imported>Joachim Stiller |
imported>Joachim Stiller |
Zeile 1: |
Zeile 1: |
| Das «'''Credo. Der Einzelne und das All.'''» ist eine kurze Schrift [[Rudolf Steiner]]s, die vermutlich um [[Wikipedia:1886|1886]] - [[Wikipedia:1888|1888]] niedergeschrieben wurde. Das Originalmanuskript umfasst drei undatierte handgeschriebene Blätter und wurde in gedruckter Form erstmals zu [[Weihnachten]] [[Wikipedia:1944|1944]] von [[Marie Steiner]] in der Wochenschrift «[[Das Goetheanum]]» (Nr. 52 vom 24. Dezember 1944) veröffentlicht, damals noch versehen mit dem Zusatz: «Aus der Weimarer Zeit» - tatsächlich dürfte die Schrift schon früher, noch in seiner Wiener Zeit geschrieben worden sein, mit hoher Wahrscheinlichkeit als idelle Weiterführung von Goethes Prosahymnus «Die Natur». Klar bringt Rudolf Steiner darin zum Ausdruck, dass die ''[[Ideenwelt]]'', die der [[Mensch]] tätig durch das [[Denken]] in seinem [[Bewusstsein]] zur [[Erscheinung]] bringt, nicht nur [[subjektiv]]e Geltung hat, sondern die sich selbst tragende, [[Subjekt]] und [[Objekt]] übergreifende eigentliche [[Wirklichkeit]] der [[Welt]] bildet.
| | {{Vorlage:Seitenkategorien}} |
| | | [[Kategorie:Maltechnik]] |
| == Credo. Der Einzelne und das All. ==
| | [[Kategorie:Temperamalerei]] |
| | |
| {{GZ|Die ''[[Ideenwelt]]'' ist der Urquell und das Prinzip alles Seins. | |
| In ihr ist unendliche Harmonie und selige Ruhe. Das
| |
| Sein, das sie mit ihrem Lichte nicht beleuchtete, wäre ein
| |
| totes, wesenloses, das keinen Teil hätte an dem Leben
| |
| des Weltganzen. Nur, was sein Dasein von der ''Idee''
| |
| herleitet, das bedeutet etwas am Schöpfungsbaume des
| |
| Universums. Die Idee ist der in sich klare, ''in'' sich selbst
| |
| und ''mit'' sich selbst sich genügende Geist. Das Einzelne
| |
| muß den Geist in sich haben, sonst fällt es ab, wie ein
| |
| dürres Blatt von jenem Baume, und war umsonst da.
| |
| | |
| Der Mensch aber fühlt und erkennt als Einzelnes sich,
| |
| wenn er zu seinem vollen Bewußtsein erwacht. Dabei
| |
| aber hat er die Sehnsucht nach der Idee eingepflanzt.
| |
| Diese Sehnsucht treibt ihn an, die Einzelheit zu überwinden
| |
| und den Geist in sich aufleben zu lassen, dem
| |
| Geiste gemäß zu sein. Alles, was selbstisch ist, was ihn
| |
| zu ''diesem'' bestimmten, einzelnen Wesen macht, das muß
| |
| der Mensch in sich aufheben, bei sich abstreifen, denn
| |
| dieses ist es, was das Licht des Geistes verdunkelt. Was
| |
| aus der Sinnlichkeit, aus Trieb, Begierde, Leidenschaft
| |
| hervorgeht, das will nur dieses egoistische Individuum.
| |
| Daher muß der Mensch dieses selbstische Wollen in sich
| |
| abtöten, er muß statt dessen, was ''er'' als Einzelner will,
| |
| ''das'' wollen, was der Geist, die Idee in ihm will. Lasse die
| |
| Einzelheit dahinfahren und folge der Stimme der Idee in
| |
| Dir, denn sie nur ist das Göttliche! Was man als Einzelner
| |
| will, das ist am Umfange des Weltganzen ein wertloser,
| |
| im Strom der Zeit verschwindender Punkt; was
| |
| man «im Geiste» will, das ist im Zentrum, denn es lebt in
| |
| uns das Zentrallicht des Universums auf; eine solche Tat
| |
| unterliegt nicht der Zeit. Handelt man als Einzelner,
| |
| dann schließt man sich aus der geschlossenen Kette des
| |
| Weltwirkens aus, man sondert sich ab. Handelt man «im
| |
| Geiste», dann lebt man sich hinein in das allgemeine
| |
| Weltwirken. Ertötung aller Selbstheit, das ist die Grundlage
| |
| für das höhere Leben. Denn wer die Selbstheit abtötet,
| |
| der lebt ein ewiges ''[[Sein]]''. Wir sind in dem Maße
| |
| ''[[Unsterblichkeit|unsterblich]]'', in welchem Maße wir in uns die Selbstheit
| |
| ersterben lassen. Das an uns Sterbliche ist die Selbstheit.
| |
| Dies ist der wahre Sinn des Ausspruches: «wer nicht
| |
| stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt». Das
| |
| heißt, wer nicht die Selbstheit in sich aufhören lässt während
| |
| der Zeit seines Lebens, der hat keinen Teil an dem
| |
| allgemeinen Leben, das unsterblich ist, der ist nie dagewesen,
| |
| hat kein wahrhaftes Sein gehabt.
| |
| | |
| Es gibt vier Sphären menschlicher Tätigkeit, in denen
| |
| der Mensch sich voll hingibt an den Geist mit Ertötung
| |
| alles Eigenlebens: die Erkenntnis, die Kunst, die Religion
| |
| und die liebevolle Hingabe an eine Persönlichkeit
| |
| im Geiste. Wer nicht wenigstens in einer dieser vier
| |
| Sphären lebt, lebt überhaupt nicht. ''[[Erkenntnis]]'' ist Hingabe
| |
| an das Universum in Gedanken, ''[[Kunst]]'' in der Anschauung,
| |
| ''[[Religion]]'' im Gemüte, ''[[Liebe]]'' mit der Summe
| |
| aller Geisteskräfte an etwas, was uns als ein für uns
| |
| schätzenswertes Wesen des Weltganzen erscheint. Erkenntnis
| |
| ist die geistigste, Liebe die schönste Form
| |
| selbstloser Hingabe. Denn Liebe ist ein wahrhaftes
| |
| Himmelslicht in dem Leben der Alltäglichkeit. Fromme,
| |
| wahrhaft geistige Liebe veredelt unser Sein bis in seine
| |
| innerste Faser, sie erhöht alles, was in uns lebt. Diese
| |
| reine fromme Liebe verwandelt das ganze Seelenleben in
| |
| ein anderes, das zum Weltgeiste Verwandtschaft hat. In
| |
| diesem höchsten Sinne lieben, heißt den Hauch des Gotteslebens
| |
| dahin tragen, wo zumeist nur der verabscheuungswürdigste
| |
| Egoismus und die achtungslose Leidenschaft
| |
| zu finden ist. Man muß etwas wissen von der
| |
| Heiligkeit der Liebe, dann erst kann man von Frommsein
| |
| sprechen.
| |
| | |
| Hat der Mensch sich durch eine der vier Sphären hindurch,
| |
| aus der Einzelheit heraus, in das göttliche Leben
| |
| der Idee eingelebt, dann hat er das erreicht, wozu der
| |
| Strebenskeim in seiner Brust liegt: seine Vereinigung mit
| |
| dem Geiste; und dies ist seine wahre ''[[Bestimmung]]''. Wer
| |
| aber im Geiste lebt, lebt frei. Denn er hat sich alles
| |
| Untergeordneten entwunden. Nichts bezwingt ihn, als
| |
| wovon er gerne den Zwang erleidet, denn er hat es als das
| |
| Höchste erkannt.
| |
| | |
| Lasse die Wahrheit zum Leben werden; verliere Dich
| |
| selbst, um Dich im Weltgeiste wiederzufinden!|40|15ff}}
| |
| | |
| == Literatur ==
| |
| #Rudolf Steiner: ''Wahrspruchworte'', [[GA 40]] (2005), ISBN 3-7274-0401-9 {{Vorträge|040}}
| |
| | |
| {{GA}}
| |
| | |
| [[Kategorie:Anthroposophie]] [[Kategorie:Rudolf Steiner]] | |