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Aura
Die Aura des Menschen gibt ein Bild der übersinnlichen Wesensglieder des Menschen, wie sie der Hellseher erblicken kann. Als übersinnliche Wesensglieder gelten Ätherleib, Astralleib und Ich. Man kann dementsprechend eine Ätheraura, eine Astralaura und eine Ich-Aura unterscheiden, wobei meist die Astralaura am deutlichsten hervortritt. In der bildenden Kunst wird die Ganzkörper-Aura als Mandorla oder Aureole, die Kopfaura als Heiligenschein dargestellt. Ursprünglich waren in den alten Kulturen auch die Gewandformen als sinnlich sichtbarer Ausdruck der menschlichen Aura gestaltet.

"Wieviel sich von dem, was wirklich ist, einem Wesen offenbart, das hängt von dessen Empfänglichkeit ab. Niemals darf somit der Mensch sagen: nur das sei wirklich, was er wahrnehmen kann. Es kann vieles wirklich sein, für dessen Wahrnehmung ihm die Organe fehlen. – Nun sind die Seelenwelt und das Geisterland ebenso wirklich, ja in einem viel höheren Sinne wirklich als die sinnliche Welt. Zwar kann kein sinnliches Auge Gefühle, Vorstellungen sehen; aber sie sind wirklich. Und wie der Mensch durch seine äußeren Sinne die körperliche Welt als Wahmehmung vor sich hat, so werden für seine geistigen Organe Gefühle, Triebe, Instinkte, Gedanken und so weiter zu Wahmehmungen. Genau wie durch das sinnliche Auge zum Beispiel räumliche Vorgänge als Farbenerscheinungen gesehen werden können, so können durch die inneren Sinne die genannten seelischen und geistigen Erscheinungen zu Wahrnehmungen werden, die den sinnlichen Farbenerscheinungen analog sind. Vollkommen verstehen, in welchem Sinne das gemeint ist, kann allerdings nur derjenige, welcher auf dem im nächsten Kapitel zu beschreibenden Erkenntnispfad gewandelt ist und sich dadurch seine inneren Sinne entwickelt hat. Für einen solchen werden in der ihn umgebenden Seelenwelt die Seelenerscheinungen und im geistigen Gebiet die geistigen Erscheinungen übersinnlich sichtbar. Gefühle, welche er an anderen Wesen erlebt, strahlen wie Lichterscheinungen für ihn von dem fühlenden Wesen aus; Gedanken, denen er seine Aufmerksamkeit zuwendet, durchfluten den geistigen Raum. Für ihn ist ein Gedanke eines Menschen, der sich auf einen andern Menschen bezieht, nicht etwas Unwahrnehmbares, sondern ein wahrnehmbarer Vorgang. Der Inhalt eines Gedankens lebt als solcher nur in der Seele des Denkenden; aber dieser Inhalt erregt Wirkungen in der Geistwelt. Diese sind für das Geistesauge der wahrnehmbare Vorgang. Als tatsächliche Wirklichkeit strömt der Gedanke von einer menschlichen Wesenheit aus und flutet der andern zu. Und die Art, wie dieser Gedanke auf den andern wirkt, wird erlebt als ein wahrnehmbarer Vorgang in der geistigen Welt. So ist für den, dessen geistige Sinne erschlossen sind, der physisch wahrnehmbare Mensch nur ein Teil des ganzen Menschen. Dieser physische Mensch wird der Mittelpunkt seelischer und geistiger Ausströmungen. Nur angedeutet kann die reich-mannigfaltige Welt werden, die sich vor dem «Seher» hier auftut. Ein menschlicher Gedanke, der sonst nur in dem Denkverständnisse des Zuhörenden lebt, tritt zum Beispiel als geistig wahrnehmbare Farbenerscheinung auf. Seine Farbe entspricht dem Charakter des Gedankens. Ein Gedanke, der aus einem sinnlichen Trieb des Menschen entspringt, hat eine andere Färbung als ein im Dienste der reinen Erkenntnis, der edlen Schönheit oder des ewig Guten gefaßter Gedanke. In roten Farbennuancen durchziehen Gedanken, welche dem sinnlichen Leben entspringen, die Seelenwelt. In schönem hellem Gelb erscheint ein Gedanke, durch den der Denker zu einer höheren Erkenntnis aufsteigt. In herrlichem Rosarot erstrahlt ein Gedanke, der aus hingebungsvoller Liebe stammt. Und wie dieser Inhalt eines Gedankens, so kommt auch dessen größere oder geringere Bestimmtheit in seiner übersinnlichen Erscheinungsform zum Ausdruck. Der präzise Gedanke des Denkers zeigt sich als ein Gebilde von bestimmten Umrissen; die verworrene Vorstellung tritt als ein verschwimmendes, wolkiges Gebilde auf.
Und die Seelen- und Geisteswesenheit des Menschen erscheint in dieser Art als übersinnlicher Teil an der ganzen menschlichen Wesenheit.
Die dem «geistigen Auge» wahrnehmbaren Farbenwirkungen, die um den in seiner Betätigung wahrgenommenen physischen Menschen herumstrahlen und ihn wie eine Wolke (etwa in Eiform) einhüllen, sind eine menschliche Aura. Bei verschiedenen Menschen ist die Größe dieser Aura verschieden. Doch kann man sich – im Durchschnitt – etwa vorstellen, daß der ganze Mensch doppelt so lang und viermal so breit erscheint als der physische.
In der Aura fluten nun die verschiedensten Farbentöne. Und dieses Fluten ist ein getreues Bild des inneren menschlichen Lebens. So wechselnd wie dieses sind einzelne Farbentöne. Doch drücken sich gewisse bleibende Eigenschaften: Talente, Gewohnheiten, Charaktereigenschaften auch in bleibenden Grundfarbtönen aus." (Lit.: GA 9)
"Die Persönlichkeit ist dasjenige, was die drei Leiber - physischer Leib, Ätherleib und Astralleib - vom Ich durchstrahlt sein läßt. Das kann auch unklar, schattenhaft sein - und wenn dies der Fall ist, so ist der betreffende Mensch eine schwache Persönlichkeit.
Für den Hellseher ist dies durchaus erkennbar. Er sieht den Menschen von einer farbigen Aura umflossen, in der sich seine Stimmungen, Leidenschaften, Gefühle, Empfindungen in Farbströmungen und Farbwolken genau ausdrücken. Versetzen wir uns in die Zeit, in welcher die drei Wesensglieder erst bereit waren, das menschliche Ich aufzunehmen, so würden wir auch bei diesem noch nicht ganz Mensch gewordenen Wesen eine Aura finden. Es würden aber darin die gelben Strömungen fehlen, in denen die höhere Natur des Menschen zum Ausdruck gelangt. Starke Persönlichkeiten haben eine stark gelb strahlende Aura. Nun kann man eine starke Persönlichkeit sein, aber ohne Aktivität, man kann innerlich stark reagieren, ohne ein Tatenmensch zu sein. Dann zeigt die Aura gleichwohl viel Gelb. Ist man aber ein Tatenmensch und wirkt sich die Persönlichkeit in der Außenwelt aus, so geht das Gelb allmählich in ein strahlendes Rot über. Eine rot strahlende Aura ist die eines Tatenmenschen; sie muß aber strahlen.
Doch gibt es eine Klippe, wenn die Persönlichkeit zu Taten drängt. Das ist der Ehrgeiz, die Eitelkeit. Davon können besonders leicht starke Naturen befallen werden. Der Hellseher sieht dies in der Aura. Ohne den Ehrgeiz geht das Gelb unvermittelt in Rot über. Ist der Mensch jedoch ehrgeizig, so hat er viel Orange in der Aura. Diese Schwelle muß man überwinden, um zur objektiven Tat zu gelangen.
Schwache Persönlichkeiten sind solche, die mehr darauf gerichtet sind, daß man ihnen gibt, als daß sie geben und etwas tun. Da sehen Sie dann hauptsächlich blaue Farben, und wenn die Menschen besonders bequem sind, die Indigofarbe. Es bezieht sich dies mehr auf die innerliche Bequemlichkeit als auf die äußere.
Sie sehen, wie sich in der Aura des Menschen die starke oder schwache Persönlichkeit abspiegelt." (Lit.: GA 96, S 322)


"Sie wissen daß der Astralleib, in dem die inneren Triebe, Begierden und Leidenschaften des Menschen leben, für den Hellseher als Lichtleib sichtbar wird. In diesem Lichtleib erscheinen die mannigfaltigsten Figuren und Farben [Abbildung links]. Jede Leidenschaft, jeder Trieb hat eine bestimmte Farbe. Das alles, sogar die Grundstimmung prägt sich in diesem Lichtleib aus. Wenn Sie bei einem Menschen, der sehr nervös ist, den Lichtleib ansehen, so haben Sie denselben ganz geschwängert mit aufglitzernden und leuchtenden Punkten. Das alles glänzt auf und verschwindet und spielt in den verschiedensten Farben.
Wenn ein furchtbarer Affekt vorliegt, so finden Sie solche Strahlen [Abbildung rechts]:
Ein Mensch, der einen verhaltenen Groll hat, hat in sich Figuren wie Schlangen.
Es ist das aber schwer zu zeichnen, da es wie etwa der Blitz fortwährend in Bewegung ist. Innerlich ist also Zorn oder Groll oder Nervosität da, wenn die Seele innerlich zappelt. Was der Mensch da innerlich erlebt, ist sein Seelenzustand. Äußerlich wird dieser Seelenzustand für den Hellsehenden als Lichterscheinung sichtbar." (Lit.: GA 96, S 130)
Literatur
- Rudolf Steiner: Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung, GA 9 (1904), Kapitel VI. Von den Gedankenformen und der menschlichen Aura)
- Rudolf Steiner: Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft, GA 96 (1989), Berlin, Zwanzig Vorträge vom 29. Januar 1906 bis 12. Juni 1907
![]() Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
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