Abstraktum

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Ein Abstraktum (Pl. Abstrakta; lat. nomen abstractum, von abstractus (-a, -um) „abgezogen“) ist in der Grammatik und Sprachwissenschaft ein Substantiv, mit dem etwas Nichtgegenständliches bezeichnet wird. Beispiele für Abstrakta sind der Glaube, die Liebe, die Hoffnung, der Stress, die Höflichkeit oder der Sozialstaat. Als Gegenbegriff gilt das Konkretum, etwas Dingliches.

Der Denkprozess, der bestimmte Eigenschaften von nicht-dinglichen und dinglichen Einheiten zur Begriffsbildung in sprachliche Beschreibungen fasst, wird allgemein – also auch außerhalb der Grammatik – als Abstraktion bezeichnet.

Definition

Nomen, das nicht dingliche, sinnlich nicht wahrnehmbare Erscheinungen bezeichnet wie Vorgänge, Zustände, Eigenschaften, Beziehungen, geistige Konzepte und Gefühle, Maße usw. Zum Beispiel: Ruhe, Liebe, Alter, Entfernung, Unterschied, Musik, Geographie, Verstand usw.

Abstrakta als Stilmittel

Abstrakta finden sich schon in der römischen Dichtung wieder; ein bekannter Praktizierer war z. B. Sallust, der in seinen Texten Abstrakta gegenüber Konkreta bevorzugte (z. B. bei De coniuratione Catilinae). Das hatte z. B. den praktischen Grund, dass man dadurch zwar gewisse Personen ansprechen konnte, einem selbst aber nichts Nachteiliges oder Strafbares nachgewiesen werden konnte, da keine konkreten Namen verwendet wurden. Dadurch konnte man oft eine Zensur umgehen und das eigene Leben schützen.

Abstraktum als Abstraktum

Abstraktum und Sprache können selbst als Abstrakta betrachtet werden, und die Unsicherheit beim Umgang mit ungegenständlichen Begriffen und Bezeichnungen durchzieht die Philosophiegeschichte. Fritz Mauthner charakterisiert 1906 das Abstraktum als unwirklichen und unfassbaren Begriff:

„Was ist das Wesen der Sprache? In welcher Beziehung steht ,die Sprache‘ zu den Sprachen. Die einfachste Antwort wäre: ,die Sprache‘ gibt es nicht; das Wort ist ein so blasses Abstraktum, daß ihm kaum mehr etwas Wirkliches entspricht. Und wenn die menschliche Sprache als ,Werkzeug‘ der Erkenntnis, wenn insbesondere meine Muttersprache als Werkzeug auch zuverlässig wäre, so müßte ich den Versuch dieser Kritik von vornherein aufgeben, weil dann der Gegenstand der Untersuchung ein Abstraktum, ein unwirklicher und unfaßbarer Begriff ist. Damit stehe ich vor dem ersten betrübenden Dilemma. Nur wenn die menschliche Sprache und insbesondere meine Muttersprache nicht zuverlässig und nicht logisch ist, nur dann werde ich hinter dem äußersten Abstraktum ,die Sprache‘ noch etwas Wirkliches entdecken; dann aber werde ich wegen der Unzuverlässigkeit des Werkzeugs die Untersuchung nicht so gründlich vornehmen können, wie ich möchte. Da ich aber diese Eingangssätze nicht tatsächlich am Anfang meiner Beobachtungen abfasse, sondern nach jahrelangen Mühen, so weiß ich schon, daß dieses betrübende Dilemma mich von Schritt zu Schritt verfolgen wird.“

Fritz Mauthner, Wesen der Sprache, Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Erster Band, 1906.

Abstraktum als Hilfsmittel

Ein Abstraktum kann wie ein Hilfsmittel eingesetzt werden: Es wird verwendet, so lange man es zu einem bestimmten Zweck benötigt, zum Beispiel, bestehende Verhältnisse neu zu betrachten. In diesem Sinne sieht Hanna Meißner die Funktion von Abstrakta:

„[B]egriffliche Abstrakta [sind] sinnvoll, um eine analytische Rekonstruktion von den je historischen Dispositiven oder Apparaten zu ermöglichen, die gestaltet werden könnten, um andere Beugungen zu erzeugen, andere Materialisierungen zu ermöglichen.“

Hanna Meißner, 2013.[1]

Siehe auch

Weblinks

 Wiktionary: Abstraktum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Belege

  1. Hanna Meißner: Feministische Gesellschaftskritik als onto-epistemo-logisches Projekt. In: Corinna Bath, Hanna Meißner, Stephan Trinkhaus, Susanne Völker (Hg.): Geschlechter Interferenzen: Wissensformen – Subjektivierungsweisen – Materialisierungen. Lit, Berlin/Münster 2013, ISBN 978-3-643-10904-0, S. 163–208, Zitat S. 198 f.
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