Dreikörperproblem

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Als Dreikörperproblem (eng. three-body problem) wird in der Physik und Himmelsmechanik die Lösung der Bewegungsgleichungen eines Systems dreier Körper bezeichnet, die sich unter dem Einfluss ihrer wechselseitigen Anziehung bewegen, wie z.B. Sonne, Erde und Mond unter der Wirkung ihrer Gravitationskräfte. Werden noch weitere Körper einbezogen, wie beispielsweise die restlichen Planeten des Sonnensystems, spricht man vom Mehrkörperproblem. Im allgemeinen Fall sind die Bewegungsgleichungen - anders als beim Zweikörperproblem - nur näherungsweise numerisch lösbar und zeigen ein chaotisches Verhalten, das längerfristig nicht vorhersehbar ist. Die Stabilität von Mehrkörpersystemen wird durch das Kolmogorow-Arnold-Moser-Theorem (kurz: KAM) beschrieben, das Aussagen über die Existenz stabiler Tori im Phasenraum ermöglicht, um die sich die Körper bei kleinen Störungen quasiperiodisch bewegen. Jacques Laskar hat allerdings gezeigt, das viele Himmelskörper nicht das durch die KAM-Theorie vorhergesagte quasiperiodische Verhalten zeigen und Instabilitäten auftreten, die aber auf bestimmte Bereiche des Phasenraums begrenzt zu sein scheinen.[1][2]

Mathematisch-Historisches

Das Dreikörperproblem galt seit den Entdeckungen von Johannes Kepler und Nikolaus Kopernikus als eines der schwierigsten mathematischen Probleme, mit dem sich im Laufe der Jahrhunderte viele bekannte Mathematiker wie Alexis-Claude Clairaut, Leonhard Euler, Joseph-Louis Lagrange, Thorvald Nicolai Thiele, George William Hill und Henri Poincaré beschäftigten. Im allgemeinen Fall erfolgt die Bewegung chaotisch und kann nur numerisch berechnet werden.

Die beiden Grafiken zeigen ein Beispiel für eine Simulationsrechnung. In kleinen Zeitintervallschritten werden die angreifenden Gravitationskräfte und daraus die Verschiebung berechnet. Selbst bei identischen Ausgangsbedingungen erhält man völlig verschiedene Prognosen, wenn die Länge der Zeitintervalle variiert.

Sehr kleine Intervallschritte
Etwas vergröberte Intervallschritte

Sonderfall

Den Spezialfall, dass einer der drei Körper eine verschwindend kleine Masse hat und seine Wirkung auf die beiden anderen vernachlässigt werden kann, bezeichnet man als eingeschränktes Dreikörperproblem. Er spielt in der Astronomie eine wichtige Rolle (z. B. bei Forschungssatelliten wie bei der Planetary Grand Tour), die auf das Problem der Lagrange-Punkte führt.

Allgemeine Aussagen

Das Zweikörperproblem ist durch die Kepler’schen Gesetze analytisch lösbar. Dagegen sind die Integrale im Fall von mehr als zwei Himmelskörpern keine algebraischen Integrale mehr[3] und nicht mehr mit elementaren Funktionen lösbar. Karl Frithiof Sundman konnte Anfang des 20. Jahrhunderts als Erster eine analytische Lösung des Dreikörperproblems in Form einer konvergenten Potenzreihe angeben, unter der Annahme, dass der Gesamtdrehimpuls des Systems nicht verschwindet und es deshalb nicht zu einem Dreierstoß kommt, bei dem der Abstand aller drei Körper Null beträgt. Für praktische Berechnungen ist Sundmans Lösung allerdings nicht brauchbar, da bei der Summe mindestens 10 hoch 8.000.000 Terme berücksichtigt werden müssten, um eine hinreichende Genauigkeit zu erzielen.[4]

Die Stabilität eines Dreikörpersystems wird durch das Kolmogorow-Arnold-Moser-Theorem beschrieben.

Näherungs- oder exakte Lösungen sind in manchen Fällen möglich:

  • Wenn die Masse eines der Himmelskörper klein ist, dann löst man das Dreikörperproblem iterativ, heutzutage mit Computern, oder berechnet Bahnstörungen, die der kleinste (leichteste) Körper durch die größeren (schwereren) erleidet.
  • Exakt lösbar ist der schon erwähnte Sonderfall des Gleichgewichts der Anziehungskraft zweier großer (schwerer) Körper auf einen verschwindend kleinen (leichten) Körper (unter Berücksichtigung der im sich drehenden Bezugssystem auftretenden Scheinkräfte) in den Lagrange-Punkten L1 bis L5. Der innere Punkt L1 wird beispielsweise in der Raumfahrt zur Sonnenforschung verwendet. Das Sonnenobservatorium SOHO befindet sich dort. Das Infrarot-Teleskop JWST von NASA, ESA und CSA befindet sich auf einer Umlaufbahn um den Lagrange-Punkt L2.
  • Für den Fall dreier gleicher Massen gibt es eine Lösung, bei der die Objekte auf einer gemeinsamen Bahn, die die Form eines Unendlichzeichens () hat, hintereinander herlaufen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jacques Laskar: Large scale chaos and marginal stability in the solar system, in: Celestial Mechanics and Dynamical Astronomy, March 1996, Volume 64, Issue 1–2, pp. 115–162 doi:10.1007/BF00051610
  2. Jacques Laskar: Large-scale chaos in the solar system, in: Astronomy and Astrophysics vol. 287, no. 1, 1994, pp. L9-L12 online
  3. Nach einem Theorem von Poincaré, das einen Satz von Bruns verallgemeinert.
  4. June Barrow-Green: The dramatic episode of Sundman. In: Abschnitt 9. The reception of Sundman’s work.

    „In 1930 David Beloriszky […] calculated that if Sundman’s series were going to be used for astronomical observations then the computations would involve at least 108,000,000 terms!“

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