Zanoni

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The Dweller on the Threshold (ca. 1895). Gemälde von Reginald W. Machell (1854–1927), nach Edward Bulwer-Lyttons Roman „Zanoni“

Zanoni ist ein Roman von Edward Bulwer-Lytton aus dem Jahr 1842, eine Geschichte von Liebe und okkultem Streben. In der Einleitung bekennt der Autor: „... Es begab sich, dass ich vor einigen Jahren, in meinen jüngeren Tagen, sei es als Autor oder im Leben, den Wunsch verspürte, mich mit den wahren Ursprüngen und Lehren der eigenartigen Sekte vertraut zu machen, die unter dem Namen Rosenkreuzer bekannt ist.“ Dabei fiel ihm ein Manuskript in die Hände, das Bulwer-Lytton als „unverständliche Chiffre“ bezeichnete, ein Manuskript, das durch die Interpretation des Autors zu Zanoni wurde.[1] Es erzählt die Geschichte seiner Hauptfigur Zanoni, der über okkulte Kräfte verfügt und das Geheimnis des ewigen Lebens kennt.[2]

Inhaltsübersicht

Die Geschichte spielt im Jahr 1789, zur Zeit der Französischen Revolution. Zanoni, ein Eingeweihter in die chaldäische Weisheit, aus der laut Bulwer-Lytton auch die Rosenkreuzer schöpfen, lebt als Unsterblicher seit den Tagen der chaldäischen Zivilisation und hielt sich Jahrtausende fern der Menschheit. Mejnour, sein älterer Gefährte und Mitinitiierter, steht ihm ratend zur Seite.

Zanoni kann sich nicht verlieben, ohne seine Macht der Unsterblichkeit zu verlieren. Dennoch verliebt er sich in Viola Pisani, eine vielversprechende junge Opernsängerin aus Neapel, die Tochter von Pisani, einem italienischen Geiger. Sein Meister Mejnor warnt Zanoni vor einer Liebesaffäre, aber dieser hört nicht auf ihn.

Clarence Glyndon, ein englischer Künstler, der nach okkultem Wissen strebt, verliebt sich ebenfalls in Viola, ist aber unschlüssig, ob er ihr einen Heiratsantrag machen soll, und verzichtet schließlich auf seine Liebe, um okkulte Studien zu betreiben. Als er Mejnor nach der Brüderschaft der Rosenkreuzer fragt, antwortet ihm dieser: „Glauben Sie, ... dass es keine mystischen und feierlichen Zusammenschlüsse von Männern gab, die mit denselben Mitteln dasselbe Ziel anstrebten, bevor die Araber von Damus im Jahre 1378 einen wandernden Deutschen in die Geheimnisse einweihten, die die Institution der Rosenkreuzer begründeten? Ich gebe jedoch zu, dass die Rosenkreuzer eine Sekte bildeten, die von der größeren und früheren Schule abstammt. Sie waren weiser als die Alchemisten, und ihre Meister sind weiser als sie.“[3]

Eine Schlüsselstelle des Romans ist Glyndons dramatische Begegnung mit dem Hüter der Schwelle. Im Gespräch mit Glyndon sagt Mejnour über den Hüter: "... Wisse wenigstens, dass wir alle - die Höchsten und Weisesten -, die wir in nüchterner Wahrheit die Schwelle überschritten haben, als erste furchtbare Aufgabe ihren grausamen und entsetzlichen Wächter beherrschen und bezwingen mussten."[4] Glyndon steht vor der Wahl, ob er die Schwierigkeiten und Gefahren auf dem Weg zur spirituellen Erleuchtung auf sich nehmen will. Der Hüter fordert von ihm, seine niederen Ängste und Wünsche zu überwinden, um Zugang zu höheren geistigen Ebenen zu erlangen. Für ihn wird deutlich, dass die Erlangung von wahrem Wissen und spiritueller Macht mit persönlicher Entwicklung und der Überwindung von inneren Dämonen verbunden ist.

Zanoni heiratet schließlich Viola und sie bekommen ein Kind. Während Zanoni immer menschlicher wird, beginnt er seine Gabe der Unsterblichkeit zu verlieren. Während der Französischen Revolution stirbt er schließlich durch die Guillotine.[5]

Glyndons Begegnung mit dem Hüter der Schwelle

Bulwer-Lytton beschreibt die Begegnung Glyndons mit dem Hüter so:

„Die Räume, die Mejnour bewohnte, bestanden aus zwei Kammern, die miteinander verbunden waren, und einer dritten, in der er schlief. Alle diese Räume befanden sich in dem riesigen viereckigen Turm, der sich über den dunklen und buschbewachsenen Abgrund beugte. Die erste Kammer, die Glyndon betrat, war leer. Mit geräuschlosem Schritt ging er weiter und öffnete die Tür, die in die innere Kammer führte. Auf der Schwelle blieb er zurück, überwältigt von einem starken Duft, der die Kammer erfüllte: Eine Art Nebel verdichtete die Luft eher, als dass er sie verdunkelte, denn dieser Dunst war nicht dunkel, sondern glich einer Schneewolke, die sich langsam und in schweren Wellen gleichmäßig über den Raum bewegte.

Eine tödliche Kälte schlug dem Engländer ins Herz, und sein Blut gefror. Er blieb wie angewurzelt stehen, und als er seine Augen unwillkürlich durch den Nebel streifte, glaubte er (denn er konnte nicht sicher sein, dass es sich nicht um einen Trick seiner Einbildung handelte), schemenhafte, gespenstische, aber gigantische Gestalten durch den Nebel schweben zu sehen; oder war es nicht vielmehr der Nebel selbst, der seine Dämpfe phantastisch zu diesen sich bewegenden, ungreifbaren und körperlosen Erscheinungen formte? Ein großer Maler des Altertums soll in einem Bild des Hades die Ungeheuer, die durch den gespenstischen Fluss der Toten gleiten, so kunstvoll dargestellt haben, dass das Auge sofort erkannte, dass der Fluss selbst nur ein Gespenst war und die blutlosen Dinge, die ihn bewohnten, kein Leben hatten; ihre Formen verschmolzen mit den toten Wassern, bis das Auge, während es weiter schaute, aufhörte, sie von dem übernatürlichen Element zu unterscheiden, in dem sie angeblich wohnten. Das waren die sich bewegenden Umrisse, die sich durch den Nebel schlängelten und schwebten; doch bevor Glyndon in dieser Atmosphäre auch nur Luft geholt hatte - sein Leben selbst schien stillzustehen oder in eine Art schreckliche Trance zu verfallen -, fühlte er, wie seine Hand ergriffen und er aus diesem Raum in den äußeren geführt wurde. Er hörte, wie sich die Tür schloss, sein Blut rauschte wieder durch seine Adern, und er sah Mejnour an seiner Seite. Plötzlich wurde sein ganzer Körper von starken Krämpfen erfasst und er fiel ohnmächtig zu Boden. Als er wieder zu sich kam, befand er sich unter freiem Himmel auf einem groben steinernen Balkon, der aus dem Gemach ragte, während die Sterne über dem dunklen Abgrund unter ihm leuchteten und ruhig auf dem Gesicht des Mystikers ruhten, der mit verschränkten Armen neben ihm stand.

«Junger Mann», sagte Mejnour, «urteile nach dem, was du gerade gefühlt hast, wie gefährlich es ist, nach Wissen zu suchen, solange man nicht bereit ist, es zu empfangen. Ein weiterer Moment in der Luft dieser Kammer und du wärst eine Leiche gewesen.»

«Welcher Art war dann das Wissen, das du, einst sterblich wie ich, in dieser eisigen Atmosphäre, die zu atmen für mich den Tod bedeutete, sicher hättest suchen können? Mejnour», fuhr Glyndon fort, und sein wildes Verlangen, das durch die Gefahr, die er bestanden hatte, noch einmal geschärft wurde, belebte und beflügelte ihn, «ich bin zumindest zu den ersten Schritten bereit. Ich komme zu dir, wie einst der Schüler zum Hierophanten, und verlange die Einweihung.»“

Edward Bulwer-Lytton: Zanoni, Kapitel 4.3[6]

Bulwer-Lytton schildert hier, wie dieser Hüter (engl.The Dweller on the Threshold“) durch niedere magische Verrichtungen auch sinnlich sichtbar gemacht wird. Rudolf Steiner bemerkt dazu:

„Es ist aus obigem klar, daß der geschilderte «Hüter der Schwelle» eine solche (astrale) Gestalt ist, welche dem erwachenden höheren Schauen des Geheimschülers sich offenbart. Und zu dieser übersinnlichen Begegnung führt die Geheimwissenschaft. Es ist eine Verrichtung niederer Magie, den «Hüter der Schwelle» auch sinnlich sichtbar zu machen. Dabei handelte es sich um die Herstellung einer Wolke feinen Stoffes, eines Räucherwerkes, das aus einer Reihe von Stoffen in bestimmter Mischung hergestellt wird. Die entwickelte Kraft des Magiers ist dann imstande, gestaltend auf das Räucherwerk zu wirken und dessen Substanz mit dem noch unausgeglichenen Karma des Menschen zu beleben. - Wer genügend vorbereitet für das höhere Schauen ist, braucht dergleichen sinnliche Anschauung nicht mehr; und wem sein noch unausgeglichenes Karma ohne genügende Vorbereitung als sinnlich lebendiges Wesen vor Augen träte, der liefe Gefahr, in schlimme Abwege zu geraten. Er sollte nicht danach streben. In Bulwers «Zanoni» wird romanhaft eine Darstellung dieses «Hüters der Schwelle» gegeben.“ (Lit.:GA 10, S. 198)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Bulwer-Lytton, Edward (1874). Zanoni. Routledge. p. xx.
  2. Algeo, John (1983). Survey of modern fantasy literature. Vol. 5. Salem Press. p. 33. ISBN 978-0-89356-455-1
  3. Edward Bulwer-Lytton. Zanoni. Aus der englischen Orignalfassung auf www.gutenberg.org frei ins Deutsche übertragen.
  4. Bulwer-Lytton, Edward (1874). Zanoni. Routledge. p. 103
  5. Bulwer-Lytton, Edward (1853). Zanoni. p. 136
  6. Edward Bulwer-Lytton. Zanoni. Aus der englischen Orignalfassung auf www.gutenberg.org ins Deutsche übertragen.
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