Gedanke

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Wassily Kandinsky: An die unbekannte Stimme (1916)

Der Gedanke erscheint zunächst als das mehr oder weniger erstarrte, abgestorbene Produkt des lebendigen Denkens, wobei deutlich zwischen der subjektiven Form seines Auftretens im Bewusstsein, etwa als Vorstellung, und seinem objektiven Gehalt unterschieden werden muss. Mental werden Gedanken zumeist durch Bild- und/oder Wort-Vorstellungen erlebt. Inhaltlich bestehen sie aus Begriffen bzw. geordneten Begriffsverbindungen. Gedanken, die nicht schrittweise durch das diskursive Denken gebildet werden, sondern spontan in unserem Bewusstsein auftauchen, bezeichnet man als Einfall.

Durch die Gedanken werden wir uns des Denkens überhaupt erst bewusst, denn den lebendigen Denkprozess beobachten wir normalerweise nicht, jedenfalls nicht in seiner vollen Tiefe, sondern erst die Produkte, die er hervorbringt, nämlich die Gedanken. Die Beobachtung des Denkens ist aber jedem denkenden Menschen bei entsprechender Schulung der Aufmerksamkeit möglich. Gelingt dies, wird auch der Denkakt selbst zum Bestandteil des Gedankenerlebens.

Bloßes Gedanken-Haben, d.h. die Anwesenheit fertiger Gedanken im Bewusstsein, die ohne aktuell aktiv erlebter Einsicht als Ergebnis früheren Denkens aus dem Gedächtnis aufgerufen werden oder überhaupt nur mehr oder weniger passiv als Wissen ohne eigene tiefere Einsicht im Vertrauen auf eine Autorität hin erworben wurden oder gar nur in sachlich weitgehend unzusammenhängenden Gedanken-Assoziationen besteht, ist noch kein Denken, sondern ein bloßes Wahrnehmen der das Bewusstsein durchziehenden Gedanken. Wirkliches Denken muss aus eigener Anstrengung, d.h. durch eine Willenstätigkeit hervorgebracht werden und selbsttätig bis zur unmittelbaren klaren Einsicht in die vorliegenden idellen Zusammenhänge voranschreiten.

Der Gedankenbildungsprozess

Gedanken sind Spiegelungen eines Übersinnlichen. Ihr Träger ist heute der Ätherleib und ihr Spiegelungsapparat der physische Leib, der die lebendigen Gedanken allerdings nur in blasser abgestorbener Form schattenhaft in unserem Bewusstsein abbildet.

„Der Ätherleib ist der Träger der Gedanken, die auch Spiegelungen sind. Die Menschen würden leicht darauf kommen können, daß Gedanken Spiegelungen eines Übersinnlichen sind. Unter einem Mikroskop werden niemals Gedanken sich präparieren lassen. Gedanken leben in Wahrheit im Ätherleib. Es prägt sie das Denken aus, und das wird im physischen Leib gespiegelt. Daraus kann man ersehen, daß Erkenntnis, Wissen abhängt vom physischen Leib und Ätherleib. Zum physischen und Ätherleib sprechen nur die Eindrücke vom physischen Plan. Andere Vorstellungen aber müssen in der Menschenseele Platz greifen. Sie müssen auch den astralischen Leib ergreifen, das ganze Fühlen und Wollen und das Denken, das nicht nur auf dem physischen Plan sich erschöpft. Der Mensch bleibt sonst innerlich tot. Alle Vorstellungen, die etwas abbilden, haben nur Bedeutung für den physischen Plan. Schon die Frage: Ist eine Vorstellung berechtigt, die nicht etwas abbildet? - besagt das. Allein die Vorstellungen, die frei im Geiste leben, die frei leben im astralischen Leib und im Ich, mit denen erkennt man nicht nur, sondern man lebt mit ihnen. Das sind Vorstellungen, die nicht nur etwas abbilden, sondern die innerlich regsam, lebendig sind, die etwas aus sich und aus uns machen.“ (Lit.:GA 154, S. 131f)

Ihrem wahren Ursprung nach sind die Gedanken Spiegelungen des Geistigen, d.h. der eigentlichen geistigen Welt, des Devachans.

„Nun, im Geiste, wie ihn der Mensch heute hat, leben ja die Gedanken, die Gedanken, wie ich sie darstelle etwa in meiner «Philosophie der Freiheit», wo sie eben nicht mit Sinnesanschauungen durchtränkt sind, sondern frei geschaffene, reine Gedanken im menschlichen Bewußtsein sind. Da sind die Gedanken ihrer Qualität nach zunächst nur ein Schein, sie sind so wenig eine volle Realität, daß sie nicht eine innere Kraft haben. Weil wir das Spiegelbild nicht haben, können wir sie, nicht ganz, aber in einem gewissen Sinne doch, mit Spiegelbildern vergleichen. Das Bild, das im Spiegel erscheint, hat in der Richtung seiner Linien nicht Kraftentfaltung, es ist ganz passiv. Die menschlichen Gedanken haben in ihrer Entfaltung Kraft, so daß wir diese Kraft, so wie ich es gestern in der esoterischen Stunde gesagt habe, auch auffangen und willensdurchtränkt machen können. Aber zum Weltall in seinem vollinhaltlichen Sein verhalten sich diese Gedanken, die der Mensch im Leben hat, eigentlich wie Spiegelbilder, so daß wir schon im Menschenwesen zwar den Geist tragen, aber den Geist im Spiegelbild.

Nun, meine lieben Freunde, das, was wir da in uns tragen, das stammt aus der Welt, die ich in meiner «Theosophie» beschrieben habe als Geisterland, und wir bringen eigentlich, indem wir auf Erden denken, die Ingredienzien des Geisterlandes im Schein, im Abglanz herunter auf die Erde. Wir tragen das, was die Theosophie das Devachan nennt, in das Erdgebiet herunter, indem wir denken, wenn das auch ein schwacher Abglanz ist. Wir tragen diese Inhalte auf Erden in uns, in schwachem Abglanze den Schein des Himmels.“ (Lit.:GA 346, S. 199)

Das Gedankenerleben hat sich im Zug der Menschheitsentwicklung stark verändert. Ursprünglich wurden die Gedanken unmittelbar im Ich wesenhaft erlebt. Der Mensch fühlte sich getragen von einer einer Welt geistiger Wesen. Später erlebte man deren seelische Offenbarung im Astralleib. In der Blütezeit der griechisch-lateinischen Kultur konnte man immerhin noch die lebendigen Gedanken erleben. Erst mit dem Anbruch des Bewusstseinsseelenzeitalters nahmen sie die schattenhafte Form an, die wir heute für die einzig mögliche halten. Heute ist es die Sendung Michaels, die Gedankenschatten neu zu beleben, aber so, dass dabei die volle Freiheit des Menschen gewahrt bleibt.

„Heute empfindet der Mensch, daß Ideen in ihm durch die Tätigkeit seiner Seele ausgebildet werden. Er hat das Gefühl: er ist der Ausbildner der Ideen, während nur die Wahrnehmungen von außen an ihn herandringen. Dieses Gefühl hatte der Mensch nicht immer. Er empfand in älteren Zeiten den Inhalt der Ideen nicht als etwas Selbst-Gemachtes, sondern als etwas durch Eingebung aus der übersinnlichen Welt Erhaltenes.

Dieses Gefühl machte Stufen durch. Und die Stufen hingen davon ab, mit welchem Teil seines Wesens der Mensch das erlebte, was er heute seine Ideen nennt. Heute in dem Zeitalter der Entwickelung der Bewußtseinsseele gilt uneingeschränkt, was in den vorigen Leitsätzen steht: «Die Gedanken haben ihren eigentlichen Sitz im ätherischen Leib des Menschen. Aber da sind sie lebendig-wesenhafte Kräfte. Sie prägen sich dem physischen Leibe ein. Und als solche ,eingeprägte Gedanken* haben sie die schattenhafte Art, in der sie das gewöhnliche Bewußtsein kennt.» Man kann nun zurückgehen in Zeiten, in denen Gedanken unmittelbar im «Ich» erlebt wurden. Da aber waren sie nicht schattenhaft wie heute; sie waren nicht bloß lebend; sie waren beseelt und durchgeistigt. Das heißt aber: der Mensch dachte nicht Gedanken; sondern er erlebte die Wahrnehmung von konkreten geistigen Wesenheiten [...]

Der Mensch ist Geist. Und seine Welt ist die der Geister. Eine nächste Stufe ist diejenige, wo das Gedankliche nicht mehr vom «Ich», sondern von dem astralischen Leibe erlebt wird. Da geht die unmittelbare Geistigkeit für den seelischen Anblick verloren. Das Gedankliche erscheint als ein beseeltes Lebendiges [...]

Da verbergen sich die konkreten Geistwesen; ihr Abglanz, als beseeltes Leben, erscheint. Man beginnt das «Leben der Natur» an dieses «Leben der Seelen» heranzutragen. Man sucht in den Naturwesen und Naturvorgängen die wirksamen Geistwesen und deren Taten. In dem, was später als alchymistisches Suchen auftrat, ist geschichtlich der Niederschlag dieser Bewußtseins-Etappe zu sehen [...]

Eine dritte Epoche der Bewußtseins-Entwickelung bringt die Gedanken, aber als lebendige, im ätherischen Leib zum Bewußtsein.

Als die griechische Zivilisation groß war, lebte sie in diesem Bewußtsein. Wenn der Grieche dachte, so bildete er sich nicht einen Gedanken, durch den er, als mit seinem eigenen Gebilde, die Welt ansah; sondern er fühlte in sich erregt Leben, das auch draußen in den Dingen und Vorgängen pulsierte.

Da erstand zum ersten Male die Sehnsucht nach Freiheit des eigenen Handelns. Noch nicht wirkliche Freiheit; aber die Sehnsucht darnach [...]

Erst als die Gedanken ihre Prägung im physischen Leibe annahmen und sich das Bewußtsein nur auf diese Prägung erstreckte, trat die Möglichkeit der Freiheit ein. Das ist der Zustand, der mit dem fünfzehnten nachchristlichen Jahrhundert gegeben ist [...]

Als die Gedanken den physischen Körper ergriffen, war aus ihrem unmittelbaren Inhalte Geist, Seele,Leben getilgt; und der abstrakte Schatten, der am physischen Leibe haftet, ist allein geblieben. Solche Gedanken können nur Physisch-Materielles zum Gegenstande ihrer Erkenntnis machen. Denn sie sind selbst nur wirklich an dem physisch-materiellen Leibe des Menschen.

Nicht deshalb ist der Materialismus entstanden, weil nur materielle Wesen und Vorgänge in der äußerenNatur wahrzunehmen sind; sondern weil der Mensch in seiner Entwickelung eine Etappe durchzumachen hatte, die ihn zu einem Bewußtsein führte, das zunächst nur materielle Offenbarungen zu schauen fähig ist. Die einseitige Ausgestaltung dieses menschlichen Entwickelungs-Bedürfnisses ergab die Naturanschauung der neueren Zeit.

Michaels Sendung ist, in der Menschen Äther-Leiber die Kräfte zu bringen, durch die die Gedanken-Schatten wieder Leben gewinnen; dann werden sich den belebten Gedanken Seelen und Geister der übersinnlichen Welten neigen; es wird der befreite Mensch mit ihnen leben können, wie ehedem der Mensch mit ihnen lebte, der nur das physische Abbild ihres Wirkens war.“ (Lit.:GA 26, S. 76ff)

Der Gedankengehalt der Welt

Die Gedanken sind die in den Dingen waltenden Kräfte.

Durch unser Denken bringen wir in unserem Bewusstsein die Gedanken zur Erscheinung, die ihrer Wirklichkeit nach der Welt angehören, deren Teil auch wir selbst sind.

„Der Materialist gibt nicht zu, daß die Gedanken, die wir an der Natur heranbilden, zuvor in dieser enthalten sind. Er glaubt, daß wir sie in sie hineinlegen.

Die Rosenkreuzer des Mittelalters stellten ein Glas Wasser vor den Neophyten und sagten zu ihm: Damit dieses Wasser im Glas sein kann, muß es jemand hineingetan haben. Ebenso verhält es sich aber mit den Ideen, die wir in der Natur finden. Sie müssen hineingelegt worden sein durch die göttlichen Geister, die Gehilfen des Logos.

Die Gedanken, die wir aus der Welt ziehen, finden sich in Wahrheit in ihr. Alles, was wir schaffen, ist notwendigerweise darin eingeschlossen.“ (Lit.:GA 94, S. 34)

Die Gedanken sind in der ganzen Welt ausgebreitet, sie sind die in den Dingen waltenden Kräfte. Aber sie schweben nicht frei in der Welt herum, sondern werden getragen bzw. ausgeströmt von geistigen Wesen.

„Es ist ja ein Vorurteil der gegenwärtigen sogenannt aufgeklärten Menschheit, daß ihre Gedanken nur in den Köpfen drinnenstecken. Wir würden nichts von den Dingen durch Gedanken erfahren, wenn diese Gedanken nur in den Köpfen der Menschen wären. Derjenige, der da glaubt, daß die Gedanken nur in den Köpfen der Menschen seien, der unterliegt, so paradox das klingt, demselben Vorurteil, wie einer, der glaubt, daß der Schluck Wasser, mit dem er sich den Durst löscht, auf seiner Zunge entstanden ist und nicht aus dem Wasserkrug in seinen Mund hineingeflossen ist. Es ist im Grunde genommen ebenso lächerlich zu behaupten, die Gedanken entstehen im Menschenkopfe, wie es lächerlich ist zu sagen - wenn ich meinen Durst mit einem Trunk Wasser lösche, den ich im Krug habe - , das Wasser sei in meinem Mund entstanden. Die Gedanken sind eben durchaus in der Welt ausgebreitet. Die Gedanken sind die in den Dingen waltenden Kräfte. Und unser Denkorgan ist eben nur etwas, was aus dem kosmischen Reservoir der Gedankenkräfte schöpft, was die Gedanken in sich hereinnimmt. Wir müssen also von Gedanken nicht so sprechen, als ob sie etwas wären, das nur dem Menschen angehört. Wir müssen von Gedanken so sprechen, daß wir uns bewußt sind: Gedanken sind die weltbeherrschenden Kräfte, die überall im Kosmos ausgebreitet sind. Aber diese Gedanken fliegen deshalb doch nicht frei herum, sondern sie sind immer getragen, bearbeitet von irgendwelchen Wesenheiten. Und, was das Wichtigste ist, sie sind nicht immer von denselben, nicht immer von den gleichen Wesenheiten getragen.“ (Lit.:GA 222, S. 45f)

Bis etwa zum 4. Jahrhundert n. Chr. waren die Exusiai, die Geister der Form, die in der Genesis als Elohim bezeichnet werden, die Träger der kosmischen Intelligenz. Dann ging diese Aufgabe auf die Archai, die Geister der Persönlichkeit über. Dieser Übergabeprozess begann schon in vorchristlicher Zeit und vollendete sich erst im 14. Jahrhundert. Dadurch wurde auch der Zugang des Menschen zur Gedankenwelt ein anderer. Empfing man früher die Gedanken von außen wie die Sinneswahrnehmungen, so traten sie nun immer mehr im Inneren auf und kamen dadurch zunehmend in den Besitz der Persönlichkeit. (Lit.:GA 222, S. 46ff)

Der kosmische Ursprung der Gedanken

Die Logik der geistigen Hierarchien: Zwölf Weltanschauungen und sieben Seelenstimmungen.
Siehe auch: Kosmische Intelligenz

„Der Mensch ist nach den Gedanken des Kosmos aufgebaut. Der Kosmos ist der große Denker, der bis zum letzten Fingernagel so unsere Form in uns eingraviert, wie unsere kleine Gedankenarbeit die kleinen Eingravierungen ins Gehirn während des Alltages macht. Wie unser Gehirn - das heißt nur in bezug auf die kleinen Partien, wo Eingravierungen geschehen können - unter dem Einflusse der Gedankenarbeit steht, so steht unser ganzer Mensch unter dem Einfluß der kosmischen Gedankenarbeit...

Wir werden aus dem Kosmos heraus gedacht. Der Kosmos denkt uns. Und wie wir in unserer kleinen Alltagsgedankenarbeit kleine Eingravierungen in unser Gehirn machen und dann die Vorstellungen Löwe, Hund, Tisch, Rose, Buch, auf, ab, links, rechts uns zum Bewußtsein kommen als die Spiegelungen dessen, was wir vorher im Gehirn präparieren - das heißt, wie wir durch die Bearbeitung des Gehirns zuletzt wahrnehmen Löwe, Hund, Tisch, Rose, Buch, auf, ab, schreiben, lesen - , so wirken die Wesen der Weltenhierarchien in der Weise, daß sie die große denkerische Tätigkeit verrichten, die Bedeutsameres in der Welt eingraviert als wir mit unserer alltäglichen Denkertätigkeit. So kommt es denn zustande, daß nicht nur die kleinen winzigen Eingravierungen entstehen, die dann als unsere Gedanken sich einzeln spiegeln, sondern daß wir selbst es sind in unserem ganzen Wesen, was wieder den Wesen der höheren Hierarchien als ihre Gedanken erscheint. Wie unsere kleinen Gehirnprozesse unsere kleinen Gedanken spiegeln, so spiegeln wir, indem in die Welt eingraviert wird, die Gedanken des Kosmos. Indem die Hierarchien des Kosmos denken, denken sie zum Beispiel uns Menschen. Wie von unseren kleinen Gehirnpartikelchen unsere kleinen Gedanken kommen, so kommen von dem, was die Hierarchien machen und wozu wir selber gehören, ihre Gedanken. Wie die Teile in unserem Gehirn für uns die Spiegelungsapparate sind, die wir erst für unsere Gedanken bearbeiten, so sind wir, wir kleine Wesen, dasjenige, was sich für ihre Gedanken die Hierarchien des Kosmos zubereiten...

So finden wir den Zusammenhang zwischen dem menschlichen und dem kosmischen Gedanken. Der menschliche Gedanke ist der Regent des Gehirns; der kosmische Gedanke ist ein solcher Regent, daß zu dem, was er auszuführen hat, wir selber mit unserem ganzen Wesen gehören. Nur müssen wir, weil er vermöge unseres Karma nicht immer alle seine Gedanken in gleicher Art auf uns wenden kann, nach seiner Logik aufgebaut werden. So haben wir Menschen eine Logik, nach der wir denken, und so haben auch die geistigen Hierarchien des Kosmos ihre Logik. Und ihre Logik besteht in dem, was wir als Schema aufgezeichnet haben (Seite 69). Wie wir zum Beispiel, wenn wir denken, «der Löwe ist ein Säugetier», zwei Begriffe zusammenbringen zu einem Urteil, so denken die geistigen Hierarchien des Kosmos zwei Dinge zusammen, Mystik und Idealismus: Mystik erscheine im Idealismus. Denken Sie sich dieses zunächst als vorbereitende Tätigkeit des Kosmos: Mystik erscheine im Idealismus - so erklingt das schöpferische «fiat», das schöpferische Wort. Die vorbereitende Tat besteht für die Wesen der geistigen Hierarchien darin, daß ein Mensch ergriffen wird, dessen Karma es entspricht, daß sich in ihm die Anlage ausbildet, ein mystischer Idealist zu werden. Zurückgestrahlt in die Hierarchien des Kosmos ist das, was wir für uns einen Gedanken nennen würden, für sie der Ausdruck eines Menschen, der mystischer Idealist ist, der ihr Gedanke ist, nachdem sie sich das kosmische Urteil vorbereitet haben: Mystik erscheine im Idealismus! [...]

So spricht die Summe der geistigen Hierarchien im Kosmos. Und unsere menschliche Gedankentätigkeit ist ein Abbild, ein kleines Abbild davon. Welten verhalten sich zum Geiste oder zu den Geistern des Kosmos, wie sich unser Gehirn zu unserer Seele verhält. So können wir hineinblicken in das, was wir allerdings nur mit einer gewissen Ehrfurcht, mit einer heiligen Scheu anschauen sollten. Denn wir stehen gewissermaßen mit einer solchen Sache vor den Geheimnissen der Menschenindividualitäten. Wir lernen begreifen, daß - wenn ich mich bildlich ausdrücken darf- die Augen der Wesen der höheren Hierarchien hinschweifen über die einzelnen Menschenindividualitäten und daß ihnen die Individualitäten das sind, was uns die individuellen Buchstaben eines Buches sind, in dem wir lesen. Das ist das, was wir nur mit einer heiligen Scheu anschauen dürfen. Wir belauschen die Gedankentätigkeit des Kosmos.“ (Lit.:GA 151, S. 76ff)

Ein Hindernis, den kosmischen Ursprung der Gedanken zu erkennen, ist die bis heute in den Neurowissenschaften dogmatisch vertretene Meinung, dass die Gedanken ein Produkt des Gehirns seien und dieses die Willensbewegungen des Menschen zentral steuere. Damit verbunden ist die von Rudolf Steiner heftig bekämpfte Lehre von den motorischen Nerven. Tatsächlich gäbe es grundsätzlich nur sensorische Nerven - die sogenannten motorischen Nerven seien in Wahrheit auch sensorisch und würden ausschließlich der Wahrnehmung der eigenen Bewegung dienen.

„Die Welt ist ein Unendliches, qualitativ und quantitativ. Und ein Segen wird es sein, wenn sich einzelne Seelen finden, die klar sehen wollen gerade in bezug auf das, was in unserer Zeit so furchtbar auftritt an sich überhebender Einseitigkeit, die ein Ganzes sein will. Ich möchte sagen, mit blutendem Herzen spreche ich es aus: Das größte Hindernis für eine Erkenntnis der Tatsache, wie eine vorbereitende Arbeit der denkerischen Tätigkeit im Gehirn geübt wird, wie das Gehirn dadurch zum Spiegel gemacht wird und das Seelenleben zurückstrahlt - eine Tatsache, deren Erkenntnis unendliches Licht auf viele andere physiologische Erkenntnisse werfen könnte -, das größte Hindernis für die Erkenntnis dieser Tatsache ist die wahnsinnig gewordene Physiologie der Gegenwart, welche da von zweierlei Nerven spricht, von den motorischen und den sensitiven Nerven. Ich habe auch diese Sache schon in manchen Vorträgen berührt. Um diese überall in der Physiologie herumspukende Lehre hervorzubringen, mußte tatsächlich die Physiologie vorher allen Verstand verlieren. Dennoch ist das heute eine über die ganze Erde hin anerkannte Lehre, die sich jeder wahren Erkenntnis von der Natur des Gedankens und der Natur der Seele hindernd in den Weg legt. Niemals wird der menschliche Gedanke erkannt werden können, wenn die Physiologie ein solches Hindernis der Erkenntnis des Gedankens bildet. Wir haben es aber so weit gebracht, daß eine haltlose Physiologie heute jedes Lehrbuch der Psychologie, der Seelenkunde, eröffnet und von sich abhängig macht. Damit versperrt man sich zugleich den Weg zur Erkenntnis des kosmischen Gedankens.

Was der Gedanke im Kosmos ist, das lernt man erst erkennen, wenn man erfühlt, was der Gedanke im Menschen ist, wenn man sich in der Wahrheit dieses Gedankens fühlt, der als Gedanke mit dem Gehirn nichts anderes zu tun hat, als daß er selber der Herr dieses Gehirnes ist. Aber wenn man also den Gedanken in seiner Wesenheit in sich selber als menschlichen Gedanken erkannt hat, dann fühlt man sich schon mit diesem Gedanken im Kosmischen darinnen, und unsere Erkenntnis von der wahren Natur des menschlichen Gedankens weitet sich aus auch zur Erkenntnis der wahren Natur des kosmischen Gedankens. Wenn wir richtig erkennen lernen, wie wir denken, dann lernen wir auch erkennen, wie wir von den Mächten des Kosmos gedacht werden. Ja, wir gewinnen sogar die Möglichkeit, einen Blick in die Logik der Hierarchien hinein zu tun. Die einzelnen Bestandteile der Urteile der Hierarchien, die Begriffe der Hierarchien, ich habe sie Ihnen hingeschrieben. In den zwölf Geistes-Tierkreiszeichen, in den sieben Weltanschauungsstimmungen und so weiter liegen die Begriffe der Hierarchien. Und das, was die Menschen sind, sind Urteile des Kosmos, die aus diesen Begriffen hervorgehen. So fühlen wir uns in der Logik des Kosmos, das heißt, real gefaßt, in der Logik der Hierarchien des Kosmos darinnen, fühlen uns als Seelen in kosmischen Gedanken gebettet, wie wir den kleinen Gedanken, den wir denken, in unserem Seelenleben gebettet fühlen.

Meditieren Sie einmal über die Idee: «Ich denke meine Gedanken. - Und ich bin ein Gedanke, der von den Hierarchien des Kosmos gedacht wird. Mein Ewiges besteht darin, daß das Denken der Hierarchien ein Ewiges ist. Und wenn ich einmal von einer Kategorie der Hierarchien ausgedacht bin, dann werde ich übergeben - wie der Gedanke des Menschen vom Lehrer an den Schüler übergeben wird - von einer Kategorie an die andere, damit diese mich in meinem ewigen, wahren Wesen weiter denke. So fühle ich mich drinnen in der Gedankenwelt des Kosmos.»“ (Lit.:GA 151, S. 82ff)

Gedankenbildung im Ätherleib

Die Gedankenbildung geht vom Ich aus, geht durch den Astralleib und äußert sich schließlich in den Bewegungen des Ätherleibs. Indem sich diese Bewegungen dem physischen Leib einprägen, bildet sich das Gedächtnis und indem sie durch den physischen Leib, namentlich durch das Gehirn, in die Seele zurückgespiegelt werden, kommen sie zum Bewusstsein.

„Und da kommen wir darauf, daß sich dasjenige, was wir im engeren Sinne Denken, Vorstellen nennen, so wie der Mensch hier auf dem physischen Plan lebt, eigentlich abspielt im Ätherleib. Aber damit sich Gedanken bilden durch dieses Denken, durch dieses Vorstellen, ist der physische Leib notwendig, denn der physische Leib muß seine Eindrücke bekommen, wenn Gedanken hier im physischen Leben erinnerungsmäßig festgehalten werden sollen.

Der Vorgang ist also der: Wenn wir denken, so geht natürlich das Denken vom Ich aus, geht durch den astralischen Leib, aber es spielt sich dann hauptsächlich in den Bewegungen des Ätherleibes ab. Was wir immer denken, was wir vorstellen, spielt sich in den Bewegungen des Ätherleibes ab. Diese Bewegungen des Ätherleibes drücken sich förmlich ein in den physischen Leib. Das ist grob gesprochen, denn es handelt sich um viel feinere Vorgänge als um ein grobes Einprägen, aber man kann die Sache vergleichsweise so nennen. Und dadurch, daß diese Bewegungen des Ätherleibes in den physischen Leib eingeprägt werden, spielen sich für unser Bewußtsein die Gedanken ab, und dadurch auch erhalten sich die Gedanken in der Erinnerung. Gewissermaßen ist es so: Wenn wir einen Gedanken haben und den später einmal aus der Erinnerung hervorholen, so kommt bei dieser Arbeit des Sich-Erinnern-Wollens unser Ätherleib in Bewegung, und er paßt sich mit seinen Bewegungen dem physischen Leib an, und indem er hineinkommt in jene Eindrücke, die dieser Ätherleib bei dem entsprechenden Gedanken in den physischen Leib gemacht hat, kommt der Gedanke wieder herauf ins Bewußtsein. Also Erinnerung ist daran geknüpft, daß die Bewegungen des Ätherleibes sich in den physischen Leib einprägen können. Natürlich ist das Gedächtnis an den Ätherleib gebunden, aber der Ätherleib muß eine Art von Bewahrer seiner Bewegungen haben, damit im physischen Leben das Erinnern zustande kommen könne. Und so leben wir denn unser Leben zwischen Geburt und Tod, haben unsere Erlebnisse und erinnern uns unserer Erlebnisse, das heißt, es läuft unser Gedankenleben in uns ab. Im wachen Zustande haben wir immer mehr oder weniger dieses in unserem Inneren ablaufende Gedankenleben.“ (Lit.:GA 174b, S. 160f)

Tonäther und Lebensäther - Der Baum des Lebens

Siehe auch: Baum des Lebens

Durch den Sündenfall wurde dem Adamwesen ein Teil der Kräfte seines Ätherleibs entzogen; nachdem er vom Baum der Erkenntnis gegessen hatte, sollte er nicht auch noch vom Baum des Lebens kosten. Der luziferische Einfluss erstreckte seine Wirkungen auch in den Astralleib von Adam und Eva, so dass es unmöglich war, alle die Kräfte, die in Adam und Eva waren, auch herunterfließen zu lassen durch das Blut der Nachkommen. Den physischen Leib musste man durch alle die Geschlechter herunter sich fortpflanzen lassen, aber von dem Ätherleib behielt man in der Leitung der Menschheit etwas zurück. Dieser Teil wurde, wie sich Rudolf Steiner ausdrückt, aufbewahrt in der großen Mutterloge der Menschheit.

Dass der Mensch die Herrschaft über die höchsten Ätherkräfte verloren hat, beeinflusst auch sein Seelenleben entscheidend, denn die Seelenfähigkeiten des Menschen korrespondieren mit den Ätherkräften. Drei Seelentätigkeiten des Menschen können wir zunächst unterscheiden, nämlich Denken, Fühlen und Wollen. Diese Tätigkeiten spielen sich im Astralleib ab, hängen aber wie folgt mit den verschiedenen Ätherkräften zusammen: Das Wollen mit dem Wärmeäther, das Fühlen mit dem Lichtäther. Diese beiden Ätherarten sind unter die Herrschaft des Menschen gestellt und können vom Menschen willkürlich benutzt werden. Fühlen und Wollen tragen daher ein individuelles Gepräge.

Nicht so ist es mit dem Denken. Wir können zwar den Gedanken willentlich eine bestimmte Richtung geben, die Denkgesetze selbst aber – und insbesondere der innere Sinn der Gedanken, die eigentlich begrifflichen Elemente - sind überindividuell, sind allgemein-menschlich. Wirklich wach sind wir im Denken nur dort, wo wir logische Schlüsse ziehen. Schon indem wir uns Urteile bilden, träumen wir nur und die Begriffsbildung wird in Wahrheit verschlafen.

Das gilt auch für den sprachlichen Ausdruck der Gedanken. Die Sprache ist heute noch Volkssprache und nicht eine individuell schöpferisch hervorgebrachte. Das wird sich aber in Zukunft ändern, wenn wir die Kräfte des Baums des Lebens, also die höheren Ätherarten, unter unsere individuelle Herrschaft bringen. Dann werden wir in der Sprache und auch im Denken bis in den inneren Sinn der Gedanken hinein schöpferisch tätig werden.

„Wie nun der heutige physische Mensch ist, so prägt sich alles, was sein Seelenhaftes ist, in seiner physischen Leiblichkeit und in seiner ätherischen Leiblichkeit aus. Aber alles Seelische ist sozusagen gewissen Substanzen des Ätherischen zugeteilt. Was wir den Willen nennen, drückt sich ätherisch aus in dem, was wir das Feuer nennen. Wer nur ein wenig empfänglich ist für gewisse empfindungsgemäße Zusammenhänge, der wird fühlen, daß man ein gewisses Recht hat, so von dem Willen zu sprechen, daß dieser Wille, der sich physisch im Blute ausdrückt, in dem Feuerelement des Ätherischen lebt; physisch drückt er sich im Blute aus, beziehungsweise in der Bewegung des Blutes. Was wir Gefühl nennen, drückt sich aus in dem Teile des Ätherleibes, der dem Lichtäther entspricht. Weil das so ist, deshalb sieht auch der Hellseher die Willensimpulse des Menschen wie Feuerflammen, die seinen Ätherleib durchzucken und in den Astralleib hineinstrahlen, und die Gefühle sieht er als Lichtformen. Was aber der Mensch als sein Denken in seiner Seele erlebt und was wir in den Worten aussprechen, das sind auch nur Schattenbilder des Denkens, wie Sie sich ja leicht denken können, weil ja der physische Ton auch nur ein Schattenbild eines Höheren ist. Die Worte haben ihr Organ in dem Tonäther. Unseren Worten liegen zugrunde die Gedanken, die Worte sind Ausdrucksformen für die Gedanken. Diese Ausdrucksformen erfüllen den ätherischen Raum, indem sie ihre Schwingungen durch den Tonäther schikken. Was Ton ist, das ist eben nur die Abschattung der eigentlichen Gedankenschwingungen. Das aber, was das Innerliche aller unserer Gedanken ist, was unseren Gedanken Sinn gibt, das gehört seinem ätherischen Zustande nach dem eigentlichen Lebensäther an.

Sinn - Lebensäther
Denken - Tonäther
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Gefühl - Lichtäther
Wille - Feueräther
Luft
Wasser
Erde

Von diesen vier Ätherformen wurden in der lemurischen Zeit nach dem luziferischen Einflüsse dem Menschen nur die zwei unteren zur freien, willkürlichen Verfügung gelassen: Feueräther und Lichtäther; dagegen wurden die zwei oberen Ätherarten dem Menschen entzogen. Das ist der innere Sinn, wenn uns gesagt wird: Nachdem die Menschen durch den luziferischen Einfluß die Unterscheidung von Gut und Böse erlangt hatten - bildlich ausgedrückt durch den Genuß vom «Baume der Erkenntnis» -, wurde ihnen entzogen der Genuß vom «Baume des Lebens». Das heißt, es wurde ihnen entzogen, was frei, willkürlich durchdrungen hätte den Gedankenäther und den Sinnesäther. Dadurch mußten sich die Menschen nun in folgender Weise entwickeln: In jedes Menschen Willkür war das gestellt, was seinem Willen entspricht. Der Mensch kann seinen Willen als seinen persönlichen geltend machen, ebenso auch seine Gefühle. Gefühl und Wille ist dem einzelnen Menschen für das Persönliche freigegeben, daher das Individuelle der Gefühlswelt und der Willenswelt. Das Individuelle hört aber sofort auf, wenn wir aufsteigen vom Gefühl zum Denken, ja sogar schon zu dem Ausdruck der Gedanken, zu den Worten auf dem physischen Plan. Während jeder Mensch seine Gefühle und seinen Willen persönlich hat, kommen wir sofort in etwas Allgemeines hinein, wenn wir in die Wortwelt und in die Gedankenwelt hinaufrücken. Es kann nicht jeder sich seine eigenen Gedanken machen. Wenn die Gedanken so individuell wären wie die Gefühle, so würden wir uns nie verstehen. Es wurden also Gedanke und Sinn der menschlichen Willkür entzogen und vorläufig in der Göttersphäre aufbewahrt, um später erst dem Menschen gegeben zu werden. Daher können wir auf dem Erdenkreis überall individuelle Menschen finden mit individuellen Gefühlen und individuellen Willensimpulsen, aber wir haben überall gleiches Denken, gleiche Sprache bei den Völkern. Wo eine gemeinsame Sprache ist, da herrscht eine gemeinsame Volksgottheit. Diese Sphäre ist der menschlichen Willkür entzogen; da wirken vorläufig die Götter hinein.“ (Lit.:GA 114, S. 147ff)

Gedankenbildung durch Astralleib und Ich

„Der Mensch ist das einzige wirklich denkende Wesen auf unserer Erde. Durch seine Gedanken erlebt der Mensch eine Welt, die ihn über diese Erde hinausführt. In der Form, in welcher sich im Menschen die Gedanken entzünden, erlebt kein anderes irdisches Wesen die Gedanken. Was entzündet in uns den Gedanken, was spielt sich in uns ab, wenn der einfachste oder herrlichste Gedanke uns durchzuckt? - Zweierlei wirkt in uns zusammen, wenn wir Gedanken durch unsere Seele ziehen lassen: unser Astralleib und unser Ich. Der physische Ausdruck für unser Ich ist das Blut; der physische Ausdruck für unseren Astralleib ist unser Nervensystem, das, was wir Leben nennen in unserem Nervensystem. Und niemals würden unsere Gedanken unsere Seele durchzucken, wenn nicht ein Zusammenwirken wäre zwischen Ich und Astralleib, welches seinen Ausdruck findet im Zusammenwirken zwischen Blut und Nervensystem. Sonderbar wird es einmal einer menschlichen Zukunftswissenschaft vorkommen, wenn die heutige Wissenschaft allein im Nervensystem die Entstehung des Gedankens sucht. Nicht in den Nerven allein ist der Ursprung des Gedankens. Nur in dem lebendigen Zusammenspiel zwischen Blut und Nervensystem haben wir den Vorgang zu erblicken, der den Gedanken entstehen läßt.

Wenn unser Blut, unser inneres Feuer, und unser Nervensystem, unsere innere Luft, so zusammenwirken, dann durchzuckt der Gedanke die Seele. Und die Entstehung des Gedankens im Innern der Seele entspricht im Kosmos dem rollenden Donner. Wenn das Blitzesfeuer sich entzündet in den Luftmassen, wenn Feuer und Luft zusammenspielen und den Donner erzeugen, dann ist das in der großen Welt dasselbe makrokosmische Ereignis, dem entspricht der Vorgang, wenn das Feuer des Blutes und das Spiel des Nervensystems sich entladen im innern Donner, der allerdings sanft und ruhig und unvernehmbar für die Außenwelt erklingt im Gedanken. Was der Blitz in den Wolken, das ist für uns die Wärme unseres Blutes, und die Luft draußen mit allem, was sie an Elementen enthält im Universum, entspricht dem, was unser Nervensystem durchzieht. Und wie der Blitz im Widerspiel mit den Elementen den Donner erzeugt, so erzeugt das Widerspiel von Blut und Nerven den Gedanken, der die Seele durchzuckt. Wir schauen hinaus in die Welt, die uns umgibt: Wir sehen den zukkenden Blitz in den Gebilden der Luft und hören den sich entladenden, rollenden Donner. Und dann blicken wir in unsere Seele und spüren die innere Wärme, die in unserem Blute pulsiert und spüren das Leben, das unser Nervensystem durchzieht - dann fühlen wir den Gedanken uns durchzucken und sagen: Beides ist eins.

Wahrhaft und wirklich ist es so! Denn in uns denken wir, und wenn der Donner am Himmel rollt, so ist das nicht nur eine physisch-materielle Erscheinung. Das ist es nur für die materialistische Mythologie. Für den aber, der die geistigen Wesen durchweben und durchwallen sieht das materielle Dasein, für den ist es Wahrheit und Wirklichkeit, wenn der Mensch hinaufschaut und den Blitz sieht und den Donner hört und sich sagt: Jetzt denkt der Gott im Feuer, wie er sich uns verkündigen muß. Das ist der unsichtbare Gott, der das Universum durchwebt und durchwallt, der seine Wärme in dem Blitz und seine Nerven in der Luft und seine Gedanken in dem rollenden Donner hat. Der sprach zu Moses in dem brennenden Dornbusch und auf Sinai in dem Blitzesfeuer.

Dieselben Elemente Feuer und Luft, die im Makrokosmos sind, sind im Menschen, im Mikrokosmos, Blut und Nerven; und wie im Makrokosmos Blitz und Donner, so sind im Menschen die Gedanken. Und der Gott, den Moses gesehen und gehört hatte im brennenden Dornbusch, der zu ihm sprach in dem Blitzesfeuer auf Sinai, der erscheint als Christus im Blute des Jesus von Nazareth. Im menschlichen Leibe des Jesus von Nazareth erscheint der Christus, der herabsteigt in die menschliche Form. Indem er wie ein Mensch denkt im menschlichen Leibe, wirkt er als das große Vorbild der Menschheitsentwickelung in die Zukunft hinein.

So begegnen sich die beiden Pole der Menschheitsentwickelung: der makrokosmische Gott auf dem Sinai, der sich verkündigt im Donner und Blitzesfeuer, und derselbe Gott mikrokosmisch, verkörpert im Menschen von Palästina.“ (Lit.:GA 109, S. 97ff)

Die vier Epochen des Gedankenlebens

Das Gedankenleben entfaltet sich laut Rudolf Steiner durch vier Epochen. In «Die Rätsel der Philosophie» schreibt er:

„Die Entwickelung des Gedankenlebens ist durch vier Epochen fortgeschritten. In der ersten wirkt der Gedanke wie eine Wahrnehmung von außen. Er stellt die erkennende Menschenseele auf sich selbst. In der zweiten hat er seine Kraft nach dieser Richtung erschöpft. Die Seele erstarkt in dem Selbsterleben ihres Eigenwesens; der Gedanke lebt im Untergrunde und verschmilzt mit der Selbsterkenntnis. Er kann nun nicht mehr wie eine Wahrnehmung von außen angesehen werden. Die Seele lernt ihn fühlen als ihr eigenes Erzeugnis. Sie muß dazu kommen, sich zu fragen: was hat dieses innere Seelenerzeugnis mit einer Außenwelt zu tun? Im Lichte dieser Frage läuft die dritte Epoche ab. Die Philosophen entwickeln ein Erkenntnisleben, das den Gedanken in bezug auf seine innere Kraft erprobt. Die philosophische Stärke dieser Epoche offenbart sich als ein Einleben in das Gedankenelement, als Kraft, den Gedanken in seinem eigenen Wesen durchzuarbeiten. Im Verlauf dieser Epoche nimmt das philosophische Leben zu in der Fähigkeit, sich des Gedankens zu bedienen. - Im Beginne der vierten Epoche will das erkennende Selbstbewußtsein, von seinem Gedankenbesitze aus, ein philosophisches Weltbild gestalten. Ihm tritt das Naturbild entgegen, das von diesem Selbstbewußtsein nichts aufnehmen will. Und die selbstbewußte Seele steht vor diesem Naturbilde mit der Empfindung: wie gelange ich zu einem Weltbilde, in dem die Innenwelt mit ihrer wahren Wesenheit und die Natur zugleich sicher verankert sind? Der Impuls, der aus dieser Frage stammt, beherrscht - den Philosophen mehr oder weniger bewußt - die philosophische Entwickelung seit dem Beginn der vierten Epoche. Und er ist der maßgebende Impuls im philosophischen Leben der Gegenwart.“ (Lit.:GA 18, S. 32f)

Der Unterschied zwischen Denken und Gedanken-Haben

„Zwei Dinge werden ja häufig nicht sehr voneinander unterschieden, nämlich: Der Mensch denkt - und: Der Mensch hat Gedanken. - Aber die beiden Dinge sind wirklich sehr voneinander verschieden. Denken ist eine Kraft, die der Mensch hat, eine Tätigkeit; und diese Tätigkeit führt erst zu den Gedanken. Nun, die Tätigkeit des Denkens, diese Kraft, die im Denken lebt, bringen wir uns aus dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt in dieses Erdenleben herein. Diese Kraft des Denkens betätigen wir an den äußeren Wahrnehmungen durch die Sinne und machen uns die Gedanken über die Umgebung, die wir hier haben. Aber diese Dinge in unserer Umgebung haben ja keine Bedeutung für das Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, denn dort sind sie nichts. Sie sind nur hier für die Sinne. Deshalb haben auch die Gedanken, die wir uns hier machen über diejenigen Dinge, die vor unseren Sinnen ausgebreitet sind, keine Bedeutung für das Leben nach dem Tode; aber eine Bedeutung für das Leben nach dem Tode hat es, daß wir der Denkkraft überhaupt etwas zuführen, denn diese Denkkraft, die bleibt uns für das ganze Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Die Gedanken, die wir von den sinnlichen Wahrnehmungen hinnehmen, die können uns nichts fruchten nach dem Tode. Die dienen da nur, um Anhaltspunkte zu haben zur Erinnerung an das Ich während des Lebens zwischen Geburt und Tod.“ (Lit.:GA 174b, S. 316)

„Derjenige, der hier keine Gedanken aufgenommen hat über die geistigen Welten, der also nichts hat durch seine Seele ziehen lassen von Gedanken über die geistigen Welten, der ist als seelisches Wesen nach dem Tode in derselben Lage wie einer, der einen physischen Organismus hat, aber nichts zu essen, der hungern muß. Denn die Gedanken, die wir uns hier machen über die geistigen Welten, sie sind die Nahrung für eine der hauptsächlichsten Kräfte, die uns bleiben nach dem Tode: für die Denkkraft. Die Denkkraft haben wir, wie wir hier die Hungerkraft haben, aber genährt werden kann diese Hungerkraft zwischen dem Tode und einer neuen Geburt gar nicht. Wir können zwischen dem Tode und einer neuen Geburt Imagination haben, Inspiration und Intuition, aber wir können nicht Gedanken als solche haben. Die müssen wir uns hier erwerben. Wir müssen eintreten in das Leben zwischen Geburt und Tod, damit wir uns hier Gedanken erwerben. Von diesen Gedanken, die wir uns hier erworben haben, zehren wir die ganze Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, und wir hungern nach diesen Gedanken, wenn wir sie nicht haben.“ (Lit.:GA 174b, S. 317f)

Logische Gedanken sind eng an die natürlichen oder an formale Sprachen gebunden. Die sprachliche Form logischer Gedanken ist der Aussagesatz. Es gibt aber auch andere Gedankenformen, die nicht unmittelbar an die Logik und an die Sprache gebunden sind. Dazu zählen vor allem die bildhaften Gedanken.

Gedanken als Metamorphose des Willens

„Wir wollen uns heute zunächst einmal klar werden darüber, daß wir in uns als Menschen den Gedanken erleben. Wenn also der Mensch von seinem Gedankenerlebnis spricht, so hat er dieses Gedankenerlebnis unmittelbar. Er könnte dieses Gedankenerlebnis natürlich nicht haben, wenn nicht die Welt von Gedanken durchsetzt wäre. Denn wie sollte der Mensch, indem er die Welt sinnlich wahrnimmt, aus seinem sinnlichen Wahrnehmen heraus den Gedanken gewinnen, wenn der Gedanke nicht in der Welt als solcher vorhanden wäre.

Nun ist aber, wie wir ja aus anderen Betrachtungen wissen, die menschliche Hauptesorganisation so gebaut, daß sie eben besonders fähig ist, den Gedanken hereinzunehmen aus der Welt. Sie ist aus den Gedanken heraus geformt, aus den Gedanken heraus gebildet. Die menschliche Hauptesorganisation aber weist uns ja zu gleicher Zeit nach dem vorigen Erdenleben hin. Wir wissen, daß das menschliche Haupt eigentlich das metamorphosische Ergebnis der vorigen Erdenleben ist, während die menschliche Gliedmaßenorganisation auf die künftigen Erdenleben hinweist. Grob gesprochen: Unseren Kopf haben wir dadurch, daß unsere Gliedmaßen aus dem vorhergehenden Erdenleben sich zum Kopf metamorphosiert haben. Unsere Gliedmaßen, wie wir sie jetzt an uns tragen, mit alledem, was zu ihnen gehört, werden sich metamorphosieren zu dem Haupte, das wir in dem nächsten Erdenleben an uns tragen werden. In unserem Haupte arbeiten ja gegenwärtig, vorzugsweise in dem Leben zwischen Geburt und Tod, die Gedanken. Diese Gedanken sind, wie wir auch gesehen haben, zugleich die Umgestaltung, die Metamorphose desjenigen, was in unseren Gliedmaßen in dem vorigen Erdenleben als Wille wirkte. Und dasjenige wiederum, was als Wille wirkt in unseren gegenwärtigen Gliedmaßen, das wird zu Gedanken umgebildet sein in dem nächsten Erdenleben.

Wenn Sie das überschauen, können Sie sich sagen: Der Gedanke, er erscheint eigentlich als dasjenige, was in der Menschheitsevolution fortdauernd als Metamorphose aus dem Willen hervorgeht. Der Wille erscheint eigentlich als dasjenige, was gewissermaßen der Keim des Gedankens ist. - So daß wir sagen können: Es entwickelt sich der Wille allmählich in den Gedanken hinein. Was zuerst Wille ist, wird später Gedanke. Wenn wir Menschen uns betrachten, so müssen wir, wenn wir uns als Hauptesmenschen ansehen, zurückblicken auf unsere Vorzeit, indem wir in dieser Vorzeit den Willenscharakter hatten. Wenn wir nach der Zukunft schauen, müssen wir uns gegenwärtig den Willenscharakter in unseren Gliedmaßen zuschreiben und müssen sagen: Das wird in der Zukunft dasjenige, was in unserem Haupte ausgebildet wird, der Gedankenmensch. Aber wir tragen fortwährend diese beiden in uns. Wir sind gewissermaßen bewirkt aus dem Weltenall dadurch, daß sich in uns der Gedanke aus der Vorzeit mit dem Willen, der in die Zukunft hinein will, zusammenorganisiert.“ (Lit.:GA 202, S. 72f)

„Denken Sie sich einmal, Sie lebten im Sinne der gewöhnlichen Wissenschaften für eine Weile rein nachdenklich, Sie regten sich gar nicht, Sie sähen ganz ab von allem Handeln, Sie lebten eben ein Vorstellungsleben. Sie müssen sich aber klar sein, daß dann in diesem Vorstellungsleben Wille tätig ist, Wille, der allerdings dann in Ihrem Inneren sich betätigt, der im Bereiche des Vorstellens seine Kräfte ausbreitet. Gerade wenn wir so den denkenden Menschen betrachten, wie er fortwährend den Willen hineinstrahlt in seine Gedanken, dann muß uns eigentlich eines gegenüber dem wirklichen Leben auffallen. Die Gedanken, die wir also fassen, wenn wir sie alle durchgehen - wir werden immer finden, daß sie an irgend etwas anknüpfen, was in unserer Umgebung, was unter unseren Erlebnissen ist. Wir haben zwischen Geburt und Tod gewissermaßen keine anderen Gedanken als diejenigen, die uns das Leben bringt. Ist unsere Erfahrung reich, so haben wir auch einen reichen Gedankeninhalt; ist unsere Erfahrung arm, so haben wir einen armen Gedankeninhalt. Der Gedankeninhalt ist gewissermaßen unser innerliches Schicksal. Aber innerhalb dieses Denk-Erlebens ist eines ganz uns eigen: Die Art und Weise, wie wir die Gedanken verknüpfen und voneinander lösen, die Art und Weise, wie wir innerlich die Gedanken verarbeiten, wie wir urteilen, wie wir Schlüsse ziehen, wie wir uns überhaupt im Gedankenleben orientieren, das ist unser, ist uns eigen. Der Wille in unserem Gedankenleben ist unser eigener.

Wenn wir auf dieses Gedankenleben hinblicken, so müssen wir uns gerade bei einer sorgfältigen Selbstprüfung sagen, und Sie werden schon sehen, daß das so bei einer sorgfältigen Selbstprüfung ist: Die Gedanken kommen uns von außen ihrem Inhalte nach, die Bearbeitung der Gedanken, die geht von uns aus.“ (Lit.:GA 202, S. 200f)

Gedankenformen und menschliche Aura

Dem hellsichtigen Blick zeigen sich die Gedanken in der menschlichen Aura in mannigfaltigen Farben und Formen. Dabei handelt es sich allerdings um rein seelische Erlebnisse, die nur der Mitteilbarkeit wegen in solchen sinnlichen Formen geschildert werden, die ähnliche seelische Erfahrungen anregen.

„Für ihn ist ein Gedanke eines Menschen, der sich auf einen andern Menschen bezieht, nicht etwas Unwahrnehmbares, sondern ein wahrnehmbarer Vorgang. Der Inhalt eines Gedankens lebt als solcher nur in der Seele des Denkenden; aber dieser Inhalt erregt Wirkungen in der Geistwelt. Diese sind für das Geistesauge der wahrnehmbare Vorgang. Als tatsächliche Wirklichkeit strömt der Gedanke von einer menschlichen Wesenheit aus und flutet der andern zu. Und die Art, wie dieser Gedanke auf den andern wirkt, wird erlebt als ein wahrnehmbarer Vorgang in der geistigen Welt. So ist für den, dessen geistige Sinne erschlossen sind, der physisch wahrnehmbare Mensch nur ein Teil des ganzen Menschen. Dieser physische Mensch wird der Mittelpunkt seelischer und geistiger Ausströmungen. Nur angedeutet kann die reich-mannigfaltige Welt werden, die sich vor dem «Seher» hier auftut. Ein menschlicher Gedanke, der sonst nur in dem Denkverständnisse des Zuhörenden lebt, tritt zum Beispiel als geistig wahrnehmbare Farbenerscheinung auf. Seine Farbe entspricht dem Charakter des Gedankens. Ein Gedanke, der aus einem sinnlichen Trieb des Menschen entspringt, hat eine andere Färbung als ein im Dienste der reinen Erkenntnis, der edlen Schönheit oder des ewig Guten gefaßter Gedanke. In roten Farbennuancen durchziehen Gedanken, welche dem sinnlichen Leben entspringen, die Seelenwelt.[1] In schönem hellem Gelb erscheint ein Gedanke, durch den der Denker zu einer höheren Erkenntnis aufsteigt. In herrlichem Rosarot erstrahlt ein Gedanke, der aus hingebungsvoller Liebe stammt. Und wie dieser Inhalt eines Gedankens, so kommt auch dessen größere oder geringere Bestimmtheit in seiner übersinnlichen Erscheinungsform zum Ausdruck. Der präzise Gedanke des Denkers zeigt sich als ein Gebilde von bestimmten Umrissen; die verworrene Vorstellung tritt als ein verschwimmendes, wolkiges Gebilde auf.“ (Lit.:GA 9, S. 159f)

Gedanke, Licht, Elektrizität und Atom

Was die Menschen innerlich als Gedanke erleben, erscheint für die Imagination von außen besehen als Licht:

„Derjenige, der sich hinaufentwickeln kann zu den Erkenntnissen der Imagination, der Inspiration, der Intuition, der sieht ja am Menschen nicht bloß den äußerlich sichtbaren Kopf, sondern er sieht objektiv dasjenige, was durch das Haupt Gedankenmensch ist. Er sieht gewissermaßen auf die Gedanken hin. So daß wir sagen können: Mit denjenigen Fähigkeiten, die dem Menschen als die zunächst normalen zukommen zwischen Geburt und Tod, zeigt sich das Haupt in der Konfiguration, in der es eben einmal da ist. Durch die entwickelte Erkenntnis in Imagination, Inspiration, Intuition wird auch das Gedanklich-Kraftliche, was ja der Hauptesorganisation zugrunde liegt, was von den früheren Inkarnationen herüberkommt, sichtbar, wenn wir uns dieses Ausdruckes in übertragenem Sinne bedienen. Wie wird es sichtbar? So, daß wir für dieses Sichtbarwerden, für dieses selbstverständlich geistig-seelische Sichtbarwerden nur den Ausdruck brauchen können: es wird wie leuchtend.

Gewiß, wenn die Menschen, die durchaus auf dem Gesichtspunkte des Materialismus stehenbleiben wollen, solche Sachen kritisieren, dann sieht man sogleich, wie stark der gegenwärtigen Menschheit die Empfindungsfähigkeit fehlt, um aufzufassen, was mit solchen Dingen eigentlich gemeint ist. Ich habe deutlich genug in meiner «Theosophie» und in anderen Schriften darauf hingewiesen, daß es sich darum handelt, daß natürlich nicht eine neue physische Welt, gewissermaßen eine neue Auflage der physischen Welt erscheint, wenn in Imagination, Inspiration, Intuition hingeschaut wird auf das, was der Gedankenmensch ist. Aber dieses Erlebnis ist eben durchaus dasselbe, was man der physischen Außenwelt gegenüber am Lichte hat. Genau gesprochen müßte man sagen: Der Mensch hat am äußeren Lichte ein gewisses Erlebnis. Dasselbe Erlebnis, das der Mensch durch die sinnliche Anschauung des Lichtes in der äußeren Welt hat, hat er gegenüber dem Gedankenelemente des Hauptes für die Imagination. So daß man sagen kann: Das Gedankenelement, objektiv geschaut, wird als Licht geschaut, besser gesagt, als Licht erlebt. - Wir leben, indem wir denkende Menschen sind, im Lichte. Das äußere Licht sieht man mit physischen Sinnen; das Licht, das zum Gedanken wird, sieht man nicht, weil man darinnen lebt, weil man es selber ist als Gedankenmensch. Man kann dasjenige nicht sehen, was man zunächst selber ist. Wenn man heraustritt aus diesen Gedanken, wenn man in die Imagination, Inspiration eintritt, dann stellt man sich ihm gegenüber, und dann sieht man das Gedankenelement als Licht. So daß wir, wenn wir von der vollständigen Welt reden, sagen können: Wir haben das Licht in uns; nur erscheint es uns da nicht als Licht, weil wir darinnen leben, und weil, indem wir uns des Lichtes bedienen, indem wir das Licht haben, es in uns zum Gedanken wird. - Sie bemächtigen sich gewissermaßen des Lichtes; das Licht, das Ihnen sonst draußen erscheint, das nehmen Sie in sich auf. Sie differenzieren es in sich. Sie arbeiten in ihm. Das ist eben Ihr Denken, das ist ein Handeln im Lichte. Sie sind ein Lichtwesen. Sie wissen nicht, daß Sie ein Lichtwesen sind, weil Sie im Lichte drinnen leben. Aber Ihr Denken, das Sie entfalten, das ist das Leben im Lichte. Und wenn Sie das Denken von außen anschauen, dann sehen Sie durchaus Licht.

Denken Sie sich nun das Weltenall (linke Zeichnung). Sie sehen es - bei Tag natürlich - vom Lichte durchströmt, aber stellen Sie sich vor, Sie sähen dieses Weltenall von außen an. Und jetzt machen wir das Umgekehrte. Wir haben soeben das Menschenhaupt gehabt (rechte Zeichnung), das im Inneren den Gedanken in seiner Entwickelung hat, und äußerlich Licht schaut. Im Weltenall haben wir Licht, das sinnlich angeschaut wird. Kommen wir aus dem Weltenall heraus, betrachten wir das Weltenall von außen (Pfeile), als was erscheint es da? Als ein Gefüge von Gedanken! Das Weltenall - innerlich Licht, von außen angesehen Gedanken. Das Menschenhaupt - innerlich Gedanke, von außen gesehen Licht.

Zeichnung aus GA 202, S. 75 (Tafel 9 und 10)
Zeichnung aus GA 202, S. 75 (Tafel 9 und 10)

Das ist eine Art der Anschauung des Kosmos, die Ihnen ungemein nützlich und aufschlußreich sein kann, wenn Sie sie verwerten wollen, wenn Sie wirklich auf solche Dinge eingehen. Es wird Ihr Denken, Ihr ganzes Seelenleben viel beweglicher werden, als es sonst ist, wenn Sie lernen, sich vorzustellen: Würde ich aus mir herauskommen, wie es ja fortwährend der Fall ist, wenn ich einschlafe, und zurückschauen auf mein Haupt, also auf mich als Gedankenmenschen, so sähe ich mich leuchtend. Würde ich aus der Welt, aus der durchleuchteten Welt herauskommen, die Welt von außen sehen, so würde ich sie als ein Gedankengebilde sehen. Ich würde die Welt als Gedankenwesenheit wahrnehmen. - Sie sehen, Licht und Gedanke gehören zusammen, Licht und Gedanke sind dasselbe, nur von verschiedenen Seiten gesehen.“ (Lit.:GA 202, S. 73ff)

Im engen Zusammenhang damit steht auch die Elektrizität. Sie ist ahrimanisch gewordenes Licht, das aus uralten Zeiten stammt (Lit.: GA 224, S. 169). Im menschlichen Organismus werden die in den Nerven und Muskeln wirkenden elektrischen Kräfte durch den ahrimanischen Doppelgänger bewirkt, der das Denken ergreift. Dadurch nimmt auch der Gedanke, der sich durch den Organismus, insbesondere durch das Gehirn widerspiegelt, den untersinnlichen Charakter der Elektrizität an. Zugleich ist Elektrizität aber auch in gewissem Sinn die Grundlage der äußeren materiellen Welt. Atome sind, wie Rudolf Steiner betont, so etwas wie „gefrorene Elektrizität“. Und der Mensch wird künftig lernen, durch seine Gedanken unmittelbar in die Welt der Atome einzugreifen.

„Nun fängt man an zu wissen, daß das physikalische Atom kondensierte Elektrizität ist. Aber es handelt sich noch um ein zweites: zu wissen, was Elektrizität selber ist. Das ist noch unbekannt. Sie wissen nämlich eines nicht: wo das Wesen der Elektrizität gesucht werden muß. Dieses Wesen der Elektrizität kann nicht gefunden werden durch irgendwelche äußere Experimente oder durch äußere Anschauung. Das Geheimnis, welches gefunden werden wird, ist, daß Elektrizität genau dasselbe ist - wenn man auf einem gewissen Plan zu beobachten versteht —, was der menschliche Gedanke ist. Der menschliche Gedanke ist dasselbe Wesen wie die Elektrizität: das eine Mal von innen, das andere Mal von außen betrachtet. Wer nun weiß, was Elektrizität ist, der weiß, daß etwas in ihm lebt, das in gefrorenem Zustande das Atom bildet. Hier haben Sie die Brücke vom menschlichen Gedanken zum Atom. Man wird die Bausteine der physischen Welt kennenlernen, es sind kleine kondensierte Monaden, kondensierte Elektrizität. In dem Augenblicke, wo die Menschen diese elementarste okkulte Wahrheit von Gedanke, Elektrizität und Atom erkannt haben werden, in dem Augenblicke werden sie etwas erkennen, was das Wichtigste sein wird für die Zukunft und für die ganze sechste Unterrasse. Sie werden mit den Atomen bauen können durch die Kraft des Gedankens.

Dies wird die geistige Strömung sein, die wieder hineingegossen werden muß in die Formen, die seit Jahrtausenden von den Okkultisten geschaffen worden sind. Aber weil die menschliche Rasse die Verstandesentwickelung durchmachen mußte und absehen mußte von der eigentlichen inneren Arbeit, sind sie Hülsen geworden, aber als Formen geblieben, und es wird die richtige Erkenntnis hineingegossen werden müssen.

Der okkulte Forscher gewinnt die Wahrheit von der einen Seite, der physische Forscher von der anderen Seite. Ebenso wie die Maurerei aus der Werkmaurerei, aus dem Dom- und Tempelbau hervorgegangen ist, ebenso wird man künftig bauen müssen mit den kleinsten Bausteinen, mit den kondensierten Elektrizitätsmengen. Das wird eine neue Maurerei nötig haben. Dann wird sich die Industrie nicht mehr so abspielen können wie jetzt. Sie wird so chaotisch werden und nur auf reinen Kampf ums Dasein hinarbeiten können, solange man nicht weiß... [Lücke].[2] Dann würde möglich sein, daß in Berlin jemand mit der Droschke in der Stadt fahren kann, während in Moskau stattfindet das Unheil, das er von Berlin aus verursacht hat. Und kein Mensch würde eine Ahnung davon haben, daß dieser Mensch das verursacht hat. Die drahtlose Telegraphie ist ein Anfang davon. Was ich ausgeführt habe, ist Zukunft. Nur zwei Möglichkeiten sind vorhanden: Entweder die Dinge gehen chaotisch weiter, so wie die Industrie und Technik bisher vorgegangen ist. Dann führt es dazu, daß der, welcher im Besitze dieser Dinge ist, großes Unheil anrichten kann, oder es wird in die moralische Form der Maurerei gegossen.[3]“ (Lit.:GA 93, S. 113f)

Durch Elektrizität werden die Gedanken in der Welt und im Menschen dauerhaft festgehalten.

„Und solch ein Mensch wie Goethe sagte, wenn auch zum Teil unbewußt, aber unter Inspiration, gerade in einer solchen Dichtung wie in der Faust-Dichtung die tiefsten, bedeutsamsten großen Wahrheiten. Da, wo der Herr mit Mephistopheles im «Prolog im Himmel» im Gespräche ist, da sagt der Herr zuletzt zu dem Mephistopheles, daß er gegen sein Wirken nichts hat. Er läßt diesen Mephistopheles-Ahriman gelten, weil er drinnen sein soll in derWeltenentwickelung. Durch ihn soll das drinnen sein, was «reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen». Dann aber wendet der Herr seine Stimme von ihm ab und richtet das Wort zu den «echten Göttersöhnen», welche die normale Entwickelung vorwärtsbringen, und mit denen die andere Entwickelungsströmung zusammenwirkt. Und was sagt denn der Herr zu diesen echten Göttersöhnen?

Doch ihr, die echten Göttersöhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schöne!
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfaß' euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestiget mit dauernden Gedanken!

Der Herr gibt direkt den Befehl seinen Söhnen, daß sie hinsetzen sollen an die Weltenorte dauernde Gedanken! Solch ein dauernder Gedanke wurde hingesetzt in die Welt, als das elektrische Prinzip den Menschen eingepflanzt wurde, und zurückgeführt wurde die Menschheit wiederum zu dem dauernden Gedanken, als die Menschheit das elektrische Prinzip entdeckte und es der materialistischen Kultur einpflanzte. Ein Gedanke von ungeheurer Tiefe, dieses:

Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfaß' euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestiget mit dauernden Gedanken!

Und eine tiefe Empfindung erfaßt unsere Seele, wenn das Mysterium auf uns wirkt von den dauernden Gedanken; denn dann fühlen wir, wie in der Welt das Ewige da und dort als dauernde Gedanken sitzt, wie wir angehören der Welt der Bewegung und wie wir durchgehen durch das, was in die «schwankende Erscheinung» hineinversetzt wird als dauernde Gedanken, als das ewig wirkende und webende Schöne, das sich offenbart, damit wir es erfassen in dem rechten Augenblicke.“ (Lit.:GA 171, S. 220f)

Die schöpferische Potenz der Gedanken

Gedanken wirken durch periodische Wiederholung schöpferisch.

„Die Hierarchien haben periodisch immer wieder denselben Gedanken festgehalten (dauernde Gedanken, die befestigen das, was in schwankender Erscheinung lebt), sie arbeiten denselben Gedanken immer weiter aus. Dadurch wirken sie schöpferisch. So sind unsere verschiedenen Körper und unser in diesem Körper wohnendes Geistig-Seelisches durch dies Götterdenken geschaffen - eigentlich selbst nur Gedanken der Götter.

Unser Denken, das wir mit Hilfe des Gehirns vollziehen, ist nicht schöpferisch, sondern zerstörend, sowohl für unsere Nerven, als auch für unseren Ätherleib. Dieser ist das eigentliche Organ für die fortschreitende Entwicklung. Während des Tages wird er durch die zerstörende Wirkung des Astralleibes beschädigt, es muß während der Nacht physischer und Ätherleib befreit werden von diesem Zerstörenden des Astralleibes und durch die schöpferischen Gedanken wieder hergestellt werden. Ebenso der Astralleib selbst. - Nur wenn wir als Menschen-Hierarchie uns fühlen, d.h. Weltgedanken denken, wirken wir selbst nicht zerstörend, sondern schöpferisch. Wir schaffen durch tausendfache Wiederholung von solchen Weltgedanken - Inhalten, wie sie uns in der Meditation gegeben werden - zunächst die Lotosblumen. Da wirken wir auch in den Ätherleib hinein im Sinne der Hierarchien. Die Bilder und Worte des Meditationsinhaltes sind wohl dem Sinnlichen entnommen, doch durch die stete Wiederholung und Vertiefung, die in das hinter dem Wort und Bild verborgene Wesenhafte hineindringt, streifen Wort und Bild das Sinnliche ab. Und wenn man so weit vordringt, in dem Wesenhaften zu ruhen, das in der Tiefe von Wort und Bild verborgen ist, dann kommt man durch die Meditation hinein in eine andere Welt. Ein Sich-Vertiefen in den Gedanken: Der Gedanke denkt den Gedanken verhilft dazu.“ (Lit.:GA 266b, S. 137f)

Gedankenwesen

Gedanken als tote Schattenbilder der Gedankenwesen

In der Welt um uns herum sind die Gedanken lebendige Elementarwesen, Gedankenwesen, die in der elementarischen Welt leben, und erst in unserem Bewusstsein werden sie zu Gedankenleichen, die als solche keine Wirklichkeit mehr sind, sondern nur das Schattenbild einer ehemals lebendigen Wirklichkeit.

„Wir sind nämlich in Wirklichkeit überall, wo wir stehen, gehen und liegen, nicht nur in der Welt von Luft und Licht und so weiter, sondern wir sind immer in einer flutenden Gedankenwelt. Sie können sich das am besten vorstellen, indem Sie sich die Sache so zurechtlegen: Wenn Sie durch den Raum gehen als gewöhnlicher, physischer Mensch, gehen Sie atmend hindurch, Sie gehen durch den lufterfüllten Raum. So aber bewegen Sie sich gewissermaßen auch durch den gedankenerfüllten Raum. Die Gedankensubstanz, die erfüllt den Raum um Sie herum. Und diese Gedankensubstanz ist nicht ein unbestimmtes Gedankenmeer. Das ist nicht so etwas wie ein nebuloser Äther, wie man es sich zuweilen gern vorstellen möchte, sondern diese Gedankensubstanz ist eigentlich das, was wir die elementarische Welt nennen. Wenn wir von Wesen der elementarischen Welt sprechen im weitesten Sinne des Wortes, dann bestehen diese Wesen der elementarischen Welt aus dieser Gedankensubstanz, richtig aus dieser Gedankensubstanz. Es ist nur ein gewisser Unterschied zwischen den Gedanken, die da draußen herumschwirren, die eigentlich lebendige Wesen sind, und den Gedanken, die wir in uns haben. Ich habe hier schon öfter darauf hingewiesen, was da für ein Unterschied ist. In meinem demnächst erscheinenden Buch, das ich gestern schon erwähnt habe, werden Sie wiederum Hinweise finden auf diesen Unterschied.

Sie können sich nämlich die Frage vorlegen: Wenn wir da draußen im Gedankenraum irgendsoein Wesen, ein elementarisches Wesen haben und in mir ich doch auch Gedanken habe - wie verhalten sich meine Gedanken zu den Gedankenwesen, die da draußen im Gedankenraum sind? Sie bekommen eine richtige Vorstellung von diesem Verhältnis der eigenen Gedanken zu den Gedankenwesen draußen im Raum, wenn Sie sich das Verhältnis vorstellen eines menschlichen Leichnams, der, nachdem der Mensch gestorben ist, zurückgeblieben ist, zu dem lebendigen Menschen, der herumwandelt. Dabei müssen Sie allerdings solche Gedanken ins Auge fassen, die Sie an der äußeren Sinneswelt im wachen Bewußtsein gewinnen. Unsere Gedanken sind nämlich Gedankenleichen. Das ist das Wesentliche. Die Gedanken, die wir von der äußeren Sinneswelt so durch das wache Bewußtsein mit uns schleppen, das sind eigentlich Gedankenleichen, sind abgelähmte, abgetötete Gedanken; draußen sind sie lebendig. Das ist der Unterschied.

Nun sind wir also eigentlich dadurch in die Gedankenelementarwelt eingespannt, daß wir, indem wir aus der Umwelt unsere Wahrnehmungen aufnehmen und diese Wahrnehmungen zu Gedanken verarbeiten, die lebendigen Gedanken töten. Und indem wir sie dann in uns haben, diese Gedankenleichen, denken wir. Daher sind unsere Gedanken abstrakt. Unsere Gedanken bleiben gerade aus dem Grunde abstrakt, weil wir die lebendigen Gedanken töten. Wir gehen wirklich mit unserem Bewußtsein eigentlich so herum, daß wir Gedankenleichen in uns tragen und diese Gedankenleichen unsere Gedanken, unsere Vorstellungen nennen. So ist es in der Wirklichkeit.“ (Lit.:GA 177, S. 99ff)

Künstlerische Darstellung im dritten Mysteriendrama

In künstlerisch-imaginativer Form hat Rudolf Steiner diese Gedankenwesen im sechsten Bild seines dritten Mysteriendramas «Der Hüter der Schwelle» geschildert. Professor Capesius erlebt sie in geistiger Schau als ahrimanische Gnome (Erdelementarwesen) und als luziferische Sylphen (Luftelementarwesen):

CAPESIUS:
Die Seele, sie erlebt sich innerlich;
Sie glaubt zu denken, weil sie nicht Gedanken
Im Raume vor sich hingestellt erschaut.
Zu fühlen glaubt sie, weil Gefühle nicht
Wie Blitze aus den Wolken zuckend leuchten;
Sie sieht des Raumes Reiche und erblickt
Die Wolken über sich ... Und wenn dies nicht
Sich so verhielte: wenn die Blitze zuckten,
Und nicht ein Auge sich nach oben lenkte ...
Sie müßte glauben, daß in ihr der Blitz.
Sie sieht nicht Lucifer, aus dem Gedanken
Entsprießen und Gefühle sich ergießen -
So kann sie sich allein mit ihnen glauben.
Weshalb ergibt sie solchem Wahne sich?
                                   (Lit.:GA 14, S. 344f)

Gedankenwesen und Atmungsprozess

Ursprünglich, als das sinnliche Bewusstsein noch wenig ausgebildet war, wurden die Elementarwesen erlebt, die mit dem Einatmen in den Kopf strömen und dort tätig werden.

„In alten Zeiten also, da nahm der Mensch wahr, wie sich das Eingeatmete, das für ihn ein Berauschen war, ins Haupt fortsetzte und sich dort verband mit den Sinneseindrücken. Das war später nicht mehr der Fall. Später verliert der Mensch das, was in seinem Brustorganismus vorgeht, aus seinem Bewußtsein. Er nimmt nicht mehr dieses Heraufströmen des Atmens wahr, weil die Sinneseindrücke stärker werden. Sie löschen aus, was im Atem heraufkommt. Wenn Sie heute sehen oder hören, dann ist in dem Vorgang des Sehens und auch in dem Vorgang des Hörens der Atmungsvorgang drinnen. Beim alten Menschen lebte das Atmen stark im Hören und Sehen, bei dem heutigen Menschen lebt das Sehen und Hören so stark, daß der Atem ganz abgedämpft wird. So daß wir sagen können, jetzt lebt nicht mehr das, was da berauschend, den Kopf durchströmend, von dem Alten im Atmungsprozeß in seinem Innern wahrgenommen worden ist, so daß er sagte: Ah, die Nymphen! Ah, die Gnomen! Nymphen, die wurlen im Kopfe so, Gnomen, die hämmern im Kopfe so, Undinen, die wellen im Kopfe so! - Heute wird dieses Hämmern, Wellen, Wurlen übertönt von dem, was vom Sehen, vom Hören herkommt und was heute den Kopf erfüllt.

Es gab also einstmals eine Zeit, in der der Mensch stärker wahrnahm dieses Heraufströmen des Atmens in sein Haupt. Das ging über in die Zeit, in der der Mensch noch durcheinander wahrnahm, in der er noch etwas von den Nachwirkungen des gnomigen Hämmerns, des undinenhaften Wellens, des nymphenhaften Wurlens, indem er noch etwas wahrnahm von dem Zusammenhang dieser Nachwirkungen mit den Ton-, Licht- und Farben Wahrnehmungen. Dann aber verlor sich alles das, was er vom Atmungsprozeß noch wahrnahm. Und von denjenigen Menschen, die noch eine Spur von Bewußtsein hatten, daß einmal das Atmen das Geistig-Seelische der Welt in den Menschen hereinführte, wurde das, was da nun blieb, was sich festsetzte aus der Sinneswahrnehmung im Zusammenhang mit dem Atmen, «Sophia» genannt. Aber das Atmen nahm man nicht mehr wahr. Also der geistige Atmensinhalt wurde abgetötet, besser gesagt, abgelähmt durch die Sinneswahrnehmung.

Dieses wurde insbesondere von den Griechen empfunden. Die Griechen hatten gar nicht die Idee von einer solchen Wissenschaft, wie wir heute. Wenn man den Griechen erzählt hätte von einer Wissenschaft, wie sie heute an unseren Hochschulen gelehrt wird, es wäre ihnen das so vorgekommen, wie wenn ihnen jemand mit kleinen Stecknadeln das Gehirn fortwährend durchstochen hätte. Sie hätten gar nicht begriffen, daß das einem Menschen eine Befriedigung geben kann. Wenn sie solche Wissenschaft, wie wir sie heute haben, hätten aufnehmen sollen, dann hätten sie gesagt: Das macht das Gehirn wund, das verwundet das Gehirn, das sticht. - Denn sie wollten noch etwas wahrnehmen von jenem wohligen Ausbreiten des berauschenden Atems, in den sich, hineinströmend, das Gehörte, das Gesehene ergießt. Es war also bei den Griechen ein Wahrnehmen eines inneren Lebens im Haupte vorhanden, solch eines inneren Lebens, wie ich es Ihnen jetzt schildere. Und dieses innere Leben, das nannten sie Sophia. Und diejenigen, die es liebten, diese Sophia in sich zu entwickeln, die eine besondere Neigung hatten, sich hinzugeben an diese Sophia, die nannten sich Philosophen. Das Wort Philosophie deutet durchaus auf ein inneres Erleben. Jene greulich pedantische Aufnahme von Philosophie, wobei man Philosophie eben «ochst» - wie man es im Studentenleben nennt - , jenes Sich-bekannt-Machen mit dieser Wissenschaft, das kannte man in Griechenland nicht. Aber das innere Erlebnis des «Ich liebe Sophia», das ist es, was sich in dem Worte Philosophie zum Ausdrucke bringt.“ (Lit.:GA 211, S. 65ff)

Feuerwesen und Gedankenbildung

Alle Arten von Elementarwesen sind an der Gedankenbildung beteiligt, insbesondere aber, neben den Gnomen, auch die Feuerwesen, die Salamander, die im Wärmeelement leben und wirken.

„Auf dieselbe Art nun, wie der Mensch sozusagen den schlafenden Traum durchdringen kann, kann der Mensch auch das wache Tagesleben durchdringen. Da bedient sich der Mensch aber eben in einer ganz robusten Art seines physischen Leibes. Auch das habe ich dargestellt in Aufsätzen im «Goetheanum». Da kommt der Mensch schon ganz und gar nicht dazu, einzusehen, wie er eigentlich fortwährend während des Taglebens die Feuerwesen sehen könnte, denn die Feuerwesen stehen in einer inneren Verwandtschaft mit den Gedanken des Menschen, mit alledem, was aus der Organisation des Kopfes hervorgeht. Und wenn der Mensch es dazu bringt, vollständig im wachen Tagesbewußtsein zu sein und dennoch in einem gewissen Sinne außer sich zu sein, also ganz vernünftig zu sein, fest mit den beiden Beinen auf der Erde zu stehen, und dann wiederum außer sich zu sein gleichzeitig — also er zu sein und sein Gegenüber zu sein, das heißt, sich selber als Gedankenwesen betrachten zu können: dann nimmt der Mensch wahr, wie die Feuerwesen in der Welt dasjenige Element bilden, das, wenn wir es wahrnehmen, nach der anderen Seite unsere Gedanken wahrnehmbar macht.

So kann die Wahrnehmung der Feuerwesen den Menschen dazu bringen, sich selber als Denker zu sehen, nicht bloß der Denker zu sein und die Gedanken da auszukochen, sondern sich anzuschauen, wie die Gedanken verlaufen. Nur hören dann die Gedanken auf, an den Menschen gebunden zu sein; sie erweisen sich dann als Weltgedanken; sie wirken und weben als Impulse in der Welt. Man merkt dann, daß der Menschenkopf nur die Illusion hervorruft, als ob da drinnen in diesem Schädel die Gedanken eingeschlossen wären. Da sind sie nur gespiegelt; ihre Spiegelbilder sind da. Das, was den Gedanken zugrunde liegt, gehört der Sphäre der Feuerwesen an. Kommt man in diese Sphäre der Feuerwesen hinein, dann sieht man in den Gedanken nicht bloß sich selber, sondern man sieht den Gedankengehalt der Welt, der eigentlich zugleich ein imaginativer Gehalt ist. Es ist also die Kraft, aus sich herauszukommen, welche einem die Gedanken als Weltgedanken vorstellt. Ja, vielleicht darf ich sagen: Wenn man nun nicht vom menschlichen Körper aus, sondern von der Sphäre der Feuerwesen, also gewissermaßen von der in die Erde hereinragenden Saturnwesenheit das, was auf der Erde zu sehen ist, anschaut, dann bekommt man genau das Bild, das ich geschildert habe von der Erdenevolution in der «Geheimwissenschaft im Umriß». Dieser Umriß einer Geheimwissenschaft ist so aufgezeichnet, daß die Gedanken als der Gedankengehalt der Welt erscheinen, von der Perspektive der Feuerwesen aus gesehen.“ (Lit.:GA 230, S. 135f)

Wahrnehmung des lebendigen Gedankenwesens in der Meditation

Wenn der Gedanke durch die Willensanstrengung der Meditation erwacht und sich belebt, erscheint er imaginativ als geflügelter Engelskopf.

„Mit Illusionen kann man in der geistigen Welt nicht viel anfangen, die verdecken einem noch die flutende Gedankenwesen-Einheit. Worauf es ankommt, ist nicht eine Ausbildung unseres Vorstellungslebens, sondern eine Ausbildung unseres Willens- und Gefühlslebens; und das ist ja das Wesentliche der Meditation. Bei der Meditation kommt es nicht darauf an, was wir vorstellen, sondern darauf - ich habe das immer wieder und wieder betont -, daß man vorstellt mit innerer Kraft. Auf die innere Energie, auf die Kraft, auf den Willen kommt es an, und auf das Fühlen und Empfinden während wir meditieren, also auf ein Willenselement, das wir im Meditieren entwickeln, und das wir stärker entwickeln, wenn wir uns so anstrengen müssen, wie wir uns bei einer Meditation anstrengen sollen, aber geistig anstrengen sollen.“ (Lit.:GA 161, S. 134)

„Man muß ferner berücksichtigen, daß, wenn das Denken sich zur Verwandlungsfähigkeit entwickelt, also sich einlebt in die elementarische Welt, dieses Denken selber, so wie es in der physisch-sinnlichen Welt gesund und richtig ist, für die elementarische Welt nicht zu brauchen ist. Wie ist denn dieses Denken in der physisch-sinnlichen Welt? Verfolgen Sie einmal, wie es ist. Man erlebt in seiner Seele Gedanken. Man weiß, daß man innerlich diese Gedanken erfaßt, erzeugt, verbindet, trennt. Man fühlt sich innerlich in der Seele Herr dieser Gedanken. Diese Gedanken verhalten sich gleichsam passiv, lassen sich verbinden und trennen, lassen sich machen und wieder fortschaffen. Dieses Denkleben, dieses Gedankenleben muß sich in der elementarischen Welt um eine Stufe weiter entwickeln. In der elementarischen Welt ist man nicht in der Lage, solchen passiven Gedanken gegenüberzustehen wie in der physisch-sinnlichen Welt. Wenn man sich wirklich mit der hellsichtigen Seele einlebt in die elementarische Welt, dann ist das so, wie wenn die Gedanken nicht Dinge wären, die man beherrscht, sondern die Gedanken werden wie lebendige Wesen. Stellen Sie sich einmal vor, Ihre Gedanken wären nicht so, daß Sie sie machen und verbinden und trennen, sondern in Ihrem Bewußtsein fingen die Gedanken, jeder derselben, ein Eigenleben an, ein wesenhaftes Leben. Sie steckten gleichsam Ihr Bewußtsein hinein in etwas, wo Sie gar nicht die Gedanken so haben können wie in der physisch-sinnlichen Welt, sondern wo die Gedanken lebendige Wesenheiten sind. Ich kann nicht anders, als ein groteskes Bild gebrauchen; aber dieses Bild kann uns ein wenig aufmerksam machen, wie anders das Denken werden muß in der elementarischen Welt, als es in der physisch-sinnlichen Welt ist. Denken Sie sich, Sie steckten Ihren Kopf in einen Ameisenhaufen, und das Denken hörte auf. Dafür hätten Sie Ameisen statt Ihrer Gedanken im Kopfe. So werden die Gedanken, wenn Sie untertauchen mit Ihrer Seele in die elementarische Welt, daß sie sich selber verbinden und trennen, daß sie ein Eigenleben für sich führen.“ (Lit.:GA 147, S. 57f)

„Dieses eigene Erwachen, dieses sich Beleben des meditativen Gedankens, das ist ein bedeutungsvoller Moment im Leben des Meditanten. Dann merkt er, daß er von der Objektivität des Geistigen ergriffen ist, daß sich gewissermaßen die geistige Welt um ihn kümmert, daß sie an ihn herangetreten ist. Natürlich ist es nicht so einfach, bis zu diesem Erleben zu kommen, denn man muß, bevor man zu diesem Erleben kommt, mancherlei Empfindungen durchmachen, die der Mensch aus einem natürlichen Gefühl heraus nicht ganz gerne durchmacht. Ein gewisses Gefühl der Vereinsamung zum Beispiel, ein Gefühl der Einsamkeit, ein Gefühl der Verlassenheit muß man durchmachen. Man kann nicht die geistige Welt ergreifen, ohne sich vorher gewissermaßen von der physischen Welt verlassen zu fühlen, zu fühlen, daß diese physische Welt manches tut, was uns wie zermürbt, wie zermalmt. Aber durch solches Gefühl der Vereinsamung hindurch müssen wir dahin kommen, erst ertragen zu können diese innere Lebendigkeit, zu der der Gedanke erwacht, ich möchte sagen, sich gebiert. Vieles, vieles widerstrebt nun dem Menschen; im Menschen selbst widerstrebt vieles dem Menschen, was zur richtigen Empfindung führen kann von diesem innerlichen Beleben des Gedankens. Namentlich ist es ein Gefühl, zu dem wir kommen, ein inneres Erlebnis, zu dem wir kommen und das wir eigentlich nicht haben wollen. Aber wir gestehen uns zugleich nicht, daß wir es nicht haben wollen, sondern wir sagen: Ach, das kannst du doch nicht erreichen! - Dabei schläfst du ein. Dabei verläßt dich dein Denken, die innere Spannkraft will nicht mitgehen. Kurz, man wählt unwillkürlich allerlei Ausreden, denn das, was man erleben muß, das ist, daß der Gedanke, indem er sich so belebt, eigentlich wirklich wesenhaft wird. Er wird wesenhaft, er bildet sich zu einer Art von Wesen aus. Und man hat dann die Schauung - nicht bloß das Gefühl -: der Gedanke ist zuerst wie, man möchte sagen, ein kleiner Keim, rundlich, und wächst sich dann aus zu einem bestimmt gestalteten Wesen, das von außen in unser Haupt hinein sich fortsetzt, so daß der Gedanke einem diese Aufgabe stellt: du hast dich mit ihm identifiziert, nun bist du in dem Gedanken drinnen, und nun wächst du mit dem Gedanken in dein eigenes Haupt hinein; aber du bist im wesentlichen noch draußen. Der Gedanke nimmt die Form an wie ein geflügelter Menschenkopf, der ins Unbestimmte ausläuft und sich dann hineinerstreckt in den eigenen Leib durch das Haupt. Der Gedanke wächst sich also aus wie zu einem geflügelten Engelskopf. Dies muß man tatsächlich erreichen. Es ist schwierig, dieses Erlebnis zu haben, deshalb will man wirklich glauben, in diesem Moment, wo der Gedanke sich also auswächst, alle Möglichkeit des Denkens zu verlieren. Man glaubt, man werde sich selbst genommen in diesem Augenblick. Das aber fühlt man wie einen zurückgelassenen Automaten, was man als seinen Leib bisher gekannt hat und wo hinein der Gedanke sich erstreckt.

Außerdem sind in der objektiven geistigen Welt allerlei Hindernisse vorhanden, uns dieses sichtbar zu machen. Dieser geflügelte Engelskopf wird wirklich innerlich sichtbar, aber es sind alle möglichen Hindernisse da, uns das sichtbar zu machen. Und vor allen Dingen ist der Punkt, den man da erreicht hat, die wirkliche Schwelle der geistigen Welt. Und wenn es einem gelingt, also zu sich zu stehen, wie ich es geschildert habe, dann ist man an der Schwelle der geistigen Welt, wirklich an der Schwelle der geistigen Welt. Aber da steht, zunächst ganz unsichtbar für den Menschen, diejenige Gewalt, die wir immer Ahriman genannt haben. Man sieht ihn nicht. Und daß man das, was ich jetzt auseinandergesetzt habe als das ausgewachsene Gedankenwesen, nicht sieht, das bewirkt Ahriman. Er will nicht, daß man das sieht. Er will das verhindern. Und weil es ja vorzugsweise der Weg der Meditation ist, auf dem man bis zu dem Punkte kommt, so wird es immer dem Ahriman leicht, einem gewissermaßen das, wozu man kommen soll, auszulöschen, wenn man hängt an den Vorurteilen der physischen Welt. Und wirklich, man muß sagen: der Mensch glaubt gar nicht, wie sehr er eigentlich an diesem Vorurteil der physischen Welt hängt; wie er sich gar nicht vorstellen kann, daß es eine Welt gibt, die andere Gesetze hat als die physische Welt.“ (Lit.:GA 157, S. 170f)

„Gedanken in dem Sinne, wie wir sie hier in der physischen Welt haben, haben wir dann gar nicht mehr. Jeder Gedanke nimmt in dieser Welt die Form einer Elementarwesenheit an, wird Wesenheit. In der physischen Welt widersprechen sich die Gedanken oder stimmen miteinander überein. In der Welt, in die wir da eintreten, bekämpfen sich die Gedanken als wirkliche Wesenheiten. Sie lieben einander oder sie hassen einander. Wir leben uns sogleich hinein in eine Welt vieler Gedankenwesen. Und dasjenige, wofür wir gewohnt sind, das Wort «Leben» zu gebrauchen, das fühlen wir wirklich darinnen in den lebendigen Gedanken, die Lebewesen sind. Leben und Gedanken haben sich miteinander verbunden, während in der physischen Welt Leben und Gedanken vollständig voneinander getrennt sind. Wenn man als physischer Mensch spricht, jemandem seine Gedanken mitteilt, dann hat man das Gefühl: Deine Gedanken kommen aus deiner Seele heraus, du mußt dich im Moment an deine Gedanken erinnern. Wenn man als Okkultist spricht, wirklich als Okkultist spricht, nicht bloß aus der Erinnerung mitteilt das, was man erlebt hat, so muß man das Gefühl haben: Deine Gedanken kommen als lebendige Wesen herauf, und du mußt froh sein, wenn im richtigen Moment du begnadet wirst, daß der Gedanke herankommt als ein wirkliches Wesen.“ (Lit.:GA 154, S. 90)

Wahrnehmung der Gedankenwesen nach dem Tod

„Der Tote erlebt die Gedanken als Wirklichkeiten; sie nähren ihn, oder zehren ihn ab in seinem seelisch-geistigen Dasein. Und diese Zeit, in der die Gedanken ihn nähren oder abzehren, ist zugleich die Zeit, in welcher er sein übersinnliches Wahrnehmungsleben entwickelt. Er sieht, wie die Gedanken in ihn einströmen, und wie sie wieder weggehen. Es ist nicht ein solches Wahrnehmen, wie sonst in unserem gewöhnlichen Bewußtsein, wo wir nur die fertigen Wahrnehmungen haben, sondern es ist ein durchgehender Strom des Gedankenlebens, der sich immer mit dem eigenen Wesen verbindet.“ (Lit.:GA 181, S. 230f)

„Oh, dieser Gedächtnisschatz während des Lebens, er ist etwas ganz anderes als ein bloßer Gedächtnisschatz! Sind wir aus dem physischen Leibe heraus, dann sehen wir diesen ganzen Gedächtnisschatz als lebendige Gegenwart, dann ist er da. Jeder Gedanke lebt als ein Elementarwesen. Wir wissen jetzt: Du hast gedacht während deines physischen Lebens, dir sind deine Gedanken erschienen. Aber während du in dem Wahne warst, du bildetest dir Gedanken, hast du lauter Elementarwesen geschaffen. Das ist das Neue, was du zum ganzen Kosmos hinzugefügt hast. Jetzt ist etwas da, was in den Geist hinein von dir geboren worden ist, jetzt taucht vor dir auf, was deine Gedanken in Wirklichkeit waren. Man lernt zunächst in unmittelbarer Anschauung erkennen, was Elementarwesen sind, weil man diejenigen Elementarwesen zuerst erkennen lernt, die man selber geschaffen hat. Das ist der bedeutungsvolle Eindruck der ersten Zeit nach dem Tode, daß man das Erinnerungstableau hat. Aber dieses fängt an zu leben, richtig zu leben, und indem es anfängt zu leben, verwandelt es sich in lauter Elementarwesen. Jetzt zeigt es sozusagen sein wahres Antlitz, und darin besteht sein Verschwinden, daß es etwas ganz anderes wird. Wir brauchen, wenn wir zum Beispiel mit sechzig oder achtzig Jahren gestorben sind, jetzt nicht mehr für irgendeinen Gedanken, den wir etwa im zwanzigsten Jahre unseres Lebens gehabt haben, Erinnerungskraft, denn er ist da als lebendiges Elementarwesen, er hat gewartet, und wir brauchen uns nicht an ihn zu erinnern. Denn wären wir zum Beispiel in unserem vierzigsten Lebensjahre gestorben, so wäre der Gedanke erst zwanzig Jahre alt - und das sehen wir ihm deutlich an. Diese Elementarwesen sagen uns selber, wie lange es her ist, seit sie sich gebildet haben. Die Zeit wird zum Raum. Sie steht vor uns, indem die lebendigen Wesen ihre eigenen Zeitensignaturen zeigen. Die Zeit wird zur unmittelbaren Gegenwart für diese Verhältnisse.

Wir lernen aus diesen unseren eigenen Elementarwesen, von denen wir im Leben schon umgeben waren, die wir im Tode erblicken, die Natur der elementarischen Welt überhaupt kennen und bereiten uns dadurch vor, auch solche Elementarwesen der Außenwelt zu verstehen im allmählichen Anschauen, die nicht wir geschaffen haben, sondern die ohne uns im geistigen Kosmos vorhanden sind. Durch unsere eigene elementare Schöpfung lernen wir die anderen kennen.“ (Lit.:GA 153, S. 150f)

„Nehmen wir einmal an, wir haben einen Menschen auf der Erde zurückgelassen und sind selber durch die Pforte des Todes gegangen. Wir stehen also in der Zeit darinnen, wo wir uns die Fähigkeit angeeignet haben, in die elementaren Wesenheiten hineinzuschauen und uns selber zu erfühlen, so daß wir wissen: Unsere Erdenfrüchte haben sich gefernt. Aber wir hängen noch zusammen mit unserem letzten Erdenleben. Nehmen wir an, wir haben einen Menschen zurückgelassen, wenn wir durch die Pforte des Todes geschritten sind, den wir sehr lieb gehabt haben. Ja, jetzt nach dem Tode kommen wir allmählich dazu, indem wir uns von unseren eigenen elementaren Schöpfungen aus hineingewöhnen, die elementaren Wesenheiten von anderen zu schauen, jetzt können wir uns hineinfinden, Gedanken anderer als Elementarwesen zu schauen. Das lernen wir allmählich an unseren eigenen Elementarwesen, auch bei den anderen Menschen, die wir zurückgelassen haben, zu sehen, was er denkt, was in seiner Seele an Gedanken lebt; wir sehen es. Denn es drückt sich in den Elementarwesen aus, die uns in mächtigen Imaginationen vor die Seele treten. Wir können also in dieser Beziehung jetzt schon viel mehr Zusammenhang haben mit dem Innerlichen des betreffenden Menschen, als wir mit ihm in der physischen Welt hatten. Denn während wir selber im physischen Leibe waren, konnten wir ja nicht auf das Gedankliche des anderen hinschauen; jetzt können wir es. Aber wir brauchen gleichsam die Gefühlserinnerung - bitte auf das Wort wohl achtzugeben - , die Gefühlserinnerung, den Gefühlszusammenhang mit unserem eigenen letzten Erdenleben. Wir müssen gleichsam so fühlen, wie wir im Leibe gefühlt haben, und dieses Gefühl muß in uns nachklingen, dann belebt sich das Verhältnis, das wir sonst nur wie zu einem Bilde haben würden, als das uns die Gedanken des anderen erscheinen. Einen lebendigen Zusammenhang bekommen wir also auf dem Umwege durch unsere Gefühle. Und so ist es im Grunde genommen mit allem.

Sie sehen, es ist ein Herausarbeiten aus einem Zustand, den man dadurch charakterisieren kann, daß man sagt: Es ist eine Zeit, in der wir die Kräfte noch aus unserem letzten Erdenleben beziehen müssen, um in lebendige Beziehungen zu kommen zu unserer geistigen Umwelt, wir müssen mit diesem Erdenleben noch zusammenhängen. Wir lieben die Seelen, die wir zurückgelassen haben, deren Seeleninhalt uns als Gedanken, als Elementarwesen erscheint, aber wir lieben sie, weil wir selber noch leben von der Liebe, die wir für sie während unseres Erdenlebens entwickelt haben. Es ist ja unangenehm, möchte ich fast sagen, solche Ausdrücke zu gebrauchen, aber einige von Ihnen werden mich verstehen, wenn ich sage: Das Erdenleben - also nicht das Gedankenleben -, das Erdenleben als gefühlter und mit Willensimpuls durchsetzter Seeleninhalt, mit dem wir noch zusammenhängen, das wird wie eine Art elektrischer Umschalter der eigenen Individualität mit dem, was um uns herum geistig uns umwallt. Wie eine Art elektrischer Umschalter: wir nehmen alles wahr auf dem Umweg durch das letzte Erdenleben. Aber nur durch das, was im letzten Erdenleben Fühlen und Wollen war, nehmen wir wahr, was in der geistigen Welt zu uns gehört.“ (S. 153ff)

Wahrnehmung der Gedankenwesen im Devachan

„Das sinnliche Auge nimmt den Löwen wahr und das auf Sinnliches gerichtete Denken bloß den Gedanken des Löwen als ein Schemen, als ein schattenhaftes Bild. Das geistige Auge sieht im «Geisterland» den Gedanken des Löwen so wirklich wie das sinnliche den physischen Löwen. Wieder kann hier auf das schon bezüglich des «Seelenlandes» gebrauchte Gleichnis verwiesen werden. Wie dem operierten Blindgeborenen auf einmal seine Umgebung mit den neuen Eigenschaften der Farben und Lichter erscheint, so erscheint dem jenigen, der sein geistiges Auge gebrauchen lernt, die Umgebung mit einer neuen Welt erfüllt, mit der Welt lebendiger Gedanken oder Geistwesen. – In dieser Welt sind nun zunächst die geistigen Urbilder aller Dinge und Wesen zu sehen, die in der physischen und in der seelischen Welt vorhanden sind.“ (Lit.:GA 9, S. 121)

Geistertoren

Die menschlichen Gedanken, wie wir sie in unserem Bewusstsein erleben, sind keine eigenständige Wirklichkeit, sondern bloße Bilder. Wären sie mehr als bloße Bilder, könnten wir sie nicht dazu gebrauchen, über die Wirklichkeit nachzudenken; wir würden dann mit jedem Gedanken eine neue Wirklichkeit erschaffen. Die Bilder, als die uns unsere Gedanken erscheinen, sind aber äußerst flüchtig. Um sie in unserem Bewusstsein festhalten zu können, bedürfen wir einer besonderen Art nur schwer zu beobachtender abnormer Elementarwesen, die aber durchaus nicht ahrimanischer Natur sind, wie man vielleicht irrtümlich glauben könnte. Sie gehören dem selben Reich an wie die Gnome, liegen aber mit diesen ständig im Kampf und werden von ihnen zutiefst verachtet. Während die Gnome über eine hervorragende Intelligenz verfügen, sind sie nämlich ausgesprochene Geistertoren. Sie sind besonders in der Umgebung sehr gescheiter Menschen zu finden, aber etwa auch in Bibliotheken, wenn viel Gescheites in den Büchern steht.

„Wenn man nun einen wirklich gescheiten Menschen verfolgt, wie er in seinem Gefolge ein ganzes Heer solcher Wesenheiten haben kann, wie ich vorhin gesagt habe, so findet man, daß diese Wesenheiten außerordentlich geringgeachtet werden von den Gnomengeistern der elementarischen Welt, weil sie plump sind, und vor allen Dingen, weil sie furchtbar töricht sind. Das Törichte ist ihre hauptsächlichste Eigenschaft. Und so kann man sagen: Gerade gescheiteste Leute in der Welt, wenn man sie daraufhin beobachten kann, werden von ganzen Trupps von Toren verfolgt aus der geistigen Welt.“ (Lit.:GA 219, S. 76)

Sie haben in unserer Zeit kein eigenständiges Leben und müssen sich der verströmenden Lebenskräfte sterbender Menschen bedienen.

„Diese Wesen haben im gegenwärtigen Zeitalter eigentlich kein eigenes Leben. Sie kommen dadurch zu einem Leben, daß sie das Leben derjenigen benutzen, welche sterben, welche durch Krankheiten sterben, aber noch Lebenskräfte in sich haben. Vergangenes Leben nur können sie benutzen. Es sind also Geistertoren, welche das Leben, das von Menschen übrigbleibt, benützen, die also sozusagen sich vollsaugen von dem, was von übrigbleibendem Leben noch an Kirchhöfen und dergleichen aufsteigt.

Gerade wenn man eindringt in solche Welten, dann bekommt man einen Begriff, wie unendlich stark die Welt, die hinter der menschlichen Sinneswelt ist, bevölkert ist, und wie mannigfaltig die Klassen von solchen geistigen Wesenheiten sind, und wie diese geistigen Wesenheiten durchaus im Zusammenhang mit unseren Fähigkeiten stehen. Denn der gescheite Mensch, den man da in seiner Tätigkeit verfolgt, kann, wenn er nicht hellsichtig, sondern bloß gescheit ist, seine gescheiten Gedanken gerade dadurch besonders festhalten, daß er von diesem Troß von geistigen Toren verfolgt ist. Die klammern sich an seine Gedanken, zerren sie und geben ihnen Gewicht, so daß sie bei ihm bleiben, während er sonst die Gedanken rasch verschwinden haben würde.“ (Lit.:GA 219, S. 77)

„Wenn sie gar zu sehr von den Naturgeistern gnomenhafter Art verfolgt werden, dann flüchten sie sich in die menschlichen Köpfe, und während sie eigentlich draußen in der Natur fast Riesen sind - sie sind nämlich außerordentlich groß -, werden sie ganz klein, wenn sie in den menschlichen Köpfen sind. Man könnte sagen, daß sie eine Art abnormer Naturgeister sind, die aber mit der ganzen menschlichen Entwickelung auf der Erde innig zusammenhängen.“ (Lit.:GA 219, S. 78)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

 Wiktionary: Gedanke – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Die hier gegebenen Auseinandersetzungen sind naturgemäß den stärksten Mißverständnissen ausgesetzt. Es soll deshalb in dieser neuen Auflage ganz kurz am Schlusse in einer Bemerkung auf sie zurückgekommen werden.
  2. Im Stenogramm ist hier eine Lücke; in einer Ausschrift in Klartext findet sich als Ergänzung: [was als Gedanke in diese Hülsen hineingegossen werden muß. Weiß man das aber],
  3. Dieser letzte Satz lautet in den Notizen von Marie Steiner-von Sivers: «Diese Dinge gehen entweder chaotisch so weiter wie bisher Industrie und Technik, oder harmonisch, wie es das Ziel der Maurerei ist, dann wird die höchste Entwickelung erreicht.»