Angst

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Der Schrei, Edvard Munch 1893

Die Angst (seit dem 8. Jahrhundert, von gemein-indogermanisch *anghu-, „beengend“ über althochdeutsch angust, urverwandt mit lateinisch angustia, „die Enge“ und angor, „das Würgen“) ist ein Seelenzustand, der auf den Einfluss Ahrimans zurückzuführen ist. Die Angst ist, im Gegensatz zur Furcht, ein allgemeiner, ungerichteter Gefühlszustand, der nicht aus einer bestimmten, spezifisch fassbaren Bedrohung resultiert, sondern als mehr oder weniger dauerhafte Grundstimmung bewusst oder unbewusst das Leben prägt. Angst schärft in der Regel die Sinne, lähmt aber Verstand und Willenskraft. Angst und Furcht können sich pathologisch bis zur Phobie steigern. Oft tritt die pathologische Angst in engem Zusammenhang zu einer Depression auf. Als Angststörungen werden psychische Störungen bezeichnet, bei denen auch ohne wirkliche äußere Bedrohungen übertriebene Angstreaktionen auftreten.

Antonymbegriffe sind Mut, Zuversicht und Gelassenheit.

Die Angst vor dem Unbekannten

„Was hemmt aus der Zukunft unsere Entwickelung, unseren Aufstieg zum Geistigen? Da brauchen wir nur daran zu denken, daß gerade jene Gefühle und Empfindungen, die wir schon nennen konnten, fressen an unserem Seelenleben: Angst und Furcht vor dem Unbekannten der Zukunft.“ (Lit.:GA 59, S. 113)

„Wer ängstlich und furchtsam hinblickt auf das, was ihm die Zukunft bringen kann, der hindert seine Entwickelung, hemmt die freie Entfaltung seiner Seelenkräfte. Nichts ist eigentlich dieser freien Entfaltung der Seelenkräfte so hinderlich als die Furcht und Angst vor dem Unbekannten, das aus dem Strome der Zukunft in die Seele hereintritt.“ (Lit.:GA 59, S. 114)

Die Bewältigung von Angst und Furcht mithilfe der Ergebenheit

Um die Angst und Furcht zu bewältigen, die aus der Zukunft kommen, empfiehlt Rudolf Steiner ein Ergebenheitsgefühl mit Hilfe des Gebets zu entwickeln.

Ergebenheitsstimmung

Ergebenheits - Gebet

Was auch kommt, was mir auch die nächste Stunde, der nächste Tag bringen mag:
Ich kann es zunächst, wenn es mir ganz unbekannt ist, durch keine Furcht ändern.
Ich erwarte es mit vollkommenster innerer Seelenruhe, mit vollkommener Meeresstille des Gemütes.[1]

Durch Angst und Furcht wird unsere Entwicklung gehemmt;
wir weisen durch die Wellen der Furcht und Angst zurück, was in unsere Seele aus der Zukunft herein will.[2]

Die Hingabe an das, was man göttliche Weisheit in den Ereignissen nennt,
die Gewissheit, dass das, was da kommen wird, sein muss,
und dass es auch nach irgendeiner Richtung seine guten Wirkungen haben müsste,
das Hervorrufen dieser Stimmung in Worten, in Empfindungen, in Ideen,
das ist die Stimmung des Ergebenheitsgebetes.[3]

Es gehört zu dem, was wir in dieser Zeit lernen müssen: Aus reinem Vertrauen zu leben,
ohne Daseinssicherung, aus dem Vertrauen auf die immer gegenwärtige Hilfe der geistigen Welt.
Wahrhaftig anders geht es heute nicht, wenn der Mut nicht sinken soll.

Nehmen wir unseren Willen gehörig in Zucht und suchen wir die Erweckung von innen jeden Morgen und jeden Abend.

[Das Gebet stammt in dieser Form nicht unmittelbar von Rudolf Steiner! Die ersten drei Absätze des Textes sind - in teils veränderter Form - zusammengestellt aus drei Textstellen des Vortrags von Rudolf Steiner »Das Wesen des Gebetes« Berlin 17. 2. 1910, GA 059, S. 114, – die beiden letzten Absätze geben in abgewandelter Form einen von Zeylmans van Emmichoven überlieferten[4] Wortlaut wieder, der von Rudolf Steiner stammen soll; vgl. dazu auch (Lit.: Beiträge 098, S. 16) und (Lit.: GA 040a, S. 284-285)]


„Es ist, wie wenn gleichsam Hemmnis nach Hemmnis von der Seele fiele, wenn sie immer mehr und mehr jene Stimmung überkommt, die jetzt als «Ergebenheit» charakterisiert worden ist gegenüber den aus der Zukunft uns zuströmenden Ereignissen.“ (Lit.:GA 59, S. 115)

„So ist diese Ergebenheit, die uns scheinbar klein macht, eine starke Kraft, die uns der Zukunft entgegenträgt, so daß die Zukunft den Inhalt der Seele bereichert und unsere Entwickelung auf eine immer neue Stufe bringt.“ (Lit.:GA 59, S. 117)

Der Sinn der Angst

ansehen im RUDOLF STEINER VERLAG

Die Angst sollte nicht grundsätzlich als etwas Schlechtes angesehen werden, denn auch sie hat ihre berechtigte Aufgabe im Dasein des Menschen. Der Umgang mit der Angst ist entscheidend. Henning Köhler beschreibt das in seinem Buch über die Angst wie folgt:

"Angst gehört zu unserem Leben als eine selbstverständliche Reaktion auf Eindrücke, Begegnungen und Anforderungen, denen wir nicht gewachsen sind. Ihr gegenüber eine Haltung der Feindseligkeit, des Vermeidenwollens um jeden Preis zu entwicklen, führt letztlich zum Hass auf sich selbst und die Welt. Wir werden, wenn wir uns nicht um eine Befreundung mit der Angst bemühen, das heißt um einen inneren Weg, der uns hilft, ihre positiven Seiten in unsere Lebensplanung sinnvoll einzubeziehen, auf Abwege der Verleugnung und Verdrängung, des antisozialen Verhaltens, der Vereinsamung, intellektuellen Überhebung und Verführbarkeit durch betrügerische Bewältigungsangebote geraten." [5]

"Die Angst veranlasst uns, dasjenige zu erhalten und zu verfestigen, was <<determiniert in der Lebenssituation>>. Darin liegt auch ihre Wichtigkeit, denn wir brauchen natürlich das Festgelegte und Festlegende, wie man Boden unter den Füßen haben muss, um vorwärts zu kommen. Aber andererseits könnten wir ohne das gegen die Festlegung arbeitende Ich gar keinen Begriff von Zukunft entwickeln und somit auch uns nicht entwickeln!" [6]

Verwandelte Angst kann zu Feinfühligkeit, Gerechtigkeitsempfinden, Zärtlichkeit und weiteren wichtigen sozialen Fähigkeiten werden.

Angst und Einweihung

Im Zusammenhang mit den Gefahren des Schulungsweges beschreibt Rudolf Steiner die Angst folgendermaßen:

„Furcht und Angst, solche negativen Gefühle, die sind in der Tat etwas, was, wenn es aus dem Menschen ausströmt, dadurch, dass er die entsprechenden geistigen Wesen und Kräfte kennenlernt, verhängnisvoll werden kann. Diese Angst und diese Furcht sind in der Tat etwas, was den Menschen zu der geistigen Welt in ein verhängnisvolles Verhältnis setzt; denn es gibt in der geistigen Welt Wesenheiten, für die Angst und Furcht, die von dem Menschen ausströmen, wie eine willkommene Nahrung sind. Hat der Mensch nicht Angst und nicht Furcht, dann hungern diese Wesen. Derjenige, der noch nicht tiefer eingedrungen ist, möge das als Vergleich nehmen. Derjenige aber, welcher diese Sache kennt, weiß, dass es sich um eine Wirklichkeit handelt.“ (Lit.:GA 56, S. 145)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Originalwortlaut: "Was auch
    kommt, was mir auch die nächste Stunde, der nächste
    Morgen bringen mag, ich kann es zunächst, wenn es mir
    ganz unbekannt ist, durch keine Furcht und Angst ändern.
    Ich erwarte es mit vollkommenster innerer Seelenruhe, mit vollkommener Meeresstille des Gemütes!" GA 059, S. 114f
  2. Originalwortlaut: "Durch Angst und Furcht wird unsere Entwickelung
    gehemmt; wir weisen durch die Wellen der Furcht und
    der Angst das zurück, was in unsere Seele aus der
    Zukunft herein will." GA 059, S. 117
  3. Originalwortlaut: "Hingabe an das,
    was man göttliche Weisheit in den Ereignissen nennt;
    hervorrufen in sich selber immer wieder den Gedanken,
    die Empfindung, den Impuls des Gemütslebens, daß das,
    was da kommen werde, sein muß, und daß es nach
    irgendeiner Richtung seine guten Wirkungen haben müsse:
    das Hervorrufen dieser Stimmung in der Seele und
    das Ausleben dieser Stimmung in Worten, in Empfindungen,
    in Ideen, das ist die zweite Art der Gebetsstimmung,
    die Stimmung des Ergebenheitsgebetes." GA 059, S. 115
  4. Emanuel Zeylmans: Willem Zeylmans van Emmichoven. Ein Pionier der Anthroposophie, Ariesheim 1979, S. 358
  5. Henning Köhler:, Vom Rätsel der Angst, Wo die Angst begründet liegt und wie wir mit ihr umgehen können, 4. Aufl., Verlag Freies Geistesleben 2007, S. 44.
  6. Henning Köhler:, Vom Rätsel der Angst, Wo die Angst begründet liegt und wie wir mit ihr umgehen können, 4. Aufl., Verlag Freies Geistesleben 2007, S. 88.