Furcht

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Die Furcht (griech. Φόβος Phobos; hebr. יראה jir'A; auch פחד pAchad[1]) oder Befürchtung ist ein Seelenzustand, der aus einer konkreten gegenwärtigen oder vorausgeahnten realen oder zumindest als real empfundenen spezifischen Bedrohung resultiert. Sie ist daher auch, anders als das allgemeine, unspezifische Gefühl der Angst, meist rational begründbar und kann in rechter Weise zur Vorsicht mahnen, sofern sie nicht eine Stärke erreicht, die unsere Verstandes- und Willenskraft lähmt. Der Übergang von der Furcht zur Angst ist aber durchaus gleitend. Angst und Furcht können sich pathologisch bis zur Phobie steigern. Antonymbegriffe sind Mut, Zuversicht und Gelassenheit.

Aristoteles beschrieb in seiner Poetik, dass der Zuschauer einer Tragödie, indem er Furcht und Mitleid (eleos) an dem tragischen Schicksal des Helden erlebt, eine Läuterung (Katharsis) eben dieser Seelenzustände erfährt.

Die Entstehung der Furcht

Die Furcht ist eine Begleiterscheinung der Entwickelung des Menschen zur Freiheit, welche durch den luziferischen Einfluss in der lemurischen Zeit entstand:

„Man sieht aber auch, wie mit dem luziferischen Einflusse der Mensch unabhängig wurde von bestimmten Kräften, denen er vorher willenlos hingegeben war. Er konnte nunmehr aus sich heraus Entschlüsse fassen. Die Freiheit ist das Ergebnis dieses Einflusses. Und die Furcht und ähnliche Gefühle sind nur Begleiterscheinungen der Entwickelung des Menschen zur Freiheit.“ (Lit.:GA 13, S. 256)

Furcht als Krankheitsursache

Konstitution des Menschen

Entscheidend für den Ausbruch und Verlauf einer Infektionskrankheit ist nicht nur die Pathogenität und Verbreitung des Erregers, sondern vor allem auch die Konstitution des befallenen Organismus und das physische, seelische und geistige Milieu, in dem er lebt. Der Erreger ist zwar notwendig, um die Krankheit zu erregen, aber er ist nicht deren eigentliche Ursache. Wie auch die Schulmedizin zeigt, spielen Psychische Ursachen hier eine wesentliche Rolle und geben den Krankheitserregern überhaupt erst die Möglichkeit, sich zu entfalten. Ellis Huber, Vorsitzender des Berufsverbands deutscher Präventologen und langjährig Vorsitzender der deutschen Ärztekammer, schrieb dazu anlässlich der COVID-19-Krise:

Robert Koch, der Namensgeber des RKI, sagte bei seinem Nobelpreis Vortrag zum Beziehungsverhältnis von Krankheitserreger und Menschen: „Das Bakterium ist nichts, der Wirt ist alles.“ Der Arzt und Infektiologe Louis Pasteur war der gleichen Meinung: „Das Bakterium ist nichts, das Milieu ist alles.“ Der Sozial- und Umweltmediziner Max von Pettenkofer trank im Jahr 1892 öffentlich eine Flüssigkeit voller Cholerabazillen und blieb gesund. Er wollte zeigen, dass die Lebenswelt der Menschen für die Cholerakrankheit entscheidend sei. Und tatsächlich: Die Infektionskrankheiten wurden nicht durch die Segnungen der Medizin, sondern durch die gesellschaftliche Entwicklung gesunder Lebensverhältnisse besiegt. Pasteur, Virchow, Pettenkofer und Koch, die Helden der naturwissenschaftlichen Medizin, sorgten mit politischer und medizinischer Courage für „saubere Städte“ und gesündere Lebensräume und damit für ein neues Gleichgewicht zwischen Bakterien, Menschen und ihrem Gemeinwesen.“

Ellis Huber: Das Virus, die Menschen und das Leben. Das Coronavirus im Vergleich zur alltäglichen Gesundheitsversorgung[2]

Das wird heute durch die interdisziplinären Forschungsgebiete der Psychoneuroimmunologie und Psychoneuroendokrinologie weitgehend bestätigt. Es hat sich gezeigt, dass Botenstoffe des Nervensystems auf das Immunsystem und Botenstoffe des Immunsystems auf das Nervensystem wirken. Wichtige Schnittstellen dieser biologisch-mentalen Regelkreise sind das Gehirn mit der Hirnanhangdrüse, die Nebennieren und die Leukozyten (Immunzellen). Psychische, neurologische und hormonelle Faktoren und ihre komplexe Wechselwirkung sind für die Immunabwehr entscheidend. Von grundlegender Bedeutung dafür, ob ein Mensch zum Krankheitsträger oder Krankheitsempfänger wird, ist seine ganz spezifische Individualität. Die personale Medizin (Lit.: Danzer 2012), teils auch die nicht damit zu verwechselnde personalisierte Medizin, sind erste schulmedizinischer Ansätze in dieser Richtung. Aus geisteswissenschaftlicher Sicht spielen darüber hinaus auch karmische Wirkungen aus früheren Inkarnationen eine Rolle (siehe unten).

„In vieler Beziehung sind diejenigen Dinge bewundernswert, welche von der Schulmedizin in der letzten Zeit geleistet worden sind [...] Aber auf der anderen Seite können wir sehen, daß berechtigte Ansprüche dieser Schulmedizin sehr leicht unser ganzes Leben durchkreuzen können, was in gewisser Beziehung zu einer Tyrannis führen kann [...] So könnte es dahin kommen, daß die Forderung aufgestellt würde, die Krankheitskeimträger zu isolieren [...] Zu welchen Konsequenzen das führen muß, wenn man diesen Menschen den Umgang erschweren würde, das mag man daraus erkennen: Man kann anführen und es ist schon angeführt worden —, daß an irgendeiner Schule plötzlich eine größere Anzahl von Kindern an dieser oder jener Krankheit erkrankt ist. Man wußte nicht, woher die Krankheit gekommen ist. Da stellte sich heraus, daß die Lehrer die eigentlichen Krankheitsträger waren. Sie selber sind nicht von der Krankheit befallen worden, aber die ganze Schule ist von ihnen angesteckt worden. Der Ausdruck Bazillenträger oder Bazillenfänger ist ein Ausdruck, der von einer gewissen Seite sogar mit einem gewissen Recht gebraucht werden kann. Daß derjenige, welcher Laie ist auf diesem Gebiete, in allem, was ihm entgegentreten kann von dieser oder jener Seite, sich recht wenig auskennt, das ist schon aus dem wenigen, was wir anführen konnten, fast selbstverständlich [...]

Nun müssen wir sagen: [...] Als Grundsatz im tiefsten und bedeutsamsten Sinne muß gelten, daß vor allen Dingen vor uns stehen muß die Individualität des Menschen als eine einzelne Realität, als etwas, was anders ist als jeder andere Mensch.“ (Lit.:GA 57, S. 195f)

Im Zusammenhang mit Betrachtungen zur Darmflora wehrt sich Rudolf Steiner gegen die Anschauung, die im Erreger die primäre Ursache einer Krankheit sieht:

„Es ist schon wirklich eigentlich schrecklich, wenn man heute an die Prüfung der pathologischen Literatur herangeht und bei jedem Kapitel aufs Neue darauf stößt: für diese Krankheit ist der Bazillus entdeckt, für jene Krankheit ist der Bazillus entdeckt und so weiter. ...Für das Kranksein hat das keine andere Bedeutung als höchstens die eines Erkennungszeichens, eines Erkennungszeichens insofern nämlich, als man sagen kann: Wenn die oder jene Krankheitsform zugrunde liegt, so ist im menschlichen Organismus die Gelegenheit geboten, dass sich diese oder jene interessanten kleinen Tier- oder kleinen Pflanzenformen auf einem solchen Unterboden entwickeln, aber sonst weiter nichts. Mit der wirklichen Krankheit diese Entwickelung der kleinen Fauna und kleinen Flora in einem sehr geringen Maße etwas zu tun, höchstens in einem indirekten Maße.“ (Lit.:GA 312, S. 81f)

Der Blick sei vielmehr auf die tieferliegenden Ursachen zu richten, die es den Krankheitserregern überhaupt erst ermöglichen, sich zu entwickeln, und in der Folge allerlei Erscheinungen wie z. B. Entzündungen hervorzurufen.

„Denn bedenken Sie nur, wenn im Verlaufe irgendeiner Krankheit in irgendeinem Körperteile Bazillen in größerer Menge auftreten, ist es ja natürlich, daß diese Bazillen Erscheinungen hervorrufen, wie jeder Fremdkörper im Organismus Erscheinungen hervorruft, daß infolge des Vorhandenseins dieser Bazillen allerlei Entzündungen auftreten. Schreibt man nun alles der Wirksamkeit dieser Bazillen zu, so lenkt man die Aufmerksamkeit tatsächlich nur auf dasjenige, was eigentlich die Bazillen machen. Man lenkt dabei aber diese Aufmerksamkeit ab von dem eigentlichen Ursprung der Erkrankung. Denn jedesmal, wenn im Organismus niedere Organismen einen geeigneten Boden für ihre Entwicklung finden, so ist eben dieser geeignete Boden durch die eigentlichen primären Ursachen schon geschaffen. Auf dieses Gebiet der primären Ursachen muß einmal die Aufmerksamkeit gelenkt werden.“ (Lit.:GA 312, S. 328f)

Heinz Grill schildert am Beispiel der Tollwuterkrankung, wie aus seelisch-geistiger Sicht der Mensch selbst die Ursache für Virusinfektionen bildet:[3]

„Der Rabiesvirus entstand zu einer Zeit, als der Mensch erstmals eine eigenartige Entdeckung leisten konnte und diese äußert sich in der lasterhaften Verführung zur Bequemlichkeit. Bis zur Zeit der Antike war die Genusswelt der Bequemlichkeit für den Menschen eine völlig unbrauchbare Wirklichkeit, so ungeeignet, wie wenn heute jemand nur noch im warmen Bett verweilen möchte und jede Aktivität scheut. Indem er aber die Bequemlichkeit entdeckte und sich dieser mit emotionalen Wonnegefühlen hingeben lernte, sendete er förmlich eine zerstörende Kraft auf die Weltenschöpfung aus und es kam ein Virus in das Tierreich, der eine heftige Attackierung auf das Nervensystem mit Aggression und Kämpfen bis hin zum unweigerlichen Tode verursachte. Nicht vom Tier zum Menschen sondern von den Verhaltensweisen, die die menschliche Entwicklung hervorbrachte, entsandte sich der Virus, der zum Tierreich überging und von diesem wieder zurück zum Menschen kam.“

Furcht vor Ansteckung

Siehe auch: Angst und Furcht

Durch die Furcht vor der Ansteckung wird das Immunsystem geschwächt. Angststörungen führen nachweislich zu einer verringerten Produktion von Lymphozyten, die für die Immunabwehr unerlässlich sind. Die Furcht vor Bazillen vergleicht Rudolf Steiner mit der mittelalterlichen Furcht vor Gespenstern:

„In unserer Zeit gibt es bekanntlich eine Furcht, die sich ganz sinngemäß vergleichen läßt mit der mittelalterlichen Furcht vor Gespenstern. Das ist die heutige Furcht vor den Bazillen. Die beiden Furchtzustände sind sachlich ganz dasselbe. Sie sind auch insofern ganz dasselbe, als ein jedes der beiden Zeitalter, das Mittelalter und die Neuzeit sich so verhalten, wie es sich für sie schickt. Das Mittelalter hat einen gewissen Glauben an die geistige Welt; es fürchtet sich selbstverständlich dann vor geistigen Wesenheiten. Die neuere Zeit hat diesen Glauben an die geistige Welt verloren, sie glaubt an das Materielle, sie fürchtet sich also vor materiellen Wesenheiten, wenn diese auch noch so klein sind [...]

Nun soll ja damit selbstverständlich nicht gesagt werden, daß die Bazillen durchaus gepflegt werden sollen, und daß es etwas Gutes ist, recht viel sozusagen mit Bazillen zusammenzuleben. Das soll durchaus nicht gesagt werden. Aber es widerspricht auch nicht dem, was gesagt wurde, denn schließlich Bazillen sind gewiß da, aber Gespenster waren auch da. Für diejenigen, die an die geistige Welt wirklich glauben konnten, ist nicht einmal in bezug auf Realität ein Unterschied in dieser Beziehung.“ (Lit.:GA 154, S. 46)

„Besonders muß man sich aber hüten, in irgendeinem Zeitalter darauf Rücksicht zu nehmen, was in dem Zeitalter gerade als Autorität auftritt. Solange man nicht spirituelle Einsicht hat, wird man da sehr fehlgehen können.

Das ist insbesondere auf einem Gebiete der Menschheitskultur der Fall, auf dem Gebiete der materialistischen Medizin, wo wir sehen, wie eben das maßgebend ist, was die Autorität in der Hand hat und immer mehr und mehr darauf Anspruch macht, wo das auf etwas hinauslaufen will, was viel, viel furchtbarer, schrecklicher ist als jemals irgendeine Autoritätsherrschaft des so viel angeklagten Mittelalters. Wir stehen schon heute darinnen, und das wird noch immer stärker und stärker werden. Wenn die Leute so furchtbar spotten über die Gespenster des mittelalterlichen Aberglaubens, dann möchte man wohl sagen: Ja, hat sich denn in bezug darauf etwas besonders geändert? Ist denn diese Gespensterfurcht etwa abgekommen? Fürchten die Leute nicht heute viel mehr Gespenster als dazumal? - Es ist viel schrecklicher, als man allgemein meint, was da vorgeht in der menschlichen Seele, wenn ihr vorgerechnet wird: Da auf der Handfläche sind 60000 Bazillenherde. In Amerika ist ausgerechnet worden, wie viele solcher Bazillen in einem einzigen männlichen Schnurrbart sind. Müßte man sich also nicht doch entschließen zu sagen: Diese mittelalterlichen Gespenster waren wenigstens anständige Gespenster, aber die heutigen Bazillengespenster sind zu knirpshaft, zu unanständige Gespenster, als daß sie die Furcht begründen sollten, die zudem erst im Anfange ist, und die da macht, daß die Menschen gerade hier, auf gesundheitlichem Gebiet, in einen Autoritätsglauben geraten werden, der furchtbar ist.“ (Lit.:GA 127, S. 22)

Wie man das Infektionsrisiko verringern kann, erläutert Rudolf Steiner am Beispiel der Pockenerkrankung so:

„Man kann sagen, daß die Ansteckungsgefahr doch eine außerordentlich starke ist bei der Pockenerkrankung. Nur sollte man nicht so leichtsinnig sein, just immer gleich an physische Vermittlung zu denken bei der Übertragung, sondern es sind sogar bei der Pockenerkrankung besonders stark vorliegend die psychischen Anlagen. Dafür könnte ein Beweis der sein, daß man sich sehr gut schützen kann, wenn man in der Lage ist, sich in rechter Art abzuschließen. Ich darf darüber deshalb sprechen, weil ich einmal als zweiundzwanzigjähriger Mensch - die Umstände brauche ich nicht zu erwähnen - einen Schüler unterrichtet habe, dessen Mutter mit schwarzen Pocken unmittelbar daneben lag, nur durch eine spanische Wand getrennt von der Stube, in der ich meinen Unterricht gab. Ich habe nichts dagegen gemacht, habe den Unterricht die ganze Zeit fortgesetzt, bis die Mutter wieder gesund geworden ist. Aber ich habe das ganz gern getan, namentlich auch, um zu sehen, wie man sich schützen kann, wenn man absolut den Pockenkranken, also auch den an schwarzen Pocken Erkrankten, nimmt ganz objektiv wie ein anderes Objekt, wie einen Stein oder einen Strauch, dem gegenüber man gar keine weiteren Furchtgefühle noch sonst psychische Regungen hat, sondern ihn nimmt als eine objektive Tatsache. Da ist in der Tat der Ansteckungsgefahr in hohem Maße zu begegnen. Daher kann schließlich der psychische Faktor auch bei der Ansteckung stark mitspielen.“ (Lit.:GA 314, S. 286f)

Übungen zur Beseitigung der Furcht

Rudolf Steiner empfiehlt folgende Übungen zur Beseitigung der Furcht [4]:

Für 4 - 8 Wochen nimmt man sich morgens vor, eine bis ins Einzelne durchdachte Handlung zu einer genau bestimmten Stunde des Nachmittags durchzuführen. Oder man nimmt sich am 1. Tag eine Handlung vor, durchdenkt sie am 4. Tag in allen Einzelheiten und führt sie am 7. Tag aus.

Noch differenzierter ist folgende Übung: Am 1. Tag fasst man den Entschluss zu einer bestimmten Handlung und bereitet alle physischen und charakterlichen Bedingungen dazu vor. Am 12. Tag schafft man sich eine lebhafte Vorstellung der Handlung, durchdenkt sie gefühlsmäßig und steigert das bis zur Imagination. Am 19. Tag überdenkt man die eigenen Kräfte und Fähigkeiten. Am 23. Tag verschafft man sich einen Überblick über mögliche Hindernisse. Am 27. bereitet man in Liebe die Handlung vor und führt sie schließlich am 30. Tag aus.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise