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Zeitgenössische [[Philosoph]]en und Bewusstseinsforscher wie etwa [[Daniel Dennett]] oder [[Susan Blackmore]], die zurecht die Realität des gegenwärtigen menschlichen Bewusstseins bestreiten und es letztlich ganz wegerklären wollen, liegen damit durchaus richtiger als jene, die dem Bewusstsein noch eine eigenständige Wirkungsmächtigkeit zubilligen. Sie landen damit zwar vorerst im blanken [[Materialismus]], helfen zugleich aber auch, die fadenscheinigen falschen [[Dualismus|dualistischen]] [[Leib]]/[[Seele]]-Vorstellungen loszuwerden, die die abendländische Kultur nachhaltig geprägt haben und das Verständis für den wirklichen [[Geist]] bis zum heutigen Tag nicht weniger erschweren als der Materialismus.
Zeitgenössische [[Philosoph]]en und Bewusstseinsforscher wie etwa [[Daniel Dennett]] oder [[Susan Blackmore]], die zurecht die Realität des gegenwärtigen menschlichen Bewusstseins bestreiten und es letztlich ganz wegerklären wollen, liegen damit durchaus richtiger als jene, die dem Bewusstsein noch eine eigenständige Wirkungsmächtigkeit zubilligen. Sie landen damit zwar vorerst im blanken [[Materialismus]], helfen zugleich aber auch, die fadenscheinigen falschen dualistischen [[Leib]]/[[Seele]]-Vorstellungen loszuwerden, die die abendländische Kultur nachhaltig geprägt haben und das Verständis für den wirklichen [[Geist]] bis zum heutigen Tag nicht weniger erschweren als der Materialismus.


== Dualismus und Monismus ==
== Dualismus und Monismus ==

Version vom 9. Juli 2019, 12:45 Uhr

Der Dualismus ist ein philosophisches System, das alles Weltgeschehen auf zwei grundsätzlich verschiedene und nicht aufeinander rückführbare Prinzipien, wie etwa Gut und Böse oder Geist und Materie, gründet.

Historischer Hintergrund

Der Ursprung des Dualismus liegt in der Urpersische Kultur, die von dem beständig Kampf zweier geistiger Wesenheiten geprägt war. Ahura Mazdao, dem Gott des Lichts, stand Ahriman, der Geist der Finsternis, gegenüber. Sie waren allerdings Zwillinge, die aus Zurvan bzw. Zeruane Akarene, der „unerschaffenen Zeit“, entsprungen waren. Dieser ethisch-religiöse Dualismus setzte sich in nachchristlicher Zeit im Manichäismus fort, der das Weltgeschehen durch den Kampf von Gut und Böse bestimmt sieht.

Durch die sich in der griechisch-lateinischen Zeit entwickelnde Verstandes- und Gemütsseele wurde besonders stark der Gegensatz von Geist und Materie empfunden. Die Mythologie wurde durch die Philosophie ersetzt und damit trat auch der wesenhafte Kampf zwischen den Göttern in den Hintergrund. Viel stärker spürte man nun schon den Unterschied zwischen der eigenen Denktätigkeit und der äußerlich wahrgenommen Sinneswelt. Bereits Anaxagoras unterschied zwischen dem passiven, in eine chaotische Vielheit zersplitterten Stoff und dem aktiv ordnenden einheitlichen unpersönlichen Prinzip des Weltgeistes, des Nous (griech. νοῦς, nous). Platon stellte der Sinneswelt die Ideenwelt gegenüber und Aristoteles unterschied zwischen Stoff und Form bzw. Akt und Potenz.

In der Neuzeit, mit dem wachsenden Ich-Bewusstsein des anbrechenden Bewusstseinsseelenzeitalter, wurde die Kluft, die zwischen Ich und Welt empfunden wurde, noch größer. René Descartes unterschied streng zwischen der res extensa und der res cogitans und verschärfte damit das Leib-Seele-Problem, das die Wissenschaft bis heute vor unlösbar scheinende Probleme stellt. Zwischen Sein und Bewusstsein findet sich keine Brücke. „Das schwere Problem des Bewusstseins[1] führt die Neurowissenschaftler und Philosophen an Grenzen, die sie nach wie vor nicht übersteigen können - ein Problem, auf das schon Emil du Bois-Reymond 1872 in seiner berühmten Ignorabimus-Rede hingewiesen hatte. Es wird nicht erkannt, dass unser Alltagsbewusstsein tatsächlich nur ein unwirkliches, d.h. nicht wirkungsmächtiges Spiegelbild ist. Das gerade darin die Möglichkeit der Freiheit des Menschen liegt, hat Rudolf Steiner immer wieder betont.

„Hier, sehen Sie, liegt jene Schwierigkeit, auf welche die Philosophen fortwährend kommen, und die sie mit ihrer Philosophie nicht überwinden können, die Hauptschwierigkeit. Diesen Philosophen ist ja zunächst nichts anderes gegeben als dasjenige, was sie vorstellen. Aber bedenken Sie, daß aus der Vorstellung, aus dem Inhalt des Bewußtseins das Sein gerade herausgepreßt ist. Es kann nicht darinnen sein, denn was im Bewußtsein ist, ist nur Spiegelbild. Es kann das Sein nicht darinnen sein. Nun suchen die Philosophen das Sein durch das Bewußtsein, durch das gewöhnliche physische Bewußtsein. Sie können es so nicht finden. Und es ist ganz natürlich, daß solche Philosophien entstehen mußten wie die Kantsche zum Beispiel, die da sucht durch das Bewußtsein das Sein. Aber weil das Bewußtsein ganz naturgemäßerweise nur enthalten kann Bilder des Seins, kann man zu nichts anderem kommen als dazu, anzuerkennen, daß man an das Sein mit dem Bewußtsein niemals herankommen könne.“ (Lit.:GA 162, S. 31)

Zeitgenössische Philosophen und Bewusstseinsforscher wie etwa Daniel Dennett oder Susan Blackmore, die zurecht die Realität des gegenwärtigen menschlichen Bewusstseins bestreiten und es letztlich ganz wegerklären wollen, liegen damit durchaus richtiger als jene, die dem Bewusstsein noch eine eigenständige Wirkungsmächtigkeit zubilligen. Sie landen damit zwar vorerst im blanken Materialismus, helfen zugleich aber auch, die fadenscheinigen falschen dualistischen Leib/Seele-Vorstellungen loszuwerden, die die abendländische Kultur nachhaltig geprägt haben und das Verständis für den wirklichen Geist bis zum heutigen Tag nicht weniger erschweren als der Materialismus.

Dualismus und Monismus

Die Gegenposition zum Dualismus ist der Monismus, der alles Weltgeschehen auf ein einziges Grundprinzip zurückführt.

In einem Brief an Ernst Haeckel machte Rudolf Steiner seine strikt ablehnende Position zum Dualismus deutlich, an der sich auch in späteren Jahren nichts geändert hat.

„Ich kämpfe, seitdem ich schriftstellerisch tätig bin, gegen allen Dualismus und sehe es als die Aufgabe der Philosophie an, durch eine streng positivistische Analyse unseres Erkenntnisvermögens den Monismus wissenschaftlich zu rechtfertigen, also den Nachweis zu führen, daß die in der Naturwissenschaft gewonnenen Ergebnisse wirkliche Wahrheiten sind. Deshalb mußte ich mich ebenso gegen den Kantianismus mit seinen zweierlei Wahrheiten wie gegen das moderne «Ignorabimus» wenden.“ (Lit.:GA 39, S. 166)

Steiner vertrat stets einen geistigen Monismus, für den die Materie eine Erscheinungsform des Geistigen ist. Daher erschien ihm auch die Frage sinnlos, wie Geist und Materie - etwa in Form des Leib-Seele-Problems - wechselseitig aufeinander einwirken können; vielmehr gehe es darum, empirisch zu erforschen, wie der Geist seine verschiedenen Erscheinungsformen, zu denen auf elementarer Ebene auch die Materie zählt, hervorbringen könne.

„Kein naturwissenschaftlicher Denker wird je der Meinung sein, daß darüber, was im logischen Sinne wahr oder falsch ist, die körperlich-organischen Gründe Aufschluß geben können. Die geistigen Zusammenhänge können nur aus dem geistigen Leben heraus erkannt werden. Was logisch berechtigt ist, darüber wird immer die Logik, was künstlerisch vollkommen ist, darüber wird das ästhetische Urteil entscheiden. Ein anderes aber ist die Frage: Wie entsteht das logische Denken, wie das ästhetische Urteil als Funktion des Gehirnes? Über diese Frage allein spricht sich die vergleichende Physiologie und Gehirnanatomie aus. Und diese zeigen, daß das vernünftige Bewußtsein nicht für sich abgesondert existiert und das menschliche Gehirn nur benutzt, um sich durch dasselbe zu äußern, wie der Klavierspieler auf dem Klavier spielt, sondern daß unsere Geisteskräfte ebenso Funktionen der Form-Elemente unseres Gehirns sind, wie «jede Kraft die Funktion eines materiellen Körpers ist» (Haeckel, Anthropogenie).

Das Wesen des Monismus besteht in der Annahme, daß alle Weltvorgänge, von den einfachsten mechanischen an bis herauf zu den höchsten menschlichen Geistesschöpfungen, in gleichem Sinne sich naturgemäß entwickeln und daß alles, was zur Erklärung der Erscheinungen herangezogen wird, innerhalb der Welt selbst zu suchen ist. Dieser Anschauung steht der Dualismus gegenüber, der die reine Naturgesetzlichkeit nicht für ausreichend hält, um die Erscheinungen zu erklären, sondern zu einer über den Erscheinungen waltenden, vernünftigen Wesenheit seine Zuflucht nimmt. Diesen Dualismus muß die Naturwissenschaft, wie gezeigt worden ist, verwerfen.“ (Lit.:GA 30, S. 174)

Im geisteswissenschaftlichen Sinn ist alle Materie als zebrochene, zerstörte geistige Form aufzufassen; sie ist gleichsam der Trümmerhaufen des Geistes. Dieser Anschauung nähert sich auch die moderne Physik - allerdings vorerst rein abstrakt spekulativ und nicht durch unmittelbare geistige Anschauung. So meinte etwa der Quantenphysiker Hans-Peter Dürr:

„Die moderne Physik kommt nun zu der überraschenden Erkenntnis: Materie ist nicht aus Materie aufgebaut! Wenn wir die Materie immer weiter auseinandernehmen, in der Hoffnung die kleinste, gestaltlose, reine Materie zu finden, bleibt am Ende nichts mehr übrig, was uns an Materie erinnert. Am Schluss ist kein Stoff mehr, nur noch Form, Gestalt, Symmetrie, Beziehung.

Was bedeutet das? Wir haben eine Umkehrung: Das Primäre ist Beziehung, der Stoff das Sekundäre. Materie ist ein Phänomen, das erst bei einer gewissen vergröberten Betrachtung erscheint. Stoff ist geronnene Form. Vielleicht könnten wir auch sagen: Am Grunde bleibt nur etwas, was mehr dem Geistigen ähnelt – ganzheitlich, offen, lebendig: Potenzialität, die Kann-Möglichkeit einer Realisierung. Materie ist die Schlacke dieses Geistigen – zerlegbar, abgrenzbar, determiniert: Realität. In der Potenzialität gibt es keine ein-eindeutigen Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Die Zukunft ist wesentlich offen. Es lassen sich für das, was „verschlackt“, was real passiert, nur noch Wahrscheinlichkeiten angeben. Es gibt keine Teilchen, die unzerstörbar sind, die mit sich selbst identisch bleiben, sondern wir haben ein “feuriges Brodeln“, ein ständiges Entstehen und Vergehen. In jedem Augenblick wird die Welt neu geschaffen, aber im Angesicht, im „Erwartungsfeld“, der ständig abtretenden Welt.“ (Lit.: Dürr 2003)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. David Chalmers: The Character of Consciousness. Oxford University Press, Oxford 2010, ISBN 978-0195311112, p. 39