Papyrus Egerton 2

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Rückseite von Fragment 1 des Papyrus Egerton 2, Britisches Museum

Der Papyrus Egerton 2 (= P.London.Christ.1) ist ein aus drei Fragmenten bestehender antiker Papyrus in Codex-Form, der Teile eines uns unbekannten Evangeliums oder einer Sammlung von Jesus-Erzählungen enthält. Der Papyrus wurde in Ägypten gefunden und 1935 erstmals von H.I. Bell und T.C. Skeat herausgegeben.[1]
Das Papyrusfragment „Köln 225“ ergänzt das erste Fragment des Egerton-Papyrus.[2]

Inhalt

Die ersten beiden Fragmente enthalten Bruchstücke von vier Texten:

  • ein Streitgespräch mit Gesetzeskundigen und Obersten des jüdischen Volkes über einen angeblichen Gesetzesbruch Jesu. Es endet mit dem erfolglosen Versuch, ihn zu steinigen.
  • die Heilung eines Leprakranken.
  • den Versuch, Jesus mit der Steuerfrage zu provozieren (vgl. Mk 12,13-17 EU).
  • ein Wunder Jesu am Jordan, das sonst nirgends überliefert ist. Hier ist das Fragment stark zerstört, so dass der Text kaum rekonstruierbar ist.

Das dritte, sehr kleine Fragment erlaubt keine Textrekonstruktion.

Herkunft und Datierung

Sprachlich und inhaltlich ähnelt besonders die erste Episode stark analogen Texten des Johannesevangeliums, enthält aber auch synoptische Elemente. Das zweite Fragment weist Parallelen mit synoptischer Überlieferung auf. Einige Wendungen verraten, dass der Autor nicht aus Palästina stammte. Man vermutet ihn im damaligen Syrien, Kleinasien oder Ägypten.

Datiert wurde der Text zunächst auf 150 n. Chr. Heutzutage wird er oft um 200 n. Chr. datiert. Klaus Berger und Kurt Erlemann vertreten eine Frühdatierung (ca. 75 n. Chr.).[3] Der Papyrus zählt auf jeden Fall zu den ältesten urchristlichen Handschriften.

Literarische Beurteilung

  • Joachim Jeremias (Neutestamentliche Apokryphen S. 82-85) glaubte, der Autor habe alle vier Evangelien gekannt und frei aus dem Gedächtnis zitiert. Es könne sich um einen Auszug aus einem mit einer Passionserzählung abgeschlossenen Gesamtwerk handeln.
  • John Dominic Crossan (Four other Gospels, S. 65-87) dagegen vertritt die Auffassung, zumindest die Perikope über die Steuerfrage sei älter als die Parallele Mk 12,13-17. Das Fragment sei daher unabhängig von der synoptischen Tradition entstanden und zeige, dass es zeitgleich dazu andere mündliche und schriftliche Überlieferung von Jesus gab.
  • C.H. Dodd (New Gospel) hält die erste Perikope für literarisch vom Johannesevangelium abhängig, während die übrigen Zeilen unabhängig vom NT mündlich tradiert worden seien.
  • John P. Meier (A Marginal Jew, S. 119-120) sieht gerade im Wortlaut der Steuerfrage Anhaltspunkte für eine spätere (Nach-)Bildung. Der markinischen Formulierung der Frage, ob es erlaubt sei, „dem Caesar Kopfsteuer zu zahlen“ (Mk 13,14 EU), entspricht in der Egerton-Parallele: „an die Könige zu zahlen, was den Regierenden zukommt“. Diese Verallgemeinerung der an Jesus gerichteten Frage, deren konkreter Sitz im Leben hier eliminiert scheint, deute auf einen späteren Hintergrund. Dodds Erklärung zu den übrigen Stücken hält Meier prinzipiell für denkbar, letztlich aber nicht zu beweisen. Ob es sich um eigenständige Jesustraditionen handelt oder um freie Nacherzählungen des synoptischen Stoffs, lasse sich nicht mit hinreichender Sicherheit klären. Auch frei konstruierte Ergänzungen, wie sie aus anderen apokryphen Schriften bekannt sind, ließen sich denken.

Siehe auch

Literatur

Übersetzung

  • H. I. Bell, T. C. Skeat: Fragments of an Unknown Gospel. London 1935.
  • Wilhelm Schneemelcher: Neutestamentliche Apokryphen I: Evangelien. 6. Aufl. Tübingen 1990 (S. 82-85) (deutsche Übersetzung)
  • Klaus Berger, Christiane Nord: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. Frankfurt 1999 (S. 671-672) (deutsche Übersetzung und Kommentar)

Sekundärliteratur

  • Michael Gronewald: Unbekanntes Evangelium oder Evangelienharmonie (Fragment aus dem 'Evangelium Egerton'). Kölner Papyri, Papyrologica Coloniensia Vol. 7, Band 6, Universität Köln, 1987, S. 136-145.
  • Jon B. Daniels: The Egerton Gospel: Its Place in Early Christianity, Dissertation, The Claremont Graduate School, California (UMI), Ann Arbor 1989.
  • Frederick F. Bruce: Egerton Papyrus 2, in: Ausserbiblische Zeugnisse über Jesus und das frühe Christentum, Brunnen Verlag Giessen, 3. Aufl. 1993, S. 146-149.
  • Kurt Erlemann: Papyrus Egerton 2: “Missing Link” zwischen synoptischer und johanneischer Tradition, in: NTS 42 (1996), S. 12–34.
  • Johannes B. Bauer: „Die Saat aufs Wasser geht auf – PEgerton 2 fr. 2 verso (Bell/Skeat), in: ZNW 97 (2006), S. 280-82.
  • Petr Pokorný, Ulrich Heckel: Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick. Mohr Siebeck: Tübingen 2007, S. 359-361. ISBN 978-3-16-148011-9
  • Tobias Nicklas: Papyrus Egerton 2, in: Paul Foster (Hg.), The Non-Canonical Gospels. London: T&T Clark, S. 139-149.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Homepage des Papyrus Egerton 2 (Universität Bremen)
  2. Michael Gronewald: Unbekanntes Evangelium oder Evangelienharmonie (Fragment aus dem "Evangelium Egerton"), Kölner Papyri - Vol. VII, Bd. 6, Leverkusen 1987
  3. Klaus Berger, Christiane Nord: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. Frankfurt 1999, S. 671.

Weblinks

  • Webseite zum Papyrus Egerton 2, Universität Bremen (Einführung, Bilder, Paläographie, Transkriptionen, englische und deutsche Übersetzung, Bibliographie)


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