Wertigkeit (Chemie)

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Edward Frankland Hermann Wichelhaus ca. 1870–1880
Edward Frankland
Hermann Wichelhaus ca. 1870–1880
William Higgins Kombinationen ultimativer Partikel (1789)

Die Wertigkeit oder Valenz eines Atoms ist die höchste Anzahl einwertiger Atome (ursprünglich Wasserstoff- und Chlor-Atome), die von einem Atom eines chemischen Elementes gebunden werden kann.[1]

Entwicklung des Wertigkeits-Begriffs

Schon 1789 veröffentlichte William Higgins (1763-1825) Ansichten über die von ihm so genannten Kombinationen von „ultimativen Partikeln“, die das Konzept der Valenzbindungen vorwegnahmen.[2] Higgins ging es dabei um die Verteilung der bindenden Kräfte zwischen den Teilchen. Wenn beispielsweise die Kraft zwischen dem ultimativen Sauerstoffteilchen und dem ultimativen Stickstoffteilchen 6 wäre, dann würde nach Higgins die Kraftstärke entsprechend verteilt werden, d.h. 3 für das Sauerstoffteilchen und 3 für das Stickstoffteilchen, und ebenso bei anderen Kombinationen von ultimativen Teilchen. Je mehr Sauerstoffteilchen sich an ein Stickstoffteilchen binden, desto mehr müsste die Bindungskraft des Stickstoffs aufgeteilt werden, bei 2 gebundenen Sauerstoffteilchen z.B. auf je 32 = 112. Die Kraftstärke jeder der beiden N-O-Bindungen wäre dann gleich 3 + 112 = 412 (siehe Abbildung rechts unten).

Der eigentliche gedankliche Vorläufer der Wertigkeit war aber die 1852 von Edward Frankland (1825-1899) in die organische Chemie eingeführte Sättigungskapazität (eng. atom-fixing power) oder Atomizität (eng. atomicity).[3][4]

1858 erkannte August Kekulé (1829-1896) gleichzeitig mit A. S. Couper (1831-1892) die Vierwertigkeit des Kohlenstoffs und das Vorhandensein von Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen, gebrauchte aber zunächst noch die Begriffe „atomig“ oder „basisch“ für die Angabe der Anzahl der Bindungspartner eines Atoms. In seinem ebenfalls 1858 erschienen Lehrbuch der organischen Chemie entwickelte er seine Ideen zur Strukturchemie und wendete in seinem Lehrbuch von 1864 die Strukturformeln zur Darstellung organischer Moleküle an.

Der Begriff Valenz wurde 1868 von Hermann Wichelhaus (1842-1927) geprägt, der ein Schüler von Frankland und August Kekulé war. Kekulé übernahm den Begriff von Wichelhaus. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Wertigkeit dann sehr hilfreich für die Aufklärung der Struktur anorganischer und organischer Verbindungen. Die Suche nach den Ursachen der verschiedenen Wertigkeiten der Elemente führte schließlich zu den modernen Theorien der chemischen Bindung.

Bei ionischen Verbindungen (z.B. Salze) entspricht die Wertigkeit der Ionenladung (z.B. Na+Cl-, Mg2+SO42-, bei kovalenten Verbindungen der Bindigkeit (auch Bindungswertigkeit oder Kovalenz), d.h. der Anzahl der Atombindungen (Einfachbindungen) (z.B. CH4), und bei Komplexverbindungen der Koordinationszahl. Die elektrochemische Wertigkeit wird durch die Oxidationszahl angegeben (z.B. Fe+2 bzw. Fe+II).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. „The maximum number of univalent atoms (originally hydrogen or chlorine atoms) that may combine with an atom of the element under consideration, or with a fragment, or for which an atom of this element can be substituted.“ Eintrag zu valence. In: IUPAC Compendium of Chemical Terminology (the “Gold Book”). doi:10.1351/goldbook.V06588 Version: 2.3.
  2.  J. R. Partington: A Short History of Chemistry. Dover Publications, 1989, ISBN 0-486-65977-1.
  3. Edward Frankland: Lecture notes for chemical students, Vol. I (Inorganic Chemistry), 2nd edition, J. Van Voorst 1870, p. 17 google archive.org
  4. Edward Frankland, F. R. Japp: Inorganic chemistry, 1st edition, Lea Brothers & Co, Philadelphia 1885, pp. 75-85 Archive.org