Dualseele und Margarita Woloschin: Unterschied zwischen den Seiten

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Der Ausdruck '''Dualseele''' wird hin und wieder in der Religionswissenschaft verwendet, um duale Aspekte einer und derselben Seele, eines Gottes o. Ä. zu bezeichnen.
'''Margarita Wassiljewna Woloschin-Sabaschnikow''' ({{RuS|Маргарита Васильевна Сабашникова}}/Margarita Wassiljewna Sabaschnikowa; * 31. Januar 1882 in Moskau; † 2. November 1973 in Stuttgart) war eine russische Malerin und Schriftstellerin. Sie machte sich in frühen Jahren hauptsächlich als Porträt-Malerin russischer Geistesgrößen einen Namen, während in der zweiten Lebenhälfte vor allem religiöse Motive entstanden. Als Schriftstellerin wurde sie mit ihrer Autobiographie ''Die grüne Schlange'' bekannt.
[[Datei:Margarita Woloschin.png|miniatur|Margarita Woloschin um 1950]]


Darüber hinaus wird der Ausdruck, oft in Anknüpfung an mythische Texte unterschiedlichster Kulturen, v.&nbsp;a. im Bereich der Esoterikliteratur verwendet. Hier bezeichnet er die Vorstellung, dass jede [[Seele]] ein ursprüngliches Gegenstück besitzt, mit dem diese ewig verbunden sei. Diese zwei Seelen seien praktisch ''zwei Hälften derselben Person''. Dieses Konzept wird in der esoterischen Ratgeberliteratur u.&nbsp;a. dazu verwendet, einen „passenden“ Partner zu beschreiben und zu dessen Auffindung anzuleiten. In beider Vereinigung bestehe dann der „[[Sinn des Lebens]].<ref>Beispiele für diese Verwendung finden sich in Büchern von Thomas Ulrich und Petra Raab.</ref>
== Leben ==
=== Kindheit und Jugend ===
Margarita Woloschin-Sabaschnikow wurde am 31. Januar 1882 als Tochter der Moskauer Kaufmannsfamilie ''Sabaschnikow'' geboren, die dem gebildeten fortschrittlichen [[Bürgertum]] angehörte. Ihre Kindheit verbrachte sie zum Teil im Elternhaus ihrer Familie, zum Teil bei ihrer Großmutter und teils auf einem elterlichen Gut.<ref>Margarita Woloschin: ''Die grüne Schlange''. Stuttgart 1982, S. 11</ref> Ihr Vater war allerdings als Kaufmann nicht sehr erfolgreich, weshalb das Haus der Familie verkauft werden musste. Daraufhin ging sie im Alter von zehn Jahren mit ihrer Mutter, ihren Geschwistern und mit zwei [[Hauslehrer]]innen ins Ausland, wo sie durch ihre verschiedenen Aufenthalte in [[Paris]], [[Lausanne]], [[Belgien]], [[Italien]] eine umfassende [[Bildung]] erfuhr. Ihr Interesse für Kunst und Kultur wurde frühzeitig geweckt. Nach drei Jahren zurück in [[Russisches Kaiserreich|Russland]], erhielt sie Unterricht in Musik und Literatur und bald darauf ihren ersten professionellen Unterricht bei dem Maler [[Abram Jefimowitsch Archipow|Abram Archipow]].


In mehreren kulturgeschichtlichen Überlieferungen finden sich Erzählungen von der Trennung eines ursprünglich mann-weiblichen Wesens in zwei Geschlechter und deren spätere Verbindung.
Nach dem Abitur ging Margarita Sabaschnikow nach [[Sankt Petersburg|St. Petersburg]], um im Atelier des Malers [[Ilja Repin]] zu arbeiten. Seine naturalistische Malerei hinterfragte sie: {{"|Hat es denn einen Sinn zu wiederholen, was schon da ist? Es muss eine ganz andere Kunst entstehen, die eine nie dagewesene Welt offenbart.<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S.101</ref>}} Mit ihren Fragen wandte sie sich an den damals schon alten [[Lew Nikolajewitsch Tolstoi|Leo Tolstoi]] (seine Frau und ihre Mutter waren befreundet), von dem sie sich Rat erhoffte. Er empfahl ihr, die Kunst als Freizeitgestaltung zu betreiben und ansonsten das Leben einer Bäuerin zu führen. Trotz dieser für sie erschütternden Äußerung ließ sich Sabaschnikow von ihrem eingeschlagenen Weg nicht abbringen. Die einmal aufgeworfenen Fragen der Probleme der Kunst, der sozialen Ordnung und der Stellung der Malerei beschäftigten sie weiter und führten sie letztlich zu tiefen Fragen über den Sinn des Lebens überhaupt.<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S.106</ref>


== Griechische Mythologie ==
=== Frühe Erwachsenenzeit ===
[[Datei:M. Woloschin - Selbstportrait.png|miniatur|M. Woloschin in jungen Jahren, Selbstporträt]]
Margarita Sabaschnikow beschäftigte sich mit der [[Analogie (Philosophie)|Analogie]] des [[Lichtspektrum|Farbspektrum]]s und der [[Tonskala]], mit [[Farbenlehre (Goethe)|Goethes Farbenlehre]] und immer wieder mit der Frage des Sinns der Kultur und des Lebens, das für sie in diesen Jahren ohne Grund und Richtung verlief.<ref>M. Woloschin, ''Die grüne Schlange''. S. 111</ref> Ihre ernsthafte Auseinandersetzung mit den Themen des Daseins und des [[Materialismus]] führte sie zu [[Darwin]] und [[Ernst Haeckel|Haeckel]] und von da zu [[Paul Du Bois-Reymond|Du Bois-Reymonds]] ''Grenzen der Naturerkenntnis''. Antworten auf ihre Fragen konnte sie nicht finden. Einzig im Objektiv-Absoluten der [[Mathematik]] fand Sabaschnikow Halt.<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 120</ref>


Eine Überwindung der Geschlechterteilung wird in verschiedenen Kulturkreisen in der Form eines mann-weiblichen Menschen dargestellt: In der griechischen Mythologie ist dies [[Hermaphroditos]], der durch das gemeinsame Bad mit der Nymphe [[Salmakis]] zum Zwitter gewordene Sohn des [[Hermes]] und der [[Aphrodite]].
Der Maler Mussatow ermutigte sie, zwei ihrer [[Porträt]]bilder zu der Ausstellung ''Moskauer Maler'' einzureichen. Sie hatte damit ihren ersten durchschlagenden Erfolg. Eine Teilnahme an der Ausstellung ''Welt der Kunst'' in St. Petersburg und in Paris folgten. Bei einer Abendgesellschaft im Hause des [[Kunstsammler]]s [[Sergei Iwanowitsch Schtschukin|Sergei Schtschukin]] lernte sie den Dichter und Maler [[Maximilian Woloschin]] kennen. Sie gelangte in die Kreise der russischen [[Symbolismus (Bildende Kunst)|Symbolisten]] um [[Andrei Bely]], [[Waleri Jakowlewitsch Brjussow|Waleri Brjussow]], [[Konstantin Balmont]] und andere. 1903 reiste sie erneut nach Paris. Dort hatte sie Gelegenheit im Atelier eines befreundeten Malers zu arbeiten. Maximilian Woloschin, ebenfalls in Paris, führte sie in die Pariser Künstlerkreise ein, wo sie [[Odilon Redon]] kennenlernte.<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 142</ref>


== Der platonische Androgynie-Mythos ==
Während ihres erneuten Auslandsaufenthalts in Westeuropa 1904/05 brach in Russland die [[Russische Revolution 1905|Revolution]] aus, wodurch Margarita Sabaschnikow vorübergehend an ihrer Rückkehr gehindert wurde. In dieser Zeit lernte sie [[Rudolf Steiner]] und seine Weltanschauung kennen. Hier fand sie Antworten auf ihre Lebensfragen, reiste zu vielen seiner Vorträge in verschiedenen europäischen Städten und lernte ihn schließlich persönlich kennen.<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 166</ref>


In [[Platon]]s ''[[Symposion (Platon)|Symposion]]'' berichtet ''Aristophanes'' über einen ursprünglich zweigeschlechtigen Menschen: ''“Dieses mann-weibliche Geschlecht hatte einst Gestalt und Namen des männlichen und weiblichen Geschlechtes zu einem einzigen vereinigt. … Die ganze Gestalt jedes Menschen war damals rund, der Rücken und die Seiten bildeten eine Kugel. Der Mensch hatte also vier Hände und vier Füße, zwei Gesichter drehten sich am Halse, und zwischen beiden Gesichtern stak ein Kopf, aber der Kopf hatte vier Ohren. Der Mensch besaß die Schamteile doppelt, und denkt euch das Weitere selbst aus: auch alles Übrige war demgemäß doppelt!“'' Doch weil die Menschen sich an den Göttern versündigt hatten, wurden sie zur Strafe entzwei geschnitten und in alle Winde verstreut. Seither ist jeder Mensch wie ein geteilter Würfel und sucht im Leben dessen andere Hälfte.
1906 heiratete sie Maximilian Woloschin. Nach einem kurzen Aufenthalt in [[Koktebel]], an der Nordküste der [[Krim]], beabsichtigten sie nach [[München]] überzusiedeln. Die Begegnung mit dem Dichter [[Wjatscheslaw Iwanowitsch Iwanow|Wjatscheslaw Iwanow]] in St. Petersburg, der für sie seit Jahren eine Welt bedeutete, in der sie ihre geistige Heimat fand<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 171</ref>, machte dieses Vorhaben zunichte. {{"|In der Weltanschauung von Wjatscheslaw Iwanow vereinigt sich das griechische Erleben der Geistigkeit in der Natur mit dem Christentum. In dieser Beziehung stand er für mich höher als [[Friedrich Nietzsche|Nietzsche]], dessen ''Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik'' eine entscheidende Wirkung auf mich ausgeübt hatte.[] dass ich ihn bald kennenlernen sollte, bedeutete für mich eine atemberaubende Aussicht<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 172</ref>}}


== Altes Testament ==
Ihre wachsende Berühmtheit und die vielen Kontakte ihres Mannes ermöglichten schnell die Aufnahme in die St. Petersburger Künstlerkreise. Sie trafen unter anderen auf den Dichter [[Alexei Remisow]], den Maler [[Konstantin Somow]], den sie bereits aus Paris kannten, den Philosophen [[Nikolai Berdjajew]] und den Schriftsteller [[Alexander Blok]]. Von einer Kunstzeitschrift wurden Portraits von [[Alexei Remisow]] und [[Michail Kusmin]] bestellt, die Woloschin in Kohle zeichnete. Ihre literarischen Versuche förderte Iwanow nachhaltig und ermutigte sie, diese öffentlich vorzutragen. Durch diese Zusammenarbeit entwickelte sich ein ambivalentes Liebesverhältnis, das zwangsläufig zu einem Störfaktor ihrer Ehe wurde. Bei einem Berlinaufenthalt 1908 entschied sie sich vorerst in Deutschland zu bleiben, um über ihr Privatleben Klarheit zu bekommen.<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 199</ref>


Die [[Genesis]] erzählt: ''Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib.''
In der folgenden Zeit reiste Margarita Woloschin durch Europa, um die Vorträge Rudolf Steiners zu hören, die er in verschiedenen Städten hielt. Um ''Wjatscheslaw Iwanow'' nahe zu sein, kehrte sie schließlich zurück nach St. Petersburg. Zu ihrer Enttäuschung heiratete er aber seine Stieftochter Wera. Woloschin zog sich darauf von allen gesellschaftlichen Begegnungen zurück, lebte ganz für sich in ihrem Atelier, hatte kaum Kontakte zur Außenwelt. Sie begann eine Lehre bei dem berühmten [[Ikonenmalerei|Ikonenmaler]] Tjulin<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 223</ref> und begegnete dem Komponisten [[Nikolai Medtner]], von dem sie ein Porträt malte. Ihre literarischen Aktivitäten erweiterte sie durch die Übersetzung von [[Meister Eckhart]]s Werken ins Russische. An eine Veröffentlichung dachte sie zuerst nicht, nahm aber das Angebot des Verlages ''Musaget'' zur Publikation an. Eine kleine Erbschaft verlieh ihr größere Unabhängigkeit, was ihre Reisefreudigkeit wieder aufleben ließ. Sie mietete in Paris ein Atelier, wollte den Winter in Rom verbringen, blieb dann aber in München. Ein anderes Mal unterbrach sie die Rückreise von [[Prag]] nach Paris und blieb in Stuttgart, um ein bestimmtes Buch über die Mystiker zu lesen, das sie für das Vorwort zu ihrer Eckhart-Übersetzung benötigte. {{"|Mein unruhiger Lebenswandel war aber nur ein Abbild meines inneren Zustandes. Ich war schon achtundzwanzig Jahre alt, war als Dichterin und als Malerin anerkannt und wußte meinen Weg doch noch nicht.<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange. S. 230</ref>}}


Im zweiten Kapitel der Genesis (ab 2,18) folgt der Bericht über die Trennung der Geschlechter, wonach die Frau aus einer Rippe des Mannes geformt wurde. Das hebräische Wort ''zela'' kann sowohl mit ''Rippe'' als auch mit ''Seite'' übersetzt werden.
=== Mittleres Lebensalter ===
1911 wählte Margarita Woloschin München als ihren Wohnsitz, weil sie dem Umfeld Rudolf Steiners nahe sein wollte. In diesen Kreisen traf sie auf den Grafen [[Lerchenfeld (Adelsgeschlecht)|Otto von Lerchenfeld]], [[Christian Morgenstern]], [[Albert Steffen]] und andere. Die Arbeit an ihrem [[Triptychon]] ''Drei Opfer'' unterbrach sie im März 1911 wegen einer schweren Erkrankung ihrer Mutter, um nach Moskau zu fahren. Sie blieb aber nur wenige Tage dort. Steiners Vortragsreihe in [[Helsingfors]] wollte sie nicht vermissen.
In München sollte für die ''Mysteriendramen'' Steiners und die sonstigen kulturellen Veranstaltungen der anthroposophischen Bewegung ein adäquates Gebäude errichtet werden. Woloschin wurde angeboten darin ihr Atelier einzurichten. Sie lehnte aber ab. Insgesamt wurden die Pläne für den Bau nicht genehmigt. Das Vorhaben sollte bald darauf in der Schweiz begonnen werden.<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 270</ref>


So wird in dem Bericht über die Erschaffung der Frau ausdrücklich das Fehlen eines passenden Gegenübers für den Menschen erwähnt. 1. Mose 2, 18: ''Dann sprach Gott, der Herr: »Es ist nicht gut für den Menschen allein zu sein. Ich will ihm ein Wesen schaffen, das zu ihm passt.«'' (Neues-Leben-Übersetzung)
Als 1914 in [[Dornach SO|Dornach]] der Bau des ersten [[Goetheanum]] begann, war Margarita Woloschin zunächst mit vielen anderen Künstlern aus unterschiedlichen Ländern als Schnitzerin tätig. Ihnen oblag es, die [[Kapitell]]e der vielen Säulen, die die Doppelkuppel des ganz aus Holz bestehenden Baues trugen, zu schnitzen. Später war sie an den [[Deckenmalerei]]en der kleinen Kuppel beteiligt. {{"|Das Leben in Dornach gestaltete sich so, daß man immer in gemeinsamer Arbeit eingespannt war. Der Tag verlief mit Schnitzen, Malen, Üben und Proben für die [[Eurythmie]] und einzelne Szenen der [[Goethes Faust|Faust-Aufführung]].<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 294</ref>…}}


== Gnostische Seelenmythen ==
Im Sommer brach der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] aus. Geldtransfers aus Russland wurden immer spärlicher, was ihren Mann Maximilian veranlasste, als Journalist nach Paris zu gehen. Es sollte ihr letzter Abschied sein.<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 300</ref> Nach Beendigung ihrer Arbeit an der Kuppel fuhr Woloschin 1917 zurück nach Russland und geriet in das Chaos der [[Februarrevolution 1917|Revolution]]. Zusammen mit Bely und Iwanow unterrichtete sie Arbeiter und Bauern in Kunst und Literatur. Sie wurde Mitarbeiterin im ''Volkskommissariat für Theaterwesen und Bildung''. Sie konnte aber nicht produktiv arbeiten, weil den ständig wechselnden Behörden die Zuständigkeiten fehlten und es an Wichtigem für das tägliche Leben mangelte. Nach einer schweren [[Typhus]]erkrankung 1920 gab sie Malunterricht an einer gerade gegründeten Schule für hochbegabte Waisenkinder. Auch diese Initiative misslang wegen mangelnder bürokratischer Erfahrungen einer im Entstehen begriffenen neuen Verwaltung.<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 338</ref>
Der gnostische Text „[[Exegese über die Seele]]“ schildert einen Mythos von Fall und Rettung der Seele. In der Kurzzusammenfassung von Lüdemann/Janßen: „Die Seele verläßt ihren wahren Bräutigam und gibt sich der irdischen Unzucht mit Ehebrechern … Sie erkennt jedoch ihr Fehlverhalten und will zu ihrem wahren Bräutigam zurückkehren … Nachdem die Seele sich von
ihren früheren Sünden gereinigt hat … vereinigt sie sich wieder mit ihrem wahren Bräutigam und empfängt Kinder von ihm“<ref>Bibel der Häretiker, Einleitung zu „Die Exegese der Seele“</ref>


Auch das Apokryphon des Johannes (NHC II,1) verbindet die Erlösung der Seele mit einem Ursprungsmythos, mit der Erschaffung der Seele aus Adams Rippe und einer späteren Vereinigung von Mann und Frau: „Und ich sagte zu dem Erlöser: „Was ist das Vergessen?“ Und er sagte:,,Es ist nicht, wie Moses schrieb und du gehört hast. Denn er sagte in seinem ersten Buch: ‚Er brachte ihn in den Schlaf.‘ Vielmehr (war es nur) in seinen Wahrnehmungen, (daß er schlief). Denn er sagte durch den Propheten: ‚Ich werde ihre Herzen schwer machen, damit sie nicht aufmerksam sind und nicht sehen.‘ Darauf versteckte sich die Epinoia des Lichtes in ihm (sc. Adam). Und der Erste Archon wollte sie aus seiner Rippe hervorbringen. Aber die Epinoia des Lichtes kann nicht ergriffen werden. Als die Finsternis sie verfolgte, fing sie sie nicht. Und er brachte einen Teil seiner Kraft aus ihm heraus. Und er machte ein weiteres Gebilde in der Gestalt einer Frau nach dem Bild der Epinoia, die sich ihm geoffenbart hatte. Und er brachte den Teil, den er von der Kraft des Menschen genommen hatte, in das Gebilde der Weiblichkeit, und nicht, wie Mose gesagt hat ‚seine Rippe‘. Und Adam sah die Frau neben sich. Und in diesem Augenblick trat nun die Licht-Epinoia in Erscheinung, und sie deckte den Schleier, der über seinem Verstand lag, auf. Und er wurde nüchtern von der Trunkenheit der Finsternis. Und er erkannte sein Abbild, und er sagte: ‚Dies nun ist ein Knochen von meinem Knochen, und Fleisch von meinem Fleisch.‘ Deswegen wird der Mensch seinen Vater und seine Mutter verlassen, und er wird sich seiner Frau anhängen, und sie werden beide ein Fleisch werden. Denn seine Paargenossin wird ihm gesandt werden, und er wird seinen Vater und seine Mutter verlassen.<ref>Übersetzung von Lüdemann/Janßen in „Die Bibel der Häretiker“</ref>
In St. Petersburg wurde ihr im ''Kommissariat des Äußeren'' eine Stelle in der Bibliothek für ausländische Literatur angeboten, die bald darauf wegen der gleichen behördlichen Unzulänglichkeiten gekündigt wurde. Zurück in Moskau konnte Woloschin für einen Verleger eine Serie von Portraitzeichnungen bekannter Persönlichkeiten, unter anderem auch von [[Michael Tschechow]] fertigen.<ref>M. Woloschin: ''Die grüne Schlange''. S. 361/362</ref> Später traf sie ihn öfter in Stuttgart, Berlin und am Ammersee.


== Sohar ==
Im August 1922 erhielt sie die lange beantragte Genehmigung zur Ausreise in die Niederlande, von wo sie nach Dornach weiterreiste. Kurz vor ihrer Abreise erreichte sie die Mitteilung vom brennenden Goetheanum. Wegen politischer Komplikationen zwischen der Schweiz und Russland musste sie nach einem halben Jahr die Schweiz wieder verlassen. Durch eine Einladung der Familie [[Lory Maier-Smits]] konnte sie nach Deutschland einreisen und übersiedelte 1924 nach Einsingen bei Ulm. Ihr Lungenleiden flammte wieder auf, worauf ihre Gastfamilie ihr den Aufenthalt in einer Stuttgarter Klinik ermöglichte. Stuttgart sollte von da an ihr neues Zuhause werden.
[[Datei:Salmacis & Hermaphroditos 0.jpg|miniatur|Die Verschmelzung des Hermaphroditos (Gemälde von [[w:Jan Mabuse|Jan Gossaert]], genannt Mabuse, um 1516)]]


Der Sohar schmückt die alttestamentliche Erzählung aus: ''Rabbi Chija sagte: Und wenn es vorher heißt: „Und er nahm eine von seinen Rippen“, so ist dies im gleichen Sinne gemeint wie in den Worten: „Eine ist sie, meine Taube, meine Reine, eine ihrer Mutter (Hohelied 6,9). „Rippe“ bedeutet auch „Seite“ wie in den Worten „An der Seite des Stiftszeltes“ (2. Moses 26,20).''<ref>Ernst Müller (Hrsg.): ''Der Sohar – Das heilige Buch der Kabbala''. Diederichs, München  1993, S. 125. An anderer Stelle findet sich eine weitere diesbezügliche Erläuterung zur Interpretation des Verses 6,9 aus dem Hohelied: ''Lies nicht: „meine Reine“, sondern „mein Zwilling“.'' (S. 140)</ref>
=== Zweite Lebenshälfte ===
Woloschins Autobiographie ''Die grüne Schlange'' reicht bis zu ihrer Übersiedlung nach Stuttgart. Eine Fortsetzung schien zunächst nicht geplant. Notizen und Aufzeichnungen aus ihrem Nachlass lassen allerdings darauf schließen, dass sie mit fortgeschrittenem Alter doch zu einem zweiten Band neigte. Dass es dennoch nicht dazu gekommen ist, wird ihren reduzierten Kräften zugeschrieben, die sie nur noch für die Malerei, ihrer eigentlichen Aufgabe, verwenden wollte.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,29">Wermbter/Möhring/Rapp, ''Margarita Woloschin-Leben und Werk'', S. 29</ref>


Hierzu weiter: ''Es begann Rabbi Acha mit dem Schriftsatz: „Und es sprach JHWH Elohim: Nicht gut ist, dass der Mensch allein sei“ (1. Moses 2,18). ''Es wurde gelehrt, dass aus dem Grunde vom zweiten Tage nicht gesagt wird, „dass es gut ist“, weil der Mensch vereinsamen sollte. War er denn aber einsam, wo doch gesagt wird: „Männlich und Weiblich erschuf er sie“? Auch haben wir gelernt, dass der Mensch zweigesichtig erschaffen ward, und du sagst: „Nicht gut, dass der Mensch allein sei“? Vielmehr er bemühte sich nicht um seinen weiblichen Teil und hatte keine Stütze an ihm, da dieser nur seine Seite bildete und sie rückwärts wie eins waren – so war denn doch der Mensch allein. „Ich will ihm einen Gehilfen erschaffen ihm gegenüber“ (1. Moses 2,18). Das heißt: seinem Antlitz gegenüber, dass eines am anderen hafte, Angesicht an Angesicht. Was tat der Allheilige? Er sägte an ihm und nahm das Weibliche von ihm. Wie es heißt: „Und er nahm eine seiner Rippen“ (1. Moses 2,21)…<ref>Ernst Müller (Hrsg.): ''Der Sohar – Das heilige Buch der Kabbala''. Diederichs, München  1993, S. 145f</ref>
Aufgewachsen mit den [[Russisch-Orthodoxe Kirche|russisch-orthodoxen Riten]] und der schon als Kind erlebten Nähe zur Religion in Elternhaus und Erziehung spiegelten sich diese Erlebnisse nun in einer neuen Schaffensphase wieder. Mit großer Bestimmtheit widmete sie sich christlichen Themen. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre entstanden eine Reihe Bilder mit biblischen Motiven. Sie lernte die 1922 gegründete [[Christengemeinschaft]] kennen und malte Altarbilder für die neu entstehenden Gemeinden.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,36">Wermbter/Möhring/Rapp, ''Margarita Woloschin-Leben und Werk'', S. 36</ref>


Nach dem [[Sohar]] ist nur der Mensch in seinem Vollbestand, der männlich und weiblich zugleich ist, ''eigentlich Mensch zu nennen''.<ref>Ernst Müller (Hrsg.): ''Der Sohar – Das heilige Buch der Kabbala''. Diederichs, München 1993, S. 98</ref> Wenn sich das Weibliche und das Männliche verbinden, ''erscheinen sie als'' ein ''Körper wahrhaftig. Daraus folgt, dass das Männliche allein nur als ein halber Körper erscheint … und ebenso das Weibliche; erst wenn sie sich verbinden, werden sie zur Einheit.''<ref>Ernst Müller (Hrsg.): ''Der Sohar – Das heilige Buch der Kabbala''. Diederichs, München 1993, S. 140</ref>
Während eines Aufenthaltes in [[Freiburg im Breisgau|Freiburg]] ergab sich unvorhergesehen die Möglichkeit, einen Ausflug nach Dornach zu machen. Hier konnte sie viele lange nicht gesehene Freunde wiedertreffen. In den darauffolgenden Jahren hatte sie immer wieder Gelegenheit, nach Dornach zu fahren und in den 1930er Jahren stand für sie sogar ein eigenes Atelier in der Nähe des Goetheanum zur Verfügung. In Stuttgart gab sie Malkurse, darunter auch einen für Lehrer an der neu gegründeten [[Waldorfschule]]. Aus dieser Tätigkeit entstand die Idee, eine Malschule mit ordentlichem [[Curriculum (Pädagogik)|Curriculum]] zu gründen. Räumlichkeiten wurden angeboten, Lehrer für den Unterricht standen zur Verfügung. Nach langem Ringen entschied sich Woloschin aber für ihren künstlerischen Weg.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,40">Wermbter/Möhring/Rapp, ''Margarita Woloschin-Leben und Werk'', S. 40</ref>


== Koran ==
Wenige Jahre danach sind einige ihrer Bilder als [[Entartete Kunst|entartet]] vernichtet worden. Die politische Lage wurde immer bedrückender und die Machtübernahme der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] empfand sie als Beginn eines „dunklen Zeitalters“. Die Berichte aus Russland waren nicht weniger düster. Ihre Freunde in St. Petersburg und Moskau waren entweder tot oder verhaftet und in Lagern interniert. 1932 erhielt sie Nachricht vom Tod ihres Gatten Maximilian Woloschin, der inzwischen mit Maria Stepanowna Sabolozkaja verheiratet gewesen war<ref name="Stiftung">[http://www.biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=794 Biographie] der Stiftung Kulturimpuls</ref> und den sie seit 1914 nicht mehr gesehen hatte. Ein Jahr später starb ihre Mutter.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,41">Wermbter/Möhring/Rapp, ''Margarita Woloschin-Leben und Werk'', S. 41</ref>
Der [[Koran]] geht ebenfalls auf den Aspekt der Geschlechterteilung ein: ''“Er schuf euch aus einem einzigen Wesen, dann machte Er aus diesem seine Gattin,…“'' (Sure 39,6)<ref>[http://www.chj.de/Koran/Einzelsuren/Sure039.html chj.de]</ref>


== Indische Mythologie ==
Margarita Woloschin war auch in ihren späteren Jahren nicht von sesshafter Natur. Immer noch reiste sie ihren Möglichkeiten entsprechend gerne und viel. Sie tat es, um Kurse zu geben, Vorträge zu halten oder um an Tagungen teilzunehmen. In ihrem 56. Lebensjahr unternahm sie eine Reise zu den Stätten ihrer Kindheit und Jugend und fuhr über Rom nach Sizilien. Es war ihre letzte große Unternehmung.


In Indien kennt man [[Ardhanarishvara]] als ''der Mann, der zur Hälfte Frau ist''. Über die Entstehung bzw. genaue Bedeutung des Ardhanarishvara gibt es verschiedene Versionen. Eine besagt, dass der Hindu-Gott [[Shiva]] seine ewige Gefährtin [[Parvati]] so fest an sich gedrückt hat, dass beide zu einem Wesen verschmolzen sind. Einer anderen Überlieferung zufolge war es die ursprüngliche Männlich-Weibliche Gestalt der Gottheit, bevor diese sich in die zwei Geschlechter teilte.
Ende der dreißiger Jahre wurde Woloschin von den Behörden vor die Wahl gestellt, nach Russland zurückzukehren oder in ein Internierungslager gebracht zu werden. Freunde erwirkten für sie im letzten Augenblick eine Legalisierung ihres weiteren Aufenthaltes unter der Bedingung der regelmäßigen Meldepflicht bei der [[Geheime Staatspolizei|Gestapo]]. Zu Beginn der Luftangriffe auf Stuttgart kam sie mit anderen in einem Dorf im nördlichen Schwarzwald unter, wo sie mit der Arbeit an ihrer Autobiografie begann. Gegen Ende des Krieges musste sie wegen ihres russischen Passes erneut eine Verhaftung befürchten. Freunde nahmen sie auf und gewährten ihr Unterschlupf. Den Winter 1945/46 verbrachte die Malerin bereits wieder in Stuttgart.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,45">Wermbter/Möhring/Rapp, ''Margarita Woloschin-Leben und Werk'', S. 45</ref>


== Hinduismus ==
In den Nachkriegsjahren gab Margarita Woloschin Kurse am anthroposophischen Lehrerseminar, hielt Vorträge an der Eurythmieschule, wirkte bei Berufsorientierungskursen mit und erzählte den Kindern in der Schule. Daneben bewältigte sie den täglichen Strom von Besuchern. Man suchte ihren Rat und ihre Anteilnahme, wollte von ihr Begebenheiten aus der Vergangenheit geschildert wissen und man bat sie an verschiedenen Gremien und Sitzungen beratend teilzunehmen.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,46">Wermbter/Möhring/Rapp, ''Margarita Woloschin-Leben und Werk'', S. 46</ref>


Von einer Geschlechtertrennung aus einem einzigen Wesen berichtet auch die [[Hinduismus|hinduistische]] ''Brihadaranyaka-Upanishad'', dass der Mensch anfangs ganz allein war und sich Gesellschaft wünschte: ''Es war so groß wie Mann und Frau bei der Umarmung. Es ließ sich in zwei Teile zerfallen. So entstanden Gatte und Gattin. „Darum sind wir beide hier nur wie ein Halbstück“, sprach Yajnavalkya.''<ref>''Upanishaden – Die Geheimlehre der Inder''. Diederichs, München  1990, S. 53</ref>
Zwei Jahre nach ihrem siebzigsten Geburtstag erschien ihre Autobiografie bei der [[Deutsche Verlags-Anstalt|Deutschen Verlagsanstalt]]. Ihre weiteren schriftstellerischen Aktivitäten flossen in biografischen Darstellungen über Michael Tschechow, [[Michail Lomonossow]], Leo Tolstoi, Georg von Albrecht und vielen anderen ein. Dennoch war ihr eigentliches Betätigungsfeld die Malerei. Auch im höheren Alter malte sie täglich, sofern die vielen Verpflichtungen, Besucher und Krankheitsphasen es zuließen.
{{"|Ich fühle, daß mit dem allmählichen Schwund des Tastsinns aus beiden Händen, die mir immer so gute Diener waren, wie zwei helfende Wesen, die unmittelbar Anschluß an das Herz hatten und besser wußten als ich, was zu geschehen hat […] meine Laufbahn als Malerin zu Ende gehen.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,52">Wermbter/Möhring/Rapp, ''Margarita Woloschin-Leben und Werk'', S. 52</ref>}} Dieser Ausspruch der Künstlerin aus ihren späten 80er Jahren ist kennzeichnend für die beginnende Abnahme ihrer physischen Kräfte. Ein Nachlassen ihres Hör- und Sehvermögens kam hinzu. Der Umzug in ein Altersheim war unausweichlich geworden. Ihre Befürchtung {{"|…jetzt wird mir meine Muse endgültig davonlaufen,<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,52"></ref>}} traf allerdings nicht ein. Auch hier dominierte eine Staffelei ihr Zimmer. Ihr letztes großes Werk, ''Orpheus'', konnte sie nicht mehr vollenden.


== Vorneuzeitliche Dichtung ==
Im November 1972 wurde in Baden-Baden die Ausstellung ''Russischer Realismus 1850–1900'' eröffnet. Viele Bilder von Künstlern, die Woloschin aus ihrer frühen Zeit als junge Malerin kannte, begegneten ihr hier wieder. Margarita Wassiljewna Woloschin-Sabaschnikow starb ein Jahr später am 2. November 1973.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,54">Wermbter/Möhring/Rapp, ''Margarita Woloschin-Leben und Werk'', S. 54</ref>


Eine [[Arabische Sprache|arabische]] Geschichte beschreibt ein Band, das zwischen Qais Ibn-Darih und seiner weiblichen Hälfte Lubna besteht:
== Werk ==
„Mein Geist war eins mit ihrem Geist, bevor uns der Herr berief
=== Malerei ===
Und als ich noch im Mutterleib und in der Wiege schlief.
Margarita Woloschin war vor allem und besonders in der ersten Hälfte ihres Schaffens eine Portraitmalerin. Sie portraitierte, neben Menschen ihres Umkreises, sich selbst und viele Persönlichkeiten des kulturellen Lebens wie [[Leo Tolstoi]], [[Michael Tschechow]], [[Michael Bauer (Anthroposoph)|Michael Bauer]] oder Rudolf Steiner. Sie fertigte viele Auftragsarbeiten und ihre Bilder wurden von zahlreichen Museen erworben. Vereinzelt sind sie heute noch in Moskau, [[Astrachan]] und [[Koktebel]] zu sehen. Die meisten ihrer Werke aus dieser Zeit sind allerdings durch die Wirren der Revolution und der Weltkriege verschollen.<ref name="Schmidt">Evelies Schmidt: [http://www.a-tempo.de/amschreibtisch/am_schreibtisch_11_2009.pdf ''Margarita Woloschin - Portätkunst – Gemalt und Geschrieben''] In: ''a tempo'', Stuttgart 11/2009 (pdf.)</ref><ref name="Stiftung"></ref>
Des Geistes Einheit wuchs mit uns, hat täglich sich gemehrt,
Und auch im Tode wird der Bund des Geistes nicht zerstört.
Nein, was auch je geschehen mag, er trotzt des Schicksals Macht.
Er lebt mit uns noch in der Gruft und in des Grabes Nacht.<ref>Thomas Ulrich: ''Dualseelen und Seelenpartner''. Grafing, 1997, S. 88</ref>


Von dem [[w:japan|japan]]ischen Patriarchen Tatsuya sind die folgenden Worte aus dem 6. Jahrhundert überliefert:
Ein Teil des malerischen Werks aus ihrer zweiten Lebenshälfte, vor allem religiöse Motive, Altarbilder, Märchendarstellungen, Landschaften und Portraits sind zu einem Teil erhalten. Sie befinden sich verstreut in Privatbesitz, in verschiedenen Kirchen der [[Christengemeinschaft]] und im Nachlass der Künstlerin.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,172">Wermbter/Möhring/Rapp: ''Margarita Woloschin-Leben und Werk''. Werkverzeichnis, S. 172</ref> Diese vielfach mit Pflanzenfarben gemalten Bilder wurden damals als neue religiöse Malerei angesehen, die Stilisierung in der Darstellung mit der strengen Welt der Ikonenmalerei verglichen.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,36"></ref>
„Es gibt eine Liebe, die über jede Liebe erhaben ist; die Leben überdauert.
Zwei Seelen, aus einer entstanden. Vereinigt wie zwei Flammen. Identisch - und doch getrennt.
Manchmal zusammen, durch Gefühl und Verlangen verschweißt.
Manchmal getrennt, um zu lernen und zu wachsen.
Aber einander immer wieder findend. In anderen Zeiten, anderen Orten.
Wieder und wieder.<ref>Zitat aus dem Spielfilm ''Fatal Past'' (USA 1993)</ref>


== Neuzeitliche Literatur ==
Ihre Tätigkeit verstand Woloschin immer als eine Auseinandersetzung mit dem dreidimensionalen Raum und der Farbe als vierter Dimension. Den Betrachter wollte sie nicht nur vor dem Bild stehend, sondern auch in ihm empfinden. Er sollte sowohl Betrachter als auch Teilhaber am schöpferischen Prozess sein.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,159">Wermbter/Möhring/Rapp, ''Margarita Woloschin-Leben und Werk'', S. 159</ref> Ihre unstete Rastlosigkeit, die sie im Laufe ihres Lebens an viele verschiedene Orte führte, schlug sich auch in ihrer Malerei nieder. {{"|Sie besaß ein geniales kompositorisches Talent, das einen Maler des 19. Jahrhunderts berühmt gemacht hätte. Sie hat diese Chance nicht genützt. […] Das Aufsehen, das ihre ersten Bilder […] erregten, gab ihr alle Möglichkeiten auf der Straße des Ruhm fortzuschreiten. Doch […] eine Schicksalsunruhe trieb sie weiter. […] Woloschin […] fühlte auch manchmal einen leisen Vorwurf in ihrer Seele, eine Möglichkeit zu einem ganz neuen Kunstschaffen nicht ergriffen zu haben. Aber sie ließ sich nicht ablenken von einem Weg, den sie gehen wollte}}<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,164">Dorothea Rapp in: Wermbter/Möhring/Rapp ''Margarita Woloschin-Leben und Werk''. S. 164</ref>


[[Friedrich Hölderlin|Hölderlins]] ''[[Wikipedia:Hyperion (Hölderlin)|Hyperion]]'' hadert mit dem Schicksal, ''nicht eine Seele zu sein mit seiner liebenswürdigen Hälfte'' und in [[Wikipedia:Emily Brontë|Emily Brontë]]s ''[[Wikipedia:Sturmhöhe|Sturmhöhe]]'' kommt Catherine Earnshaw über ihre Beziehung zu Heathcliff zu dem Ergebnis: ''“Aus welchem Stoff auch immer unsere Seelen gemacht sind, die seine und die meine sind gleich.“''
Ihre Aufzeichnungen unterstreichen diesen Weg: {{"|Stets aus der Stimmung malen; keinen Strich tun, ohne ihn aus dem Gesamten, Tief-Erlebten zu beschließen. Der gedankliche Inhalt – besser: das Erlebnis – muß Stimmung werden. Das Erleben des Gefühls in Farbe verwandeln, in die Bewegung der Farbe, die zum Rhythmus und endlich zur Form wird. Das Bild soll als etwas Unerwartetes auftreten. Aber die Idee [] muß immer als ein Wesenhaftes, ein Ganzes geahnt werden. Die Komposition soll nicht, im Voraus, mathematisch-architektonisch wie bei den alten Meistern festgelegt werden, sondern entstehen}}<ref>Aus Aufzeichnungen Margarita Woloschins, in: Wermbter/Möhring/Rapp, ''Margarita Woloschin-Leben und Werk''. S. 56</ref>


In seinem Briefroman ''[[Wikipedia:Julie oder Die neue Heloise|Julie oder Die neue Heloise]]'' schreibt [[Wikipedia:Jean-Jacques Rousseau|Rousseau]] (erster Teil, Brief 26): ''“Des Himmels ewiger Beschluss bestimmte uns füreinander. – Komm, o meine Seele, komm in deines Freundes Arme, die zwei Hälften unseres Wesens zu vereinen!“''
=== Literatur ===
Ihre Lebenserinnerungen ''Die grüne Schlange'' sind in mehreren Auflagen erschienen. Sie stellen nicht nur eine persönliche Entwicklungsgeschichte dar, sondern schildern ausführlich das Panorama einer ganzen kulturellen Epoche Russlands zu Beginn des letzten Jahrhunderts.<ref name="Schmidt"></ref>
Vor allem die Elite des russischen Geisteslebens um die Jahrhundertwende (Tolstoi, [[Iwanow]], [[Leonid Wassiljewitsch Solowjow|Solowjew]], [[Fjodor Iwanowitsch Schaljapin|Schaljapin]] und andere) werden dem Leser nahe gebracht. Aber auch die [[Anthroposophie]] um Rudolf Steiner, in der Woloschin eine geistige Heimat fand, wird ausführlich charakterisiert und lässt den seltsam zwiespältigen Eindruck, den Steiner mit seiner Sehergabe und Genialität auf viele Zeitgenossen von damals machte deutlich werden.<ref name="Zeit 1955">[http://www.zeit.de/1955/11/nachdenklicher-rueckblick ''Nachdenklicher Rückblick - Margarita Woloschins Erinnerungen''] ''Die Zeit'', 17. März 1955</ref> ''Die grüne Schlange'' wurde in viele Sprachen übersetzt und ist seit 2009 in einer erweiterten Auflage erhältlich.


An die Intensität einer Liebe zwischen Dualseelen erinnert unter anderem auch der 1891 erschienene Roman [[Wikipedia:Peter Ibbetson|Peter Ibbetson]] aus der Feder von [[Wikipedia:George du Maurier|George du Maurier]]. Er erzählt die tragische Geschichte einer Liebe zwischen zwei Menschen (Peter und Mary), die sich im wahren Leben nicht mehr treffen können, aber nachts in ihren gemeinsamen Träumen begegnen, die zur eigentlichen Essenz ihres Lebens werden. Schließlich kommt das Unvermeidliche: Mary stirbt. Doch für ein letztes Mal gelingt ihr die Rückkehr in einen gemeinsamen Traum, in dem sie Peter wissen lässt, dass beide für immer untrennbar sind: ''„Eine Liebe wie die meine ist stärker als selbst der Tod. Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass wir beide unzertrennlich sind für alle Zeiten, du und ich, … ein einziges Salzkörnchen, ein einziger Wassertropfen. … Doch erst wenn du dich zu mir gesellst, werden wir vollkommen sein und können im Weltraum aufgehen und an allem, was noch kommt, als Eines teilhaben.“''
Neben ihren vielen Erzählungen und Gedichten war die ''Grüne Schlange'' der Höhepunkt ihres literarischen Schaffens. Den in den 1930er Jahren abgeschlossenen Roman ''Die Regenbrücke'' sah Woloschin als eine Art Vorläufer ihrer Erinnerungen. Er hatte stark autobiografische Züge und war nach Ansicht der Autorin nach Erscheinen ihrer Autobiografie überflüssig geworden.<ref name="Wermbter/Möhring/Rapp,49">Wermbter/Möhring/Rapp, ''Margarita Woloschin-Leben und Werk'', S. 49</ref>


== Parapsychologie und Esoterik ==
== Rezeption ==


Der US-amerikanische Parapsychologe [[Wikipedia:Edgar Cayce|Edgar Cayce]] (1877–1945), der von Anhängern als [[Medium]] angesehen wird, äußerte sich wie folgt: ''“Als am Anfang die Seelen geschaffen wurden, waren sie weder männlich noch weiblich, sondern beides, ein vollständiges Ganzes.''<ref>W. Howard Church: ''Die 17 Leben des Edgar Cayce''. Genf 1988, S. 25f</ref> Und weiter: ''“Dank ihrer androgynen Gottesnatur verfügten die ersten Seelen über die Fähigkeit, durch einen Willensakt ein'' Gefährtenselbst ''zu erzeugen, indem sie es von sich abspalteten.''<ref>W. Howard Church: ''Die 17 Leben des Edgar Cayce''. Genf 1988, S. 34</ref> Das Konzept der Dualseele in der neuzeitlichen Esoterik beruht in Wahrheit darauf, dass es für einen Menschen jeweils eine Art Idealpartner gäbe, den er nur suchen müsse. Oft begnügt man sich in der esoterischen Ratgeberliteratur aber damit, einen mehr oder minder gut passenden Partner aufzufinden, da die tatsächliche "Dualseele" oft nur schwer auffindbar sei bzw. möglicherweise auf einem anderen Kontinent lebe, und ähnliches mehr.
DIE ZEIT würdigt das literarische Wirken Margarita Woloschins:
[[Datei:REPIN_portret_REPIN.jpg|thumb|180px|Ilja Jefimowitsch Repin - Margarita Woloschins Lehrer (Selbstportrait, 1878)]]
{{"|…[diese Lektüre, die] nicht nur literarischen Genuß, sondern auch einen bemerkenswerten Zuwachs an Weltkenntnis bedeutet. Ein solches Buch ist: Margarita Woloschin: Die grüne Schlange. Lebenserinnerungen.
Was aber ihr Buch, vom prallen Inhalt abgesehen, so fesselnd macht, ist die geistige Regsamkeit, mit der diese in ihrer Art ungewöhnliche Frau die Geschehnisse und Gestalten ihres Lebenskreises gesehen und geschildert hat. Und es sind keine unerheblichen Gestalten, […] die ihren Weg gekreuzt haben. Vor allem die Elite des russischen Kulturlebens vor der und um die Jahrhundertwende: der Maler [[Ilja Repin]] (der Lehrer der Autorin), [[Leo Tolstoj]], [[Iwanow]], [[Solowjew]], [[Berdjajew]], [[Schaljapin]], [[Stanislawsky]], [[Diaghilew]] – Vertreter jener russischen Geistigkeit, deren Existenz und Bedeutung im bürgerlichen Deutschland allzu unzulänglich bekannt war und in deren Kreisen umgekehrt der gewisse provinzielle deutsche Akademikerstolz so gern verspottet wurde. Alle diese markanten Erscheinungen treten dem Leser auf eine frappierend unmittelbare Art nahe.
Sehr erregend sind auch die Berichte über die Zustände in Rußland kurz nach der Revolution: wieviel prachtvolle menschliche Substanz da noch verschleudert, verwüstet und erstickt wurde. Margarita Woloschin ist damals aus der Schweiz in die Heimat gefahren mit einem der Züge, in denen Ludendorff Lenin und Genossen quer durch Deutschland nach Rußland brachte, um das Land endgültig in Zwietracht, Aufruhr und Elend zu stürzen.}}<ref name="Zeit 1955"></ref>
 
Jeder Raum, in dem Woloschin lebte, nahm bald ihre unverwechselbaren Eigenheiten an. Mitteleuropäische Wohnideale und Bürgerlichkeit konnten in ihrer Nähe nicht gedeihen. Die Malerin lebte spartanisch. Ihre Existenz hing von den spärlich eingehenden Porträt-Aufträgen und gelegentlichen Malkursen ab. Darüber Kurt Wistighausen:
 
{{"|Ihr Zimmer war gleichzeitig Atelier und meistens auch Küche. Mitten zwischen Malpapieren, Paletten, Bildern und Büchern, die in genialer Unordnung … umherlagen, wurde liebevoll der obligate Tee aufgebrüht und serviert. […] Die Gastgeberin scherzte selbst über ihr ‚Chaos‘ und erzählte, die erste Zeit im Westen sei ihr bei der Heimkehr der Mantel immer zu Boden gefallen, weil ja niemand mehr da war, der ihn ihr von den Schultern nahm und versorgte – so sehr war sie von ihrer Jugend und den wohlhabenden Verhältnissen im Elternhaus her gewohnt gewesen, daß sofort ein Diener herbeisprang. […] Jetzt in der Emigration, hatte die Künstlerin weder einen dienstbaren Geist, noch Geld. Jedoch: keinen Augenblick war es dies, was sie ernstlich beschäftigte.}}<ref>Kurt v. Wistinghausen, ''Margarita Sabaschnikow-Woloschin †''. In: ''Die Christengemeinschaft 12/1973''</ref>
 
[[Datei:20921Woloschin_Erzengel_Michael.jpg]]
 
== Publikationen ==
* Margarita Woloschin: ''Die grüne Schlange'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1954, 1982, 2009
* Margarita Woloschin: ''Green Snake'', Floris Books, Edinburgh 2010
 
== Literatur ==
* Ruth Moering, Dorothea Rapp, Rosemarie Wermbter: ''Margarita Woloschin-Leben und Werk'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1982
 
== Weblinks ==
* [http://www.zeit.de/1955/11/nachdenklicher-rueckblick ''Nachdenklicher Rückblick - Margarita Woloschins Erinnerungen''], ''DIE ZEIT'', 17. März 1955
* [http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=794 Biographie] der Stiftung Kulturimpuls
* Evelies Schmidt: [http://www.a-tempo.de/amschreibtisch/am_schreibtisch_11_2009.pdf ''Margarita Woloschin - Portätkunst – Gemalt und Geschrieben''] In: ''a tempo'', Stuttgart 11/2009 (pdf.)
* [http://www.fink-verlag.de/shop/fink/cdrom/html/woloschina_margaritasebaschnikowa.htm Beitrag des Fink-Verlages]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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[[Kategorie:Künstler]]
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[[Kategorie:Maler]]
 
[[Kategorie:Schriftsteller]]
== Literatur ==
[[Kategorie:Russe]]
* Thomas Ulrich: ''Dualseelen & Seelenpartner''. Das Geheimnis der ewigen Liebesverbindung, Heyne TB, München 2001
[[Kategorie:Geboren 1882]]
[[Kategorie:Gestorben 1973]]
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Version vom 20. Juli 2018, 15:03 Uhr

Margarita Wassiljewna Woloschin-Sabaschnikow (russisch Маргарита Васильевна Сабашникова/Margarita Wassiljewna Sabaschnikowa; * 31. Januar 1882 in Moskau; † 2. November 1973 in Stuttgart) war eine russische Malerin und Schriftstellerin. Sie machte sich in frühen Jahren hauptsächlich als Porträt-Malerin russischer Geistesgrößen einen Namen, während in der zweiten Lebenhälfte vor allem religiöse Motive entstanden. Als Schriftstellerin wurde sie mit ihrer Autobiographie Die grüne Schlange bekannt.

Margarita Woloschin um 1950

Leben

Kindheit und Jugend

Margarita Woloschin-Sabaschnikow wurde am 31. Januar 1882 als Tochter der Moskauer Kaufmannsfamilie Sabaschnikow geboren, die dem gebildeten fortschrittlichen Bürgertum angehörte. Ihre Kindheit verbrachte sie zum Teil im Elternhaus ihrer Familie, zum Teil bei ihrer Großmutter und teils auf einem elterlichen Gut.[1] Ihr Vater war allerdings als Kaufmann nicht sehr erfolgreich, weshalb das Haus der Familie verkauft werden musste. Daraufhin ging sie im Alter von zehn Jahren mit ihrer Mutter, ihren Geschwistern und mit zwei Hauslehrerinnen ins Ausland, wo sie durch ihre verschiedenen Aufenthalte in Paris, Lausanne, Belgien, Italien eine umfassende Bildung erfuhr. Ihr Interesse für Kunst und Kultur wurde frühzeitig geweckt. Nach drei Jahren zurück in Russland, erhielt sie Unterricht in Musik und Literatur und bald darauf ihren ersten professionellen Unterricht bei dem Maler Abram Archipow.

Nach dem Abitur ging Margarita Sabaschnikow nach St. Petersburg, um im Atelier des Malers Ilja Repin zu arbeiten. Seine naturalistische Malerei hinterfragte sie: „Hat es denn einen Sinn zu wiederholen, was schon da ist? Es muss eine ganz andere Kunst entstehen, die eine nie dagewesene Welt offenbart.[2]“ Mit ihren Fragen wandte sie sich an den damals schon alten Leo Tolstoi (seine Frau und ihre Mutter waren befreundet), von dem sie sich Rat erhoffte. Er empfahl ihr, die Kunst als Freizeitgestaltung zu betreiben und ansonsten das Leben einer Bäuerin zu führen. Trotz dieser für sie erschütternden Äußerung ließ sich Sabaschnikow von ihrem eingeschlagenen Weg nicht abbringen. Die einmal aufgeworfenen Fragen der Probleme der Kunst, der sozialen Ordnung und der Stellung der Malerei beschäftigten sie weiter und führten sie letztlich zu tiefen Fragen über den Sinn des Lebens überhaupt.[3]

Frühe Erwachsenenzeit

M. Woloschin in jungen Jahren, Selbstporträt

Margarita Sabaschnikow beschäftigte sich mit der Analogie des Farbspektrums und der Tonskala, mit Goethes Farbenlehre und immer wieder mit der Frage des Sinns der Kultur und des Lebens, das für sie in diesen Jahren ohne Grund und Richtung verlief.[4] Ihre ernsthafte Auseinandersetzung mit den Themen des Daseins und des Materialismus führte sie zu Darwin und Haeckel und von da zu Du Bois-Reymonds Grenzen der Naturerkenntnis. Antworten auf ihre Fragen konnte sie nicht finden. Einzig im Objektiv-Absoluten der Mathematik fand Sabaschnikow Halt.[5]

Der Maler Mussatow ermutigte sie, zwei ihrer Porträtbilder zu der Ausstellung Moskauer Maler einzureichen. Sie hatte damit ihren ersten durchschlagenden Erfolg. Eine Teilnahme an der Ausstellung Welt der Kunst in St. Petersburg und in Paris folgten. Bei einer Abendgesellschaft im Hause des Kunstsammlers Sergei Schtschukin lernte sie den Dichter und Maler Maximilian Woloschin kennen. Sie gelangte in die Kreise der russischen Symbolisten um Andrei Bely, Waleri Brjussow, Konstantin Balmont und andere. 1903 reiste sie erneut nach Paris. Dort hatte sie Gelegenheit im Atelier eines befreundeten Malers zu arbeiten. Maximilian Woloschin, ebenfalls in Paris, führte sie in die Pariser Künstlerkreise ein, wo sie Odilon Redon kennenlernte.[6]

Während ihres erneuten Auslandsaufenthalts in Westeuropa 1904/05 brach in Russland die Revolution aus, wodurch Margarita Sabaschnikow vorübergehend an ihrer Rückkehr gehindert wurde. In dieser Zeit lernte sie Rudolf Steiner und seine Weltanschauung kennen. Hier fand sie Antworten auf ihre Lebensfragen, reiste zu vielen seiner Vorträge in verschiedenen europäischen Städten und lernte ihn schließlich persönlich kennen.[7]

1906 heiratete sie Maximilian Woloschin. Nach einem kurzen Aufenthalt in Koktebel, an der Nordküste der Krim, beabsichtigten sie nach München überzusiedeln. Die Begegnung mit dem Dichter Wjatscheslaw Iwanow in St. Petersburg, der für sie seit Jahren eine Welt bedeutete, in der sie ihre geistige Heimat fand[8], machte dieses Vorhaben zunichte. „In der Weltanschauung von Wjatscheslaw Iwanow vereinigt sich das griechische Erleben der Geistigkeit in der Natur mit dem Christentum. In dieser Beziehung stand er für mich höher als Nietzsche, dessen Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik eine entscheidende Wirkung auf mich ausgeübt hatte.[…] dass ich ihn bald kennenlernen sollte, bedeutete für mich eine atemberaubende Aussicht[9]

Ihre wachsende Berühmtheit und die vielen Kontakte ihres Mannes ermöglichten schnell die Aufnahme in die St. Petersburger Künstlerkreise. Sie trafen unter anderen auf den Dichter Alexei Remisow, den Maler Konstantin Somow, den sie bereits aus Paris kannten, den Philosophen Nikolai Berdjajew und den Schriftsteller Alexander Blok. Von einer Kunstzeitschrift wurden Portraits von Alexei Remisow und Michail Kusmin bestellt, die Woloschin in Kohle zeichnete. Ihre literarischen Versuche förderte Iwanow nachhaltig und ermutigte sie, diese öffentlich vorzutragen. Durch diese Zusammenarbeit entwickelte sich ein ambivalentes Liebesverhältnis, das zwangsläufig zu einem Störfaktor ihrer Ehe wurde. Bei einem Berlinaufenthalt 1908 entschied sie sich vorerst in Deutschland zu bleiben, um über ihr Privatleben Klarheit zu bekommen.[10]

In der folgenden Zeit reiste Margarita Woloschin durch Europa, um die Vorträge Rudolf Steiners zu hören, die er in verschiedenen Städten hielt. Um Wjatscheslaw Iwanow nahe zu sein, kehrte sie schließlich zurück nach St. Petersburg. Zu ihrer Enttäuschung heiratete er aber seine Stieftochter Wera. Woloschin zog sich darauf von allen gesellschaftlichen Begegnungen zurück, lebte ganz für sich in ihrem Atelier, hatte kaum Kontakte zur Außenwelt. Sie begann eine Lehre bei dem berühmten Ikonenmaler Tjulin[11] und begegnete dem Komponisten Nikolai Medtner, von dem sie ein Porträt malte. Ihre literarischen Aktivitäten erweiterte sie durch die Übersetzung von Meister Eckharts Werken ins Russische. An eine Veröffentlichung dachte sie zuerst nicht, nahm aber das Angebot des Verlages Musaget zur Publikation an. Eine kleine Erbschaft verlieh ihr größere Unabhängigkeit, was ihre Reisefreudigkeit wieder aufleben ließ. Sie mietete in Paris ein Atelier, wollte den Winter in Rom verbringen, blieb dann aber in München. Ein anderes Mal unterbrach sie die Rückreise von Prag nach Paris und blieb in Stuttgart, um ein bestimmtes Buch über die Mystiker zu lesen, das sie für das Vorwort zu ihrer Eckhart-Übersetzung benötigte. „Mein unruhiger Lebenswandel war aber nur ein Abbild meines inneren Zustandes. Ich war schon achtundzwanzig Jahre alt, war als Dichterin und als Malerin anerkannt und wußte meinen Weg doch noch nicht.[12]

Mittleres Lebensalter

1911 wählte Margarita Woloschin München als ihren Wohnsitz, weil sie dem Umfeld Rudolf Steiners nahe sein wollte. In diesen Kreisen traf sie auf den Grafen Otto von Lerchenfeld, Christian Morgenstern, Albert Steffen und andere. Die Arbeit an ihrem Triptychon Drei Opfer unterbrach sie im März 1911 wegen einer schweren Erkrankung ihrer Mutter, um nach Moskau zu fahren. Sie blieb aber nur wenige Tage dort. Steiners Vortragsreihe in Helsingfors wollte sie nicht vermissen. In München sollte für die Mysteriendramen Steiners und die sonstigen kulturellen Veranstaltungen der anthroposophischen Bewegung ein adäquates Gebäude errichtet werden. Woloschin wurde angeboten darin ihr Atelier einzurichten. Sie lehnte aber ab. Insgesamt wurden die Pläne für den Bau nicht genehmigt. Das Vorhaben sollte bald darauf in der Schweiz begonnen werden.[13]

Als 1914 in Dornach der Bau des ersten Goetheanum begann, war Margarita Woloschin zunächst mit vielen anderen Künstlern aus unterschiedlichen Ländern als Schnitzerin tätig. Ihnen oblag es, die Kapitelle der vielen Säulen, die die Doppelkuppel des ganz aus Holz bestehenden Baues trugen, zu schnitzen. Später war sie an den Deckenmalereien der kleinen Kuppel beteiligt. „Das Leben in Dornach gestaltete sich so, daß man immer in gemeinsamer Arbeit eingespannt war. Der Tag verlief mit Schnitzen, Malen, Üben und Proben für die Eurythmie und einzelne Szenen der Faust-Aufführung.[14]…“

Im Sommer brach der Erste Weltkrieg aus. Geldtransfers aus Russland wurden immer spärlicher, was ihren Mann Maximilian veranlasste, als Journalist nach Paris zu gehen. Es sollte ihr letzter Abschied sein.[15] Nach Beendigung ihrer Arbeit an der Kuppel fuhr Woloschin 1917 zurück nach Russland und geriet in das Chaos der Revolution. Zusammen mit Bely und Iwanow unterrichtete sie Arbeiter und Bauern in Kunst und Literatur. Sie wurde Mitarbeiterin im Volkskommissariat für Theaterwesen und Bildung. Sie konnte aber nicht produktiv arbeiten, weil den ständig wechselnden Behörden die Zuständigkeiten fehlten und es an Wichtigem für das tägliche Leben mangelte. Nach einer schweren Typhuserkrankung 1920 gab sie Malunterricht an einer gerade gegründeten Schule für hochbegabte Waisenkinder. Auch diese Initiative misslang wegen mangelnder bürokratischer Erfahrungen einer im Entstehen begriffenen neuen Verwaltung.[16]

In St. Petersburg wurde ihr im Kommissariat des Äußeren eine Stelle in der Bibliothek für ausländische Literatur angeboten, die bald darauf wegen der gleichen behördlichen Unzulänglichkeiten gekündigt wurde. Zurück in Moskau konnte Woloschin für einen Verleger eine Serie von Portraitzeichnungen bekannter Persönlichkeiten, unter anderem auch von Michael Tschechow fertigen.[17] Später traf sie ihn öfter in Stuttgart, Berlin und am Ammersee.

Im August 1922 erhielt sie die lange beantragte Genehmigung zur Ausreise in die Niederlande, von wo sie nach Dornach weiterreiste. Kurz vor ihrer Abreise erreichte sie die Mitteilung vom brennenden Goetheanum. Wegen politischer Komplikationen zwischen der Schweiz und Russland musste sie nach einem halben Jahr die Schweiz wieder verlassen. Durch eine Einladung der Familie Lory Maier-Smits konnte sie nach Deutschland einreisen und übersiedelte 1924 nach Einsingen bei Ulm. Ihr Lungenleiden flammte wieder auf, worauf ihre Gastfamilie ihr den Aufenthalt in einer Stuttgarter Klinik ermöglichte. Stuttgart sollte von da an ihr neues Zuhause werden.

Zweite Lebenshälfte

Woloschins Autobiographie Die grüne Schlange reicht bis zu ihrer Übersiedlung nach Stuttgart. Eine Fortsetzung schien zunächst nicht geplant. Notizen und Aufzeichnungen aus ihrem Nachlass lassen allerdings darauf schließen, dass sie mit fortgeschrittenem Alter doch zu einem zweiten Band neigte. Dass es dennoch nicht dazu gekommen ist, wird ihren reduzierten Kräften zugeschrieben, die sie nur noch für die Malerei, ihrer eigentlichen Aufgabe, verwenden wollte.[18]

Aufgewachsen mit den russisch-orthodoxen Riten und der schon als Kind erlebten Nähe zur Religion in Elternhaus und Erziehung spiegelten sich diese Erlebnisse nun in einer neuen Schaffensphase wieder. Mit großer Bestimmtheit widmete sie sich christlichen Themen. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre entstanden eine Reihe Bilder mit biblischen Motiven. Sie lernte die 1922 gegründete Christengemeinschaft kennen und malte Altarbilder für die neu entstehenden Gemeinden.[19]

Während eines Aufenthaltes in Freiburg ergab sich unvorhergesehen die Möglichkeit, einen Ausflug nach Dornach zu machen. Hier konnte sie viele lange nicht gesehene Freunde wiedertreffen. In den darauffolgenden Jahren hatte sie immer wieder Gelegenheit, nach Dornach zu fahren und in den 1930er Jahren stand für sie sogar ein eigenes Atelier in der Nähe des Goetheanum zur Verfügung. In Stuttgart gab sie Malkurse, darunter auch einen für Lehrer an der neu gegründeten Waldorfschule. Aus dieser Tätigkeit entstand die Idee, eine Malschule mit ordentlichem Curriculum zu gründen. Räumlichkeiten wurden angeboten, Lehrer für den Unterricht standen zur Verfügung. Nach langem Ringen entschied sich Woloschin aber für ihren künstlerischen Weg.[20]

Wenige Jahre danach sind einige ihrer Bilder als entartet vernichtet worden. Die politische Lage wurde immer bedrückender und die Machtübernahme der Nationalsozialisten empfand sie als Beginn eines „dunklen Zeitalters“. Die Berichte aus Russland waren nicht weniger düster. Ihre Freunde in St. Petersburg und Moskau waren entweder tot oder verhaftet und in Lagern interniert. 1932 erhielt sie Nachricht vom Tod ihres Gatten Maximilian Woloschin, der inzwischen mit Maria Stepanowna Sabolozkaja verheiratet gewesen war[21] und den sie seit 1914 nicht mehr gesehen hatte. Ein Jahr später starb ihre Mutter.[22]

Margarita Woloschin war auch in ihren späteren Jahren nicht von sesshafter Natur. Immer noch reiste sie ihren Möglichkeiten entsprechend gerne und viel. Sie tat es, um Kurse zu geben, Vorträge zu halten oder um an Tagungen teilzunehmen. In ihrem 56. Lebensjahr unternahm sie eine Reise zu den Stätten ihrer Kindheit und Jugend und fuhr über Rom nach Sizilien. Es war ihre letzte große Unternehmung.

Ende der dreißiger Jahre wurde Woloschin von den Behörden vor die Wahl gestellt, nach Russland zurückzukehren oder in ein Internierungslager gebracht zu werden. Freunde erwirkten für sie im letzten Augenblick eine Legalisierung ihres weiteren Aufenthaltes unter der Bedingung der regelmäßigen Meldepflicht bei der Gestapo. Zu Beginn der Luftangriffe auf Stuttgart kam sie mit anderen in einem Dorf im nördlichen Schwarzwald unter, wo sie mit der Arbeit an ihrer Autobiografie begann. Gegen Ende des Krieges musste sie wegen ihres russischen Passes erneut eine Verhaftung befürchten. Freunde nahmen sie auf und gewährten ihr Unterschlupf. Den Winter 1945/46 verbrachte die Malerin bereits wieder in Stuttgart.[23]

In den Nachkriegsjahren gab Margarita Woloschin Kurse am anthroposophischen Lehrerseminar, hielt Vorträge an der Eurythmieschule, wirkte bei Berufsorientierungskursen mit und erzählte den Kindern in der Schule. Daneben bewältigte sie den täglichen Strom von Besuchern. Man suchte ihren Rat und ihre Anteilnahme, wollte von ihr Begebenheiten aus der Vergangenheit geschildert wissen und man bat sie an verschiedenen Gremien und Sitzungen beratend teilzunehmen.[24]

Zwei Jahre nach ihrem siebzigsten Geburtstag erschien ihre Autobiografie bei der Deutschen Verlagsanstalt. Ihre weiteren schriftstellerischen Aktivitäten flossen in biografischen Darstellungen über Michael Tschechow, Michail Lomonossow, Leo Tolstoi, Georg von Albrecht und vielen anderen ein. Dennoch war ihr eigentliches Betätigungsfeld die Malerei. Auch im höheren Alter malte sie täglich, sofern die vielen Verpflichtungen, Besucher und Krankheitsphasen es zuließen. „Ich fühle, daß mit dem allmählichen Schwund des Tastsinns aus beiden Händen, die mir immer so gute Diener waren, wie zwei helfende Wesen, die unmittelbar Anschluß an das Herz hatten und besser wußten als ich, was zu geschehen hat […] meine Laufbahn als Malerin zu Ende gehen.[25]“ Dieser Ausspruch der Künstlerin aus ihren späten 80er Jahren ist kennzeichnend für die beginnende Abnahme ihrer physischen Kräfte. Ein Nachlassen ihres Hör- und Sehvermögens kam hinzu. Der Umzug in ein Altersheim war unausweichlich geworden. Ihre Befürchtung „…jetzt wird mir meine Muse endgültig davonlaufen,[25]“ traf allerdings nicht ein. Auch hier dominierte eine Staffelei ihr Zimmer. Ihr letztes großes Werk, Orpheus, konnte sie nicht mehr vollenden.

Im November 1972 wurde in Baden-Baden die Ausstellung Russischer Realismus 1850–1900 eröffnet. Viele Bilder von Künstlern, die Woloschin aus ihrer frühen Zeit als junge Malerin kannte, begegneten ihr hier wieder. Margarita Wassiljewna Woloschin-Sabaschnikow starb ein Jahr später am 2. November 1973.[26]

Werk

Malerei

Margarita Woloschin war vor allem und besonders in der ersten Hälfte ihres Schaffens eine Portraitmalerin. Sie portraitierte, neben Menschen ihres Umkreises, sich selbst und viele Persönlichkeiten des kulturellen Lebens wie Leo Tolstoi, Michael Tschechow, Michael Bauer oder Rudolf Steiner. Sie fertigte viele Auftragsarbeiten und ihre Bilder wurden von zahlreichen Museen erworben. Vereinzelt sind sie heute noch in Moskau, Astrachan und Koktebel zu sehen. Die meisten ihrer Werke aus dieser Zeit sind allerdings durch die Wirren der Revolution und der Weltkriege verschollen.[27][21]

Ein Teil des malerischen Werks aus ihrer zweiten Lebenshälfte, vor allem religiöse Motive, Altarbilder, Märchendarstellungen, Landschaften und Portraits sind zu einem Teil erhalten. Sie befinden sich verstreut in Privatbesitz, in verschiedenen Kirchen der Christengemeinschaft und im Nachlass der Künstlerin.[28] Diese vielfach mit Pflanzenfarben gemalten Bilder wurden damals als neue religiöse Malerei angesehen, die Stilisierung in der Darstellung mit der strengen Welt der Ikonenmalerei verglichen.[19]

Ihre Tätigkeit verstand Woloschin immer als eine Auseinandersetzung mit dem dreidimensionalen Raum und der Farbe als vierter Dimension. Den Betrachter wollte sie nicht nur vor dem Bild stehend, sondern auch in ihm empfinden. Er sollte sowohl Betrachter als auch Teilhaber am schöpferischen Prozess sein.[29] Ihre unstete Rastlosigkeit, die sie im Laufe ihres Lebens an viele verschiedene Orte führte, schlug sich auch in ihrer Malerei nieder. „Sie besaß ein geniales kompositorisches Talent, das einen Maler des 19. Jahrhunderts berühmt gemacht hätte. Sie hat diese Chance nicht genützt. […] Das Aufsehen, das ihre ersten Bilder […] erregten, gab ihr alle Möglichkeiten auf der Straße des Ruhm fortzuschreiten. Doch […] eine Schicksalsunruhe trieb sie weiter. […] Woloschin […] fühlte auch manchmal einen leisen Vorwurf in ihrer Seele, eine Möglichkeit zu einem ganz neuen Kunstschaffen nicht ergriffen zu haben. Aber sie ließ sich nicht ablenken von einem Weg, den sie gehen wollte“[30]

Ihre Aufzeichnungen unterstreichen diesen Weg: „Stets aus der Stimmung malen; keinen Strich tun, ohne ihn aus dem Gesamten, Tief-Erlebten zu beschließen. Der gedankliche Inhalt – besser: das Erlebnis – muß Stimmung werden. Das Erleben des Gefühls in Farbe verwandeln, in die Bewegung der Farbe, die zum Rhythmus und endlich zur Form wird. Das Bild soll als etwas Unerwartetes auftreten. Aber die Idee […] muß immer als ein Wesenhaftes, ein Ganzes geahnt werden. Die Komposition soll nicht, im Voraus, mathematisch-architektonisch wie bei den alten Meistern festgelegt werden, sondern entstehen“[31]

Literatur

Ihre Lebenserinnerungen Die grüne Schlange sind in mehreren Auflagen erschienen. Sie stellen nicht nur eine persönliche Entwicklungsgeschichte dar, sondern schildern ausführlich das Panorama einer ganzen kulturellen Epoche Russlands zu Beginn des letzten Jahrhunderts.[27] Vor allem die Elite des russischen Geisteslebens um die Jahrhundertwende (Tolstoi, Iwanow, Solowjew, Schaljapin und andere) werden dem Leser nahe gebracht. Aber auch die Anthroposophie um Rudolf Steiner, in der Woloschin eine geistige Heimat fand, wird ausführlich charakterisiert und lässt den seltsam zwiespältigen Eindruck, den Steiner mit seiner Sehergabe und Genialität auf viele Zeitgenossen von damals machte deutlich werden.[32] Die grüne Schlange wurde in viele Sprachen übersetzt und ist seit 2009 in einer erweiterten Auflage erhältlich.

Neben ihren vielen Erzählungen und Gedichten war die Grüne Schlange der Höhepunkt ihres literarischen Schaffens. Den in den 1930er Jahren abgeschlossenen Roman Die Regenbrücke sah Woloschin als eine Art Vorläufer ihrer Erinnerungen. Er hatte stark autobiografische Züge und war nach Ansicht der Autorin nach Erscheinen ihrer Autobiografie überflüssig geworden.[33]

Rezeption

DIE ZEIT würdigt das literarische Wirken Margarita Woloschins:

Ilja Jefimowitsch Repin - Margarita Woloschins Lehrer (Selbstportrait, 1878)

„…[diese Lektüre, die] nicht nur literarischen Genuß, sondern auch einen bemerkenswerten Zuwachs an Weltkenntnis bedeutet. Ein solches Buch ist: Margarita Woloschin: Die grüne Schlange. Lebenserinnerungen. Was aber ihr Buch, vom prallen Inhalt abgesehen, so fesselnd macht, ist die geistige Regsamkeit, mit der diese in ihrer Art ungewöhnliche Frau die Geschehnisse und Gestalten ihres Lebenskreises gesehen und geschildert hat. Und es sind keine unerheblichen Gestalten, […] die ihren Weg gekreuzt haben. Vor allem die Elite des russischen Kulturlebens vor der und um die Jahrhundertwende: der Maler Ilja Repin (der Lehrer der Autorin), Leo Tolstoj, Iwanow, Solowjew, Berdjajew, Schaljapin, Stanislawsky, Diaghilew – Vertreter jener russischen Geistigkeit, deren Existenz und Bedeutung im bürgerlichen Deutschland allzu unzulänglich bekannt war und in deren Kreisen umgekehrt der gewisse provinzielle deutsche Akademikerstolz so gern verspottet wurde. Alle diese markanten Erscheinungen treten dem Leser auf eine frappierend unmittelbare Art nahe. Sehr erregend sind auch die Berichte über die Zustände in Rußland kurz nach der Revolution: wieviel prachtvolle menschliche Substanz da noch verschleudert, verwüstet und erstickt wurde. Margarita Woloschin ist damals aus der Schweiz in die Heimat gefahren mit einem der Züge, in denen Ludendorff Lenin und Genossen quer durch Deutschland nach Rußland brachte, um das Land endgültig in Zwietracht, Aufruhr und Elend zu stürzen.“[32]

Jeder Raum, in dem Woloschin lebte, nahm bald ihre unverwechselbaren Eigenheiten an. Mitteleuropäische Wohnideale und Bürgerlichkeit konnten in ihrer Nähe nicht gedeihen. Die Malerin lebte spartanisch. Ihre Existenz hing von den spärlich eingehenden Porträt-Aufträgen und gelegentlichen Malkursen ab. Darüber Kurt Wistighausen:

„Ihr Zimmer war gleichzeitig Atelier und meistens auch Küche. Mitten zwischen Malpapieren, Paletten, Bildern und Büchern, die in genialer Unordnung … umherlagen, wurde liebevoll der obligate Tee aufgebrüht und serviert. […] Die Gastgeberin scherzte selbst über ihr ‚Chaos‘ und erzählte, die erste Zeit im Westen sei ihr bei der Heimkehr der Mantel immer zu Boden gefallen, weil ja niemand mehr da war, der ihn ihr von den Schultern nahm und versorgte – so sehr war sie von ihrer Jugend und den wohlhabenden Verhältnissen im Elternhaus her gewohnt gewesen, daß sofort ein Diener herbeisprang. […] Jetzt in der Emigration, hatte die Künstlerin weder einen dienstbaren Geist, noch Geld. Jedoch: keinen Augenblick war es dies, was sie ernstlich beschäftigte.“[34]

Publikationen

  • Margarita Woloschin: Die grüne Schlange, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1954, 1982, 2009
  • Margarita Woloschin: Green Snake, Floris Books, Edinburgh 2010

Literatur

  • Ruth Moering, Dorothea Rapp, Rosemarie Wermbter: Margarita Woloschin-Leben und Werk, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1982

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Margarita Woloschin: Die grüne Schlange. Stuttgart 1982, S. 11
  2. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S.101
  3. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S.106
  4. M. Woloschin, Die grüne Schlange. S. 111
  5. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 120
  6. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 142
  7. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 166
  8. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 171
  9. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 172
  10. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 199
  11. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 223
  12. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 230
  13. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 270
  14. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 294
  15. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 300
  16. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 338
  17. M. Woloschin: Die grüne Schlange. S. 361/362
  18. Wermbter/Möhring/Rapp, Margarita Woloschin-Leben und Werk, S. 29
  19. 19,0 19,1 Wermbter/Möhring/Rapp, Margarita Woloschin-Leben und Werk, S. 36
  20. Wermbter/Möhring/Rapp, Margarita Woloschin-Leben und Werk, S. 40
  21. 21,0 21,1 Biographie der Stiftung Kulturimpuls
  22. Wermbter/Möhring/Rapp, Margarita Woloschin-Leben und Werk, S. 41
  23. Wermbter/Möhring/Rapp, Margarita Woloschin-Leben und Werk, S. 45
  24. Wermbter/Möhring/Rapp, Margarita Woloschin-Leben und Werk, S. 46
  25. 25,0 25,1 Wermbter/Möhring/Rapp, Margarita Woloschin-Leben und Werk, S. 52
  26. Wermbter/Möhring/Rapp, Margarita Woloschin-Leben und Werk, S. 54
  27. 27,0 27,1 Evelies Schmidt: Margarita Woloschin - Portätkunst – Gemalt und Geschrieben In: a tempo, Stuttgart 11/2009 (pdf.)
  28. Wermbter/Möhring/Rapp: Margarita Woloschin-Leben und Werk. Werkverzeichnis, S. 172
  29. Wermbter/Möhring/Rapp, Margarita Woloschin-Leben und Werk, S. 159
  30. Dorothea Rapp in: Wermbter/Möhring/Rapp Margarita Woloschin-Leben und Werk. S. 164
  31. Aus Aufzeichnungen Margarita Woloschins, in: Wermbter/Möhring/Rapp, Margarita Woloschin-Leben und Werk. S. 56
  32. 32,0 32,1 Nachdenklicher Rückblick - Margarita Woloschins Erinnerungen Die Zeit, 17. März 1955
  33. Wermbter/Möhring/Rapp, Margarita Woloschin-Leben und Werk, S. 49
  34. Kurt v. Wistinghausen, Margarita Sabaschnikow-Woloschin †. In: Die Christengemeinschaft 12/1973


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