, die sie ja fortwährend entwickelte,

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weil sie in der Erde drinnen war. Ja, meine Herren, bedenken Sie jetzt das: Da war also die Erde da (siehe Zeichnung), hier eine Riesenauster, da wieder eine Riesenauster, wieder eine, lauter solche Riesenschleimbatzen nebeneinander, und die pflanzten sich immer fort. Und die heutigen

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Austern pflanzen sich noch so rasch fort, daß sie in einer kurzen Zeit eine Million Nachkommen haben können; da pflanzten sich die damaligen Austern erst recht rasch fort. Donnerwetter, kaum war die alte Auster da, waren schon die Jungen wieder da, und die hatten wie der Junge und so weiter. Die Alten mußten sich wieder auflösen. Wenn das einer von außen angeschaut hätte, wie da dieser riesige Erdklumpen wie ein großes Gehirn dagewesen wäre, natürlich viel weicher, viel schleimiger als ein heutiges Gehirn, wie da eine Riesenauster sich so schnell fortpflanzte - aber jede andere hätte wieder eine Million Nach kommen haben können -, der hätte gesehen: Da mußte jeder sich gegen die anderen verteidigen, weil sie aneinander anstießen. Und wenn da einer gekommen wäre, ein besonders Neugieriger, und hätte von einem fremden Stern zugeschaut, da hätte er gesehen: Da unten schwimmt im Weltenraum ein Riesenkörper, aber der ist ganz Leben, bringt fort während Leben hervor, besteht nicht nur aus Millionen von ineinander-geschobenen Austern, sondern die vermehren sich fortwährend. Und was hätte er gesehen? Ganz dasselbe - nur riesengroß -, was man heute sieht, wenn man ein kleines Ei, aus dem ein Mensch entsteht, in der ersten Zeit anschaut! Da geht es nur ganz kleinwinzig vor sich. Da sind auch diese kleinen Zellenschleimbläschen, die sich rasch vermehren,

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denn sonst würde der Mensch in den ersten Wochen, in denen er ge tragen wird, seine Größe nicht erreichen können. Die Zellen sind eben so klein, daß sie sehr rasch sich vermehren müssen. Hätte man dazumal die Erde angeschaut, man hätte das Bild von der Erde bekommen: Ein Riesentier, und darinnen die Kräfte der Sonne und des Mondes, in der ganzen Erde inwendig.
Sehen Sie, jetzt habe ich Ihnen gezeigt, wie man zurückkommen kann zu der Zeit der Erdenentwickelung, wo Erde, Sonne und Mond noch ein Körper waren. Aber, meine Herren, ich möchte sagen: Im «Faust», wenn Sie den einmal lesen oder gelesen haben, da sagt einmal das sechzehnjährige Gretchen, als ihm der Faust seine Religion ent­wickelt: So ungefähr sagt es der Pfarrer auch; aber doch ein bißchen anders. - So könnten Sie auch sagen: Ja, so ungefähr sagen es einem die Professoren auch, aber doch ein bißchen anders. Sie sagen: Einmal war die Sonne mit Erde und Mond ein Körper. - Das sagen sie schon; denn sie sagen, nicht wahr: Diese Sonne, die war ein Riesenkörper; dann hat sie sich gedreht, und dann hat sich die Erde abgespalten, als sie sich gedreht hat. Dann hat sich die Erde weiter gedreht, und da hat sich wieder der Mond abgespalten. - Also im Grunde genommen sagt man auch da, es waren alle drei einmal ein Körper.
Da kommen dann die Leute und sagen: Das kann man ja beweisen; den Schulkindern wird das schon bewiesen. Man kann das furchtbar nett vormachen. Man nimmt ein kleines Öltröpfchen - das schwimmt nämlich auf dem Wasser - und dann nimmt man ein Kartenblatt und schneidet einen kleinen Kreis heraus, schiebt oben eine Stecknadel durch; nachher gibt man das ins Wasser und dreht da am Kopf der Stecknadel. Die kleinen Öltröpfelchen spalten sich ab und gehen so herum. Da habt ihr es ja, sagt man, da seht ihr es: Das ist einmal in der Welt geschehen! Da war in der Welt ein riesiger Gasball, bloß Gas; aber gedreht hat sich die Geschichte, und beweglich war es. Und dann sind halt die äußeren Dinge geradeso abgespalten worden, unsere Erde von der Sonne, wie da diese Öltröpfchen abgespalten wurden. - Das können sie schon in der Schule beweisen. Und die Kinder, die ja an die Autorität glauben, die sagen: Das ist ganz natürlich zugegangen; da war einmal ein riesiger Gasball, der hat sich gedreht, und da sind die

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Planeten abgespalten worden. Wir haben es selber gesehen, wie die Öltröpfelchen abgespalten worden sind.
Nun müssen Sie aber auch die Kinder fragen: Habt ihr denn auch gesehen, wie da oben der Schulmeister an dem Stecknadelkopf gedreht hat? Also müßt ihr euch einen riesigen Schulmeister dazu denken, der dazumal den Gasball gedreht hat, sonst hätten sich ja die Planeten nicht abspalten können! - Der Riesenschulmeister - im Mittelalter hat man ihn gezeichnet: das war der Herrgott mit dem langen Bart. Das war der Riesenschulmeister, und den vergessen diese Leute.
Aber es ist keine Erklärung, wenn man da einen Riesengasball an nimmt, der sich dreht, und der sich erst drehen könnte, wenn einmal ein riesiger Weltenschulmeister dagewesen wäre. Das ist keine Erklärung. Aber, meine Herren, das ist eine Erklärung, wenn man darauf kommt, daß Sonne und Mond mit der Erde verbunden waren, und das sich selber bewegt hat. Das konnte sich bewegen. Ein Gasball, der kann sich nicht allein bewegen. Aber das, was ich Ihnen hier erklärt habe, das konnte sich bewegen. Dazumal brauchte es nicht einen Welten-schulmeister, sondern das war in sich selbst lebendig. Die Erde war eben einmal ein lebendiges Wesen, und zwar ein solches, wie heute ein Samenkorn es ist, und hat Sonne und Mond in sich gehabt. Sonne und Mond sind herausgegangen aus der Erde und haben ihre Erbschaft zurückgelassen, so daß heute die Keimkraft, die geschützt ist im mütter lichen und väterlichen Leibe des Menschen, diese Kräfte, die einstmals direkt von der Sonne kommen konnten, sich noch fortpflanzen und heute die Tiere, die Samen und Eier in sich entwickeln, die uralte Son nenkraft in ihrer Eier- und Samenflüssigkeit in sich tragen, aus uralten Zeiten als Erbschaft in sich tragen von den Zeiten, wo die Erde selber noch Sonne und Mond in sich gehabt hat.
Sehen Sie, das ist eine wirkliche Erklärung, und nur wenn man es so versteht, kommt man zu einem wirklichen Verständnis. Dann begreift man, daß es einmal eine Zeit gegeben hat, wo der Mond herausgeflogen ist, und die Erde mit dem Mond aus der Sonne herausgeflogen ist. Wir werden uns über diese Sache noch weiter verständigen zunächst am Samstag um neun Uhr. Es wird noch etwas schwer sein, trotzdem aber glaube ich, daß die Geschichte so ausschaut, daß man es begreifen kann.