Physisch

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Als physisch (von griech. φύσις, physis) wird in der Anthroposophie der jeweils mittlere, vierte Formzustand bezeichnet, der während einer Runde bzw. eines Lebenzustandes durchlaufen wird. Jede planetarische Weltentwicklungsstufe gliedert sich in sieben solcher Lebenszustände bzw. Runden und diese wiederum in sieben Formzustände.

  1. Arupa
  2. Rupa
  3. Astral
  4. Physisch
  5. Plastisch
  6. Intellektuell
  7. Archetypisch

Im physischen Formzustand hat man es mit räumlichen Formen zu tun, die aber nicht notwendigerweise sinnlich sichtbar und tastbar sein müssen. Tatsächlich ist die reine physische Form übersinnlicher Natur, und nur die mit irdischen Stoffen erfüllte Form wird sinnlich sichtbar. Die übersinnliche physische Formgestalt des physischen Leibes wird auch als Phantom bezeichnet, und sie ist gemeint, wenn von der Auferstehung des Leibes gesprochen wird.

Zu beachten ist, dass die Begriffe physisch und mineralisch nicht gleichbedeutend sind. Das Mineralische, der mittlere der sieben Lebenszustände, entwickelt sich durch alle Formzustände hindurch, von denen der physische Zustand nur wiederum der mittlere ist.

Im antiken Griechenland wurde der Begriff „physisch“ zunächst noch ganz auf das lebendige Wachstum der Pflanzen bezogen. Das älteste überlieferte Zeugnis dafür findet sich in der Odyssee des Homer[1] Ins Lateinische übertragen wurde der Begriff als natura (von lat. nasci „entstehen, geboren werden“). Man hatte damals noch ein Empfinden dafür, dass das Physische, das wir heute als ein vollkommen Totes ansehen, in Wahrheit aus einem lebendigen formbildenden Bildungsprozess hervorgegangen ist.

„Dem innerlichen Erleben der Seele muß erst das Schaffen dieses Lebens vorangehen. Denn nichts kann erlebt werden, was nicht erst ins Dasein getreten ist. Bezeichnet die Geheimwissenschaft das innere Erleben als Seelisches, so benennt sie das Schöpferische als Geistiges. Der [physische Leib] nimmt durch Organe wahr; die Seele erlebt sich im Innern; der Geist schafft nach außen. So wie den sieben Stufen des Bewußtseins sieben Seelenerlebnisse voran gehen, so gehen diesen Seelenerlebnissen entsprechend sieben Arten schöpferischer Tätigkeit voran. Dem dumpfen Erleben des Stoffes entspricht im Gebiete des Schöpferischen das Hervorbringen dieses Stoffes. Der Stoff strömt da in gleichgültiger Art in die Welt. Man bezeichnet dieses Gebiet als dasjenige der Formlosigkeit. Auf der nächsten Stufe gliedert sich der Stoff, und seine Glieder treten zueinander in Beziehung. Man hat es also da mit verschiedenen Stoffen zu tun, die sich verbinden, trennen. Dieses Gebiet wird als das der Form bezeichnet. Auf der dritten Stufe braucht nicht mehr Stoff zu Stoff selbst in Beziehung zu treten, sondern es gehen von dem Stoffe die Kräfte aus, die Stoffe ziehen sich an, stoßen sich ab und so weiter. Man hat es mit dem astralen Gebiet zu tun. Auf der vierten Stufe erscheint ein Stoffliches, gestaltet von den Kräften der Umwelt, die auf der dritten Stufe bloß die äußeren Beziehungen geregelt haben und die jetzt in das Innere der Wesen hineinarbeiten. Es ist dies das Gebiet des Physischen. Ein Wesen, das auf dieser Stufe steht, ist ein Spiegel seiner Umwelt; es arbeiten die Kräfte der letzteren an seiner Gliederung. - Der weitere Fortschritt besteht darinnen, daß das Wesen nicht nur sich in sich so gliedert, wie es im Sinne der Kräfte in der Umwelt ist, sondern daß es sich auch eine äußere Physiognomie gibt, welche das Gepräge dieser Umwelt trägt. Stellt ein Wesen der vierten Stufe einen Spiegel seiner Umwelt dar, so drückt ein solches der fünften Stufe diese Umwelt physiognomisch aus. Man nennt diese Stufe daher in der Geheimwissenschaft die physiognomische. Auf der sechsten Stufe wird die Physiognomie zur Ausströmung ihrer selbst. Ein Wesen, das auf dieser Stufe steht, bildet die Dinge seiner Umwelt so, wie es sich erst selbst gebildet hat. Es ist dies die Stufe des Gestaltens. Und auf der siebenten Stufe geht das Gestalten über in Schaffen. Das Wesen, das da angekommen ist, erschafft in seiner Umwelt solche Formen, welche im Kleinen nachbilden das, was seine Umwelt im Großen ist. Es ist die Stufe des Schöpferischen.

Die Entwickelung des Geistigen gliedert sich demnach in folgende Stufenreihe:

  1. die Formlosigkeit
  2. die Formgebung
  3. die Einverleibung von Kraft
  4. die Gestaltung im Sinne der Kräfte der Umwelt
  5. die physiognomische Ausdrucksfähigkeit
  6. die gestaltende Macht
  7. die schöpferische Fähigkeit.“ (Lit.:GA 89, S. 38ff)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. ὣς ἄρα φωνήσας πόρε φάρμακον ἀργεϊφόντης ἐκ γαίης ἐρύσας, καί μοι φύσιν αὐτοῦ ἔδειξε. (Also sprach Hermeias [im Original: Argeiphontes], und gab mir die heilsame Pflanze, die er dem Boden entriß, und zeigte mir ihre Natur an: Ihre Wurzel war schwarz, und milchweiß blühte die Blume.) Odyssee 10.302-4. Übersetzung von Johann Heinrich Voß, digibib und Wikisource.