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Seele

Aus AnthroWiki
Frederic Leighton: The Bath of Psyche, 1890

Die Seele (von urgerm. *saiwalō bzw. *saiwlō, vermutlich abgeleitet von *saiwaz, "See"; eng. soul), von den Griechen in der Antike Psyche (griech. ψυχή, psychḗ = „Atem, Atemhauch“; lat. anima) genannt und darum glegentlich auch als Atemseele bezeichnet, ist jenes Wesensglied des Menschen, das seine leibliche und geistige Existenz miteinander verbindet.

„Mit Leib ist hier dasjenige gemeint, wodurch sich dem Menschen die Dinge seiner Umwelt offenbaren [...] Mit dem Worte Seele soll auf das gedeutet werden, wodurch er die Dinge mit seinem eigenen Dasein verbindet, wodurch er Gefallen und Mißfallen, Lust und Unlust, Freude und Schmerz an ihnen empfindet. Als Geist ist das gemeint, was in ihm offenbar wird, wenn er, nach Goethes Ausdruck, die Dinge als «gleichsam göttliches Wesen» ansieht. - In diesem Sinne besteht der Mensch aus Leib, Seele und Geist.“ (Lit.: GA 9, S. 26f)

Anthroposophie vertritt also die Trichotomie, die Dreigliederung des Menschenwesens in die drei Wesensglieder Geist, Seele und Leib. In der katholischen Kirche gilt die Lehre von der Trichotomie seit dem Vierten Konzil von Konstantinopel (869) als Häresie. An ihre Stelle trat die Dichotomie, die dem Menschen nur mehr Leib und Seele zugesteht und seinen selbstständigen Geist leugnet. Diese dualistische Anschauung wirkt bis heute auch in der Philosophie und in den Wissenschaften nach, wie die nicht enden wollenden Diskussionen über das Leib-Seele-Problem zeigen, die vornehmlich an die von Descartes postulierte Scheidung des Menschenwesens in eine räumlich ausgedehnte körperliche res extensa und eine ausdehnungslose, punktförmige seelisch-geistige res cogitans anknüpfen. Wie es zwischen diesen völlig unterschiedlichen Substanzen zu einer psychophysischen Wechselwirkung kommen soll, bleibt dabei völlig unklar. Aus anthroposophischer Sicht sind Leib, Seele und Geist hingegen keine unterschiedlichen Substanzen, sondern im Sinn eines konsequenten Monismus verschiedene Erscheinungsformen ein und derselben geistigen Substanz. Bildhaft vergleichen lässt sich das mit dem Wasser, das als gasförmiger Dampf, als flüssiges Wasser und als fest gefrorenes Eis erscheinen kann.

Die in ihrer vollen Entfaltung nur dem Menschen ermöglichte seelische Innenwelt gliedert sich in drei in der Aura unterscheidbare Teile. Ihre leibgebundenen Anteile, nämlich die Empfindungsseele, die Verstandes- oder Gemütsseele und auch der der Sinneswelt zugewandte Teil der Bewusstseinsseele unterliegen der Sterblichkeit; nur der dem Geist zugewandte Teil der Bewusstseinsseele ist unsterblich. Dieser unsterbliche Teil der Seele ist aber nicht von vornherein und unverlierbar gegeben, sondern muss aktiv errungen und bewahrt werden (siehe → Unsterblichkeit der Seele).

Ihrer substanziellen Natur nach entstammt die Seele dem Astralleib, der sich seinerseits aus der Astralwelt herausgegliedert hat. Die Seele ist das Organ des Bewusstseins, der Begierden und Empfindungen und der menschlichen Seelenfähigkeiten des Denkens, Fühlens und Wollens, die das Seelenleben bestimmen. Künstlerisch wird sie meist in weiblicher Gestalt dargestellt.

Leib, Seele und Geist

Die menschliche Seele wird oft in weiblicher Gestalt personifiziert dargestellt. Ursprünglich war sie, wie manche gnostische Schriften andeuten, ein androgynes, also doppelgeschlechtliches männlich-weibliches Wesen, das erst durch ihren Sturz in die sinnliche Welt ihre eingeschlechtliche weibliche Form annahm. So heißt es etwa in der unter den Nag-Hammadi-Schriften gefundenen «Exegese über die Seele»:

„Die Weisen, die vor uns lebten, gaben der Seele einen weiblichen Namen. Tatsächlich ist sie auch ihrer Natur nach eine Frau. Sie hat ebenso wie andere Frauen einen Mutterschoß.
Solange sie sich allein beim Vater befand, war sie eine Jungfrau und mannweiblich von Gestalt. Aber als sie in einen Körper hinabgefallen und in dieses Leben gekommen war, da geriet sie in die Gewalt vieler Räuber. Und die Frevler warfen sie sich gegenseitig zu und schändeten sie. Die einen mißbrauchten sie gewaltsam, während andere so handelten, daß sie sie überredeten mit einem verführerischen Geschenk. Kurz: Sie wurde geschändet, und sie verlor ihre Jungfräulichkeit [...]
Sie aber pflegt eine arme Witwe zu werden, die keine Hilfe hat; sie hat auch keinen, der sie anhört in ihrem Leid; denn sie hatte von ihnen nichts erhalten außer den Schändungen, die sie ihr zugefügt hatten, als sie mit ihr Umgang hatten. Und die Kinder, die sie mit den Ehebrechern hervorgebracht hat, sind stumm und blind und krank.
Aber wenn der Vater, der oben im Himmel ist, sie sucht und auf sie herabblickt und sie seufzen sieht mit ihren Leiden und der Schande und wie sie die Unzucht, die sie getrieben hat, bereut und wie sie beginnt, seinen Namen anzurufen, damit er ihr helfe, wobei sie mit ganzem Herzen ruft und sagt: ,,Rette mich, mein Vater, denn siehe: Ich will dir Rechenschaft ablegen, denn ich habe mein Haus verlassen und und bin aus meinem Jungferngemach geflohen. Hole mich wieder zu dir zurück!``, und wenn er sie sieht, daß sie in diesem Zustand ist, dann wird er sie seines Erbarmens würdig halten; denn zahlreich sind die Schmerzen, die über sie gekommen sind, weil sie ihr Haus verlassen hat.“

Exegese über die Seele: (NHC II,6)

Sophia

Siehe auch: Sophia (Gnosis)

Sophia (griech. Σοφíα „Weisheit“) wird in der Gnosis oft der weibliche Aspekt der Gottheit genannt. Als Weltseele ist sie das makrokosmische Analogon der menschlichen Seele bzw. die Gruppenseele der Menschheit. Sie wird oft auch dem (hier weiblich gedachten) Heiligen Geist gleichgesetzt. Vielfach erscheint sie als der unterste der von der Gottheit emanierten Äonen, die in ihrer Gesamtheit das Pleroma bilden. Durch ihren Fall wird sie zur Ursache für die Erschaffung der materiellen Welt. Oft wird auch zwischen einem höheren und niederen Aspekt der Sophia unterschieden. Die niedere oder untere Sophia, die außerhalb des Pleromas weilt, wird bei den Valentinianern dann auch als Achamoth (griech. Ἀχαμώθ) bezeichnet. Manchmal wird sie auch Prunikos (griech. Προύνικος) genannt, was nach Epiphanius von Salamis so viel wie „Dirne“ oder „die Lüsterne“ bedeuten soll[1] - diese Wortbedeutung gilt aber nicht als gesichert.

Jungfrau Sophia

Siehe auch: Jungfrau Sophia

Als Jungfrau Sophia wird in der christlichen Esoterik der von niederen sinnlichen Begierden gereinigete und zum Geistselbst erhöhte Astralleib bezeichnet, entsprechend der Isis in vorchristlicher Zeit. Sie steht für die vollkommen reine menschliche bzw. menschheitliche Seele. Im esoterischen Christentum wurde die Mutter Jesu stets als «Jungfrau Sophia» bezeichnet, so auch von Johannes, dem Evangelisten; nur exoterisch nennt er sie die «Mutter des Jesus».

Zwei-Seelen-Lehre

Die noch von dem byzantinischen Patriarchen Photius I. vertretene Zwei-Seelen-Lehre, gemäß der dem Menschen eine höhere, unsterbliche Geist-Seele und eine irdische, vergängliche Seele eigen sind, wurde 869 auf dem vierten Konzil von Konstantinopel mit dem Bannfluch belegt. Der Geist sollte Gott allein vorbehalten sein. Die Lehre von der Trichotomie, wonach der Mensch aus Geist, Seele und Leib bestehe, gilt seitdem in der römisch-katholischen Kirche als Häresie. An ihre Stelle trat die Dichotomie, die dem Menschen nur mehr Leib und Seele zugesteht und seinen selbstständigen Geist leugnet. Damit wurde, wie sich Rudolf Steiner öfters ausdrückt, „der Geist abgeschafft“.

Die unsterbliche Seele

Nach anthroposophischer Auffassung ist es aber gerade der unsterbliche individuelle Geist, das Ich des Menschen, das sich wiederverkörpert und, von Ausnahmefällen abgesehen[2], nicht die weitgehend vergängliche Seele, die sich nach dem Tod durch ihre Läuterung im Kamaloka (Fegefeuer) und in den höheren Bereichen der Seelenwelt bis auf ihren unvergänglichen Rest (Entelechie) in der allgemeinen Astralwelt zerstreut und für die nächste irdische Inkarnation weitgehend neu und mit anderen Eigenschaften wieder aufgebaut werden muss. Die Unsterblichkeit der Seele ist nicht von Anfang an gegeben, sondern wird erst mit der auf das Geistige ausgerichteten Bewusstseinsseele durch die Tätigkeit des Ich erworben. Die Lehre von der Reinkarnation des Geistes ist darum auch streng zu unterscheiden von der Seelenwanderung oder Metempsychose. Der Leib unterliegt der Vererbung, die Seele dem in früheren Erdenleben selbstgeschaffenen Schicksal (Karma) und der Geist entwickelt sich durch die aufeinanderfolgenden Inkarnationen weiter.

Leib und Seele

Platon empfand noch ganz im orientlisch-vorchristlichen Sinn den Leib als Kerker oder gar als Grab der Seele (griech. τὸ μὲν σῶμά ἐστιν ἡμῖν σῆμα to men soma estin hemin sema, wörtlich: „Der Körper ist für uns ein Grab.“[3]), wodurch sie sich erst im leibfreien Zustand nach dem Tod voll entfalten und in die Ewigkeit aufschwingen könne. Im Christentum hingegen erscheint - im schroffen Gegensatz dazu - gerade die inhärente und unauflösliche Leibbezogenheit[4] der Seele als ihre zentrale Wesenseigenschaft, die sie erst zur wahrhaft menschlichen Seele macht. Für Thomas von Aquin ist die wesentlichste Bestimmung der Seele, entsprechend des aristotelischen Hylemorphismus, Form des Körpers zu sein (lat. anima forma corporis)[5]. Als unsterbliche Substanz bleibe sie zwar nach dem Tod erhalten, doch könne sie leiblos nicht ihr volles Potential entfalten und verliere ihr Person-Sein[6], das sie nur im[7] Leib habe. Sie habe daher nach dem Tod eine mindere Daseinsweise als im verkörperten Zustand und erführe ihre Vollendung erst durch die Auferstehung des Leibes, die durch die alles übersteigende Liebe und Gnade Gottes dadurch möglich wird, dass Gott selbst in Jesus Christus Mensch geworden, durch den Tod auf Golgatha geschritten und am dritten Tage wieder auferstanden ist.

Mit dem zunehmenden Materialismus ist mittlerweile nicht nur das Verständnis für den Geist, sondern auch für die Seele, namentlich für ihr Fortbestehen nach dem Tod, weitgehend verloren gegangen. Diese Entwicklung hat auch vor der zeitgenössischen Theologie nicht haltgemacht, etwa in Form der hauptsächlich von evangelischen Theologen vertretenen Ganztodtheorie oder der in der katholischen Theologie seit der Mitte des 20. Jahrhunderts immer verbreiteteren Rede von der unmittelbaren Auferstehung im Tod, womit zugleich auch die unsterbliche Seele de facto „abgeschafft“ wird.

Die Seele als Innenwelt

Hauptartikel: Innenwelt

„Als eigene Innenwelt ist die seelische Wesenheit des Menschen von seiner Leiblichkeit verschieden. Das Eigene tritt sofort entgegen, wenn man die Aufmerksamkeit auf die einfachste Sinnesempfindung lenkt. Niemand kann zunächst wissen, ob ein anderer eine solche einfache Sinnesempfindung in genau der gleichen Art erlebt wie er selbst. Bekannt ist, daß es Menschen gibt, die farbenblind sind. Solche sehen die Dinge nur in verschiedenen Schattierungen von Grau. Andere sind teilweise farbenblind. Sie können daher gewisse Farbennuancen nicht wahrnehmen. Das Weltbild, das ihnen ihr Auge gibt, ist ein anderes als dasjenige sogenannter normaler Menschen. Und ein Gleiches gilt mehr oder weniger für die andern Sinne. Ohne weiteres geht daraus hervor, daß schon die einfache Sinnesempfindung zur Innenwelt gehört. Mit meinen leiblichen Sinnen kann ich den roten Tisch wahrnehmen, den auch der andere wahrnimmt; aber ich kann nicht des andern Empfindung des Roten wahrnehmen. – Man muß demnach die Sinnesempfindung als Seelisches bezeichnen. Wenn man sich diese Tatsache nur ganz klar macht, dann wird man bald aufhören, die Innenerlebnisse als bloße Gehirnvorgänge oder ähnliches anzusehen. – An die Sinnesempfindung schließt sich zunächst das Gefühl. Die eine Empfindung macht dem Menschen Lust, die andere Unlust. Das sind Regungen seines inneren, seines seelischen Lebens. In seinen Gefühlen schafft sich der Mensch eine zweite Welt zu derjenigen hinzu, die von außen auf ihn einwirkt. Und ein Drittes kommt hinzu: der Wille. Durch ihn wirkt der Mensch wieder auf die Außenwelt zurück. Und dadurch prägt er sein inneres Wesen der Außenwelt auf. Die Seele des Menschen fließt in seinen Willenshandlungen gleichsam nach außen. Dadurch unterscheiden sich die Taten des Menschen von den Ereignissen der äußeren Natur, daß die ersteren den Stempel seines Innenlebens tragen. So stellt sich die Seele als das Eigene des Menschen der Außenwelt gegenüber. Er erhält von der Außenwelt die Anregungen; aber er bildet in Gemäßheit dieser Anregungen eine eigene Welt aus. Die Leiblichkeit wird zum Untergrunde des Seelischen.“ (Lit.: GA 9, S. 30f)

Die drei seelischen Wesensglieder

ansehen im RUDOLF STEINER VERLAG

Die menschliche Seele wird dadurch gebildet, dass das individuelle menschliche Ich unterbewusst beständig an den drei unteren, leiblichen Wesensgliedern arbeitet und sich diese Arbeit in entsprechenden Veränderungen des Astralleibes widerspiegelt. Daraus ergibt sich eine Dreigliederung der menschlichen Seele.

„Wir haben wiederum zu berücksichtigen, daß dasjenige, was wir das eigentliche menschliche Seelenleben, das menschliche Innere nennen, nicht einfach ein Chaos von durcheinanderwogenden Empfindungen, Trieben, Vorstellungen, Leidenschaften, Idealen ist; sondern wir haben uns mit aller Klarheit zu sagen, daß diese menschliche Seele in drei voneinander gesonderte Glieder zerfällt; daß wir ganz genau unterscheiden können: das unterste Seelenglied, die Empfindungsseele; das mittlere Seelenglied, die Verstandes- oder Gemütsseele; und das höchste Seelenglied, die Bewußtseinsseele. Diese drei Glieder sind im menschlichen Seelenleben zu unterscheiden. Sie dürfen aber in dieser menschlichen Seele nicht auseinanderfallen. Die menschliche Seele muß eine Einheit sein. Was verbindet nun im Menschen diese drei Seelenglieder zu einer Einheit? Das ist eben dasjenige, was wir im eigentlichen Sinne das menschliche «Ich», den Träger des menschlichen Selbstbewußtseins nennen.“ (Lit.: GA 58, S. 145f)

Entsprechend den drei unteren Wesensgliedern des Menschen werden dem Astralleib also folgende seelische Wesensglieder eingegliedert:

  1. Empfindungsseele
  2. Verstandes- oder Gemütsseele
  3. Bewusstseinsseele

„Man kann ja wieder rückhaltlos den Willen zur Trivialität haben und sagen: Warum habt ihr Anthroposophen durchaus den Spleen, in der Seele drei Seelenglieder und gar viele Glieder in der menschlichen Natur zu unterscheiden? Ihr redet da von einer Empfindungsseele, von einer Verstandesseele und von einer Bewußtseinsseele. Es wäre doch viel einfacher, von der Seele als einer einheitlichen Wesenheit zu sprechen, in der gedacht, empfunden und gewollt wird.—Einfacher ist es gewiß, bequemer - und trivial auch. Aber das ist auch zugleich etwas, was die wissenschaftliche Betrachtung des Menschen nicht in Wahrheit fördern kann. Denn nicht aus der Sehnsucht, einzuteilen und viele Worte zu machen, entspringt die Gliederung der menschlichen Seele in Empfindungsseele, das heißt in denjenigen Teil, der zunächst mit der Umgebung in Verbindung tritt und die Wahrnehmungen und Empfindungen von außen erhält, in dem sich auch die Begierden und Instinkte entwickeln, und der dann von dem Teil zu trennen ist, in dem schon in einem gewissen Sinne das Gewonnene verarbeitet ist. Unsere Empfindungsseele bringen wir in Tätigkeit, indem wir der Außenwelt gegenüberstehen, von ihr Farben- und Toneindrücke empfangen, aber auch auftauchen lassen, was wir als normale Menschen zunächst nicht in der Hand haben: unsere Triebe, Begierden und Leidenschaften. "Wenn wir uns aber zurückziehen und das, was wir durch die Wahrnehmungen und so weiter aufgenommen haben, in uns verarbeiten, so daß das durch die Außenwelt in uns Angeregte sich zu Gefühlen umformt, dann leben wir in dem zweiten Seelengliede, in der Verstandes- oder Gemütsseele. Und insofern wir unsere Gedanken lenken und leiten und nicht am Gängelbande geführt werden, leben wir in der Bewußtseinsseele.

In der «Geheimwissenschaft» oder in der «Theosophie» werden Sie sehen, daß die drei Seelenglieder noch viel mehr Beziehungen haben - in anderer Art — zu dem, was in der Außenwelt ist, nicht weil wir an der Einteilung Freude haben, sondern weil das, was wir Empfindungsseele nennen, in ganz anderer "Weise zum Kosmos zugeordnet ist als das, was wir Bewußtseinsseele nennen.

Die Bewußtseinsseele ist es, die den Menschen isoliert, die ihn sich so recht als ein innerlich geschlossenes Wesen empfinden läßt. Was wir Verstandesseele nennen, bringt ihn zu der Umgebung und zum ganzen Kosmos in Beziehung, dadurch ist er ein Wesen, das wie ein Extrakt, wie ein Zusammenfluß der ganzen Welt erscheint. Durch die Bewußtseinsseele lebt der Mensch in sich, isoliert sich. Das Hauptsächlichste, was man in der Bewußtseinsseele erlebt, ist das, was man am spätesten unter seinen Anlagen als Mensch zur Entwickelung bringt: die Fähigkeit des logischen Denkens, daß wir Meinungen, Gedanken und so weiter haben. Das ruht in der Bewußtseinsseele. In bezug auf diese Eigenschaften ist der individuelle Wesenskern des Menschen, der durch die Geburt ins Dasein tritt, in der Tat am meisten zur Isolierung veranlagt. Dieser innerste Wesenskern arbeitet sich am spätesten beim Menschen heraus. Während seine Umhüllung, seine leibliche Organisation sich am frühesten herausschält, schält sich seine eigentliche Individualität am spätesten heraus. Aber wie der Mensch gegenwärtig ist - er war in der Vergangenheit anders und wird in der Zukunft anders sein -, entwickelt er in der Tat seine Meinungen, Begriffe, Vorstellungen in dem isoliertesten Teil seines Wesens. Diese haben daher am wenigsten auf den ganzen Aufbau und die Ausgestaltung seiner Gesamtpersönlichkeit Einfluß und kommen auch erst als Anlage heraus, wenn die Gesamtpersönlichkeit fest gestellt, plastisch gebildet ist.“ (Lit.: GA 60, S. 237ff)

Die erste Anlage der Empfindungsseele wurde geschaffen, als sich in der polarischen Zeit, die in gewisser Weise den alten Saturnzustand wiederholte, die Erde bis zum Feuerzustand verdichtete. Sie bildet sich weiter aus durch die unbewusste Arbeit des menschlichen Ich am Astralleib. Sie ist ein umgewandelter Teil des Astralleibs. Diese dämmerhafte unbewusste Arbeit am astralischen Leib begann in der lemurischen Zeit und erreichte ihren Höhepunkt in der Ägyptisch-Chaldäischen Kultur. Als selbstständiges Wesensglied wird die Empfindungsseelemit dem 21. Lebensjahr geboren. Aristoteles bezeichnete die Empfindungsseele als Orektikon. In der hebräischen Überlieferung wird sie Nephesch genannt.

Die Verstandes- oder Gemütsseele wurde veranlagt, als sich in der polarischen Zeit die Erde bis zum Luftzustand verdichtete. Sie stellt eine Modifikation des Astralleibs dar, die sich dadurch weiter ausbildet, dass das Ich unbewusst am Ätherleib arbeitet und das Ergebnis dieser Tätigkeit in den Astralleib zurückgespiegelt wird. Diese Arbeit begann in der atlantischen Zeit und erreichte in der griechisch-lateinischen Kultur ihren Höhepunkt. Aristoteles bezeichnete die Verstandes-oder Gemütsseele als Kinetikon. In der hebräischen Überlieferung nennt man sie Ruach. Als selbstständiges Wesensglied wird die Verstandes- oder Gemütsseele mit dem 28. Lebensjahr geboren. In der Verstandesseele geht uns erstmals das Ich auf, ohne dass sich dieses aber schon ganz klar seiner selbst bewusst wird. Das geschieht erst durch die Bewusstseinsseele.

Die Bewusstseinsseele ist ein umgewandelter Teil des Astralleibs. Ihre erste Anlage wurde geschaffen, als sich während der hyperboräischen Zeit – eine kurze Wiederholung der alten Sonnenzeit - die Erde bis zum Wasserzustand verdichtete. Sie bildet sich dadurch weiter aus, dass das Ich unbewusst umgestaltend am physischen Leib arbeitet und sich diese Tätigkeit in den Astralleib zurückspiegelt. Diese unbewusste Arbeit des Ich hat am Ende der atlantischen Zeit begonnen und strebt in unserer gegenwärtigen Kulturepoche einem Höhepunkt zu. Als selbstständiges Wesensglied wird die Bewusstseinsseele mit dem 35. Lebensjahr geboren. Aristoteles gebrauchte für die Bewusstseinsseele die Bezeichnung Dianoetikon. In der hebräischen Überlieferung wird sie Neschama genannt.

Im Sohar, dem heiligen Buch der Kabbala, wird diese Dreiheit der Seelenglieder in ihrer grundlegenden Bedeutung so beschrieben:

„Und siehe: »Als der Allheilige den Menschen erschuf, las Er dessen Stoff von den vier Seiten der Welt, stellte den Menschen selbst an den Ort des unteren Heiligtums und zog an ihn Seele des Lebens heran vom oberen Heiligtum. Und die Seele ist zusammengefaßt in drei Stufen, weshalb ihr drei Namen eignen, gemäß oberem Geheimnis: Nefesch, Ruach, Neschama. Nefesch die untere Stufe. Ruach der Bestand, der über der Seele waltet, in allem bestehend in rechter Weise. Neschama, der höhere Bestand, waltend über allem - heilige, obere Stufe. Diese drei Stufen sind im Menschen zusammengefaßt, bei jenen, welche zum Dienste ihres Herrn gewürdigt sind. Denn im Anfang ist in ihm zur Nefesch, und das ist die heilige Richte, daß in ihr der Mensch zum Rechten sich wandle. Wenn der Mensch auf dieser Stufe zur Läuterung gelangt, kann er aufsteigend an »Ruach« sich veredeln, denn dies ist die heilige Stufe, die über Nefesch ruht, daß mit ihr der Mensch, der würdig geworden, sich veredle. Ist er aber in Nefesch und Ruach aufgestiegen und hat sich im Dienste seines Herrn zum Rechten gewandelt, dann waltet über ihm Neschamah, die obere, heilige, über allen waltende Stufe, daß er mit der oberen, heiligen Stufe sich verschöne - so wird er allvollkommen, vollkommen nach allen Seiten, um würdig zu werden der kommenden Welt, als Gottgeliebter.“ (Lit.: Sohar, S 127f)

Alte und junge Seelen

„Sie wissen ja aus der Darstellung in meiner «Geheimwissenschaft im Umriß», daß während des lemurischen Zeitraums der Erdentwickelung nur ganz wenige Menschen die Ereignisse der Erdentwickelung auf der Erde selbst sozusagen überdauert haben, daß nur wenige auf der Erde blieben während des lemurischen Zeitraums; daß die Mehrzahl der Seelen, bevor die eigentliche Gefahr der Mumifizierung alles Menschlichen begann, sich von der Erde hinweghob nach anderen Planeten und weiterlebte auf Mars, Saturn, Venus, Jupiter und so weiter; daß dann vom Ende des lemurischen Zeitraums an und während des atlantischen Zeitraums nach und nach diese Seelen wieder herunterkamen auf die Erde, um unter den veränderten irdischen Verhältnissen sich in irdischen Leibern zu verkörpern und in immer neuen Inkarnationen zu erscheinen. Da haben wir also solche Seelen, die verhältnismäßig früh heruntergekommen sind aus der Planetenwelt, und andere, die spät, erst in späten Zeiträumen der atlantischen Entwickelung niedergestiegen sind. Die ersteren Seelen, die also früher heruntergekommen sind, haben mehr Inkarnationen innerhalb der Erde hinter sich als die später herniedergestiegenen, und diese können wir daher im Gegensatz zu den ersteren, jüngere Seelen nennen, Seelen, die also weniger in sich aufgenommen haben.

Eine alte Seele war diejenige Individualität, die sich hinter dem Namen Gilgamesch verbirgt, und eine jüngere, die in Eabani verkörpert war am Ausgangspunkte der babylonischen Kultur. Ja, in bezug auf dieses Jüngere oder Ältere der menschlichen Seelen zeigt sich - man möchte fast sagen selbst zur Überraschung des Okkultisten - etwas sehr Merkwürdiges. Wenn zum Beispiel irgend jemand heute es so weit gebracht hat, daß er die Wahrheiten der Geisteswissenschaft ein wenig zugibt, sonst aber noch immer an den Vorurteilen und Werturteilen der äußeren Welt hängt, dann wird es ihm ja plausibel erscheinen, daß zum Beispiel Philosophen- oder Gelehrtenseelen unserer heutigen Zeit zu den älteren Seelen gerechnet werden müssen. Die okkulte Forschung ergibt das gerade Gegenteil, so sonderbar es klingt, und es ist für den Okkultisten selbst überraschend, daß zum Beispiel in Kant eine junge Seele lebte. Ja, die Tatsachen sagen es, da ist nichts dagegen zu machen. Und man könnte nun darauf hinweisen, daß die jüngeren Seelen sich allerdings in der Mehrzahl in den farbigen Rassen verkörpern, daß also die farbigen Rassen, namentlich die Negerrasse, vorzugsweise jüngere Seelen zur Verkörperung bringen. Aber gerade das Eigentümliche jener menschlichen Denkungsart, die sich in Gelehrsamkeit, in der heutigen materialistischen Wissenschaft auslebt, die bedingt jüngere Seelen. Und es ist sogar nachweisbar, daß bei mancher Persönlichkeit, bei der man es gar nicht voraussetzen würde, die vorhergehende Inkarnation durchaus bei den Wilden liegt. Ja, das sagen wieder die Tatsachen! Das alles muß durchaus festgehalten werden, es ist so. Das nimmt natürlich den Urteilen, die wir über unsere Umwelt haben, nichts von ihrer Bedeutung, nichts von ihrem Werte; dennoch muß es erfaßt werden zum Gesamtverständnis dessen, um was es sich handelt. In diesem Sinne haben wir es mit Eabani im alten Babylonien zu tun mit einer jungen Seele, in Gilgamesch mit einer alten Seele. Eine solche alte Seele, die wird ihrer ganzen Natur nach früh erfassen, was gewissermaßen nicht nur Kulturelement, Kulturfaktor der Gegenwart ist, sondern was als Kultureinschlag in die Gegenwart hereinfällt und weit hinausblicken läßt in die Perspektive der Zukunft.“ (Lit.: GA 126, S. 34f)

Die Heilkraft der Seele

Die Heilkraft, die Heilung oder die Entwicklung des Menschen ist aus geistiger Sicht nicht vom Körper aus zu denken – gewissermaßen von unten nach oben –, sondern von einem Höheren, also einem Seelisch-Geistigen zu einem Manifesten – von oben nach unten. Konkret beginnt sie in hohen Gedanken, die der Mensch beginnt zu denken und die er einmal in seinem Willen ausdrücken wird. Die Heilkraft der Seele kann nicht aus der Materie entspringen, sondern aus dem Kosmischen und wird durch die eigenen Schöpferkräfte herangebildet oder herangezogen. Diesen schöpferischen Vorgang berührt Heinz Grill, wenn er von Heilkraft der Seele spricht:

„Die wünschenswerte Entwicklung der Heilkraft der Seele, die aus einem Kosmischen entspringt, erfolgt aus diesem Grunde nicht durch spekulative Schlussfolgerungen, die abgeleitet sind von der irdischen Welt und ihren vielen psychischen Erscheinungen, sie erfolgt trotz des schwierigen Umstandes, der mit der übersinnlichen Welt gegeben ist, von der kosmischen und schließlich geistigen Warte. Die Augen blicken nicht von unten nach oben, sondern in der Erkenntnis, wenn sie die geistige Wirklichkeit mit in die Betrachtung einschließt, tatsächlich von oben nach unten, gewissermaßen nicht von der Gefangenheit, von der Materie ausgehend, von der sogenannten Spekulation, sondern von der Übersicht, von einer freien Position ausgehend, von einer Warte, die dem Sonnenstatus oder dem lichten Dasein entspringt, und entziffern aus diesem mit souveräner Klarheit die Wirklichkeit. […]

Jene Schwierigkeit eines Denk- und Empfindungsprozesses, der besagt, dass der Mensch nicht vom Leiblichen oder von der Materie und nicht von bekannten Erfahrungen und äußeren visiblen Phänomenen ausgehen darf, sondern von unbekannten, noch nicht sofort evidenzierbaren Gedanken und Inhalten oder von einer Idee, die er außerhalb seines bisherigen psychischen Umstandes anzunehmen beginnt, ausgehen muss, begegnet demjenigen, der einen Geistschulungsweg betritt und die Heilkraft der Seele, die im Kosmos ihre Heimat hat, in die Mitte rückt. Eine gewisse Selbstüberwindung und eine Art Vertrauen oder eine Form des Glaubens in einen gewagten, aber objektiven Gedanken, den der Einzelne bis in eine weitreichende Konsequenz denken kann, denkend aus einer Idee, die er bis in die Wirklichkeit erprobt, wiederholt, vergleicht und schließlich mit ersten Praxisschritten umsetzt, bewirken eine tiefgreifende Veränderung im Menschen, sogar eine Transformation, die infolge der Richtigkeit des zugrunde gelegten Gedankens und der Sorgfalt im Umgang mit diesem zu einer Heilung aus dem seelischen Dasein führt und im Körper einen Ausdruck nimmt.“[8]

Das Schicksal der Seele nach dem Tod

Stadtpfarrkirche Rohrbach. Aller-Seelen-Altar (1700) - Altargemälde: Arme Seelen im Fegefeuer.

Unmittelbar nach dem Tod erlebt der Mensch zunächst für etwa zwei bis drei Tage ein umfassendes Lebenspanorama, das ihm sein vergangenes Erdenleben in Gleichzeitigkeit vor das Bewusstsein stellt. Während dieser kurzen, als beglückend empfundenen Zeit zerstreut sich sein Ätherleib bis auf einen kleinen Rest im Weltenäther. Erst danach tritt der Tote in den Zustand des Kamalokas ein, das die 3 bzw. 4 niederen Partien der Seelenwelt (Astralwelt) umfasst, in denen der Mensch jene Begierden ablegen muss, die nur mittels des mit dem Tode abgelegten physischen Leibes befriedigt werden könnten und die ihn noch an das vergangene Erdenleben fesseln. Ein großer Teil des Astralleibs wird hier abgelegt und geht in der allgemeinen Astralwelt auf. Im Kamaloka begegnet der Mensch den geistig-kosmischen Kräften der Mondensphäre.

„Die erste Zeit nach dem Tode — das wurde ja schon gesagt — ist eigentlich für den Menschen ausgefüllt mit einer Art von Zusammenhang mit dem letzten Erdenleben. Es ist eine Art von Herauswachsen aus dem letzten Erdenleben, so daß in der Tat in diesen ersten Zeiten nach dem Tode alles das fortdauert, was im Erdenleben den menschlichen Astralleib ergriffen hat. Was diesen menschlichen Astralleib beschäftigt hat, die Art der Affekte, die Art der Leidenschaften, die Art der Gefühle, das dauert fort. Und weil der Mensch hier in der physischen Verkörperung alle diese Dinge bewußt nur erlebt, wenn er innerhalb seines physischen Leibes ist, so ist natürlich das Erlebnis all dieser im Astralleib befindlichen Kräfte wesentlich anders, wenn der Mensch durch das Gebiet durchgeht, das da liegt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Es ist dieses Erleben im wesentlichen durchzogen in normalen Fällen — es gibt davon viele Ausnahmen — in den ersten Zeiten nach dem Tode von einer gewissen Entbehrung, hervorgerufen dadurch, daß der Mensch in seinem Astralleibe leben muß, ohne daß ihm der physische Leib zur Verfügung steht. Der Mensch drängt darnach, noch seinen physischen Leib zu haben; das hält den Menschen eine kürzere oder längere Zeit — man darf es schon so nennen - im normalen Falle in der Sphäre der Erde zurück. Alles Kamaloka verläuft ja eigentlich in der Sphäre zwischen der Erde und der Mondenbahn; aber das eigentliche für den Menschen bedeutungsvolle Kamaloka verläuft viel näher der Erde als, sagen wir, der Mondenbahn.“ (Lit.: GA 140, S. 266f)

In manchen Fällen werden die Toten länger als üblich an die Erdensphäre gebunden. Oft wird dieses für den Toten nur schwer zu ertragende Erlebnis dadurch verursacht, dass der Mensch es während des Erdenlebens versäumt hat, sich Begriffe und Vorstellungen zu bilden, die über das irdische Dasein hinausreichen. Es können aber auch Sorgen für zurückgelassene Freunde, Verwandte und Kinder oder unerfüllte Aufgaben sein, die den Toten noch lange an das Erdendasein fesseln. Man kann dann den Toten helfen, indem man ihre Aufgaben und Pflichten übernimmt. Für die Erde selbst und die hier zurückgelassenen Menschen stellen die erdgebundenen Toten ein großes Problem dar, denn „vieles von dem, was an zerstörenden Kräften wirkt innerhalb der Erdensphäre, kommt von solchen in diese Erdensphäre gebannten Toten.“ (Lit.: GA 182, S. 20)

Siehe auch: Erdgebundene Tote

Das Ich-Bewusstsein im Erdenleben und nach dem Tod

Siehe auch: Ich-Bewusstsein

Die Erinnerung an den physischen Leib, die als Gedanke auftaucht, wenn sich der Leib auflöst, ermöglicht uns das Ich-Bewusstsein nach dem Tod. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Moment des Todes zu, bei dem der physische Leib in einem Augenblick abgelegt wird und dadurch ein ungeheures Bewusstseinslicht aufflammt, dass der Mensch aber, weil es so hell und blendend ist, erst nach und nach zu erfassen vermag. Hier wird nur im Großen fortgesetzt, was im Kleinen schon während des Erdenlebens der Fall war, denn auch da schon beruhte das Ich-Bewusstsein auf kleinen Zerstörungsprozessen im physischen Leib.

„Das Selbstbewußtsein, das im «Ich» sich zusammenfaßt, steigt aus dem Bewußtsein auf. Dieses entsteht, wenn das Geistige in den Menschen dadurch eintritt, daß die Kräfte des physischen und des ätherischen Leibes diese abbauen. Im Abbau dieser Leiber wird der Boden geschaffen, auf dem das Bewußtsein sein Leben entfaltet. Dem Abbau muß aber, wenn die Organisation nicht zerstört werden soll, ein Wiederaufbau folgen. So wird, wenn für ein Erleben des Bewußtseins ein Abbau erfolgt ist, genau das Abgebaute wieder aufgebaut werden. In der Wahrnehmung dieses Aufbaues liegt das Erleben des Selbstbewußtseins. Man kann in innerer Anschauung diesen Vorgang verfolgen. Man kann empfinden, wie das Bewußte in das Selbstbewußte dadurch übergeführt wird, daß man aus sich ein Nachbild des bloß Bewußten schafft. Das bloß Bewußte hat sein Bild in dem durch den Abbau gewissermaßen leer Gewordenen des Organismus. Es ist in das Selbstbewußtsein eingezogen, wenn die Leerheit von innen wieder erfüllt worden ist. Das Wesenhafte, das zu dieser Erfüllung fähig ist, wird als «Ich» erlebt.“ (Lit.: GA 26, S. 19f)

„Im Tode löst sich der physische Leib auf in die Erdenmaterie. Das ist nun von Bedeutung. Wenn wir schlafen, dann lebt in uns fortwährend - öfters habe ich das schon erwähnt - die Begierde, wiederum in den physischen Leib zurückzukehren. Diese Begierde beherrscht uns vom Einschlafen bis zum Aufwachen, wir sehnen uns gewissermaßen wiederum nach dem physischen Leib zurück. Wenn wir diesen im Tode abgelegt haben, dann können wir uns nicht zu ihm zurücksehnen, können uns nicht wieder in ihn hineinpressen. Daraus aber geht für uns hervor, daß wir nunmehr diese Begierde, wieder in den physischen Leib zurückzukehren, nicht entwickeln können. Diese Begierde fällt jetzt weg, die wir vom Einschlafen bis zum Aufwachen haben. An die Stelle dieser Begierde tritt etwas anderes. An ihre Stelle tritt der in unserem Astralleib und namentlich in unserem Ich auftauchende Gedanke an unseren physischen Leib. Wir schauen unseren physischen Leib jetzt an. Er lebt in unserem Bewußtsein. Er wird ein Inhalt unseres Bewußtseins. Und das Auflösen unseres physischen Leibes in seine Elemente, das bewirkt nun in uns, daß wir das Bewußtsein unseres physischen Leibes durch die Zeit hindurchtragen, die zwischen dem Tod und einer neuen Geburt verfließt. Dadurch aber wissen wir uns, gleichsam uns erinnernd an unseren physischen Leib, die ganze Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt als ein Ich. Es tritt also an die Stelle des Habens des physischen Leibes das Wissen vom physischen Leibe. Es tritt ein Bewußtseinszustand, eine Bewußtseinserscheinung an die Stelle. Dieses ganze Erfühlen des physischen Leibes, das wir haben von der Geburt bis zum Tode, das wird ersetzt nach dem Tode durch das Bewußtsein von unserem physischen Leib. Und durch dieses Bewußtsein, also durch einen rein geistigen Zustand, hängen wir des weiteren mit dem Erdenleben genügend zusammen.“ (Lit.: GA 163, S. 125)

Unsterblichkeit der Seele

Betende Madonna auf der Mondsichel, Spanien, 17. Jh. (anonym)
Siehe auch: Seelentod

Die Unsterblichkeit der Seele besteht nicht einfach im Fortleben dessen, was wir als empirisches Seelenleben - im angelsächsischen Sprachraum „mind“ genannt - aus dem Erdendasein kennen, denn dieses ist weitgehend an die Tätigkeit unserer physischen Organistation gebunden.

„Diejenigen, die über die Unsterblichkeit der Seele gedacht haben, haben immer gedacht wie über etwas, was im gewöhnlichen Leben ist und durch die Pforte des Todes geht; während man das, was durch die Pforte des Todes geht, eben erst suchen muß, denn es liegt so tief verborgen in der Seele, daß es gar nicht beachtet wird, daß die Aufmerksamkeit im gewöhnlichen Leben nicht darauf gerichtet ist; aber es ist eben doch da. Und wenn derjenige, der so wirklich, gleichsam chemisch, abtrennt das Geistig-Seelische vom Leiblichen, wenn er dieses Geistig-Seelische dann erlebt, wie es geborgen wird in einer über ihm stehenden, übersinnlichen Welt von geistigen Wesenheiten, dann weiß er auch, daß er in diesem, sich im gewöhnlichen Leben Verbergenden der Seele — so wie der Wasserstoff im Wasser verborgen ist —, daß er in dem etwas hat, was ganz im geheimen arbeitet, sozusagen zwischen den Zeilen des Lebens; was so die feinsten Kräfte der Seele, der Erfahrung, der moralischen Fähigkeiten des Menschen in sich aufnimmt, wie der kleine Pflanzenkeim aufnimmt aus der ganzen Pflanze die Kräfte, um sie zu konzentrieren. Und wie nach dem Abwelken, nachdem die Blätter abwelken und die Blüte erstirbt, die Pflanze als kleinen Keim das, was in der vorigen Pflanze gelebt hat, hinüberträgt in die folgende Pflanze, das, was die Pflanze als Keim hinüber gerettet hat, — so ist es in der Menschenseele. Wenn man sie so herausdestilliert, so merkt man: unablässig arbeitet in jedem Augenblick des Lebens, wachend und schlafend, diese Menschenseele in den Untergründen des alltäglichen Lebens, arbeitet heraus alles das, was wir uns an Fähigkeiten aneignen, wird durchdrungen, tief durchdrungen von dem, was sie getan hat an Unrecht und Recht, Schön und Häßlich; das trägt sie in sich, wie der Pflanzenkeim in sich trägt den Keim der ganzen neuen Pflanze. Und dann weiß man, daß das so verborgen in der Seele Lebende ein Leben durchmacht zwischen Tod und neuer Geburt — und wiederum zurückkehrt zum Erdenleben. In dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt sammelt aus einer geistigen Welt heraus dann der Mensch die Kräfte, die aber Bildekräfte werden, so daß er sich durch eine neue Geburt vereinigen kann mit dem, was ihm gegeben wird von Vater und Mutter, von der Vorfahrenreihe. So durchlebt die Menschenseele nicht ein Erdenleben, sondern aufeinanderfolgende Erdenleben.“ (Lit.: GA 64, S. 342f)

Vor allem aber ist die Unsterblichkeit der Seele nicht etwas, das dem Menschen von vornherein und unverlierbar geben ist, sondern etwas, das er sich aktiv erwerben und ebenso aktiv bewahren muss.

„Innere Aktivität, inneres aktives Mittun mit dem, was der Mensch aus sich macht, sogar was er aus sich macht als einem unsterblichen Wesen, das ist notwendig. Der Mensch muß arbeiten an seiner Unsterblichkeit. Das ist dasjenige, was sich die meisten Menschen gern wegzaubern lassen möchten. Sie glauben, eine Erkenntnis kann einen nur etwas von dem lehren, was ja sowieso ist, kann einen höchstens lehren, der Mensch sei unsterblich [...]

Das ist im Grunde genommen in Wahrheit ja die christliche Lehre. Daher soll der Mensch nicht bloß, wie es ein neueres Bekenntnis durchaus will, den Glauben an Christus haben, sondern er soll das Pauluswort beherzigen: «Nicht ich, sondern der Christus in mir.» Die Kraft des Christus in mir, entwickelt muß sie werden wollen und ausgebildet muß sie werden! Der Glaube als solcher kann durchaus den Menschen nicht retten, sondern einzig und allein das innere Zusammenarbeiten mit dem Christus, das innere Sich-Erarbeiten der Christuskraft, die ja immer da ist, wenn man sie sich erarbeiten will, die aber erarbeitet werden muß. Initiative, Aktivität, das ist es, womit die Menschheit sich wird erfüllen müssen. Und einsehen wird sie müssen, daß der bloß passive Glaube den Menschen einfach zu leicht macht, so daß allmählich die Unsterblichkeit auf der Erde sterben würde. Das ist das Bestreben des Ahriman.“ (Lit.: GA 205, S. 186f)

„Platons "Phaidon" will nichts anderes als Seelenewigkeit. Er will Seelenewigkeit nicht etwa beweisen. Es handelt sich nicht um logische Beweise. Er bezweckt ein Hinaufleben desjenigen, was sich um Sokrates herumschart, und ein Einleben in eine neue Welt. Die Seele soll sich erheben dadurch, dass sie sich abwendet von dem, was man mit Augen sehen und mit Ohren hören kann. Kurz, die Ewigkeit soll etwas sein, was man erwirbt, was man durch die Einführung in die Mysterien erwirbt. Platos Schüler sagt: Die Seele kann unsterblich werden, wenn sie sich erhebt zur Ewigkeitsschau. Wenn sie das Geistige sieht, nimmt sie Anteil am geistigen Leben. Dadurch wird sie ewig. Das ist ein Entwicklungsprozess, den wir im platonischen "Phaidon" durchgemacht haben, auch ein Entwicklungsprozess, den wir im "Gastmahl" sehen [...]

Das ist das, was als Grundelement den platonischen "Phaidon" durchzieht. Da sagt Plato: Ihr könnt sehen, was Ihr wollt, wenn Ihr aber nur das wahrnehmt, was Eure Augen, Ohren, die äusseren Sinne geben, dann könnt Ihr nicht ins Geistige kommen. Das Uebersinnliche ist es, was Euch die Seelenewigkeit verbürgt. - Er konnte die Seelenewigkeit nicht beweisen lassen. Die Schüler sollten sie erwerben, sie sollten unsterblich werden. Das ist die Grundauffassung der platonischen Methode.“ (Lit.: R. Steiner 1901/1902, 12. Vortrag, [2])

Bis zur Zeit des Mysteriums von Golgatha hatten die Menschen, allerdings noch ohne ausgeprägtes Ich-Bewusstsein, ein inneres Wissen von ihrem wahren Ich. Je stärker das leibgebundene Ich-Bewusstsein in den Vordergrund trat, umso mehr ging dieses Wissen verloren. Was der Mensch in seinem Erdenleben bewusst als Seele in sich trug, unterlag damit immer mehr der Sterblichkeit. Darauf deutet auch der Brief des Paulus an die Kolosser (Kol 3,3-4 LUT). Nur durch die bewusste Verbindung mit dem Christus kann die Seele davor bewahrt werden, das Schicksal des vergänglichen Leibes zu teilen. Ausführlich sprach Rudolf Steiner darüber in seinen Vorträgen bei der Begründung der Christengemeinschaft:

„Vor allen Dingen handelt es sich darum, daß Ihr in der richtigen Weise dasjenige vor Eure Seelen stellen könnt, was als das Geheimnis des Christentums ausgesprochen ist im dritten Teil des Kolosserbriefes im dritten Vers. Diese Stelle möchte ich heute so vor Eure Seele rufen, wie sie in Wirklichkeit gemeint ist:

Ihr seid gestorben, und euer Ich ist von euch getrennt und
vereinigt mit Christo in der Geistwelt; wenn aber Christus,
der euer Ich trägt, selber vor die Anschauung getreten ist,
dann werdet auch ihr mit ihm euch offenbaren.

Ein ungeheuer Tiefes ist in diesem Worte verborgen. Es ist eigentlich fast für spätere Zeiten gesprochen als für die Zeit der Apostel. Es ist eigentlich für unsere Zeit gesprochen, damit unsere Zeit es in der richtigen Weise versteht. Denn es ist so, daß in der irdischen Menschheitsentwickelung bis ungefähr um die Zeit des Mysteriums von Golgatha die Menschen in ihrem Innern dasjenige erlebten, was von ihrem [wahren] Selbst in diesem Innern sein konnte. Mit dem, was sie in ihrem Innern erlebten, erlebten sie zugleich etwas Reales von dem, was im vorirdischen Dasein in ihnen lebte. Man hätte zu diesen Menschen nicht sagen können: Werdet euch durch irgend etwas eures ewigen geistig-seelischen Kernes bewußt!, denn sie hatten einfach Bewußtseinszustände, in denen dieser ewige geistig-seelische Kern aufleuchtete. Sie brauchten nur Selbsterkenntnis, so wie die Menschen heute Sinneserkenntnis haben; und im Hinschauen auf ihr Selbst nahmen sie wahr - ohne jenes deutliche Ichbewußtsein, das sich erst später ausbildete - ihr Vorgeburtliches und ihr Nachtodliches. Und so konnten sie verstehen, wenn die Eingeweihten zu ihnen sprachen: Euer Leib stirbt; aber was ihr in eurem Innern erlebt, von dem wißt ihr, es stirbt nicht mit; das ist lebendig, das bleibt lebendig. - Der Tod hatte noch kein Instrument, auch die menschliche Seele zu töten.

Das aber, was den Apostel in eine andere Lage brachte, war, daß die Seelen begonnen hatten, ungefähr um die Zeit des Mysteriums von Golgatha, teilzunehmen an den Schicksalen des Leibes, und daß die Seelen [seit dieser Zeit] in der Gefahr stehen, mitzumachen die Schicksale des Leibes. In den alten Zeiten hatte die Seele nicht die Schicksale des Leibes mitgemacht. Zum Schicksal des Leibes gehört das Sterben, und die Seele war nicht mitgestorben. Das war in alten Zeiten die sehr konkrete Auffassung. Diese Tatsache ist später verabstrahiert worden, weil die Menschen sie in ihrer ganzen Intensität nicht ertragen haben. Die Menschen wollten sich nicht gestehen, daß das, was zwischen Geburt und Tod sich unter dem fortwährenden Hervordrängen des Ichbewußtseins entwickelt hat, nicht mehr Anteil hat an dem ewigen Seelenkern des Menschen, sondern Anteil hat an dem Leibe und teilnimmt an dem Schicksal des Leibes, daß es also mitstirbt. Dies war vor allen Dingen den ersten Christen klar, daß in der Erdenentwickelung die Zeit eingetreten war, wo die Seele zwar auf Erden Ich-begabt wird, aber dadurch mit dem Leibe stirbt. Daß der Leib stirbt, war ja nicht das, was in den ersten Evangelienverkündigungen gesagt worden ist, sondern daß die Seele stirbt, und daß sie in den Menschen, die aus der vorchristlichen Weltentwickelung hervorgingen, schon gestorben ist. Als ein reales Wort war es gemeint: Ihr seid gestorben. - Nicht die früheren Seelen waren gestorben, denn da hatten sie noch nicht teilgenommen an dem Schicksal des Leibes, aber ihr gehört dem Schicksal der Generation derer an, die gestorben sind, das heißt, eure Seelen nehmen teil an dem Schicksal des Leibes; denn das, was ihr als ein Ichbewußtsein hier tragt durch euren physischen Leib, das ist nur ein Abbild eures wahren Ichs. - Vor dem Mysterium von Golgatha hatte man zwar von diesem wahren Ich nichts gewußt, wenn man hineingeschaut hat in das eigene Selbst, aber es war noch nicht vom Menschen getrennt. In der Zeit des Mysteriums von Golgatha ist es gerade vom Menscheninnern getrennt worden, und der Mensch ist erhoben worden in die geistige Welt, und nur den Abglanz des Ichs hat er als Ichbewußtsein hier unten.

Wenn wir uns also das vorstellen, was der Mensch vor dem Mysterium von Golgatha erlebte, so hatte er damals sein Seelisches, in welchem er das Vorgeburtliche erlebte, und er hatte das reale Ich, das er aber zunächst nicht wahrnahm. Nach dem Mysterium von Golgatha war es so, daß der Mensch sein Seelisches hatte, aber das Vorgeburtliche erlebte er darin nicht mehr. Sein wahres Ich ist seit jener Zeit ein geistiges, das heißt, es gehört nicht der Erdenwelt, sondern der geistigen Welt an, und er hat den Abglanz dieses Ichs durch den physischen Leib, das Ichbewußtsein: «... und euer Ich ist von euch getrennt und vereinigt mit Christo in der Geistwelt.»

Der ist nun herabgestiegen auf die Erde, so daß diese geistige Welt durch ihn die Erdenwelt durchdringen kann. Aber der Menschen wahres Ich lebt nicht in der Welt, die mit Augen gesehen werden kann und an die man herankommen kann mit den drei gewöhnlichen Fähigkeiten, dem Denken, dem Fühlen und dem Wollen; es lebt in einer Welt, die seit jener Zeit die irdische durchdringt, aber es ist mit dem Christus vereint. Und von dem wahren Ich kann man nur wissen, indem man zugleich von dem Christus weiß; das wahre Ich kann man nur fühlen, wenn man zugleich das Wesen des Christus und das Wesen des Mysteriums von Golgatha fühlt; das wahre Ich kann einen nur durchkraften, wenn man zugleich sich durchkraftet fühlt von demjenigen Impuls, der von dem Mysterium von Golgatha ausgeht.“ (Lit.: GA 344, S. 117ff)

Wiktor Michailowitsch Wasnezow: Die vier apokalyptischen Reiter (1887)

Darauf, dass das Bewusstsein für die Sterblichkeit der leibgebundenen Seele erst in der griechisch-lateinische Zeit auftrat, wird in der Apokalypse des Johannes bei der Öffnung des vierten Siegels hingwiesen:

„Wir werden da gewahr ..., wie auf die Eröffnung des vierten Siegels, das also entspricht einem Geheimnis der vierten nachatlantischen Epoche, ein fahles Pferd erscheint, und wie nun die Rede ist von dem Tode, der in die Welt gekommen ist (Apk 6,8 LUT). Damit wird zunächst eines der wichtigsten Geheimnisse der Apokalypse berührt, insofern dieses Geheimnis ganz besonders wichtig ist für unsere Zeit. In der vierten nachatlantischen Epoche tritt in gewissem Sinne wirklich der Tod in die Menschheit ein. Machen Sie sich das nur klar. Man lernt die menschliche Natur gut erkennen, wenn man so etwas wie den Tod betrachtet [...]

Das war es, was in der vierten nachatlantischen Epoche auftrat, gerade in der Epoche, die zusammenfiel mit dem Mysterium von Golgatha, daß der Mensch sein irdisches Leben sozusagen deutlich eingeschlossen sah durch die zwei Tore: das Tor der Geburt oder Empfängnis und das Tor des Todes.

Dieses Bewußtsein, diese Art von Seelenverfassung, trat wirklich erst in der vierten nachatlantischen Epoche ein, so daß wir es also zu tun haben mit der Entfaltung dieses Bewußtseins, daß der Mensch streng eingeschlossen ist innerhalb der Grenzen des irdischen Lebens, etwa vom achten vorchristlichen Jahrhundert an bis in das 15.Jahrhundert nach dem Mysterium von Golgatha. Seit dieser Zeit bereitet sich ja ein neues Bewußtsein vor, aber da stehen wir erst im Anfang.“ (Lit.: GA 346, S. 74ff)

In diesem Sinn sind auch die Worte zu deuten, die Achileus zu dem in die Unterwelt herabgestiegenen Odysseus spricht:

Preise mir jetzt nicht tröstend den Tod, ruhmvoller Odysseus.
Lieber möcht' ich fürwahr dem unbegüterten Meier,
Der nur kümmerlich lebt, als Tagelöhner das Feld baun,
Als die ganze Schar vermoderter Toten beherrschen.

Homer: Odyssee 11,488-491 (übersetzt von Johann Heinrich Voß)

Rudolf Steiner bemerkt dazu:

„Die vierte Kultur, die griechisch-römische, sie führt den Menschen vollends herab auf den physischen Plan. So lieb hat er ihn jetzt gewonnen, daß er ganz vergessen hat, woher er gekommen ist. Das Verständnis für die geistige Welt ist ihm verlorengegangen. Tief zeigt dieses der Ausspruch des griechischen Helden Achilles: Lieber ein Bettler in der Oberwelt als ein König im Reiche der Schatten.“ (Lit.: GA 109, S. 246f)

Persönliche Unsterblichkeit

Die persönliche Unsterblichkeit - das über den Tod hinaus fortdauernde Bewusstsein von der Persönlichkeit - hat der sich der Mensch überhaupt erst durch die Bewusstseinsseele errungen.

"In Spanien wurde von den maurischen Gelehrten, vor allen Dingen von einer solchen Persönlichkeit wie Averroes, gelehrt, wie die Intelligenz überall waltet, wie die ganze Welt, der Kosmos erfüllt ist von der allwaltenden Intelligenz. Die Menschen unten auf der Erde, sie haben verschiedene Eigenschaften, aber sie haben nicht eine eigene, persönliche Intelligenz. Sondern jedesmal, wenn ein Mensch auf der Erde wirkt, so geht ein Tropfen der Intelligenz, ein Strahl der Intelligenz von der allgemeinen Intelligenz aus, senkt sich gewissermaßen in den Kopf, in den Körper des Menschen, erfüllt ihn, so daß, wenn ein Mensch auf Erden herumgeht, er etwas hat wie eine Art Teil der ganz allgemeinen kosmischen Intelligenz. Stirbt dann der Mensch,

Tafel 9
Tafel 9

geht er durch die Pforte des Todes, so geht das, was er als Intelligenz gehabt hat, zurück in die allgemeine Intelligenz, fließt zurück. So daß, was der Mensch während des Lebens zwischen Geburt und Tod an Gedanken, Begriffen, Ideen hat, in das allgemeine Reservoir der allgemeinen Intelligenz zurückfließt und man nicht davon sprechen kann, daß dasjenige, was der Mensch als besonders Wertvolles in seiner Seele trägt, seine Intelligenz, einer persönlichen Unsterblichkeit unterliegt.

Das war auch durchaus gelehrt von den spanisch-maurischen Gelehrten, daß der Mensch eine persönliche Unsterblichkeit nicht hat. Er lebt weiter, aber es ist ja das Wichtigste an ihm - so sagten die Gelehrten -, daß er während des Lebens intelligentes Wissen entfalten kann. Das geht aber nicht mit seinem Wesen mit. Also kann man nicht sagen, daß das intelligente Wesen eine persönliche Unsterblichkeit hat. Sehen Sie, das war, ich möchte sagen, der Furor des Kampfes der Scholastiker unter den Dominikanern, der Furor, geltendzumachen die persönliche Unsterblichkeit des Menschen. Es konnte das in jener Zeit nicht anders auftreten als so, daß diese Dominikaner geltend machten: Der Mensch ist persönlich unsterblich, und das, was Averroes lehrt, ist Ketzerei, ist Häresie. Das müssen wir heute anders sagen. Aber für die damalige Zeit ist begreiflich, daß man einen Menschen, der die persönliche Unsterblichkeit nicht annahm, wie Averroes in Spanien, für einen Häretiker erklärte. Heute müssen wir die Sache der Wirklichkeit, der Realität gemäß betrachten. Wir müssen sagen: In dem Sinne, wie der Mensch unsterblich geworden ist seiner Bewußtseinsseele nach, hat er sich diese Unsterblichkeit - dieses fortdauernde Bewußtsein von der Persönlichkeit -, nachdem er durch die Pforte des Todes durchgegangen war, erst errungen seit der Zeit, da eine Bewußtseinsseele im Erdenmenschen Platz greift. Wenn man also Aristoteles oder Alexander gefragt hätte, wie sie über Unsterblichkeit denken, wie würden sie geantwortet haben? Auf Worte kommt es nicht an, aber wenn sie gefragt worden wären und wenn sie in christlicher Terminologie geantwortet hätten, würden sie gesagt haben: Unsere Seele wird aufgenommen von Michael, und wir leben fort in der Gemeinschaft des Michael. - Oder sie würden es kosmologisch ausgedrückt haben; gerade aus einer solchen Gemeinschaft heraus, wie die des Alexander oder des Aristoteles war, würde man kosmologisch gesagt haben, und man hat es auch gesagt: Die Seele des Menschen ist intelligent auf Erden, aber diese Intelligenz ist ein Tropfen aus der Fülle dessen, was Michael ergießt wie einen intelligenten Regen, der die Menschen überströmt. Und dieser Regen geht von der Sonne aus, die Sonne nimmt in ihr eigenes Wesen wiederum zurück des Menschen Seele, und die Menschenseele, die da besteht zwischen Geburt und Tod, sie strahlt aus der Sonne auf die Erde nieder. Michael-Herrschaft hätte man auf der Sonne gesucht. So würde man kosmologisch geantwortet haben." (Lit.: GA 237, S. 163ff)

Eine entsprechende Differenzierung kennt schon die hebräische Seelenlehre, indem sie zwischen nephesch (hebr. נפש; Empfindungsseele), ruach (hebr. רוח; Verstandesseele) und neschama (hebr. שמה‎נ; Bewusstseinsseele) unterscheidet. Die niederen Seelenglieder nephesch und ruach sind sterblich und lösen sich nach dem Tod auf. Neschama ist der lebendige Odem, der „Hauch des Lebens“, den Jahve-Elohim dem Menschen einbläst (1 Mos 2,7 LUT) und bezeichnet in der Genesis die Bewusstseinsseele, insbesondere in ihrer Verschmelzung mit dem Geistselbst. Derart ist sie der zwar während der irdischen Inkarnation im Leib wohnende, aber deswegen doch nicht leibgebundene, unsterbliche Teil der Seele.

Seelentod

Siehe auch: Seelentod und Ganztod

Der Seelentod, das Absterben bzw. die völlige Auflösung der Seele, droht jenen Menschen, die ihre Seele während des Erdenlebens nur mit irdisch vergänglichem Wissen erfüllen. Sie wird zur Zeit des Jüngsten Gerichts der zweite Tod, wenn nicht nur der physische Leib, sondern auch der Ätherleib in seiner der Erdentwicklung entsprechenden Form endgültig abgelegt wird, besonders hart treffen, da sie nicht über die notwendige Seelensubstanz verfügen, durch die sie ihre weitere Entwicklung auf dem Neuen Jupiter - dem Neuen Jerusalem aus der Apokalypse des Johannes - fortführen können. Nur an denjenigen, die ihren Astralleib erfüllt haben mit der Christus-Wesenheit, wird der zweite Tod unbemerkt vorüber gehen.

„Diejenigen, deren Ätherleib ganz im Einklang ist mit dem astralischen Leib, die werfen ohne Schmerzen diesen Ätherleib ab, denn sie bleiben in ihrem astralischen Leibe, der erfüllt ist von der Christus-Wesenheit, und sie empfinden es als Entwickelungsnotwendigkeit, daß der Ätherleib abgestreift wird. Denn sie fühlen in sich die Fähigkeit, ihn wiederum selbst aufzubauen, weil sie Christus in sich aufgenommen haben. Diejenigen aber, die in diesem Ätherleib die Begierde nach dem haben, was vergangen ist, die können diesen Ätherleib auch nicht behalten, wenn alles astralisch wird. Er wird ihnen genommen werden, wird aus ihnen gerissen werden, und jetzt empfinden sie das als ein zweites Sterben, als den «zweiten Tod». Dieser zweite Tod geht an den anderen, die ihren Ätherleib mit dem astralischen Leib durch Aufnahme des Christus-Prinzips harmonisch gemacht haben, unvermerkt vorüber. Über sie hat der zweite Tod keine Macht. Die anderen empfinden aber den zweiten Tod beim weiteren Hinüberleben in jene folgende astralische Gestalt. Dann ist die Menschheit in jenem Zustand, wo diejenigen, die das Ziel der Entwickelung erreicht haben, ihren astralischen Leib ganz durchdrungen haben mit Christus. Sie sind reif, hinüberzuleben nach dem Jupiter, sie entwerfen auf unserer Erde den Plan zur Jupiterentwickelung. Das ist der Plan, der genannt wird das neue Jerusalem. Sie leben in einem «neuen Himmel» und einer «neuen Erde»: das ist Jupiter. Dieser neue Jupiter wird begleitet sein wie von einem Trabanten von denjenigen, die ausgeschlossen sind von dem Leben im Geistigen, die den zweiten Tod erlebt haben, die daher keine Möglichkeit haben, das Jupiterbewußtsein zu erlangen.“ (Lit.: GA 104, S. 246f)

Abstammung der Seelen

„Alle Seelen stammen ab von Christus, und eine solche Zeit wird kommen, wo den Seelen das zum Bewußtsein kommt und wo sie verstehen werden, daß auch der Ausgleich unter den Seelen nur durch den Christus geschehen kann.“ (Lit.: GA 266c, S. 48)

(Aufzeichnung C)

„Im Urbeginn war eine Seelensubstanz vorhanden, die sich dann in die unzähligen differenzierten Einzelseelen teilte; durch diese Differenzierung entstand das Karma, das besteht in seelischen Zusammenhängen von Mensch zu Mensch. In der Zeit vor dem Ereignis von Palästina lebten sich diese karmischen Zusammenhänge in der Blutsverwandtschaft aus, waren an das Blut gebunden. Aber gerade zur Zeit des Mysteriums von Golgatha versiegte allmählich diese Seelensubstanz, und die Menschen wären seelenlos über die Erde dahingegangen am Ende der Erdenentwicklung, wären in die Tierheit verfallen in Menschenleibern, die die Karikaturen von Tierleibern sein würden; und die Iche (denn nicht das Ich stirbt aus, an dieses ist das Karma gebunden bis zum Ende) würden leer und seelenlos sein, wenn nicht das Mysterium von Golgatha stattgefunden hätte. Der Christus ist der geistig-seelische Stammvater der jetzigen Menschheit, wie Adam es in bezug auf den Leib ist und nur, indem wir uns mit der Christus-Substanz, dem Christus-Impuls erfüllen, entgehen wir der Seelenlosigkeit, und das tun wir, indem wir die Erkenntnisse über das Mysterium von Golgatha in uns aufnehmen und in uns leben lassen. Immer seelischer werden dann die Beziehungen und das Zusammenleben von Mensch und Mensch.“ (S. 48f)

(Aufzeichnung D)

Siehe auch

Literatur

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Weblinks

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Einzelnachweise

  1. Epiphanius: Panarion XXV 48
  2. Vgl. dazu das Prinzip der spirituellen Ökonomie.
  3. Gorgias 493a2-3
  4. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das im Lukasevangelium überlieferte Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus, insofern es als eine der wenigen biblischen Stellen eine konkrete Vorstellung vom Dasein der Toten in der Scheol, der Unterwelt, gibt und die Seelen hier in durchaus körperlicher Gestalt und nicht als leibbefreite Freiseelen gezeichnet werden. Sie erscheinen als konkrete Menschen, die sehen und hören, Schmerzen erleiden oder Freude empfinden können. Schon im frühen Christentum wurde daher dieses Gleichnis gerne als Argument gegen die platonische Seelenlehre und die an diese anknüpfende Gnosis verwendet, die die Erlösung der Seele gerade in ihrem leibbefreiten Dasein sah. Entsprechend charakterisiert schon Tertullian († um 220) die Seele so:

    „Wir beschreiben also die Seele als entstanden aus Gottes Hauch, unsterblich, wesenhaft, körperlich, von abbildungsfähiger Gestalt, der Substanz nach einfach, durch sich empfindend, in verschiedener Weise fortschreitend, freien Willens, Zufälligkeiten ausgesetzt, von wechselnder Geistesrichtung und Anlage, vernünftig, herrschend, mit Ahnungsvermögen begabt und aus einer Seele hervorgehend.“

    Tertullian: Über die Seele (De anima), Cap. 22[1]

    Tertullian beschreibt in den folgenden Kapitel sehr detailreich, wie die Seele bei der Zeugung zugleich mit dem Leib erzeugt wird, indem dabei der göttliche Hauch, den einst Adam empfangen hat, von Generation zu Generation weitergegeben wird (siehe dazu De anima 27).

  5. siehe dazu auch: Richard Heinzmann: Anima unica forma corporis - Thomas von Aquin als Überwinder des platonisch-neuplatonischen Dualismus in Philosophisches Jahrbuch, 93. Jahrgang, Verlag Karl Alber, Freiburg/München 1986, S. 236ff
  6. „Die vom Leibe getrennte Seele ist eine einzelne für sich bestehende Substanz der vernünftigen Natur. Sie ist aber nicht «Person».“ (Summe der Theologie I 29,1,V)
  7. im Leib, aber nicht durch den Leib
  8. Heinz Grill: Die Heilkraft der Seele. Der Lichtäther und der Lichtseelenprozess. 3. vollständig überarbeitete Auflage. Stephan Wunderlich Verlag, 2015, ISBN 978-3-9817200-2-0, S. 9–10.