Sinfonie

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Sinfonie oder Symphonie (von griechisch σύμφωνος sýmphōnos ‚zusammenklingend‘, ‚harmonisch‘, auch ital. Sinfonia)[1] ist eine seit Beginn des 17. Jahrhunderts gebräuchliche Bezeichnung für Instrumentalwerke von über die Jahrhunderte wechselnder Form und Besetzung, inklusive Kompositionen für Tasteninstrumente. So gebraucht etwa Bach den Terminus Sinfonie für den Eröffnungssatz seiner zweiten Partita und nennt seine dreistimmigen Inventionen „Sinfonien“.

Im 18. Jahrhundert bildete sich die klassische Form der Sinfonie aus, die bis ins 20. Jahrhundert eine dominierende Stellung im Bereich der Orchestermusik behauptete. Hierbei handelt es sich um ein aus mehreren (meist drei oder vier, seltener fünf) Sätzen bestehendes Werk für Orchester ohne Solisten. Seit der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven ist auch der Einsatz von Gesangstimmen (Solisten und/oder Chor) gebräuchlich, ohne jedoch die dominierende Funktion des Orchesters aufzugeben.

Entwicklung der Sinfonie

Vorgeschichte

Barock

In der Barockmusik bezeichnet der italienische Ausdruck Sinfonia ursprünglich ein Werk für Orchester, sehr selten mit Gesang. Sie findet sowohl in der Kirchenmusik als auch in der Oper oder im Ballett als Einleitungsstück (Ouvertüre), Zwischenaktmusik oder musikalische Illustration des Geschehens (z. B. Schlachtmusik) Verwendung. Bis ins späte 18. Jahrhundert heißen Ouvertüren mit der Satzfolge schnell – langsam – schnell „Sinfonia“, in Anlehnung an die Ouvertüren in neapolitanischen Opern, die neapolitanische Opernsinfonia (im Gegensatz zur französischen Ouvertüre).

Galanter Stil/Frühklassik

Ab 1740 verfestigte sich die dreiteilige Form (schnell – langsam – schnell) der Sinfonia und emanzipierte sich als eine eigenständige Satzform von der Neapolitanischen Oper, wo sie zuvor nur eine eröffnende und intermittierende Funktion hatte, indem sie meist auch zentrale Gedanken aus den vorkommenden Arien und Ensembles vorausnehmend exponierte. Im Gegensatz zur bisherigen Bindung an den Generalbass wird der sogenannte Oberstimmensatz stark, womit z. B. die Streicher eine (neue) zentrale Stellung in der Instrumentation einnehmen. Blasinstrumente wurden eher „begleitend“ eingesetzt.

Zu den bedeutenden Komponisten der vorklassischen Sinfonie gehören die italienischen Komponisten Giovanni Battista Sammartini und Antonio Brioschi, sowie Johann Stamitz (Mannheimer Schule) und Georg Christoph Wagenseil (Wiener Schule). Im Laufe des 18. Jahrhunderts erweiterte sich mit der Verbreitung nach Nordeuropa die italienische dreisätzige Form der Sinfonia um das Menuett, einem zusätzlichen, vor dem Finalsatz eingeschobenen Satz – so vor allem in den Sinfonien der Mannheimer und der Wiener Schule.

Klassik

Die klassische Sinfonie ab Mitte des 18. Jahrhunderts wird vor allem mit den Komponisten Joseph Haydn (104 Sinfonien), Wolfgang Amadeus Mozart (über 50 Sinfonien) und Ludwig van Beethoven (neun Sinfonien) in Verbindung gebracht. Gewichtigster Satz ist der erste, der sogenannte Kopfsatz, der meist in Sonatensatzform mit evtl. (als Reminiszenz an die französische Ouvertüre) langsamer Einleitung gehalten ist und zwei gegensätzliche Themen (Hauptthema und Seitenthema) vorstellt und verarbeitet. Der zweite Satz ist ein langsamer Satz, oftmals in Liedform, der dritte ein Menuett oder später ein Scherzo (gesprochen: ['skɛɐʦo]). Seit Beethoven erscheint das Scherzo zuweilen auch an zweiter, der langsame Satz an dritter Stelle. Der vierte Satz – das Finale – ist meist ein Rondo, ein Sonatensatz oder ein Sonatenrondo, in Einzelfällen auch ein Variationensatz (Eroica, Brahms Vierte)

Die Tonartenfolge wird in der klassischen Sinfonie meist streng gehandhabt. Für jede klassische Sinfonie kann eine Grundtonart angegeben werden, in der das Werk beginnt und (meistens) auch endet. Die Ecksätze (Kopfsatz und Finale) sind in dieser Grundtonart komponiert sowie meist auch der dritte Satz. Der langsame Satz hingegen steht meist in einer verwandten Tonart, der Dominant-, Subdominant-, einer Parallel- oder Medianttonart.

Übersicht: Formschema der klassischen Sinfonie
Satz Form Tempo Tonart
1. Satz,
„Kopfsatz“
Sonatensatzform schnell
(zum Beispiel Allegro)
Grundtonart (Tonika)
2. Satz Liedform oder
Sonatensatzform oder
Variationenform
langsam
(Adagio, Andante, …)
Dominante oder
Subdominante oder
Durparallele oder
Mollparallele
in der Romantik auch:
Terzverwandtschaft
3. Satz Menuett oder
Scherzo
mittelschnell (Menuett)
schnell bis sehr schnell (Scherzo)
tanzartig
Grundtonart
4. Satz,
„Finale“
Sonatensatzform oder
Rondo bzw. Sonatenrondo oder
Variationenform
schnell
(Allegro, Vivace, Presto, …)
Grundtonart

Beethoven

Für die später folgende Romantik ist Ludwig van Beethoven der wichtigste Bezugspunkt in der früheren Musikgeschichte. Einige Komponisten verzweifelten gar an dem „titanischen“ Vorbild, so wagte sich beispielsweise Johannes Brahms lange nicht an die Komposition einer Sinfonie. Beethoven führte die so genannte thematisch-motivische Arbeit (d. h. die Verwendung von aufeinander bezogenen musikalischen Elementen und Fragmenten) zu einer nahezu jeden Takt beherrschenden Dichte. Der emotionale Gehalt erfuhr auf diese Weise vor allem in den sinfonischen Kopfsätzen eine intensivierte Kontrastierung, bisweilen eine dem tragischen Schauspiel verwandte Konflikthaftigkeit (vor allem 3. Sinfonie und 5. Sinfonie).

Im Zuge dieser Dramatisierung des musikalischen Ausdrucks verstärkte Beethoven den Orchesterapparat um weitere Hörner (drei Hörner in der 3. und vier Hörner in der 9. Sinfonie), gab diesen Melodiefunktionen (3. Sinfonie), fügte Posaunen, eine dritte Pauke sowie ein Kontrafagott und eine Piccoloflöte hinzu. Alle Instrumente können jede Funktion erfüllen, ein Motiv kann durch alle Stimmen wandern. In der 9. Sinfonie stellte er das Scherzo dem langsamen Satz voran, in der 5. Sinfonie verband er die beiden letzten Sätze. In der 9. traten außerdem Chor und Solisten zum Orchester. Eine weitere Neuerung war das oftmalige Verwenden von Terzverwandtschaften.

Auch der Einbezug außermusikalischer Inhalte in die Klassische Sinfonie geht auf Beethoven zurück: In der 6. Sinfonie (Pastorale) bezog er klangliche Naturereignisse ein (zum Beispiel Vogelrufe im 2. Satz, welcher den Titel Szene am Bach trägt; Sturm und Gewitter im gleichnamigen 4. Satz). In der 9. Sinfonie verwendete er die explizite Textvorlage des Gedichts An die Freude von Friedrich Schiller für einen groß angelegten Gesangsabschnitt (Solisten, Chor) im 4. Satz. Dabei wurden dem Gesangsabschnitt musikalische Zitate aus den drei vorangegangenen Sätzen sowie die einleitenden Worte „Oh Freunde, nicht diese Töne!“ voraus geschickt.

Diese von Beethoven initiierte Vokalsinfonik wurde später von Gustav Mahler in einigen seiner Sinfonien fortgeführt.

Romantik

Die romantische Sinfonie kann in zwei Bereiche eingeteilt werden. Auf der einen Seite wird die klassische Sinfonie in romantischer Tonsprache weitergeführt – hier sind vor allem Franz Schubert (acht Sinfonien), Felix Mendelssohn Bartholdy (fünf Sinfonien, dazu zwölf Streichersinfonien), Robert Schumann (vier Sinfonien), Anton Bruckner (acht Sinfonien, dazu zwei Frühwerke und eine unvollendete), Johannes Brahms (vier Sinfonien), Felix Draeseke (vier Sinfonien), Pjotr Iljitsch Tschaikowski (sechs Sinfonien, dazu Manfred-Sinfonie), Antonín Dvořák (neun Sinfonien), Gustav Mahler (neun Sinfonien, dazu eine unvollendete) und Jean Sibelius (sieben Sinfonien) zu nennen, auf der anderen Seite wird versucht, die Form der Sinfonie durch Einbindung eines außermusikalischen Programms aufzubrechen, was zur sogenannten Sinfonischen Dichtung führte – so vor allem bei Hector Berlioz (Symphonie fantastique), Franz Liszt und Richard Strauss.

Die Gattung der Sinfonie löste sich im Laufe der romantischen Epochen zunehmend von der tradierten, viersätzigen Sinfonie der Klassik. Die Reihenfolge der Sätze wurde oft vertauscht, die Anzahl der Sätze variiert. Auch die Einheit der Tonarten wurde nicht mehr als bindend angesehen: So beginnt Gustav Mahlers 5. Sinfonie etwa in cis-Moll, endet aber in D-Dur. Als neues Ordnungsprinzip des sinfonischen Zyklus wurde oft die motivische Verschränkung gewählt: Motive und Themen wurden übergreifend in mehreren Sätzen eines Werks verarbeitet oder im Übergang ins 20. Jahrhundert zum Gestaltungsprinzip einer ganzen Sinfonie erhoben, so dass ein einheitlicher, in sich differenzierter musikalischer Organismus entstand. Die Erweiterung des Aufführungsapparats führte auch zur Entwicklung der Sonderform der Sinfoniekantate, die die Sinfonie mit dem menschlichen Gesang verbindet.

Musik des 20. und 21. Jahrhunderts

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es kaum mehr einen einheitlichen Sinfoniebegriff. Es entstanden zwar – wenn auch in immer geringerer Zahl – weiterhin Sinfonien, diese sind allerdings hinsichtlich Stilistik, Spieldauer und Orchesterbesetzung äußerst variabel. Eine Extremposition nehmen die kammermusikalisch besetzten Sinfonien von Darius Milhaud ein, die jeweils nur wenige Minuten dauern. Außerdem wurden Sinfonien geschrieben von Komponisten wie Sergei Prokofjew, Dmitri Schostakowitsch, Bohuslav Martinů, Nikolai Mjaskowski, Karl Amadeus Hartmann, Roger Sessions, Anton Webern, Hanns Eisler, Richard Mohaupt, Martin Scherber, Alan Hovhaness, Fritz Geißler, Friedrich Goldmann, Max Butting, Siegfried Matthus, Günter Kochan, Friedrich Schenker, Giselher Klebe, Hans Werner Henze, Wilhelm Kaiser-Lindemann, Peter Maxwell Davies, Philip Glass, Krzysztof Meyer, Krzysztof Penderecki, Allan Pettersson, Alfred Schnittke, Heinrich Sthamer, Mieczysław Weinberg oder Robert Simpson.

Siehe auch

Literatur

  • Christoph von Blumröder, Wolfram Steinbeck (Hrsg.): Die Symphonie im 19. und 20. Jahrhundert. Handbuch der musikalischen Gattungen 3/1 u. 3/2.
  • Ludwig Finscher: Symphonie, MGG Prisma, Verlage Bärenreiter (Kassel) und J. B. Metzler (Stuttgart) 2001, ISBN 3-7618-1620-0 und ISBN 3-476-41037-4; mit ausführlichem Literaturverzeichnis zur Symphonie-Geschichte.
  • Gernot Gruber, Matthias Schmidt (Hrsg.): Die Sinfonie zur Zeit der Wiener Klassik. Handbuch der musikalischen Gattungen 2. Laaber-Verlag, Laaber 2006, ISBN 978-3-89007-284-5
  • Rudolf Kloiber: Handbuch der klassischen und romantischen Symphonie. 2. erweiterte Auflage. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1976 (1964), ISBN 3-7651-0017-X
  • Stefan Kunze: Die Sinfonie im 18. Jahrhundert. Von der Opernsinfonie zur Konzertsinfonie. Handbuch der musikalischen Gattungen 1. Laaber-Verlag, Laaber 1993, ISBN 978-3-89007-125-1
  • Ursula Rauchhaupt (Hg.): Die Welt der Symphonie, Polydor International GmbH Hamburg und Georg Westermann Verlag Braunschweig 1972, ISBN 3-14-509082-8; eine musikalische, soziologische und historische Darstellung.

Weblinks

Commons: Sinfonie - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Sinfonie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. München\Wien 1965.


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