A priori und Sinn und Sein. Der gemeinsame Ursprung von Gestalt und Bewegung: Unterschied zwischen den Seiten

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'''a priori''' ([[Latein|lat.]] „vom Früheren her“) ist das Gegenteil von [[a posteriori]] und bedeutet im allgemeinsten Sinn, dass sich etwas nicht aus der [[Erfahrung]], sondern nur aus [[Begriff]]en herleitet und derart ausschließlich durch das [[Denken]] bestimmt ist. In der ursprünglichen, auf [[Aristoteles]] zurückgehenden Bedeutung ist ''a priori'' die Erkenntnis der Dinge aus ihren Ursachen oder Gründen und  ''a posteriori'' die Erkenntnis aus den Wirkungen und Folgen. In der kritischen [[Philosophie]] [[Immanuel Kant|Kants]] werden damit die ''vor'' und ''unabhängig'' von jeder Erfahrung gegebenen notwendigen und allgemein gültigen Bedingungen jeder möglichen Erfahrung bezeichnet. Schon in der Einleitung zu seiner «[[Wikipedia:Kritik der reinen Vernunft|Kritik der reinen Vernunft]]» schreibt Kant:
"Die vorliegende Abhandlung ist auch für jene verständlich und, nach der Hoffnung des Verfassers, aufschlußreich, welche die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners nicht kennen. Für jene aber, die sich schon einige Vertrautheit mit dieser angeeignet haben, sei hinzugefügt, daß das im folgenden Ausgeführte eine Art Kommentar zu einigen Partien der Allgemeinen Menschenkunde [14 Vorträge, gehalten in Stuttgart vom 21.8. bis 5.9.1919, GA 293] Rudolf Steiners darstellt. Die betreffenden Stellen sind nach der Überzeugung des Verfassers nur dann verständlich, wenn man sich der Zusammenhänge innerhalb ihres eigenartigen Bereichs, auf welche sie hinweisen, durch eigene seelische Beobachtung und deren gedankliche Durchdringung, wie es in der vorliegenden Abhandlung vorgeschlagen wird, vergewissert. Übrigens dürften diese Ausführungen auch im allgemeinen eine Lesehilfe bei der Dechiffrierung geistesforscherischer Resultate sein." (Aus der Vorbemerkung von 'Sinn und Sein')


{{Zitat|Daß alle unsere Erkenntniß mit der Erfahrung anfange, daran ist  
Editorische Notiz: "Diese Schrift geht auf einen Vortrag zurück, welcher im Rahmen einer vom Rudolf-Steiner-Fonds für wissenschaftliche Forschung veranstalteten Tagung am 29.Januar 1979 in Stuttgart gehalten wurde. Sie ist in der vorliegenden Fassung das Ergebnis einer bis in den September 1988 reichenden kontinuierlichen, mehrere Jahre übergreifenden Folge umfangreicher Überarbeitungen und Erweiterungen. Die Schrift darf im ganzen als abgeschlossen gelten, wenn Herbert Witzenmann auch den Abschnitt 25, welchen er noch in den letzten Tagen vor seinem Ableben am 24. September 1988 einfügte, nicht mehr abschließen konnte und dieser daher Fragment blieb." (Richard Weinberg)
gar kein Zweifel; denn wodurch sollte das Erkenntnißvermögen sonst zur
Ausübung erweckt werden, geschähe es nicht durch Gegenstände, die unsere
Sinne rühren und theils von selbst Vorstellungen bewirken, theils unsere
Verstandesthätigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu
verknüpfen oder zu trennen, und so den rohen Stoff sinnlicher Eindrücke
zu einer Erkenntniß der Gegenstände zu verarbeiten, die Erfahrung heißt?
Der Zeit nach geht also keine Erkenntniß in uns vor der Erfahrung
vorher, und mit dieser fängt alle an.<br>
Wenn aber gleich alle unsere Erkenntniß mit der Erfahrung anhebt,  
so entspringt sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung. Denn
es könnte wohl sein, daß selbst unsere Erfahrungserkenntniß ein Zusammengesetztes
aus dem sei, was wir durch Eindrücke empfangen, und
dem, was unser eigenes Erkenntnißvermögen (durch sinnliche Eindrücke
bloß veranlaßt) aus sich selbst hergiebt, welchen Zusatz wir von jenem
Grundstoffe nicht eher unterscheiden, als bis lange Übung uns darauf
aufmerksam und zur Absonderung desselben geschickt gemacht hat.<br>
Es ist also wenigstens eine der näheren Untersuchung noch benöthigte
und nicht auf den ersten Anschein sogleich abzufertigende Frage: ob es ein
dergleichen von der Erfahrung und selbst von allen Eindrücken der Sinne
unabhängiges Erkenntniß gebe. Man nennt solche Erkenntnisse a priori,  
und unterscheidet sie von den empirischen, die ihre Quellen a posteriori,
nämlich in der Erfahrung, haben.|Immanuel Kant|[[Wikipedia:Kritik der reinen Vernunft|KrV]] [http://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/kant/aa03/027.html AA III, 27f]}} 


Und weiter heißt es an anderer Stelle:


{{Zitat|Unsre Erkenntniß entspringt aus zwei Grundquellen des Gemüths,
== Inhalt ==
deren die erste ist, die Vorstellungen zu empfangen (die Receptivität der
Vorbemerkung 7
Eindrücke), die zweite das Vermögen, durch diese Vorstellungen einen
Gegenstand zu erkennen (Spontaneität der Begriffe); durch die erstere
"Die seelische Beobachtung des Erkenntnisvorgangs und der Bewußtseinsereignisse überhaupt wird oft mit einem «Philosophieren» im Sinne eines schlußfolgernden Gebrauchs des Denkens verwechselt. Sie steht aber der naturwissenschaftlichen Forschungsweise entschieden näher als einer solchen Spekulation, da sie den Gedanken nur zur Ordnung und Durchdringung von Beobachtungen gebraucht." (S. 7)
wird uns ein Gegenstand gegeben, durch die zweite wird dieser im Verhältniß
auf jene Vorstellung (als bloße Bestimmung des Gemüths) gedacht.
Anschauung und Begriffe machen also die Elemente aller unserer
Erkenntniß aus, so daß weder Begriffe ohne ihnen auf einige Art correspondirende
Anschauung, noch Anschauung ohne Begriffe ein Erkenntniß
abgeben können. beide sind entweder rein oder empirisch. Empirisch,
wenn Empfindung (die die wirkliche Gegenwart des Gegenstandes voraussetzt)
darin enthalten ist; rein aber, wenn der Vorstellung keine Empfindung
beigemischt ist. Man kann die letztere die Materie der sinnlichen
Erkenntniß nennen. Daher enthält reine Anschauung lediglich die Form,
unter welcher etwas angeschaut wird, und reiner Begriff allein die Form
des Denkens eines Gegenstandes überhaupt. Nur allein reine Anschauungen
oder Begriffe sind a priori möglich, empirische nur a posteriori.|Immanuel Kant|[[Wikipedia:Kritik der reinen Vernunft|KrV]] [http://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/kant/aa03/074.html AA III, 74f]}}


A priori gegeben sind für Kant primär die [[Anschauungsformen]] des [[Raum]]es und der [[Zeit]] und die [[Kategorien]] als die grundlegenden ''reinen Begriffe''. Diese reinen Begriffe und Anschauungsformen lege der Mensch laut Kant notwendig bereits jeglicher Erfahrung zugrunde. Das «[[Ding an sich]]», d.h. die wahre [[Wirklichkeit]], wie sie ''für sich selbst'', unabhängig vom menschlichen Erkennen, sei, bliebe dem Menschen dadurch für immer verborgen, also [[transzendental]], worauf Kant seine [[Transzendental-Philosophie]] gründet.  
"Die seelische Beobachtung ist eine ''phänomenologische'' Methode, die nur solche Ausgangspunkte ihrer Untersuchung wählt, welche der Beobachtung unmittelbar zugänglich sind." (S. 8)
# Erste Orientierung 11
# Der Zusammenhang von Beobachtung und Bewegung. Sinn und Sein 12
# Zusammenfassung einiges Vorangehenden 32
# Strukturbildung und Sprache 36
# Veranlagte, gelenkte und beobachtete Beobachtung 47
# Zusammenfassung einiges Vorangehenden 51
# Individualisierung und Universalisierung 53
# Ein Scheinproblem; vom Rein-Wahrnehmlichen 57
"Ein Vorurteil, welches ein Hindernis der hier erforderlichen Klärung bildet, tritt nicht selten in Gestalt der Vermutung auf, von reiner Wahrnehmung könne (sofern überhaupt) nur dann die Rede sein, wenn unser Bewußtseinsumfang keinerlei begriffliche Elemente, also allein Rein-Wahrnehmliches enthalte. Daß ein solcher Bewußtseinszustand in unserem gewohnten Erfahren nur als seltene Ausnahme auftritt (etwa in der «Schrecksekunde»), steht außer Frage. Er ist auch nicht für ein überzeugtes Innesein (ohne besondere Übungsvorbereitung) dadurch herstellbar, daß man alle Begriffe aus unserem Bewußtseinsfeld herauszuschaffen versucht, - wenngleich man von diesen theoretisch absehen kann. Doch erweisen sich die Begriffe gegenüber einer solchen Bemühung im realen Fall
als absolut resistent, sie scheinen unlöslich an den Wahrnehmungen zu haften, ebenso wie diese sich weigern, die von ihnen festgehaltenen begrifflichen Beziehungen freizugeben." (S. 57f.)
# Zum Universalienproblem 61
"[Sprache] ist (wenigstens in ihrer ursprünglichen Funktion) nicht Zeichensetzung für ein Vorhandenes, sondern eine Ausdruckgestaltung, die aus einem sich bildenden Geschehen und dessen Mitvollziehen entsteht." (S. 66)
# Zum Übergangsproblem vom Selbstgebundenen zum Nicht-Selbstgebundenen 68
# Vom Gefüge der Begriffe 72
# Beobachtung als in sich reflektiertes Bewußtsein 74
# Intuitiver Wesentausch, inspirative begriffliche Phantasie und imaginative Inhärenz 79
# Der Inhärenzbegriff als wissenschaftlicher Grundbegriff 82
# Das Wirklichkeitkriterium und die dreigliedrige Beobachtung 89
# Inhärente und repräsentierende Vorstellungen. Zuwendung und Abwendung 91
# Gestalt und Bewegung, Plastisches und Musikalisches 96
# Hellere und dunklere Anteile der Gebildeformung 101
# Ein spezifisches Merkmal ortsverändernder Bewegungen 107
"Diese Schrift möchte zur Verlebendigung des materialistisch erstarrten Weltbildes beitragen und an seine Stelle eine allseitig dynamisierte, geistdurchdrungene Welterfassung treten lassen, wie sie sich der unvoreingenommenen seelischen Beobachtung darstellt." (S. 113)
# Sich selbst merklich machendes Wahrnehmliches 116
# Beseitigung des solipsistischen Mißverständnisses 121
"Die vorgelegte Darstellung ist nicht Psychologie, sondern Ontologie."  (S. 121)


{{Zitat|Aus diesem allem ergiebt sich nun die Idee einer besondern Wissenschaft,  
"Aufgabe dieser Schrift ist es, die Geistbeschaffenheit und -geschaffenheit der Wirklichkeit als Ergebnis der strukturphänomenologischen Forschung wissenschaftlich zu begründen." (S. 122)
die Kritik der reinen Vernunft heißen kann. Denn Vernunft ist das Vermögen, welches die Principien der Erkenntniß a priori an
# Zusammenfassung einiges Vorangehenden 122
die Hand giebt. Daher ist reine Vernunft diejenige, welche die Principien,
# Efferenz und Afferenz 124
etwas schlechthin a priori zu erkennen, enthält... Ich nenne alle Erkenntniß transscendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnißart von Gegenständen, so fern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt. Ein System solcher Begriffe würde Transscendental=Philosophie heißen.|Immanuel Kant|[[Wikipedia:Kritik der reinen Vernunft|KrV]] [http://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/kant/aa03/042.html AA III, 42f]}}
# Grund und Sinn von Gestalt und Bewegung. Der Sinn der Sinne 134


Alle menschlich Erkenntnis bleibe dadurch stets auf bloße [[Vorstellung]]en beschränkt. So etwa
"Gestalt und Bewegung werden daher in der vorliegenden Darstellung nicht vorausgesetzt, sondern erklärt. Es wird verständlich gemacht, wodurch es möglich ist, daß die Wirklichkeit in diesen beiden Grundgebilden und -prozessen erscheint, welche Strukturen diese aufweisen und wie sie sich in Verwandtschaft und Unterschied aufeinander beziehen. (Von hieraus lassen sich auch, wie nur beiläufig erwähnt sei, die Rätsel lösen, die uns Raum und Zeit aufgeben)." (S. 135)
# Die zu erfassende Einbettung, der Sinn der Evolution 137
# Die Geistigkeit der äußeren Welt. Die Ästhetisierung der Wissenschaft 145
# Die soziale Bedeutung des Dargestellten 146
"Im übrigen fällt vermutlich der hier umrissene Darstellungsinhalt dem eiligen Leser besonders auch dadurch lästig, daß er ihn nicht mit facts versorgt, die er ohne Anstrengung konsumierend in Empfang nehmen kann. Vielmehr wird ihm angesonnen, den wesentlichen Inhalt dieser Ausführungen erst durch das Vollziehen der vorgeschlagenen Beobachtungsübungen durch eigenes Produzieren in seinem Bewußtsein entstehen zu lassen." (S. 147)
# Das Schauorgan für die Wirklichkeit. Die Begründung einer neuen Kulturepoche 149
# Resultat 149


{{Zitat|... ist der transscendentale
== Inhaltsangaben ==
Begriff der Erscheinungen im Raume eine kritische Erinnerung,
== Personen- und Sachregister ==
daß überhaupt nichts, was im Raume angeschaut wird, eine Sache
== Literaturverweise ==
an sich, noch daß der Raum eine Form der Dinge sei, die ihnen etwa an
sich selbst eigen wäre, sondern daß uns die Gegenstände an sich gar nicht
bekannt seien, und, was wir äußere Gegenstände nennen, nichts anders
als bloße Vorstellungen unserer Sinnlichkeit seien, deren Form der Raum
ist, deren wahres Correlatum aber, d. i. das Ding an sich selbst, dadurch
gar nicht erkannt wird, noch erkannt werden kann, nach welchem aber auch
in der Erfahrung niemals gefragt wird.|Immanuel Kant|[[Wikipedia:Kritik der reinen Vernunft|KrV]] [http://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/kant/aa03/057.html AA III, 57]}}
 
Dieser Ansicht hat [[Rudolf Steiner]] schon in seinen philosophischen Grundlagenwerken energisch widersprochen und gemeint, dass die Gegenwart diesbezüglich ''„an einem ungesunden Kant-Glauben“'' {{Lit|{{GA|003|3}}}} leide. Nach Steiner sind auch die reinen Begriffe letztlich nur durch Erfahrung, also ''a posteriori'', gegeben. Allerdings liege ihnen keine sinnliche, sondern eine rein geistige Erfahrung zugrunde, die zudem auf frühere Erdenleben zurückverweise.
 
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"Der abstrakte Erkenntnistheoretiker, der setzt an
die Stelle einer Tatsache ein Wort. Er sagt zum Beispiel: Mathematische
Begriffe, weil sie nicht durch Erfahrung erworben zu werden brauchen,
beziehungsweise weil ihre Gewißheit nicht aus der Erfahrung belegt zu
werden braucht, seien a priori. - Das ist ein Wort: sie sind vor der Erfahrung
gelegen, a priori. Und man kann ja dieses Wort bei Kantianern
heute immer wieder und wiederum hören. Aber dieses a priori bedeutet
eben nichts anderes, als daß wir diese Begriffe in den früheren Erdenleben
erfahren haben; aber sie sind nicht minder eben Erfahrungen,
von der Menschheit angeeignet im Laufe ihrer Entwickelung. Nur ist
die Menschheit gegenwärtig in einem Stadium ihrer Entwickelung, wo
sich eben die meisten Menschen, wenigstens die zivilisierten Menschen,
diese mathematischen Begriffe schon mitbringen und man sie nur aufzuwecken
braucht." {{Lit|{{G|206|47f}}}}
</div>


== Literatur ==
== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Wahrheit und Wissenschaft'', [[GA 3]] (1980), ISBN 3-7274-0030-7 {{Schriften|003}}
* [[Herbert Witzenmann]]: ''Sinn und Sein. Der gemeinsame Ursprung von Gestalt und Bewegung. Zur Phänomenologie des Denkblicks. Ein Beitrag zur Erschließung seiner menschenkundlichen Bedeutung'', Verlag Freies Geistesleben (1989), ISBN 3772508723
#Rudolf Steiner: ''Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist – Zweiter Teil'', [[GA 206]] (1991), ISBN 3-7274-2060-X {{Vorträge|206}}
* Rudolf Steiner: ''Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik'', [[GA 293]] (1992), ISBN 3-7274-2930-5 {{Vorträge|293}}
 
[[Kategorie:Philosophie]][[Kategorie:Erkenntnistheorie]][[Kategorie:Ontologie]][[Kategorie:Herbert Witzenmann]]
{{GA}}
 
== Weblinks ==
#{{WikipediaDE|A priori}}
#{{Eisler|A priori}}
#{{Meyers-1905|a priori}}
 
[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Idealismus]]

Version vom 19. Oktober 2015, 13:26 Uhr

"Die vorliegende Abhandlung ist auch für jene verständlich und, nach der Hoffnung des Verfassers, aufschlußreich, welche die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners nicht kennen. Für jene aber, die sich schon einige Vertrautheit mit dieser angeeignet haben, sei hinzugefügt, daß das im folgenden Ausgeführte eine Art Kommentar zu einigen Partien der Allgemeinen Menschenkunde [14 Vorträge, gehalten in Stuttgart vom 21.8. bis 5.9.1919, GA 293] Rudolf Steiners darstellt. Die betreffenden Stellen sind nach der Überzeugung des Verfassers nur dann verständlich, wenn man sich der Zusammenhänge innerhalb ihres eigenartigen Bereichs, auf welche sie hinweisen, durch eigene seelische Beobachtung und deren gedankliche Durchdringung, wie es in der vorliegenden Abhandlung vorgeschlagen wird, vergewissert. Übrigens dürften diese Ausführungen auch im allgemeinen eine Lesehilfe bei der Dechiffrierung geistesforscherischer Resultate sein." (Aus der Vorbemerkung von 'Sinn und Sein')

Editorische Notiz: "Diese Schrift geht auf einen Vortrag zurück, welcher im Rahmen einer vom Rudolf-Steiner-Fonds für wissenschaftliche Forschung veranstalteten Tagung am 29.Januar 1979 in Stuttgart gehalten wurde. Sie ist in der vorliegenden Fassung das Ergebnis einer bis in den September 1988 reichenden kontinuierlichen, mehrere Jahre übergreifenden Folge umfangreicher Überarbeitungen und Erweiterungen. Die Schrift darf im ganzen als abgeschlossen gelten, wenn Herbert Witzenmann auch den Abschnitt 25, welchen er noch in den letzten Tagen vor seinem Ableben am 24. September 1988 einfügte, nicht mehr abschließen konnte und dieser daher Fragment blieb." (Richard Weinberg)


Inhalt

Vorbemerkung 7

"Die seelische Beobachtung des Erkenntnisvorgangs und der Bewußtseinsereignisse überhaupt wird oft mit einem «Philosophieren» im Sinne eines schlußfolgernden Gebrauchs des Denkens verwechselt. Sie steht aber der naturwissenschaftlichen Forschungsweise entschieden näher als einer solchen Spekulation, da sie den Gedanken nur zur Ordnung und Durchdringung von Beobachtungen gebraucht." (S. 7)

"Die seelische Beobachtung ist eine phänomenologische Methode, die nur solche Ausgangspunkte ihrer Untersuchung wählt, welche der Beobachtung unmittelbar zugänglich sind." (S. 8)

  1. Erste Orientierung 11
  2. Der Zusammenhang von Beobachtung und Bewegung. Sinn und Sein 12
  3. Zusammenfassung einiges Vorangehenden 32
  4. Strukturbildung und Sprache 36
  5. Veranlagte, gelenkte und beobachtete Beobachtung 47
  6. Zusammenfassung einiges Vorangehenden 51
  7. Individualisierung und Universalisierung 53
  8. Ein Scheinproblem; vom Rein-Wahrnehmlichen 57

"Ein Vorurteil, welches ein Hindernis der hier erforderlichen Klärung bildet, tritt nicht selten in Gestalt der Vermutung auf, von reiner Wahrnehmung könne (sofern überhaupt) nur dann die Rede sein, wenn unser Bewußtseinsumfang keinerlei begriffliche Elemente, also allein Rein-Wahrnehmliches enthalte. Daß ein solcher Bewußtseinszustand in unserem gewohnten Erfahren nur als seltene Ausnahme auftritt (etwa in der «Schrecksekunde»), steht außer Frage. Er ist auch nicht für ein überzeugtes Innesein (ohne besondere Übungsvorbereitung) dadurch herstellbar, daß man alle Begriffe aus unserem Bewußtseinsfeld herauszuschaffen versucht, - wenngleich man von diesen theoretisch absehen kann. Doch erweisen sich die Begriffe gegenüber einer solchen Bemühung im realen Fall als absolut resistent, sie scheinen unlöslich an den Wahrnehmungen zu haften, ebenso wie diese sich weigern, die von ihnen festgehaltenen begrifflichen Beziehungen freizugeben." (S. 57f.)

  1. Zum Universalienproblem 61

"[Sprache] ist (wenigstens in ihrer ursprünglichen Funktion) nicht Zeichensetzung für ein Vorhandenes, sondern eine Ausdruckgestaltung, die aus einem sich bildenden Geschehen und dessen Mitvollziehen entsteht." (S. 66)

  1. Zum Übergangsproblem vom Selbstgebundenen zum Nicht-Selbstgebundenen 68
  2. Vom Gefüge der Begriffe 72
  3. Beobachtung als in sich reflektiertes Bewußtsein 74
  4. Intuitiver Wesentausch, inspirative begriffliche Phantasie und imaginative Inhärenz 79
  5. Der Inhärenzbegriff als wissenschaftlicher Grundbegriff 82
  6. Das Wirklichkeitkriterium und die dreigliedrige Beobachtung 89
  7. Inhärente und repräsentierende Vorstellungen. Zuwendung und Abwendung 91
  8. Gestalt und Bewegung, Plastisches und Musikalisches 96
  9. Hellere und dunklere Anteile der Gebildeformung 101
  10. Ein spezifisches Merkmal ortsverändernder Bewegungen 107

"Diese Schrift möchte zur Verlebendigung des materialistisch erstarrten Weltbildes beitragen und an seine Stelle eine allseitig dynamisierte, geistdurchdrungene Welterfassung treten lassen, wie sie sich der unvoreingenommenen seelischen Beobachtung darstellt." (S. 113)

  1. Sich selbst merklich machendes Wahrnehmliches 116
  2. Beseitigung des solipsistischen Mißverständnisses 121

"Die vorgelegte Darstellung ist nicht Psychologie, sondern Ontologie." (S. 121)

"Aufgabe dieser Schrift ist es, die Geistbeschaffenheit und -geschaffenheit der Wirklichkeit als Ergebnis der strukturphänomenologischen Forschung wissenschaftlich zu begründen." (S. 122)

  1. Zusammenfassung einiges Vorangehenden 122
  2. Efferenz und Afferenz 124
  3. Grund und Sinn von Gestalt und Bewegung. Der Sinn der Sinne 134

"Gestalt und Bewegung werden daher in der vorliegenden Darstellung nicht vorausgesetzt, sondern erklärt. Es wird verständlich gemacht, wodurch es möglich ist, daß die Wirklichkeit in diesen beiden Grundgebilden und -prozessen erscheint, welche Strukturen diese aufweisen und wie sie sich in Verwandtschaft und Unterschied aufeinander beziehen. (Von hieraus lassen sich auch, wie nur beiläufig erwähnt sei, die Rätsel lösen, die uns Raum und Zeit aufgeben)." (S. 135)

  1. Die zu erfassende Einbettung, der Sinn der Evolution 137
  2. Die Geistigkeit der äußeren Welt. Die Ästhetisierung der Wissenschaft 145
  3. Die soziale Bedeutung des Dargestellten 146

"Im übrigen fällt vermutlich der hier umrissene Darstellungsinhalt dem eiligen Leser besonders auch dadurch lästig, daß er ihn nicht mit facts versorgt, die er ohne Anstrengung konsumierend in Empfang nehmen kann. Vielmehr wird ihm angesonnen, den wesentlichen Inhalt dieser Ausführungen erst durch das Vollziehen der vorgeschlagenen Beobachtungsübungen durch eigenes Produzieren in seinem Bewußtsein entstehen zu lassen." (S. 147)

  1. Das Schauorgan für die Wirklichkeit. Die Begründung einer neuen Kulturepoche 149
  2. Resultat 149

Inhaltsangaben

Personen- und Sachregister

Literaturverweise

Literatur