Elektroenzephalografie

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Hans Berger (1873-1941)
14-kanaliges EEG

Die Elektroenzephalografie (EEG, von griech. ἐγκέφαλος enképhalosGehirn“ und γράφειν gráphein „schreiben“) dient in den Neurowissenschaften und in der Medizin dazu, die summierte elektrische Aktivität des Gehirns durch an der Kopfoberfläche angebrachte Elektroden als Spannungsschwankungen zu registrieren und als Elektroenzephalogramm (abgekürzt ebenfalls EEG) grafisch darzustellen. Die Methode wurde ab 1924 von dem deutschen Neurologen und Psychiater Hans Berger (1873-1941) entwickelt und 1929 erstmals veröffentlicht[1][2]. Ein prägendes Erlebnis, das er als 19-jähriger Student während einer militärischen Übung hatte und als Gedankenübertragung interpretierte, weckte sein Interesse an den „Hirnströmen“:

„Als 19jähriger Student bin ich bei einer militärischen Übung in Würzburg schwer verunglückt und mit knapper Not einem sicheren Tode entgangen. Ich stürzte, auf dem schmalen Rand eines steilen Hohlwegs reitend, mit dem sich aufbäumenden und sich überschlagenden Pferde in eine in der Tiefe des Hohlwegs fahrende Batterie und kam unter das Rad eines Geschützes zu liegen. Im letzten Augenblick hielt das mit 6 Pferden bespannte Geschütz an, und ich kam mit dem Schrecken davon. Dies hatte sich in den Vormittagsstunden eines schönen Frühlingstages zugetragen. Am Abend desselben Tages erhielt ich von meinem Vater eine telegraphische Anfrage, wie es mir gehe? Es war dies das erste und einzige Mal in meinem Leben, daß ich eine solche Anfrage erhielt. Meine älteste Schwester, mit der ich in besonders innigem geschwisterlichen Verkehr stand, hatte diese telegraphische Anfrage veranlaßt, weil sie plötzlich meinen Eltern gegenüber behauptete, sie wisse bestimmt, daß mir ein Unglück zugestoßen sei. Meine Angehörigen lebten damals in Coburg. Das ist eine spontane Gedankenübertragung, bei der ich wohl im Augenblick der höchsten Gefahr, den sicheren Tod vor Augen, als Sender und die mir besonders nahe stehende Schwester als Empfängerin tätig war.“[3]

Die Spannungsschwankungen liegen im Bereich von etwa 5 bis 100 µV. Klinische EEGs werden mit mindestens 12 Kanälen aufgezeichnet, hochauflösende EEGs verwenden bis zu 256 Elektroden. Dennoch bleibt die Auflösung noch relativ grob und liegt im Breich mehrerer Zentimeter. Aus dem grundlegenden Rauschen heben sich dabei rhythmische Schwingungen heraus, die sich als Wellen über die Kopfoberfläche ausbreiten. Sie werden in Frequenzbänder eingeteilt, die typisch für bestimmte Bewusstseinszustände sind, wobei die genauen Frequenzlagen individuell variieren. So wird etwa durch lokale und weiträumige Unterbrechungen der Theta-Gamma-Phasen-Amplituden-Kopplung im Temporallappen (Schläfenlappen) und der Theta-Phasen-Synchronisation im frontotemporalen Kortex im Alter das Kurzzeitgedächtnis schwächer. Eine elektrische Stimmulation im individuellen Frequenzbereich bringt hier eine deutliche Verbesserung, wie neuere UNtersuchungen gezeigt haben[4]. Höhere Frequenzen entsprechen dabei wacheren, bewussteren Zuständen. Durch optische oder akustische Reize, Neurofeedback oder transkranielle Magnetstimulation lassen sich die Gehirnwellen auch beeinflussen.

EEG-Frequenzbänder
Frequenzband Frequenz Zustand Mögliche Effekte
Delta (δ) 0,5–<4 Hz Tiefschlaf, Trance
Theta (θ) Niedrig (Theta 1) 4–6,5 Hz Hypnagogisches Bewusstsein (Einschlafen), Hypnose, Wachträumen
Hoch (Theta 2) 6,5–<8 Hz Tiefe Entspannung, Meditation, Hypnose, Wachträumen, , Kurzzeitgedächtnis Erhöhte Erinnerungs- und Lernfähigkeit, Konzentration, Kreativität, Erleichterung des Meditationszustands[5]
Alpha (α) 8–13 Hz Leichte Entspannung, Super Learning (unterbewusstes Lernen), nach innen gerichtete Aufmerksamkeit, geschlossene Augen Erhöhte Erinnerungs- und Lernfähigkeit
Beta (β) Niedrig (Sensorimotor Rhythm, SMR) >13–15 Hz Entspannte nach außen gerichtete Aufmerksamkeit Gute Aufnahmefähigkeit und Aufmerksamkeit
Mittel 15–21 Hz Hellwach, normale bis erhöhte nach außen gerichtete Aufmerksamkeit und Konzentration Gute Intelligenzleistung
Hoch 21–38 Hz Hektik, Stress, Angst, Überaktivierung Sprunghafte Gedankenführung
Gamma (γ) 38–70 Hz Anspruchsvolle Tätigkeiten mit hohem Informationsfluss, Meditation (tibetische Mönche mit langjähriger Meditationserfahrung zeigen hier besonders intensive Oszillationen im höchstmöglichen Frequenzbereich) Transformation oder neuronale Reorganisation

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Hans Berger: Über das Elektrenkephalogramm des Menschen, in: Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, Band 87, Nr. 1, Springer-Verlag, 1929, S. S. 527–570, doi:10.1007/BF01797193 pdf
  2. David Millett: Hans Berger: From Psychic Energy to the EEG, in: Perspectives in Biology and Medicine, Volume 44, Number 4, Herbst 2001, S. 522-542 doi:10.1353/pbm.2001.0070 pdf
  3. Hans Berger: Psyche, Verlag Gustav Fischer, Jena 1940, S. 5f.
  4. Robert Reinhart, John A. Nguyen: Working memory revived in older adults by synchronizing rhythmic brain circuits, in: Nature Neuroscience 22(Suppl. 1), Mai 2019 doi:10.1038/s41593-019-0371-x pdf
  5.  Christina F. Lavallee, Stanley A. Koren, Michael A. Persinger: A Quantitative Electroencephalographic Study of Meditation and Binaural Beat Entrainment. In: The Journal of Alternative and Complementary Medicine. 17, 2011, S. 351–355, doi:10.1089/acm.2009.0691.