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'''Karl Feldkamp''' (* [[8. August]] [[1943]] in [[Lübeck]]) ist ein [[Deutsche|deutscher]] [[Erzieher]], [[Sozialarbeiter]] und [[Schriftsteller]].
'''Leistungsgesellschaft''' (engl. ''achieving society'', ''meritocracy'') ist  die Modellvorstellung  einer [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]], in welcher die Verteilung angestrebter Güter wie [[Macht]], [[Einkommen]], [[Prestige]] und [[Vermögen (Wirtschaft)|Vermögen]] entsprechend der besonderen [[Arbeitsleistung|Leistung]] erfolgt, die einem jeden Gesellschaftsmitglied jeweils zugerechnet wird ([[Verteilungsprinzip|Leistungsprinzip]], [[Leistungsgerechtigkeit]]).<ref>Klaus Arzberger: ''Über die Ursprünge und Entwicklungsbedingungen der Leistungsgesellschaft.'' In: Karl Otto Hondrich, Jürgen Schumacher, Klaus Arzberger, Frank Schlie, [[Christian Stegbauer]]. Unter Mitarbeit von Johann Berens, Elmar Müller, Randolph Vollmer: ''Krise der Leistungsgesellschaft? Empirische Analysen zum Engagement in Arbeit, Familie und Politik.'' Westdeutscher Verlag : Opladen 1988. ISBN 3-531-11887-0. S. 24</ref>


== Leben ==
== Definition des Leistungsbegriffs ==
Karl Feldkamp lebte von 1989 bis 2011 in [[Bergisch Gladbach]], seit 2011 lebt er in [[Engelskirchen]]. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Lübeck. Nach einer Ausbildung zum  Erzieher war er pädagogischer Leiter eines Kinderheims in [[Bad Oldesloe]]. Sein weiterer Berufsweg führte über Jugendarbeit und Jugendbildung im [[Bistum Osnabrück]] nach [[Köln]] als Leiter im Jugendreferat des [[Kolpingwerk|Kolpingwerks]]. Er setzte seinen Berufsweg fort als Sozialarbeiter und Streetworker für obdachlose Kinder und Jugendliche am [[Köln Hauptbahnhof|Kölner Hauptbahnhof]]. Anschließend arbeitete er in der Familienberatung der Stadt Köln. Er trat aus der römisch-katholischen Kirche aus. Seit 1990 betätigt er sich als [[Supervisor]] in schul- und sozialpädagogischen Einrichtungen.
Grundsätzlich gesehen ist „Leistung“ eine Eigenschaft, die einem ganzen Spektrum von Handlungen zugeschrieben werden kann, und zwar nach Maßgabe gesellschaftlich gegebener Konventionen oder Nützlichkeitserwägungen.<ref>Karl Otto Hondrich: ''Krise der Leistungsgesellschaft?'', in: a.a.O., S. 10</ref> Vorausgesetzt wird dabei, dass trotz [[Arbeitsteilung|arbeitsteiliger]] [[Produktion]] und [[Dienstleistung]] und einer zwangsläufigen Erhöhung der [[Arbeitsproduktivität]] durch [[Automatisierung]] und [[Rationalisierung (Ökonomie)|Rationalisierung]] der erwirtschaftete (zusätzliche) Nutzen Einzelpersonen bzw. deren persönlichem Einsatz eindeutig zugerechnet werden kann.<ref>[[Heiner Flassbeck]]: [http://www.nachdenkseiten.de/?p=4443 ''Die unendliche Leistungsträgerlüge.''] „Wirtschaft und Markt“, Januar 2010.</ref> Zudem kommt es auf die Definitionsmacht für die Gütemaßstäbe zur Beurteilung von Leistung an.<ref>Frank Schlie: ''Die Vielfalt der Leistungsbegriffe.'' in: a.a.O., S. 61</ref> Leistung wird gewöhnlich im Arbeitsleben oder auch im Sport angesiedelt, kann aber auch in anderen Lebensbereichen, etwa der Familie oder in der Freizeit, betrachtet werden.<ref>"Leistung ist zunächst einmal Arbeit, aber eben eine, von der andere Menschen etwas haben. Das muss nicht der Arbeitgeber sein, das können auch Kinder sein, die versorgt, erzogen, ermutigt und gefördert werden. Es kann auch eine Stadt sein, wenn dem Bürgermeister am Ende seiner Amtszeit bestätigt wird, was er für seine Stadt "geleistet" hat. Oder die Zuhörer eines Violinkonzertes, wenn ihnen das Spiel einer Geigerin zu Herzen ging." [[Erhard Eppler]]: ''Eine solidarische Leistungsgesellschaft'',2011, S.72</ref>


== Aktivitäten ==  
== ''Leistung'' und ''Leistungsgesellschaft'' im Kontext der Soziologie ==
Sein besonderes Interesse gilt der Schriftstellerei. Er ist Autor von [[Erzählung]]en, [[Satire]]n, [[Essay]]s, Gedichten und [[Hörspiel]]en. Zusammen mit  [[Jochen Schimmang]] gründete Feldkamp 1979 die so genannte ''Autorengruppe K 60'', in der Texte gelesen und kritisiert wurden. Karl Feldkamp war auch einer der Autoren der [[Handzeichen (Literaturzeitung)]].
=== ''Leistung'' als Instrument zur Rechtfertigung von sozialer Ungleichheit und Herrschaft ===
[[Soziale Schichtung]] und [[Herrschaft]] werden dadurch [[Legitimität|legitimiert]], dass die so bevorzugten Positionsinhaber ihre sozialen Vorteile durch eigene Leistungen verdient haben sollen. Die „Leistungsideologie“ ist berufen, Leistungsbereitschaft und Hebung der Arbeitsmoral zu fördern, insbesondere indem Hoffnungen auf sozialen Aufstieg ([[soziale Mobilität]]) wachgehalten werden.<ref>Klaus Arzberger, a.a.O., S. 24; vgl.dazu auch die [http://www.sciencegarden.de/fundstuecke/200304/credo/credo.php ''Rezension „Der Mythos der Leistungseliten“''.]</ref>


== Mitgliedschaften ==
=== Abgrenzung von der Ständegesellschaft ===
Karl Feldkamp ist Mitglied des [[Verband deutscher Schriftsteller|Verbands Deutscher Schriftsteller]]. Außerdem ist er ein Gründungsmitglied von „Wort & Kunst e.V.“ in Bergisch Gladbach.
Der Ausdruck „Leistungsgesellschaft“ wird in der [[Soziologie]] auch zur empirischen Beschreibung und Erklärung der [[Industriegesellschaft]] verwendet, die dabei in der Regel dem Modell der [[Ständegesellschaft]] gegenübergestellt wird.


== Werke ==
Die [[Dichotomie]] Leistungsgesellschaft/traditionale Gesellschaft entspricht allerdings nur bedingt der historischen Realität, weil es das Leistungsprinzip in unterschiedlicher Weise mehr oder weniger immer gegeben hat<ref>Klaus Arzberger, a.a.O., S. 24 f.</ref> und weil es leistungsloses Einkommen auch in „Leistungsgesellschaften“ gibt (z.&nbsp;B. in Form von Zinseinnahmen aus einem ererbten Vermögen).
* ''Nebensachen. Bilder aus der Vorstadt.'' Marabuchverlag, Köln 1989 (zusammen mit Barbara Feldkamp). ISBN 978-3-926374-11-0
* ''Mit Messer und Gabel.'' Hörspiel, WDR, Köln 1991
* ''Allzu Bergisches'', Bergisch Gladbach 1996 (zusammen mit Ullrich Maurer)
* ''Angstaugen.'' Dittrich Verlag, Köln 1997. ISBN 978-3-920862-14-9
* ''Aus dem Tagebuch eines Humoristen.'' [[Klaus Bielefeld Verlag]], Friedland 1999. ISBN 978-3-932325-35-9
* ''... und die Zeit zerschneidet Käsescheiben.'' Klaus Bielefeld Verlag, Friedland 1999. ISBN 978-3-932325-80-9
* ''Vorruhestandswahn,'' E-Book, Satzweiss.com – Chichilli-Agency, 2011


== Herausgeberschaft ==
Nach [[Pierre Bourdieu]] ist die [[Bürgertum#Bürgerlichkeit|bürgerliche Gesellschaft]] im Vergleich zur [[Feudalgesellschaft]] als Leistungsgesellschaft anzusehen; doch durch das [[Erbrecht]] und die [[Kooptation]] in die führenden Schichten wird das Leistungsprinzip immer wieder durch Formen der [[Protegé|Protektion]] durchbrochen. So ist es meist nur kurzfristig in relativ reiner Form anzutreffen, etwa im [[Napoléon Bonaparte|napoleonischen]] Frankreich, bevor dann auch Napoleon stärker auf [[Nepotismus]] und unbedingte Ergebenheit gesetzt hat.
* ''Jugend befragt Jugend zum Freizeitverhalten, zu Freizeitwünschen und zu Jugendzentren'', Köln 1985 (herausgegeben zusammen mit Gertrud Weitze)
* ''[[Köln-Ehrenfeld|Ehrenfeld]] ... noch einmal mit Gefühl'', Köln 1988
* ''Die Zeiten sind so ...!'', Bergisch Gladbach 1997


== Weblinks ==
=== ''Geist des Kapitalismus'' ===
* {{DNB-Portal|115364080}} 
Indem [[Max Weber]] den „[[Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus|Geist des Kapitalismus]]“ auf die protestantische Ethik zurückführte, können seine religionssoziologischen und wirtschaftsethischen Untersuchungen über die Herausbildung des „Berufsmenschen“ auch mit dem Entstehen der Leistungsgesellschaft zusammengebracht werden.<ref>Klaus Arzberger, a.a.O., S. 28</ref> David C. McClelland hat empirisch untersucht, wie die in einer Gesellschaft verbreitete [[Leistungsmotivation]] sich auf deren Grad an wirtschaftlicher Entwicklung auswirke. Von einer „Leistungsgesellschaft“ spricht er dann, wenn eine Gesellschaft sich rascher entwickelt hat.<ref>Klaus Arzberger, a.a.O., S. 23</ref> [[James S. Coleman]] reklamiert in Webers bekannter Analyse gravierende Lücken, denen gegenüber noch [[Karl Marx|Marxens]] Analyse der Entstehung des Kapitalismus Vorzüge aufweise.<ref>James S. Coleman: ''Grundlagen der Sozialtheorie. Band 1: Handlungen und Handlungssysteme.'' Scientia Nova R. Oldenbourg München 1991. ISBN 3-486-55838-2. S. 7 ff.</ref> [[Hartmut Esser]] bemängelt, dass in McClellands Erklärungsmodell die „Logik der Aggregation“ fehle.<ref>Hartmut Esser: ''Soziologie. Allgemeine Grundlagen.'' Campus Verlag Frankfurt/New York 1993. ISBN 3-593-34960-4. S. 99f</ref>
* [http://www.karl-feldkamp.de.tl/ Offizielle Homepage]
* [http://www.kulturserver-nrw.de/-/user/detail/256 Karl Feldkamp auf kulturserver-nrw]
* [http://www.ngo-online.de/tags/karl-feldkamp/ Karl Feldkamp auf ngo-online.de]


{{SORTIERUNG:Feldkamp, Karl}}
=== Neuere Forschungsansätze ===
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)]]
Weitere Fragestellungen ergeben sich daraus, dass betrachtet werden kann, 1. inwieweit die durch die Leistungsgesellschaft gelieferten Normvorstellungen in einer gegebenen Bevölkerung verbreitet sind, wie und worauf sie angewandt werden<ref>Karl Otto Hondrich, Jürgen Schumacher, Klaus Arzberger, Frank Schlie, Christian Stegbauer. Unter Mitarbeit von Johann Berens, Elmar Müller, Randolph Vollmer: ''Krise der Leistungsgesellschaft? Empirische Analysen zum Engagement in Arbeit, Familie und Politik.'' Westdeutscher Verlag : Opladen 1988. ISBN 3-531-11887-0.</ref> und 2. ob das durch dieses normative Ideal transportierte Bild von Gesellschaft von dieser tatsächlich verwirklicht ist. So meint etwa David Brooks, dass die Führungsschicht der heutigen US-Gesellschaft mehr denn je Leistungskriterien entspreche, zugleich aber an Ansehen in der Bevölkerung eingebüßt habe.<ref>David Brooks: [http://www.nytimes.com/2010/02/19/opinion/19brooks.html ''The Power Elite''.] In: ''The New York Times'', 18. Februar 2010.</ref>
[[Kategorie:Schriftsteller]]
 
[[Kategorie:Essayist]]
Es kann des Weiteren untersucht werden, inwieweit die Verteilung des [[Sozialprodukt]]s durch Effekte der sozialen Schichtung beeinflusst wird,<ref>Milan Zafirovski: [http://theoryandscience.icaap.org/content/vol9.2/Zafirovski.html ''Is Economic Distribution Independent of Stratification? Theoretical and Empirical Considerations.''] Theory & Science (2007). {{ISSN|1527-5558}}</ref> d.h. ob und in welchem Maß es in einer Gesellschaft möglich ist, allein durch Optimierung des eigenen [[Humankapital]]s und durch starke [[Anstrengung]] [[Sozialer Aufstieg|sozial aufzusteigen]], Vermögen zu bilden und in die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen [[Elite]]n vorzudringen.<ref>Vgl. dazu: Erhard Eppler: ''Eine solidarische Leistungsgesellschaft'', 2011, S. 77: Leistung kann zum wirtschaftlichen Erfolg führen - oder auch nicht. In unserer Gesellschaft wird von Millionen Frauen und Männern sehr viel geleistet, mit und ohne wirtschaftlichen Erfolg, oft unter Verzicht auf Bezahlung. Und es wird sehr viel verdient, mit und ohne Leistung, manchmal sogar auf Kosten des Gemeinwohls."</ref>
[[Kategorie:Autor]]
 
[[Kategorie:Deutscher]]
== Siehe auch ==
[[Kategorie:Geboren 1943]]
* {{WikipediaDE|Leistungsgesellschaft}}
[[Kategorie:Mann]]
 
== Literatur ==
* David C. McClelland: ''The Achieving Society.''  D. Van Nostrand Company, Inc. : Princeton, New Jersey 1961; dt.: ''Die Leistungsgesellschaft. Psychologische Analyse der Voraussetzungen wirtschaftlicher Entwicklung.'' Stuttgart 1966.
* Erhard Eppler: ''Eine solidarische Leistungsgesellschaft. Epochenwechsel nach der Blamage der Marktliberalen.'' 2011, ISBN 978-3-8012-0422-8
* Karl Otto Hondrich, Jürgen Schumacher, Klaus Arzberger, Frank Schlie, Christian Stegbauer. Unter Mitarbeit von Johann Berens, Elmar Müller, Randolph Vollmer: ''Krise der Leistungsgesellschaft? Empirische Analysen zum Engagement in Arbeit, Familie und Politik.'' Westdeutscher Verlag : Opladen 1988. ISBN 3-531-11887-0.
* Holger Schatz: ''Arbeit als Herrschaft. Die Krise des Leistungsprinzips und seine neoliberale Rekonstruktion.'' Münster 2005. ISBN 3-89771-429-9
* Dirk Kurbjuweit: ''Unser effizientes Leben. Die Diktatur der Ökonomie und ihre Folgen.'' Rowohlt, Reinbek 2003.
* Michael Hartmann: ''Der Mythos der Leistungseliten. Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft.'' Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2002.
* Pierre Bourdieu: ''Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital.'' In: Reinhard Kreckel, (Hg.): ''Soziale Ungleichheiten.'' Soziale Welt, Sonderband 2, Göttingen 1983.
* Lars Distelhorst: ''Leistung: Das Endstadium der Ideologie.'' Transcript, 2014
 
== Einzelnachweise ==
<references/>
 
[[Kategorie:Gesellschaft]]


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Version vom 27. September 2017, 08:06 Uhr

Leistungsgesellschaft (engl. achieving society, meritocracy) ist die Modellvorstellung einer Gesellschaft, in welcher die Verteilung angestrebter Güter wie Macht, Einkommen, Prestige und Vermögen entsprechend der besonderen Leistung erfolgt, die einem jeden Gesellschaftsmitglied jeweils zugerechnet wird (Leistungsprinzip, Leistungsgerechtigkeit).[1]

Definition des Leistungsbegriffs

Grundsätzlich gesehen ist „Leistung“ eine Eigenschaft, die einem ganzen Spektrum von Handlungen zugeschrieben werden kann, und zwar nach Maßgabe gesellschaftlich gegebener Konventionen oder Nützlichkeitserwägungen.[2] Vorausgesetzt wird dabei, dass trotz arbeitsteiliger Produktion und Dienstleistung und einer zwangsläufigen Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch Automatisierung und Rationalisierung der erwirtschaftete (zusätzliche) Nutzen Einzelpersonen bzw. deren persönlichem Einsatz eindeutig zugerechnet werden kann.[3] Zudem kommt es auf die Definitionsmacht für die Gütemaßstäbe zur Beurteilung von Leistung an.[4] Leistung wird gewöhnlich im Arbeitsleben oder auch im Sport angesiedelt, kann aber auch in anderen Lebensbereichen, etwa der Familie oder in der Freizeit, betrachtet werden.[5]

Leistung und Leistungsgesellschaft im Kontext der Soziologie

Leistung als Instrument zur Rechtfertigung von sozialer Ungleichheit und Herrschaft

Soziale Schichtung und Herrschaft werden dadurch legitimiert, dass die so bevorzugten Positionsinhaber ihre sozialen Vorteile durch eigene Leistungen verdient haben sollen. Die „Leistungsideologie“ ist berufen, Leistungsbereitschaft und Hebung der Arbeitsmoral zu fördern, insbesondere indem Hoffnungen auf sozialen Aufstieg (soziale Mobilität) wachgehalten werden.[6]

Abgrenzung von der Ständegesellschaft

Der Ausdruck „Leistungsgesellschaft“ wird in der Soziologie auch zur empirischen Beschreibung und Erklärung der Industriegesellschaft verwendet, die dabei in der Regel dem Modell der Ständegesellschaft gegenübergestellt wird.

Die Dichotomie Leistungsgesellschaft/traditionale Gesellschaft entspricht allerdings nur bedingt der historischen Realität, weil es das Leistungsprinzip in unterschiedlicher Weise mehr oder weniger immer gegeben hat[7] und weil es leistungsloses Einkommen auch in „Leistungsgesellschaften“ gibt (z. B. in Form von Zinseinnahmen aus einem ererbten Vermögen).

Nach Pierre Bourdieu ist die bürgerliche Gesellschaft im Vergleich zur Feudalgesellschaft als Leistungsgesellschaft anzusehen; doch durch das Erbrecht und die Kooptation in die führenden Schichten wird das Leistungsprinzip immer wieder durch Formen der Protektion durchbrochen. So ist es meist nur kurzfristig in relativ reiner Form anzutreffen, etwa im napoleonischen Frankreich, bevor dann auch Napoleon stärker auf Nepotismus und unbedingte Ergebenheit gesetzt hat.

Geist des Kapitalismus

Indem Max Weber den „Geist des Kapitalismus“ auf die protestantische Ethik zurückführte, können seine religionssoziologischen und wirtschaftsethischen Untersuchungen über die Herausbildung des „Berufsmenschen“ auch mit dem Entstehen der Leistungsgesellschaft zusammengebracht werden.[8] David C. McClelland hat empirisch untersucht, wie die in einer Gesellschaft verbreitete Leistungsmotivation sich auf deren Grad an wirtschaftlicher Entwicklung auswirke. Von einer „Leistungsgesellschaft“ spricht er dann, wenn eine Gesellschaft sich rascher entwickelt hat.[9] James S. Coleman reklamiert in Webers bekannter Analyse gravierende Lücken, denen gegenüber noch Marxens Analyse der Entstehung des Kapitalismus Vorzüge aufweise.[10] Hartmut Esser bemängelt, dass in McClellands Erklärungsmodell die „Logik der Aggregation“ fehle.[11]

Neuere Forschungsansätze

Weitere Fragestellungen ergeben sich daraus, dass betrachtet werden kann, 1. inwieweit die durch die Leistungsgesellschaft gelieferten Normvorstellungen in einer gegebenen Bevölkerung verbreitet sind, wie und worauf sie angewandt werden[12] und 2. ob das durch dieses normative Ideal transportierte Bild von Gesellschaft von dieser tatsächlich verwirklicht ist. So meint etwa David Brooks, dass die Führungsschicht der heutigen US-Gesellschaft mehr denn je Leistungskriterien entspreche, zugleich aber an Ansehen in der Bevölkerung eingebüßt habe.[13]

Es kann des Weiteren untersucht werden, inwieweit die Verteilung des Sozialprodukts durch Effekte der sozialen Schichtung beeinflusst wird,[14] d.h. ob und in welchem Maß es in einer Gesellschaft möglich ist, allein durch Optimierung des eigenen Humankapitals und durch starke Anstrengung sozial aufzusteigen, Vermögen zu bilden und in die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eliten vorzudringen.[15]

Siehe auch

Literatur

  • David C. McClelland: The Achieving Society. D. Van Nostrand Company, Inc. : Princeton, New Jersey 1961; dt.: Die Leistungsgesellschaft. Psychologische Analyse der Voraussetzungen wirtschaftlicher Entwicklung. Stuttgart 1966.
  • Erhard Eppler: Eine solidarische Leistungsgesellschaft. Epochenwechsel nach der Blamage der Marktliberalen. 2011, ISBN 978-3-8012-0422-8
  • Karl Otto Hondrich, Jürgen Schumacher, Klaus Arzberger, Frank Schlie, Christian Stegbauer. Unter Mitarbeit von Johann Berens, Elmar Müller, Randolph Vollmer: Krise der Leistungsgesellschaft? Empirische Analysen zum Engagement in Arbeit, Familie und Politik. Westdeutscher Verlag : Opladen 1988. ISBN 3-531-11887-0.
  • Holger Schatz: Arbeit als Herrschaft. Die Krise des Leistungsprinzips und seine neoliberale Rekonstruktion. Münster 2005. ISBN 3-89771-429-9
  • Dirk Kurbjuweit: Unser effizientes Leben. Die Diktatur der Ökonomie und ihre Folgen. Rowohlt, Reinbek 2003.
  • Michael Hartmann: Der Mythos der Leistungseliten. Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft. Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2002.
  • Pierre Bourdieu: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Reinhard Kreckel, (Hg.): Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt, Sonderband 2, Göttingen 1983.
  • Lars Distelhorst: Leistung: Das Endstadium der Ideologie. Transcript, 2014

Einzelnachweise

  1. Klaus Arzberger: Über die Ursprünge und Entwicklungsbedingungen der Leistungsgesellschaft. In: Karl Otto Hondrich, Jürgen Schumacher, Klaus Arzberger, Frank Schlie, Christian Stegbauer. Unter Mitarbeit von Johann Berens, Elmar Müller, Randolph Vollmer: Krise der Leistungsgesellschaft? Empirische Analysen zum Engagement in Arbeit, Familie und Politik. Westdeutscher Verlag : Opladen 1988. ISBN 3-531-11887-0. S. 24
  2. Karl Otto Hondrich: Krise der Leistungsgesellschaft?, in: a.a.O., S. 10
  3. Heiner Flassbeck: Die unendliche Leistungsträgerlüge. „Wirtschaft und Markt“, Januar 2010.
  4. Frank Schlie: Die Vielfalt der Leistungsbegriffe. in: a.a.O., S. 61
  5. "Leistung ist zunächst einmal Arbeit, aber eben eine, von der andere Menschen etwas haben. Das muss nicht der Arbeitgeber sein, das können auch Kinder sein, die versorgt, erzogen, ermutigt und gefördert werden. Es kann auch eine Stadt sein, wenn dem Bürgermeister am Ende seiner Amtszeit bestätigt wird, was er für seine Stadt "geleistet" hat. Oder die Zuhörer eines Violinkonzertes, wenn ihnen das Spiel einer Geigerin zu Herzen ging." Erhard Eppler: Eine solidarische Leistungsgesellschaft,2011, S.72
  6. Klaus Arzberger, a.a.O., S. 24; vgl.dazu auch die Rezension „Der Mythos der Leistungseliten“.
  7. Klaus Arzberger, a.a.O., S. 24 f.
  8. Klaus Arzberger, a.a.O., S. 28
  9. Klaus Arzberger, a.a.O., S. 23
  10. James S. Coleman: Grundlagen der Sozialtheorie. Band 1: Handlungen und Handlungssysteme. Scientia Nova R. Oldenbourg München 1991. ISBN 3-486-55838-2. S. 7 ff.
  11. Hartmut Esser: Soziologie. Allgemeine Grundlagen. Campus Verlag Frankfurt/New York 1993. ISBN 3-593-34960-4. S. 99f
  12. Karl Otto Hondrich, Jürgen Schumacher, Klaus Arzberger, Frank Schlie, Christian Stegbauer. Unter Mitarbeit von Johann Berens, Elmar Müller, Randolph Vollmer: Krise der Leistungsgesellschaft? Empirische Analysen zum Engagement in Arbeit, Familie und Politik. Westdeutscher Verlag : Opladen 1988. ISBN 3-531-11887-0.
  13. David Brooks: The Power Elite. In: The New York Times, 18. Februar 2010.
  14. Milan Zafirovski: Is Economic Distribution Independent of Stratification? Theoretical and Empirical Considerations. Theory & Science (2007). ISSN 1527-5558
  15. Vgl. dazu: Erhard Eppler: Eine solidarische Leistungsgesellschaft, 2011, S. 77: Leistung kann zum wirtschaftlichen Erfolg führen - oder auch nicht. In unserer Gesellschaft wird von Millionen Frauen und Männern sehr viel geleistet, mit und ohne wirtschaftlichen Erfolg, oft unter Verzicht auf Bezahlung. Und es wird sehr viel verdient, mit und ohne Leistung, manchmal sogar auf Kosten des Gemeinwohls."


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