Ziviler Ungehorsam

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Henry David Thoreau (1861)
Mohandas Karamchand Gandhi (um 1925)
Martin Luther King Jr. (1964)

Ziviler Ungehorsam ist eine Form des gewaltfreien Widerstands, die darauf abzielt, durch bewusste symbolische Verletzung von Gesetzen oder staatlichen Anordnungen politische Veränderungen zu bewirken. Symbolisch bedeutet dabei, dass die Beeinträchtigung anderer maßvoll zu sein hat, was üblicherweise bedeutet, dass niemand einen körperlichen Schaden erleiden darf, noch dass Menschen größerer materieller Schaden zugefügt wird. Der britische Rechtsphilosoph H. L. A. Hart geht dabei von der Existenz eindeutiger Prinzipien der Gerechtigkeit aus, „die das Ausmaß einschränken, in dem allgemeine soziale Ziele auf Kosten des einzelnen verfolgt werden dürfen.[1] Diese Form des Widerstands ist darauf ausgerichtet, öffentliches Bewusstsein für soziale oder politische Ungerechtigkeiten zu schaffen und gleichzeitig das Risiko zu tragen, für die Verletzung von Gesetzen bestraft zu werden.

Ziviler Ungehorsam ist eine kontroverse Taktik, die oft als illegal und destabilisierend angesehen wird. Dennoch wird es von Befürwortern als gerechtfertigtes Mittel des politischen Widerstands angesehen, insbesondere in Situationen, in denen rechtsstaatliche Mittel zur Veränderung nicht zur Verfügung stehen oder nicht wirksam sind.

Grundlagen

Als moderne Väter des Konzepts gelten Henry David Thoreau, Mohandas Karamchand Gandhi und Martin Luther King, Jr. Im philosophischen Diskurs nehmen seit der Veröffentlichung seines Artikels The Justification of Civil Disobedience John Rawls’ Überlegungen eine zentrale Stellung ein.

Formen zivilen Ungehorsams

Der zivile Ungehorsam kann verschiedene Formen annehmen, wie beispielsweise das bewusste Ignorieren von Gesetzen, die sich gegen die Freiheit der Meinungsäußerung, das Demonstrationsrecht oder das Recht auf Gleichbehandlung und Freiheit richten. Die bekanntesten Beispiele für zivilen Ungehorsam in der Geschichte sind der gewaltfreie Widerstand von Mahatma Gandhi in Indien gegen die britische Kolonialherrschaft und der Kampf der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung unter der Führung von Martin Luther King Jr. für die Gleichstellung von Afroamerikanern.

In der Corona-Krise wurde der zivile Ungehorsam von verschiedenen Gruppen und Individuen als Mittel des Protests gegen bestimmte Maßnahmen oder Entscheidungen der Regierung eingesetzt. Einige Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen argumentieren, dass diese unverhältnismäßig seien und ihre individuellen Freiheiten und Grundrechte einschränken würden. Daher haben sie sich in verschiedenen Formen des zivilen Ungehorsams engagiert, um ihre Kritik und Forderungen zum Ausdruck zu bringen. Zu den Formen des zivilen Ungehorsams, die in der Corona-Krise angewendet wurden, gehörten Proteste, Demonstrationen, Versammlungen oder andere Formen des öffentlichen Widerstands, die gegen geltende Gesetze oder Bestimmungen verstoßen haben könnten. Ein Beispiel hierfür sind die Proteste gegen die Maskenpflicht oder die Einschränkung von Versammlungen. Einige Einzelpersonen oder Unternehmen haben auch bewusst gegen Quarantäne- oder Isolationsanordnungen verstoßen.

Der zivile Ungehorsam in der Corona-Krise wurde kontrovers diskutiert und seine Anwendung von vielen als unverantwortlich oder gar gefährlich angesehen wird. Kritiker argumentieren, dass die Einhaltung von Regeln und Vorschriften in einer Krisensituation notwendig sei, um das Wohl der Gesellschaft insgesamt zu schützen.

Siehe auch

Literatur

  • Hannah Arendt: Ziviler Ungehorsam. In: Zur Zeit. Politische Essays (1943–1975). Rotbuch, Hamburg 1999, ISBN 3-434-53037-1.
  • Juan Carlos Velasco Arroyo: Politische Dissidenz und partizipative Demokratie. Zur Rolle des zivilen Ungehorsam heute (PDF; 222 kB). In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie. (ARSP). Band 84, Nr. 1, 1998, S. 87–104.
  • Hugo A. Bedau: On Civil Disobedience. In: The Journal of Philosophy. Vol. 58, No. 21, 1961, S. 653–661.
  • Ronald Dworkin: Bürgerlicher Ungehorsam. In: Ronald Dworkin: Bürgerrechte ernstgenommen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-28479-7, S. 337–363.
  • Johan Galtung: Modelle zum Frieden. Methoden und Ziel der Friedensforschung. Vorwort von Lutz Mez. Jugenddienst, Wuppertal 1972, ISBN 3-7795-7201-X.
  • Mohandas K. Gandhi: Constructive Programme. Its Meaning and Place. Ahmedabad 2004, ISBN 81-7229-067-5 (zuerst erschienen 1941).
  • Mahatma Gandhi: Mein Leben. Herausgegeben von C. F. Andrews. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-37453-2.
    • Englische Erstausgabe: Mahatma Gandhi: His Own Story. 1930.
  • Jürgen Habermas: Die neue Unübersichtlichkeit. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-518-11321-6.
  • Jürgen Habermas: Recht und Gewalt – ein deutsches Trauma. In: Jürgen Habermas: Die neue Unübersichtlichkeit. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-518-11321-6, S. 100–117.
  • Jürgen Habermas: Ungehorsam mit Augenmaß. In: Die Zeit. 23. September 1983.
  • Jürgen Habermas: Ziviler Ungehorsam – Testfall für den demokratischen Rechtsstaat. Wider den autoritären Legalismus in der Bundesrepublik. In: Peter Glotz (Hrsg.): Ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, S. 29–53. Nachdruck in: Jürgen Habermas: Die neue Unübersichtlichkeit. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1985, S. 79–99.
  • John Rawls: Die Rechtfertigung bürgerlichen Ungehorsams. In: John Rawls: Gerechtigkeit als Fairneß. Karl Alber, Freiburg/München 1977, ISBN 3-495-47348-3, S. 165–191.
    • Englische Erstausgabe: The Justification of Civil Disobedience. In: Hugo Adam Bedau (Hrsg.): Civil Disobedience: Theory and Practice. Pegasus Books, New York 1969, S. 240–255.
  • Henry David Thoreau: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat. Diogenes, Zürich 1967, ISBN 3-257-20063-3.
    • Englische Erstausgabe: The Resistance to Civil Government. In: Æsthetic Papers. Herausgegeben von Elizabeth P. Peabody. The Editor, Boston 1849.
  • Leo Tolstoi: Was sollen wir denn tun? 1991.
  • Howard Zinn: Introduction (PDF; 590 kB). In: Henry David Thoreau: The Higher Law. Thoreau on Civil Disobedience and Reform. Herausgegeben von Wendell Glick. Princeton University Press, Princeton 2004, ISBN 0-691-11876-0.

Einzelnachweise

  1. H. L. A. Hart: Prolegomena zu einer Theorie der Strafe. S. 75, in: H. L. A. Hart: Recht und Moral, Göttingen (Vandenhoeck) 1971, S. 58–86).
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