Ethica, ordine geometrico demonstrata und Staatslehrenmodelle: Unterschied zwischen den Seiten

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Das klassische Staatslehremodell ist ein System der reinen Verfassungen.


'''Ethica, ordine geometrico demonstrata''' (neulateinisch; ''Ethik, nach geometrischer Methode dargelegt'') oder kurz die ''Ethik'' ist ein [[Philosophie|philosophisches]] Werk von [[Baruch Spinoza]], das 1677 posthum, im Jahre seines Todes, erschien. Es gilt als sein Hauptwerk. Viele Teile davon hatte Spinoza allerdings schon in früher veröffentlichten Schriften dargestellt.
== Grundformen der Verfassungen nach [[Platon]] ==


== Gesellschaftlicher Kontext ==
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Die Ethik ist mit den Auffassungen der Zeit Spinozas zu verstehen. Während Gelehrte in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts sich allzu oft dem Dienst der Seefahrt, des Handels und der Frühindustrialisierung verschrieben und dafür die Religion als Vehikel benutzten, steht der Ansatz Spinozas dem fundamental entgegen. Nach ihm sollte die Philosophie aus jeglicher Gotteskonvention herausgelöst sein und die Philosophie als Lebenslehre dienen. Dies war ein [[Assoziation (Psychologie)|Assoziation]] zur Scholastik, vergleichbar mit Descartes' Erwiderung auf die zweiten ''Obiectiones'' gegen die ''[[Meditationes de prima philosophia]]''.
! Anzahl der Herrscher || Gemeinwohl || Eigennutz
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| Einer || [[Monarchie]] || [[Tyrannis]]
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| Einige || [[Aristokratie]] || [[Oligarchie]]
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Von der professionellen Theologie wurde Spinoza vor allem in Deutschland wegen seiner Ethik seinerzeit als gefährlicher Pantheist und Atheist geschmäht.
Platon nmmt dabei eine gewisse Verfallsreihe an.


== Struktur: „Nach geometrischer Methode“ ==
== Grundformen der Verfassungen nach [[Aristoteles]] ==
Die geometrische Struktur der logischen Abhandlung erweckt den Anschein, es handle sich um ein geschlossenes abgerundetes Ganzes. In der ''Ethik'' fasst Spinoza sowohl seine [[Metaphysik]] als auch seine [[Anthropologie]] und seine [[Ethik]] zusammen, wobei er streng den Prinzipien einer an der [[Euklid|euklidischen]] [[Geometrie]] orientierten Methode folgt. Diese geometrische Methode war ein Kulturprinzip dieser Zeit. Sowohl [[w:Barockpark|französische Gärten]] als auch die Vorbereitung auf den [[Klassizismus]] in der Architektur bis hin zu Bachs [[w:Musikalisches Opfer|''Musikalischem Opfer'']] durchzog der strenge geometrische Aufbau. Spinoza meinte, dass die Geometrie Wissenschaftler befähigen würde, Dinge ihrem Platz im Ganzen zuzuweisen und ihre Anordnung nicht dem Zufall überlassen werden dürfe, sonst würde die Wahrheit dem Menschen für ewig verborgen bleiben. Nur in einer unwiderlegbaren Idee Gottes, des Menschen und der Welt könne sich eine andere Wahrheitsnorm zeigen. Darum sei es Aufgabe der Philosophen, die Dinge von ihren Widersprüchen zu befreien.


Die Abhandlung ist in fünf Bücher eingeteilt.
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! Anzahl der Herrscher || Gemeinwohl || Eigennutz
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| Einer || [[Monarchie]] || [[Tyrannis]]
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| Einige || [[Aristokratie]] || [[Oligarchie]]
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| Alle || Timokratie / Politie || [[Demokratie]]
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== Inhalt ==
Auch Aristoteles nimmt eine gewisse Verfallsreihe an.
;Das erste Buch: (''De Deo'') hat das Problem des Wesens Gottes zum Thema.
Spinoza versucht das wahre Wesen Gottes darzulegen. Für ihn ist Gott nicht [[Anthropomorphismus|anthropomorph]] zu verstehen, d. h. als ein Wesen, das denken, wollen oder gar Gefühle haben könnte. Außerdem ist Gott nicht als eine Instanz zu verstehen, die die Welt durch ein ''fiat'' geschaffen hätte. Daneben macht er sich über den Freiheitsbegriff Gedanken: Eine Sache ist frei, die allein aus der [[Notwendigkeit]] ihres Wesens existiert und nur durch sich selbst zu einer Handlung bestimmt wird.


;Das zweite Buch: (''De natura et origine mentis'') ist dem Wesen und dem Ursprung des Geistes gewidmet.
== Grundformen der Verfassungen nach [[Polybios]] ==
Hier beginnt er mit Definitionen der Begriffe Körper, Geist, Idee, Realität. Er geht auf das Zusammenspiel von Bewusstsein und Ausdehnung ein und kommt auf den Schluss: „Die Ordnung und Verknüpfung der Ideen ist dieselbe wie die Ordnung und Verknüpfung der Dinge.“ ([[Erkenntnistheorie]])


;Das dritte Buch: (''De origine et natura affectuum'') Über den Ursprung und Wesen der Affekte.
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Hier entwickelt Spinoza seine Psychologie der [[Emotion]]en. Er definiert am Anfang die Begriffe Handeln, Leiden und Affekt. Grundlegend geht Spinoza davon aus, dass jedes Ding danach strebt, sich selbst zu erhalten und in seinem Sein zu beharren ([[Conatus]]).
! Anzahl der Herrscher || Gemeinwohl || Eigennutz
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| Einer || [[Monarchie]] || [[Tyrannis]]
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| Einige || [[Aristokratie]] || [[Oligarchie]]
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| Alle || [[Demokratie]] || [[Ochlokratie]]
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;Das vierte Buch: (''De servitute humana, seu de affectuum viribus'') Über die Abhängigkeit von den Kräften der Affekte.
Für Polibios stellt dieses Schema ein Kreislufmodell dar. Die ideale Verfassung ist eine Mischform der guten Verfassungen.
Hier eröffnen sich die eigentlichen ethischen Annahmen Spinozas im Sinne einer angewandten Psychologie.
Zunächst zeigt Spinoza die unumgehbaren Schranken, die dem Menschen durch seine psychische Affekte auferlegt sind. Streben nach Wahrheit ist nichts anderes als ein Selbsterhaltungsdrang des Geistes.


;Das fünfte Buch: (''De potentia intellectus, seus libertate humana'') Von der Macht der Vernunft und der menschlichen Freiheit
== Grundformen der Verfassungen nach [[Cicero]] ==
Die wahre Macht der [[Vernunft]] ist ein sich Einlassen auf die göttliche Notwendigkeit des Seins der Dinge.
Erkennen ist [[Freiheit]], [[Tugend]] und [[Glück]]seligkeit.


== Bisher unbekannte Kopie der Ethik im Vatikanischen Geheimarchiv ==
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Am 26. Mai 2011 wurde bekannt, dass eine neue Kopie der ''Ethik'' im [[w:Vatikanisches Geheimarchiv|Vatikanischen Geheimarchiv]] gefunden wurde<ref>[http://www.nrc.nl/nieuws/2011/05/26/onbekend-handschrift-van-spinozas-ethica-gevonden/ nrc.nl]</ref>. Leen Spruit hat eine Ausgabe der Ethik von 1675 (zwei Jahre also vor dem Todesjahr Spinozas) gefunden. Es steht allerdings noch nicht fest, ob es Unterschiede zwischen der bisher bekannten, veröffentlichten Ausgaben von 1677 und der neu entdeckten von 1675 gibt.
! Anzahl der Herrscher || Gemeinwohl || Eigennutz
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| Einer || [[Monarchie]] || [[Tyrannis]]
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| Einige || [[Aristokratie]] || [[Oligarchie]]
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| Alle || [[Demokratie]] || [[Ochlokratie]]
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== Ausgaben (Auswahl) ==
Cicero verwirft zwar die Kreislaufvorstellung bei Polybios, aber auch für ihn ist die Ideale Verfassung eine Mischverfassung.
* Baruch de Spinoza. ''Ethica ordine geometrico demonstrata.'' Lateinisch–deutsch. Neu übersetzt, herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Wolfgang Bartuschat. Felix Meiner Verlag, Hamburg  1999, Philosophische Bibliothek, Bd. 92. XXXI, 612 Seiten, ISBN 978-3-7873-1431-7.
* Benedictus de Spinoza (1677): ''Die Ethik – Ethica. Lateinisch – Deutsch.'' Nach der Edition von Carl Gebhardts „Spinoza Opera“. Überarbeitung der Übersetzung von Jakob Stern (1888). Nachwort v. Bernhard Lakebrink. Reclam Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-000851-5, (Erstausgabe: Reclam, Stuttgart 1990, ISBN 3-15-000851-4).


== Literatur ==
== Grundformen der Verfassung nach [[Joachim Stiller]] ==
* [[w:Michael Hampe (Philosoph)|Michael Hampe]] und Robert Schnepf (Hg.): ''Baruch de Spinoza. Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt.'' Akademie-Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-05-004126-9.
[[Joachim Stiller]] hat das klassische Secherscheme zu einem Achterschema erweitert:
* H. Fischer (Hg.). Jacob Stern, Michael Czelinski-Uesbeck (Übers.): ''Ethik, nach geometrischer Methode dargestellt.'' Marix, Wiesbaden 2007.
* [[w:Wolfgang Röd|Wolfgang Röd]]: ''Spinozas Idee der Scientia intuitiva und die Spinozanische Wissenschaftskonzeption'', in: ''Zeitschrift für philosophische Forschung'' Bd. 31, H. 4, Zum Gedenken an den 300. Todestag von Benedict de Spinoza (Oct. - Dec., 1977), pp. 497-510 {{JSTOR|20482858}}
* Wolfgang Röd: ''Benedictus de Spinoza: Eine Einführung'', Philipp Reclam jun. 2002, ISBN 978-3150181935, eBook {{ASIN|B01ARUEYBS}}
* Bernadette Reisinger: ''Das Problem der scientia intuitiva als Erkenntnis der Essenz des Einzeldings. Eine kritische Relektüre der dritten Erkenntnisart in Spinozas Ethik'', Masterarbeit Universität Wien, 2016 [https://www.academia.edu/25281886/Das_Problem_der_scientia_intuitiva_als_Erkenntnis_der_Essenz_des_Einzeldings._Eine_kritische_Relekt%C3%BCre_der_dritten_Erkenntnisart_in_Spinozas_Ethik academia.edu]
* [[Herbert Witzenmann]]: ''Ein Dreigestirn am Horizont unserer Epoche.'' (Descartes, Spinoza, Leibniz), Gideon Spicker Verlag, 2. Aufl. 1984, ISBN 3857041943
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt'', [[GA 18]] (1985), ISBN 3-7274-0180-X {{Schriften|018}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Faust und Hamlet'', Erstveröffentlichung in: Das Goetheanum, I. Jahrgang, Nr. 34, 2. April 1921 ([[GA 36]], S. 125-128) ''(Goethes Verhältnis zu Linné, Spinoza, und Shakespeare)''
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Philosophie des Thomas von Aquino'', [[GA 74]] (1993), ISBN 3-7274-0741-7 {{Vorträge|074}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Über die astrale Welt und das Devachan'', [[GA 88]] (1999), ISBN 3-7274-0880-4
* [[Rudolf Steiner]]: ''Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt'', [[GA 158]] (1993), ISBN 3-7274-1580-0 {{Vorträge|158}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Naturwissenschaft und die weltgeschichtliche Entwickelung der Menschheit seit dem Altertum'', [[GA 325]] (1989), ISBN 3-7274-3250-0 {{Vorträge|325}}


{{GA}}
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! Anzahl der Herrscher || Gemeinwohl || Eigennutz
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| Einer || [[Monarchie]] || [[Diktatur]]
|-
| Einige || [[Demokratie]], [[Aristokratie]] || [[Oligarchie]]
|-
| Alle || [[Direkte Demokratie]] || [[Ochlokratie]]
|-
| Keiner || [[Anarchie]] || [[Anomie]]
|}


== Weblinks ==
== Literatur ==
* {{Zeno-Werk|Philosophie/M/Spinoza,+Baruch+de/Ethik}} in deutscher Übersetzung
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_grundriss13_politische_philosophie.pdf Grundriss der Philosophie - Politische Philosophie] PDF
 
== Einzelnachweise ==
<references />


[[Kategorie:Philosophisches Werk]]
== Weblink ==
[[Kategorie:Literatur (Barock)]]
* Dietma Hübner: [https://www.youtube.com/watch?v=YbPsNE_Zm-Q&list=PLLDsGZDNnTvBr60lqaUe7pCVy8grm7rvR Vorlesung zur Einführung in die politische Philosophie] Weblink
[[Kategorie:Spinoza]]


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Staatsform|*]]
[[Kategorie:Herrschaftsform|*]]

Version vom 15. August 2020, 01:21 Uhr

Das klassische Staatslehremodell ist ein System der reinen Verfassungen.

Grundformen der Verfassungen nach Platon

Anzahl der Herrscher Gemeinwohl Eigennutz
Einer Monarchie Tyrannis
Einige Aristokratie Oligarchie
Alle Demokratie Demokratie

Platon nmmt dabei eine gewisse Verfallsreihe an.

Grundformen der Verfassungen nach Aristoteles

Anzahl der Herrscher Gemeinwohl Eigennutz
Einer Monarchie Tyrannis
Einige Aristokratie Oligarchie
Alle Timokratie / Politie Demokratie

Auch Aristoteles nimmt eine gewisse Verfallsreihe an.

Grundformen der Verfassungen nach Polybios

Anzahl der Herrscher Gemeinwohl Eigennutz
Einer Monarchie Tyrannis
Einige Aristokratie Oligarchie
Alle Demokratie Ochlokratie

Für Polibios stellt dieses Schema ein Kreislufmodell dar. Die ideale Verfassung ist eine Mischform der guten Verfassungen.

Grundformen der Verfassungen nach Cicero

Anzahl der Herrscher Gemeinwohl Eigennutz
Einer Monarchie Tyrannis
Einige Aristokratie Oligarchie
Alle Demokratie Ochlokratie

Cicero verwirft zwar die Kreislaufvorstellung bei Polybios, aber auch für ihn ist die Ideale Verfassung eine Mischverfassung.

Grundformen der Verfassung nach Joachim Stiller

Joachim Stiller hat das klassische Secherscheme zu einem Achterschema erweitert:

Anzahl der Herrscher Gemeinwohl Eigennutz
Einer Monarchie Diktatur
Einige Demokratie, Aristokratie Oligarchie
Alle Direkte Demokratie Ochlokratie
Keiner Anarchie Anomie

Literatur

Weblink