Karl Ernst von Baer und Christian Heinrich Pander: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Voyages de la Commission scientifique du Nord, en Scandinavie, en Laponie, au Spitzberg et aux Feröe - no-nb digibok 2009040211001-118.jpg|mini|Karl Ernst von Baer 1840]]
[[Datei:Heinz Christian Pander00.jpg|miniatur|Christian Heinrich von Pander, nach einem verschollenen Ölbild von [[Wikipedia:Julie Wilhelmine Hagen-Schwarz|Julie Wilhelmine Hagen-Schwarz]] aus dem Dom-Museum Riga]]
[[Datei:Karl Ernst von Baer.jpg|mini|Karl Ernst von Baer]]
[[Datei:Tartu 1866.jpg|mini|Dorpat (heute Tartu) 1866]]
[[Datei:Baer KM 1865.jpg|mini|Karl Ernst von Baer, 1865]]
[[Datei:Karl Ernst von Baer2.jpg|mini|Karl Ernst von Baer (erblindet, vor 1876)]]


'''Karl Ernst von Baer''' (* {{JULGREGDATUM|28|2|1792|Link="fals"}}<ref>Datum nach seiner Selbstbiografie [http://dspace.utlib.ee/dspace/handle/10062/16420 Nachrichten über Leben und Schriften des Herrn Geheimraths Dr. Karl Ernst von Baer], Sankt Petersburg 1865.</ref> auf Gut [[Wikipedia:Piibe|Piep]] (estnisch: ''Piibe''), heute Gemeinde [[Wikipedia:Rakke|Rakke]], in [[Wikipedia:Estland|Estland]]; †&nbsp;{{JULGREGDATUM|28|11|1876|Link="false"}} in [[Wikipedia:Tartu|Dorpat]], Estland) war ein [[Wikipedia:Deutsch-Balte|deutsch-baltischer]] [[Medizin|Mediziner]] und [[Naturforscher]], insbesondere [[Zoologe]], [[Embryologe]], [[Anthropologe]], [[Geograph]] und [[Wikipedia:Forschungsreisender|Forschungsreisender]].
'''Christian Heinrich von Pander''', auch ''Heinz Christian Pander'',  [[Wikipedia:Lettische Sprache|lettisch]] ''Kristiāns Heinrihs fon Panders'' (* {{JULGREGDATUM|23|7|1794|Link="false"}}<ref>{{Internetquelle|url=http://www.lvva-raduraksti.lv/de.html|titel=Eintrag im Taufregister des Doms zu Riga|titelerg=|autor=|hrsg=|werk=Staatliches Historisches Archiv Lettlands Raduraksti|seiten=|datum=|archiv-url=|archiv-datum=|zugriff=2011-09-27|sprache=|format=|kommentar=|zitat=|offline=}}</ref> in [[Wikipedia:Riga|Riga]]; †&nbsp;{{JULGREGDATUM|22|9|1865|Link="false"}} in [[Wikipedia:Sankt Petersburg|St. Petersburg]]), war ein [[Wikipedia:Deutsch-Balten|deutsch-baltischer]] Mediziner, [[Embryologe]], [[Zoologe]] und [[Wikipedia:Paläontologie|Paläontologe]] und zählt zu den innovativsten Naturwissenschaftlern des frühen 19. Jahrhunderts.  


== Leben und Werk ==
== Leben und Werk ==


Karl Ernst von Baer, Sohn des estländischen Rittergutsbesitzers und Landrats [[Wikipedia:Johann Magnus von Baer|Johann Magnus von Baer]] (1765–1825) und von ''Julie Marie von Baer'' (1764–1820),<ref name="GH">''Genealogisches Handbuch der baltischen Ritterschaften'', Görlitz 1930, Seiten [http://personen.digitale-sammlungen.de/baltlex/Blatt_bsb00000601,00021.html 12], [http://personen.digitale-sammlungen.de/baltlex/Blatt_bsb00000601,00022.html '''13 einschließlich FN 6'''], [http://personen.digitale-sammlungen.de/baltlex/Blatt_bsb00000601,00023.html 14.]</ref> Tochter eines russischen Offiziers, besuchte von 1808 bis 1810 die deutschsprachige [[Wikipedia:Ritter- und Domschule zu Reval|Domschule]] in [[Wikipedia:Tallinn|Reval]], dem heutigen Tallinn. Anschließend studierte er bis 1814 Medizin an der damals ebenfalls deutschsprachigen, 1802 gegründeten [[Wikipedia:Universität Dorpat|Universität Dorpat]]. Nach dem Doktorat setzte Baer seine medizinischen Studien in [[Wikipedia:Wien|Wien]] und später in [[Wikipedia:Würzburg|Würzburg]] fort. Er wurde schließlich an der [[Wikipedia:Albertus-Universität Königsberg|Universität Königsberg]] [[Wikipedia:Habilitation|habilitiert]] und arbeitete von 1817 bis 1834 in [[Wikipedia:Königsberg (Preußen)|Königsberg]].  
Christian Heinrich von Pander stammte aus einer deutschen Kaufmannsfamilie in Riga. Sein Vater war der wohlhabende [[Wikipedia:Privatbankier|Banquier]] [[Wikipedia:Johann Martin Pander|Johann Martin Pander]] (1765–1842), sein Großvater ein bekannter Kaufmann. Pander besuchte das deutschsprachige Gymnasium in Riga und studierte von 1812 bis 1814 Medizin an der deutschsprachigen [[Wikipedia:Universität Tartu|Dorpater Universität]], wo er den Anatomen und Physiologen [[Wikipedia:Friedrich Burdach|Karl Friedrich Burdach]] hörte und sich mit [[Karl Ernst von Baer]] befreundete. Er promovierte nach Studienaufenthalten ab 1814 in Berlin und Göttingen 1817 an der [[Wikipedia:Julius-Maximilians-Universität Würzburg|Universität Würzburg]] bei [[Wikipedia:Ignaz Döllinger]], wo er sich 1816 eingeschrieben hatte.


1819 heiratete Baer Auguste [[Wikipedia:Medem (Adelsgeschlecht)|von Medem]] († 1864) aus Königsberg; aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor.<ref name="GH" /> Im gleichen Jahr wurde Baer zum außerordentlichen Professor ernannt, zwei Jahre später übernahm er vom Königsberger Universalgelehrten [[Wikipedia:Karl Gottfried Hagen|Karl Gottfried Hagen]] das Ordinariat für [[Zoologie]], 1826 auch das für [[Anatomie]].
[[Datei:Promissum NT small.jpg|mini|Künstlerische Lebendrekonstruktion eines „Conodonten-Tiers“.]]
Mit seiner Dissertation von 1817 begründete Pander das bis heute in der Embryologie verwendete revolutionäre [[Keimblatt]]modell, das die Embryogenese als Entwicklung dreier Keimblätter, des ''Ekto''-, ''Meso''- und ''Entoderms'' (von Pander noch ''seröses Blatt'', ''Gefäßblatt'' und ''Schleimblatt'' genannt) beschreibt. Bewusst an [[Goethe]]s [[Metamorphosenlehre]] anknüpfend, zeigte Pander, dass die [[Embryonalentwicklung]] weder gemäß der [[Präformationslehre]] auf der Ausfaltung von bereits Vorhandenem, noch auf der Formung aus Ungeformtem ([[Epigenese]]), sondern auf der Ausdifferenzierung embryonaler Membranen beruht. In seinem embryologischen Werk ''Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere'' (2 Bde. Königsberg 1828/1837) baute Karl Ernst von Baer das von seinem Freund Pander entwickelte Modell unter Einbeziehung weiterer Tiergruppen bis hin zum Menschen aus.  


1827 entdeckte Baer die menschlichen [[Eizelle]]. 1828 formulierte er die [[Baer-Regel]] der ''Embryonenähnlichkeit'', auf die [[Ernst Haeckel]]s [[Biogenetisches Grundgesetz|biogenetische Grundregel]] aufbaute, sowie das nach ihm benannte Gesetz der unterschiedlichen [[Wikipedia:Erosion (Geologie)|Erosion]] von Flussufern durch die [[Wikipedia:Corioliskraft|Corioliskraft]]. Er gilt als einer der bedeutendsten [[Naturwissenschaftler]] des 19. Jahrhunderts und wird wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen auf zahlreichen Gebieten manchmal auch als der „[[Alexander von Humboldt]] des Nordens“ bezeichnet.
Darüber hinaus beschäftigte sich Pander schon vor [[Darwin]] in den 1820er Jahren mit der [[Evolution]] der Lebewesen und hielt eine unbeschränkte Umbildung der Arten für möglich. Gemeinsam mit [[Wikipedia:Joseph Eduard d’Alton|Eduard d’Alton]] unternahm Pander 1818/1819 eine Studienreise nach Süd- und Westeuropa (Spanien, Portugal, Niederlande, Großbritannien, Frankreich). Die Reise diente der vergleichenden Anatomie, insbesondere der [[Säugetiere]] und [[Vögel]], und mündete in ein 14bändiges Werk zur ''Vergleichenden Osteologie'', das Darwin in seiner ''Origin of Species'' als Vorläufer seiner eigenen Arbeit erwähnte.


{{GZ|Ich
1856 beschrieb Pander die rätselhafte Gruppe der ausgestorbenen, fossilen [[Wikipedia:Kambrium|frühkambrischen]] [[Wikipedia:Conodonten|Conodonten]] erstmals wissenschaftlich.
möchte manchem, der heute, nachdem er so ein bißchen hineingerochen
hat in Haeckels, in Darwins Bücher, raten, bevor er daran geht, eine
Filiale für einen Monistenverein zu gründen, mancherlei anderes vorher
zu tun: so zum Beispiel wenn Haeckel Ernst von Baer anführt, selber
einmal Karl Ernst von Baer in die Hand zu nehmen und zu lesen.
Ich will Ihnen nur eine Stelle aus Karl Ernst von Baer vorlesen, wo er
sich darüber ausspricht, wie es mit der geistigen Welt im Verhältnis
zur Erdenwelt bestellt ist. Da sagt Baer: «Der Erdkörper ist nur das
Samenbeet, auf welchem das geistige Erbteil des Menschen wuchert,
und die Geschichte der Natur ist nur die Geschichte fortschreitender
Siege des Geistigen über den Stoff. Das ist der Grundgedanke der
Schöpfung, dem zu Gefallen, nein, zu dessen Erreichung sie Individuen
und Zeugungs-Reihen schwinden läßt und die Gegenwart auf dem Gerüste
einer unermeßlichen Vergangenheit erhebt.»
Was sagt also dieser Baer? Der Erdenkörper, die Erde ist das Samenbeet,
und da hinein werden versenkt die geistigen Keime, damit
sie sich umhüllen. - Die reine Wahrheit hat dieser Baer gesagt im Beginne
des 19. Jahrhunderts!|174b|178}}


{{GZ|Da sieht man beispielsweise,
Christian Heinrich von Pander, der bereits seit den frühen 1820er Jahren an einer schweren, „fiebrigen“, nicht weiter bekannten Krankheit, vielleicht an Malaria, litt, starb im September 1865 in St. Petersburg.
wie Ernst Haeckel darauf hinweist, daß einer
der Größten, auf die er sich selbst berufen will, ''Karl Ernst von Baer'' ist. Und immer wieder finden wir Karl Ernst
von Baer angeführt als einen Mann, der beweisend sein soll
für die rein materialistische Weltanschauung, die Haeckel
aus seinem Forschen ableitet. Wieviele Menschen gehen nun
hin, um einen Einblick zu gewinnen in das, was eigentlich
in dem heutigen Wissenschaftsbetriebe steckt, - wieviele
Menschen gehen nun hin und fassen so etwas an? Wieviele
Menschen bleiben dabei stehen, daß sie bei Haeckel lesen:
Karl Ernst von Baer kann angesehen werden als einer, der
so spricht, wie Haeckel daraus ableitet! Da glaubt man
selbstverständlich, daß Baer so etwas spricht, wie Haeckel
daraus ableiten kann. Nun, ich will Ihnen einige Stellen
aus Karl Ernst von Baer vorlesen: «Der Erdkörper ist nur
das Samenbeet, auf welchem das geistige Erbteil des Menschen
wuchert, und die Geschichte der Natur ist nicht nur
die Geschichte fortschreitender Siege des Geistigen über den
Stoff. Das ist der Grundgedanke der Schöpfung, dem zu
Gefallen, nein, zu dessen Erreichung sie Individuen und
Zeugungs-Reihen schwinden läßt und die Zukunft auf dem
Gerüste einer unermeßlichen Vergangenheit erbaut.»<ref>Karl Ernst von Baer: ''Reden und kleinere Aufsätze'', Petersburg 1864, I. Band, S. 71f.</ref>
Eine wunderbar geistgemäße Auffassung der Welt hat
der, den Haeckel alle Augenblicke anführt für seine Auffassungsweise!|65|487}}


Im Zentrum von Baers Denken stand der [[Teleologie]]begriff: Naturprozesse sind durch Zweck- und Zielstrebigkeiten gekennzeichnet, modellhaftes Vorbild dabei ist die Embryonalentwicklung. Angeregt durch seinen Jugendfreund und Studienkollegen [[Christian Heinrich Pander]] (1794-1865), der bereits in den 1820er Jahren eine unbeschränkte Umbildung der Arten für möglich gehalten hatte, stellte Baer schon vor Darwin Überlegungen zur [[Evolution]] an. In seinem Aufsatz ''Über Papuas und Alfuren'' (1859) sprach er sich gegen die Artkonstanz und für eine Umbildung der Arten in einem gewissen Rahmen aus. Einer Entstehung von neuen Typen durch Evolution stand er ablehnend gegenüber, letztlich sah er die Frage nach dem Ursprung des Menschen als wahrscheinlich nie lösbares Problem an. Hauptkritikpunkt am Darwinismus ist dessen Nicht-Anerkennen einer nur telelogisch erklärbaren Natur. Seine ambivalente Haltung gegenüber der Evolutionstheorie fasste Baer 1876 selbst so zusammen:
== Siehe auch ==
{{"|''Zuvörderst habe ich das ungewöhnliche Glück, dass ich sowohl als Förderer der Darwinschen Lehre, wie auch als Gegner derselben angeführt werde. In der Tat glaube ich für die Begründung derselben einigen Stoff geliefert zu haben, wenn auch die Zeit und Darwin selbst auf das Fundament ein Gebäude aufgeführt haben, dem ich mich fremd fühle.''}}<ref>Ueber Darwin's Lehre. In: Reden und kleinere Aufsätze, Bd. 2. St. Petersburg 1876, S. 239</ref>
 
{{GZ|Die Deszendenztheorie hat die Wissenschaft
darauf hingewiesen, die wirklichen Ursachen der individuellen
Entwickelung des Einzelorganismus bei dessen Vorfahren zu
suchen, und die Naturwissenschaft ersetzt auf diesem Wege alle
ideellen Entwickelungsgesetze, die von irgendwo außerhalb an den
organischen Stoff herantreten sollen, durch die tatsächlichen Vor-
gänge der Stammesgeschichte, die im Einzelwesen als Gestaltungskräfte
fortwirken.
 
Immer mehr nähert sich unter dem Einfluß der Deszendenztheorie
die Naturwissenschaft dem großen Ziele, das einer der
größten Naturforscher des Jahrhunderts, Karl Ernst von Baer, mit
den Worten vorgezeichnet hat: «Ein Grundgedanke ist es, der
durch alle Formen und Stufen der tierischen Entwicklung geht
und alle einzelnen Verhältnisse beherrscht. Derselbe Grundgedanke
ist es, der im Weltraum die verteilte Masse in Sphären
sammelte und diese zu Sonnensystemen verband; derselbe, der den
verwitterten Staub an der Oberfläche des Planeten in lebendige
Formen hervorwachsen ließ. Dieser Gedanke ist aber nichts als
das Leben selbst, und die Worte und Silben, in welchen er sich
ausspricht, sind die verschiedenen Formen des Lebendigen.»<ref>K. E. v. Baer: ''Über Entwickelungsgeschichte der Thiere'', Band 1, S. 263f.</ref> Ein
anderer Ausspruch Baers gibt dieselbe Vorstellung in anderer
Form: «Noch manchem wird ein Preis zuteil werden. Die Palme
aber wird der Glückliche erringen, dem es vorbehalten ist, die
bildenden Kräfte des tierischen Körpers auf die allgemeinen
Kräfte oder Lebensverrichtungen des Weltganzen zurückzuführen.»<ref>K. E. v. Baer: ''Reden gehalten in wissenschaftlichen Versammlungen und kleinere Aufsätze vermischten Inhalts. Studien aus dem Gebiete der Naturwissenschaften'' (Band 2), S. 468</ref>|30|188f}}
 
Baer beschrieb 1828 als erster die [[Wikipedia:Chorda dorsalis|Chorda dorsalis]], von ihm Rückensaite (später Wirbel- oder Spinalsaite) genannt, als gemeinsames Merkmal der Wirbeltiere (bzw. der später so genannten [[Wikipedia:Chordatiere|Chordatiere]]): {{"|''Diese Saite ist nicht nur die Axe, um welche sich die ersten Theile des Embryo bilden, sondern auch der wahre Maaßstab für den ganzen Leib und alle Hauptsysteme''.}} (so Baer 1828). Diese Begriffsbildung bedeutete auch die Ausdehnung des Verwandtschaftsverhältnisses des Menschen bis hin zu den Neunaugen. In seinem embryologischen Werk ''Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere'' (2 Bde. Königsberg 1828/1837) baute Baer das von seinem Freund Pander entwickelte revolutionäre [[Keimblatt]]modell unter Einbeziehung weiterer Tiergruppen bis hin zum Menschen aus.
 
1837 sammelte Baer Tiere und Pflanzen auf [[Wikipedia:Nowaja Semlja|Nowaja Semlja]], einer Inselgruppe im arktischen Eismeer, wo er auch übersommerte. Auf weiteren Expeditionen erforschte er Spuren der [[Wikipedia:Letzte Kaltzeit|Eiszeit]] an der Südküste [[Wikipedia:Finnland|Finnland]]s (1838/1839). An den [[Wikipedia:Arktischer Ozean|Nordmeerküsten]], am [[Wikipedia:Kaspisches Meer|Kaspischen Meer]] und im [[Wikipedia:Kaukasus|Kaukasus]] untersuchte er 1851 bis 1856 die Fischerei und die Fischbestände. Diese Untersuchungen führten 1856 zum ersten Gesetz zum Schutz der Fischbestände in [[Wikipedia:Russland|Russland]]. Mit seinen Eismeer-Untersuchungen wurde Baer einer der Begründer der wissenschaftlichen Arktisforschung.
 
Mit seiner 1862 veröffentlichten Schrift ''Welche Auffassung der lebenden Natur ist die richtige?'' leistete Baer auch Pionierarbeit auf dem Gebiet der [[Zeit]]wahrnehmung bei Tier und Mensch unter besonderer Betonung der artspezifischen Unterschiede.
 
{{Zitat|Ohne in diesen etwas schwierigen Gegenstand hier tiefer eingehen zu wollen, kommt es mir nur darauf an, anschaulich zu machen, dass die Schnelligkeit des Wahrnehmungsvermögens und der darauf erfolgten Reaction das wahre und natürliche Maass für unser
Leben ist. Im Sanguiniker ist die Empfindung und Bewegung rascher als im Phlegmatiker oder im Schläfrigen. Jener lebt also mehr in einem bestimmten Zeitmaasse, z. B. in einer Stunde. In jenem schlägt aber auch der Puls häufiger als in diesem. Ueberhaupt scheint der Puls in gewisser Beziehung mit der Schnelligkeit von Empfindung und Bewegung zu stehen. Beim Kaninchen folgen sich die Pulsschläge fast 2 mal so
schnell als beim Menschen und beim Rinde fast 2 mal so langsam. Sicher erfolgen Empfinden und Bewegung bei jenen Thieren auch viel schneller als bei diesen. Es erleben also die Kaninchen in derselben Zeit bedeutend mehr als die Rinder. Es kam mir besonders darauf an, für die folgenden Bemerkungen die Vorstellung geläufig zu machen, dass das innere Leben eines Menschen oder Thieres in derselben äussern Zeit rascher oder langsamer verlaufen kann, und dass dieses innere Leben das Grundmaass ist, mit welchem wir bei Beobachtung der Natur die Zeit messen.|Karl Ernst von Baer|''Welche Auffassung der lebenden Natur ist die richtige?'', S. 23f.}}
 
Von 1867 bis zu seinem Tod 1876 lebte Baer in [[Wikipedia:Tartu|Dorpat]], der Stadt, in der er einst studiert hatte. Hier beschäftigte er sich mit dem Darwinismus und verfasste zahlreiche Aufsätze (z. T. in Buchlänge) zu biologischen, anthropologischen, wissenschafts- und kulturgeschichtlichen Themen.
 
Baer starb, erblindet, aber bis zuletzt wissenschaftlich arbeitend, im Spätherbst 1876 und wurde auf dem Alten Johannisfriedhof Dorpat (Raadi-Friedhof Tartu) beigesetzt.
 
{{GZ|Im Grunde
genommen macht die Geheimwissenschaft nur das zur Tat,
zur Wirklichkeit, was auch die Naturwissenschaft geahnt
hat. Wenn zum Beispiel ein Naturwissenschafter wie Karl
von Baer, dem Ernst Haeckel sein Werk «Ziele und Wege
der heutigen Entwickelungsgeschichte» gewidmet hat, sagt:
Ein Gedanke ist es, der die ganze Welt durchzieht, der die
Planeten ordnet, der aus der Materie die lebendigen Wesen
hervorgerufen hat, der in seinen Budistaben und in seinem
Sinn in den mannigfaltigen Lebensformen erscheint und im
Grunde genommen das Leben selber ist - dann darf man
wohl hinzufügen: Und wenn dieser Gedanke, der in der
übersinnlichen Welt allein gefunden werden kann, gehegt
und gepflegt wird, wenn er bewußt Eingang findet in die
Menschennatur, dann wird er die Menschen gesund, stark
und tüchtig machen. Wird er dann nicht zuerst die Zweifel
zerstreuen, die Gemüter beruhigen, die Herzen erheben und
die Menschennatur gesund machen? Das ist eine tiefere Mission
der Geheim Wissenschaft in unserer Zeit.|56|32f}}


== Werke ==
* {{WikipediaDE|Christian Heinrich Pander}}


* ''De ovi mammalium et hominis genesi'', Leipzig 1827 (Bekanntgabe der Entdeckung des menschlichen Eies) {{IA|deovimammaliumet00baeruoft}}
== Schriften ==
[[Datei:Pander chick embryo.png|miniatur|Zeichnung des Hühnerembryos aus ''Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Hühnchens im Eye'' (Tafel VIII)]]


* ''Über Entwickelungsgeschichte der Thiere''. Beobachtung und Reflexion. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1828, 1. Teil {{GBS|ngc5ehai_HIC|PR1}}, {{GBS|ev7OAAAAMAAJ|PR2}}; 2. Teil, 1837 {{GBS|r_7OAAAAMAAJ|PP7}}
=== Embryologische Schriften ===
* ''Dissertatio inauguralis sistens historiam metamorphoseos quam ovum incubatum prioribus quinque diebus subit.'' Würzburg 1817. (lateinische Dissertation Panders) [https://archive.org/details/dissertatioinaug00pand  archive.org]
* ''Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Hühnchens im Eye'', Würzburg 1817 (deutsche Dissertation Panders mit Stichen d'Altons) [https://archive.org/stream/b21692890#page/n5/mode/2up archive.org]
* ''Les textes embryologiques de Christian Heinrich Pander (1794–1865)'' (herausgegeben und kommentiert von Stéphane Schmitt). Brepols, Turnhout 2003, ISBN 2-503-52180-0 (dreisprachige Neuausgabe der embryologischen Texte: ''Dissertatio inauguralis sistens historiam metamorphoseos quam ovum incubatum prioribus quinque diebus subit'' und ''Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Hühnchens'', jeweils im lateinischen bzw. deutschen Original mit französischer Übersetzung).


* ''Schädel- und Kopfmangel an Embryonen von Schweinen aus der frühesten Zeit der Entwickelung beobachtet''. [1829] {{GBS|5whBAAAAcAAJ|PA827}}
=== Vergleichend anatomische Schriften ===
* (mit [[Wikipedia:Joseph Eduard d’Alton|Eduard Joseph d'Alton]]) ''Vergleichende Osteologie'', 14 Bände, Bonn: Weber, 1821–1838 [https://archive.org/stream/vergleichendeOs00Pand#page/n7/mode/2up  Archive]
** Band I, 1: ''Das Riesen-Faulthier, Bradypus giganteus, abgebildet, beschrieben und mit den verwandten Geschlechtern verglichen'', Bonn 1821 (gem. mit E. J. d'Alton)
** Band I, 2: ''Die Skelete der Pachydermata'', Bonn 1821 (gem. mit E. J. d'Alton)
** Band I, 3: ''Die Skelete der Raubthiere'', Bonn 1822 (gem. mit E. J. d'Alton)
** Band I, 4: ''Die Skelete der Wiederkäuer'', Bonn 1823 (gem. mit E. J. d'Alton)
** Bände I, 5 und I, 6: ''Die Skelete der Nagethiere'' (Teil 1 und 2), Bonn 1823, 1824 (gem. mit E. J. d'Alton)
** Band I, 7: ''Die Skelete der Vierhänder'', Bonn 1824 (gem. mit E. J. d'Alton)
** Band I, 8: ''Die Skelete der zahnlosen Thiere'', Bonn 1825 (gem. mit E. J. d'Alton)
** Band I, 9: ''Die Skelete der Robben und Lamantine'', Bonn 1826 (gem. mit E. J. d'Alton)
** Band I, 10: ''Die Skelete der Cetaceen'', Bonn 1827 (gem. mit E. J. d'Alton)
** Band I, 11: ''Die Skelete der Beutelthiere'', Bonn 1828 (gem. mit E. J. d'Alton)
** Band I, 12: ''Die Skelete der Chiropteren und Insectivoren'', Bonn 1831 (nur von den beiden d'Altons, Vater und Sohn)
** Band II, 1: ''Die Skelete der Straußartigen Vögel'', Bonn 1827 (nur von Eduard d’Alton d. J.)
** Band II, 2: ''Die Skelete der Raubvögel'', Bonn 1838 (nur von den beiden d'Altons)


* ''Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte der Fische nebst einem Anhange über die Schwimmblase''. F. C. W. Vogel, Leipzig 1835 {{GBS|bEYAAAAAQAAJ|PP5}}, {{GBS|6jJCAAAAcAAJ|PT2}}
=== Geologisch-paläontologische Schriften ===
 
* ''Beiträge zur Naturkunde aus den Ostseeprovinzen Rußlands'', Dorpat 1820 [https://archive.org/details/beitrgezurnatu01heft Archive]
* ''Anatomische und zoologische Untersuchungen über das Wallross (Trichechus rosmarus) und Vergleichung dieses Thiers mit andern See-Säugethieren''. St. Petersburg 1836 {{GBS|UlErAAAAYAAJ|PA97}}, {{GBS|l3orAAAAYAAJ|PA97}}
* ''Beiträge zur Geognosie des Russischen Reiches'', St. Petersburg 1830
 
* ''Fossile Fische der Russisch-Baltischen Gouvernements'', mehrere Bände, Sankt Petersburg: Akademie der Wissenschaften, 1856–1860
* ''Makrokephalen im Boden der Krim und Österreichs, verglichen mit der Bildungs-Abweichung, welche Blumenbach Macrocephalus genannt hat''. Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, St. Petersburg 1860 {{GBS|pphFAAAAcAAJ|PP2}}
** Band 1: ''Monographie der fossilen Fische des Silurischen Systems des russisch-baltischen Gouvernements'', St. Petersburg 1856
 
** Band 2: ''Ueber die Placodermen des Devonischen Systems'', St. Petersburg 1857
* ''Bericht über die Zusammenkunft einiger Anthropologen im September 1861 in Göttingen zum Zwecke gemeinsamer Besprechungen''. Eratattet von Karl Ernst von Baer und Rudolph Wagner. Leopold Voss, Leipzig 1861 {{GBS|x2lAAAAAcAAJ|PP5}}, {{GBS|HmpNAAAAcAAJ|PP5}}
** Band 3: ''Über die Ctenodipterinen des devonischen Systems '', St. Petersburg 1858 [https://archive.org/details/UberdieCtenodop00n Archive]
 
** Band 4: ''Über die Saurodipterinen, Dendrodonten, Glyptolepiden und Cheirolepiden des Devonischen Systems'', St. Petersburg 1860
* ''Über ein neues Project, Auster-Bänke an der russischen Ostee-Küste anzulegen, und über den Salz-Gehalt der Ostsee in verschiedenen Gegenden''. Buchdruckerei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, St. Petersburg 1861 {{GBS|bF49AAAAYAAJ|PA589}}
 
* ''Welche Auffassung der lebenden Natur ist die richtige? Und Wie ist diese Auffassung auf die Entomologie anzuwenden?'' A. Hirschwald, 1862. Zur Eröffnung der Russischen entomologischen Gesellschaft im Mai 1860 gesprochen. August Hirschwald, Berlin 1862 {{GBS|fxZbAAAAQAAJ|PA1}} {{MDZ|10074768-3}}
 
* ''Reden gehalten in wissenschaftlichen Versammlungen und kleinere Aufsätze vermischten Inhalts''. 3 Bände, St. Petersburg 1864–1876
** Teil 1: ''Reden''. 1864 {{IA|redengehalteninw01baer}}, {{IA2|redengehaltenin01baergoog}} = {{IA2|redengehaltenin00baergoog}} = {{GBS|3FCb8GLnGioC}}, {{MDZ|10603757-2}}
** Teil 2: ''Studien aus dem Gebiete der Naturwissenschaften''. 1876 {{IA2|redengehaltenin05baergoog}} = {{GBS|y_AEAAAAYAAJ|US}}, {{IA2|redengehaltenin04baergoog}} = {{GBS|FeYEAAAAYAAJ|US}}, {{IA2|redengehaltenin02baergoog}} = {{GBS|a90W4-DcaQEC|US}}
** Teil 3: ''Historische Fragen mit Hülfe der Naturwissenschaften beantwortet''. 1873 {{IA2|redengehaltenin03baergoog}} = {{GBS|dK5Yt-cFVxoC|US}}
 
* ''Nachrichten über Leben und Schriften des Herrn Geheimraths Dr. Karl Ernst von Baer'', mitgetheilt von ihm selbst. Veröffentlicht bei Gelegenheit seines fünfzigjährigen Doctor-Jubiläums am 29. August 1864 von der Ritterschaft Ehstlands.
** Buchdruckerei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, St. Petersburg 1865 {{GBS|olYzAQAAMAAJ|PP11}}, {{GBS|6F09AQAAIAAJ|PR1}}
** H. Schmitzdorff, St. Petersburg 1866 {{GBS|S8sHAAAAIAAJ|PR3}}, {{GBS|CFQ6AAAAcAAJ|PR3}}, {{GBS|HvYEAAAAYAAJ|PR3}}
 
* ''Das neuentdeckte Wrangells-Land''. W. Gläser, Dorpat 1868 {{GBS|87lCAAAAcAAJ|PP5}}
 
== Siehe auch ==
 
* {{WikipediaDE|Karl Ernst von Baer}}


== Literatur ==
== Literatur ==


* [[Wikipedia:Ludwig Stieda|Ludwig Stieda]]: ''Karl Ernst von Baer. Eine biographische Skizze''. Braunschweig 1878 (erste Baer-Biographie, vom Verwalter des Baer-Nachlasses).
* Ernst Loesch: ''Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. Eine biographische Studie''. In: Biologisches Zentralblatt Bd. 40 (1920) Nr. 11/12, S. 481–502
* {{ADB|46|207|212|Baer, Karl Ernst von|Ludwig Stieda|ADB:Baer, Karl Ernst Ritter von}}
* [[Wikipedia:Boris Jewgenjewitsch Raikow|Boris Jewgenjewitsch Raikow]]: ''Christian Heinrich Pander, ein bedeutender Biologe und Evolutionist''. Frankfurt am Main: Kramer, 1984 (= ''[[Wikipedia:Senckenberg-Buch|Senckenberg-Buch]]'', 62), ISBN 3-7829-1097-4 (russ.: Христиан Пандер - выдающийся биолог-эволюционист. Москва 1964).
* Wilhelm Haacke: ''Karl Ernst von Baer''. Leipzig 1905 (kurze Biographie).
* Thomas Schmuck: ''Baltische Genesis. Die Grundlegung der Embryologie im 19. Jahrhundert''. Aachen 2009 (=Relationes Bd. 2) (über Pander: S. 84–114).
* {{NDB|1|524||Baer, Edler von Huthorn, Karl Ernst Ritter von|Goetz von Selle|118505831}}
* Thomas Schmuck: ''Metamorphosen. Christian Heinrich Pander (1794-1865) und die Evolution.'' In: O. Riha, M. Fischer (Hgg.): Naturwissenschaften als Kommunikationsraum. Aachen 2011 (=Relationes Bd. 6), S. 369–398.
* [[Wikipedia:Boris Jewgenjewitsch Raikow|Boris Jewgenjewitsch Raikow]]: ''Karl Ernst von Baer (1792–1876). Sein Leben und sein Werk''. (= Acta historica Leopoldina; Nr. 5). J. A. Barth, Leipzig 1968. (marxistisch-orthodoxe Biographie Baers).
* Rudolf Steiner: ''Methodische Grundlagen der Anthroposophie'', [[GA 30]] (1989), ISBN 3-7274-0300-4 {{Vorträge|030}}
* Rudolf Steiner: ''Die Erkenntnis der Seele und des Geistes'', [[GA 56]] (1985), ISBN 3-7274-0560-0 {{Vorträge|056}}
* Rudolf Steiner: ''Aus dem mitteleuropäischen Geistesleben'', [[GA 65]] (2000), ISBN 3-7274-0650-X {{Vorträge|065}}
* Rudolf Steiner: ''Die geistigen Hintergründe des Ersten Weltkrieges'', [[GA 174b]] (1994), ISBN 3-7274-1742-0 {{Vorträge|174b}}
 
{{GA}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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Version vom 29. Mai 2019, 13:17 Uhr

Christian Heinrich von Pander, nach einem verschollenen Ölbild von Julie Wilhelmine Hagen-Schwarz aus dem Dom-Museum Riga

Christian Heinrich von Pander, auch Heinz Christian Pander, lettisch Kristiāns Heinrihs fon Panders (* 12. Julijul. / 23. Juli 1794greg.[1] in Riga; † 10. Septemberjul. / 22. September 1865greg. in St. Petersburg), war ein deutsch-baltischer Mediziner, Embryologe, Zoologe und Paläontologe und zählt zu den innovativsten Naturwissenschaftlern des frühen 19. Jahrhunderts.

Leben und Werk

Christian Heinrich von Pander stammte aus einer deutschen Kaufmannsfamilie in Riga. Sein Vater war der wohlhabende Banquier Johann Martin Pander (1765–1842), sein Großvater ein bekannter Kaufmann. Pander besuchte das deutschsprachige Gymnasium in Riga und studierte von 1812 bis 1814 Medizin an der deutschsprachigen Dorpater Universität, wo er den Anatomen und Physiologen Karl Friedrich Burdach hörte und sich mit Karl Ernst von Baer befreundete. Er promovierte nach Studienaufenthalten ab 1814 in Berlin und Göttingen 1817 an der Universität Würzburg bei Wikipedia:Ignaz Döllinger, wo er sich 1816 eingeschrieben hatte.

Künstlerische Lebendrekonstruktion eines „Conodonten-Tiers“.

Mit seiner Dissertation von 1817 begründete Pander das bis heute in der Embryologie verwendete revolutionäre Keimblattmodell, das die Embryogenese als Entwicklung dreier Keimblätter, des Ekto-, Meso- und Entoderms (von Pander noch seröses Blatt, Gefäßblatt und Schleimblatt genannt) beschreibt. Bewusst an Goethes Metamorphosenlehre anknüpfend, zeigte Pander, dass die Embryonalentwicklung weder gemäß der Präformationslehre auf der Ausfaltung von bereits Vorhandenem, noch auf der Formung aus Ungeformtem (Epigenese), sondern auf der Ausdifferenzierung embryonaler Membranen beruht. In seinem embryologischen Werk Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere (2 Bde. Königsberg 1828/1837) baute Karl Ernst von Baer das von seinem Freund Pander entwickelte Modell unter Einbeziehung weiterer Tiergruppen bis hin zum Menschen aus.

Darüber hinaus beschäftigte sich Pander schon vor Darwin in den 1820er Jahren mit der Evolution der Lebewesen und hielt eine unbeschränkte Umbildung der Arten für möglich. Gemeinsam mit Eduard d’Alton unternahm Pander 1818/1819 eine Studienreise nach Süd- und Westeuropa (Spanien, Portugal, Niederlande, Großbritannien, Frankreich). Die Reise diente der vergleichenden Anatomie, insbesondere der Säugetiere und Vögel, und mündete in ein 14bändiges Werk zur Vergleichenden Osteologie, das Darwin in seiner Origin of Species als Vorläufer seiner eigenen Arbeit erwähnte.

1856 beschrieb Pander die rätselhafte Gruppe der ausgestorbenen, fossilen frühkambrischen Conodonten erstmals wissenschaftlich.

Christian Heinrich von Pander, der bereits seit den frühen 1820er Jahren an einer schweren, „fiebrigen“, nicht weiter bekannten Krankheit, vielleicht an Malaria, litt, starb im September 1865 in St. Petersburg.

Siehe auch

Schriften

Zeichnung des Hühnerembryos aus Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Hühnchens im Eye (Tafel VIII)

Embryologische Schriften

  • Dissertatio inauguralis sistens historiam metamorphoseos quam ovum incubatum prioribus quinque diebus subit. Würzburg 1817. (lateinische Dissertation Panders) archive.org
  • Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Hühnchens im Eye, Würzburg 1817 (deutsche Dissertation Panders mit Stichen d'Altons) archive.org
  • Les textes embryologiques de Christian Heinrich Pander (1794–1865) (herausgegeben und kommentiert von Stéphane Schmitt). Brepols, Turnhout 2003, ISBN 2-503-52180-0 (dreisprachige Neuausgabe der embryologischen Texte: Dissertatio inauguralis sistens historiam metamorphoseos quam ovum incubatum prioribus quinque diebus subit und Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Hühnchens, jeweils im lateinischen bzw. deutschen Original mit französischer Übersetzung).

Vergleichend anatomische Schriften

  • (mit Eduard Joseph d'Alton) Vergleichende Osteologie, 14 Bände, Bonn: Weber, 1821–1838 Archive
    • Band I, 1: Das Riesen-Faulthier, Bradypus giganteus, abgebildet, beschrieben und mit den verwandten Geschlechtern verglichen, Bonn 1821 (gem. mit E. J. d'Alton)
    • Band I, 2: Die Skelete der Pachydermata, Bonn 1821 (gem. mit E. J. d'Alton)
    • Band I, 3: Die Skelete der Raubthiere, Bonn 1822 (gem. mit E. J. d'Alton)
    • Band I, 4: Die Skelete der Wiederkäuer, Bonn 1823 (gem. mit E. J. d'Alton)
    • Bände I, 5 und I, 6: Die Skelete der Nagethiere (Teil 1 und 2), Bonn 1823, 1824 (gem. mit E. J. d'Alton)
    • Band I, 7: Die Skelete der Vierhänder, Bonn 1824 (gem. mit E. J. d'Alton)
    • Band I, 8: Die Skelete der zahnlosen Thiere, Bonn 1825 (gem. mit E. J. d'Alton)
    • Band I, 9: Die Skelete der Robben und Lamantine, Bonn 1826 (gem. mit E. J. d'Alton)
    • Band I, 10: Die Skelete der Cetaceen, Bonn 1827 (gem. mit E. J. d'Alton)
    • Band I, 11: Die Skelete der Beutelthiere, Bonn 1828 (gem. mit E. J. d'Alton)
    • Band I, 12: Die Skelete der Chiropteren und Insectivoren, Bonn 1831 (nur von den beiden d'Altons, Vater und Sohn)
    • Band II, 1: Die Skelete der Straußartigen Vögel, Bonn 1827 (nur von Eduard d’Alton d. J.)
    • Band II, 2: Die Skelete der Raubvögel, Bonn 1838 (nur von den beiden d'Altons)

Geologisch-paläontologische Schriften

  • Beiträge zur Naturkunde aus den Ostseeprovinzen Rußlands, Dorpat 1820 Archive
  • Beiträge zur Geognosie des Russischen Reiches, St. Petersburg 1830
  • Fossile Fische der Russisch-Baltischen Gouvernements, mehrere Bände, Sankt Petersburg: Akademie der Wissenschaften, 1856–1860
    • Band 1: Monographie der fossilen Fische des Silurischen Systems des russisch-baltischen Gouvernements, St. Petersburg 1856
    • Band 2: Ueber die Placodermen des Devonischen Systems, St. Petersburg 1857
    • Band 3: Über die Ctenodipterinen des devonischen Systems , St. Petersburg 1858 Archive
    • Band 4: Über die Saurodipterinen, Dendrodonten, Glyptolepiden und Cheirolepiden des Devonischen Systems, St. Petersburg 1860

Literatur

  • Ernst Loesch: Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. Eine biographische Studie. In: Biologisches Zentralblatt Bd. 40 (1920) Nr. 11/12, S. 481–502
  • Boris Jewgenjewitsch Raikow: Christian Heinrich Pander, ein bedeutender Biologe und Evolutionist. Frankfurt am Main: Kramer, 1984 (= Senckenberg-Buch, 62), ISBN 3-7829-1097-4 (russ.: Христиан Пандер - выдающийся биолог-эволюционист. Москва 1964).
  • Thomas Schmuck: Baltische Genesis. Die Grundlegung der Embryologie im 19. Jahrhundert. Aachen 2009 (=Relationes Bd. 2) (über Pander: S. 84–114).
  • Thomas Schmuck: Metamorphosen. Christian Heinrich Pander (1794-1865) und die Evolution. In: O. Riha, M. Fischer (Hgg.): Naturwissenschaften als Kommunikationsraum. Aachen 2011 (=Relationes Bd. 6), S. 369–398.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eintrag im Taufregister des Doms zu Riga. In: Staatliches Historisches Archiv Lettlands Raduraksti. Abgerufen am 27. September 2011.


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Christian Heinrich Pander aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.