Wollen

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Das Wollen, der Wille (mhd. wille; ahd. willo; lat. voluntas; griech. θέλημα thelema, verwandt mit τέλος telos „Ziel“) zählt zu den drei Seelenkräften des Menschen. Der Wille wird am unmittelbarsten durch den Geist, d.h. durch unser wirkliches Ich impulsiert, allerdings unbewusst, indem das Ich direkt auf das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System einwirkt, das im dreigliedrigen menschlichen Organismus das hauptsächlichste leibliche Werkzeug des Wollens ist. Gerade von unseren Stoffwechselvorgängen haben wir aber normalerweise kein unmittelbares Bewusstsein. Bewusst ist uns nur die Vorstellung, etwas bestimmtes zu wollen; die Willens-Vorstellung ist aber nicht der Wille selbst (→ siehe unten).

Was unser eigentliches Wollen ausmacht, hat keinen helleren Bewusstseinsgrad als unser Tiefschlafbewusstsein. In diesem zunächst völlig unbewussten Wollen wirkt unser Karma, das wir aus vergangenen Inkarnationen mitbringen oder für die Zukunft vorbereiten. Unser bewusstes Vorstellungsleben hat daran keinen Anteil. Unmittelbar zeigt sich das in dem Lebenswillen, durch den wir etwa - ohne zu wissen wie - eine schwere Krankheit oder einen Schicksalsschlag überwinden. Oder auch, wenn wir ohne zu zögern unser Leben für einen anderen Menschen einsetzen. Der menschliche Wille reicht über den triebhaften Überlebenswillen, den auch Tiere haben, hinaus.

Schon im Träumen verliert das Ich weitgehend die bewusste Herrschaft über das Seelenleben und die eigentliche Willensfreiheit des Menschen ist heute - entgegen einer weitverbreiteten Meinung - erst sehr wenig ausgebildet. Tatsächlich ist der menschliche Wille heute nur insofern frei, als er sich durch das bewusste Denken bestimmen lässt. Die bewusste Umsetzung von Zielen und Motiven durch zielgerichtete Steuerung von Gedanken, Emotionen, Motiven und Handlungen in entsprechende Resultate wird in der Psychologie auch als Volition bezeichnet. Insofern wir uns dabei überwiegend des Verstandes bedienen, schöpfen wir aber nur den aller geringsten Teil unseres Willenspotentials aus. Wirklich frei sind wir erst, wenn wir im reinen Denken zur moralischen Intuition aufsteigen und so unser Schicksal bewusst aus dem Wollen des höheren Ich vollziehen.

Der Wille ist die als Kraft wirkende Idee

Wille ist, so kann man auch sagen, die real tätig werdende, d.h. als Kraft wirkende Idee, wie es Rudolf Steiner bereits in seinen «Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften» ausgesprochen hat. Er ist in diesem Sinn kein blinder, d.h. gesetzlos chaotisch tätiger, sondern geisterfüllter Wille:

„Wille ist also die Idee selbst als Kraft aufgefaßt. Von einem selbständigen Willen zu sprechen ist völlig unstatthaft. Wenn der Mensch irgend etwas vollbringt, so kann man nicht sagen, es komme zu der Vorstellung noch der Wille hinzu. Spricht man so, so hat man die Begriffe nicht klar erfaßt, denn, was ist die menschliche Persönlichkeit, wenn man von der sie erfüllenden Ideenwelt absieht? Doch ein tätiges Dasein. Wer sie anders faßte: als totes, untätiges Naturprodukt, setzte sie ja dem Steine auf der Straße gleich. Dieses tätige Dasein ist aber ein Abstraktum, es ist nichts Wirkliches. Man kann es nicht fassen, es ist ohne Inhalt. Will man es fassen, will man einen Inhalt, dann erhält man eben die im Tun begriffene Ideenwelt. E. v. Hartmann macht dieses Abstraktum zu einem zweiten welt-konstituierenden Prinzip neben der Idee. Es ist aber nichts anderes als die Idee selbst, nur in einer Form des Auftretens. Wille ohne Idee wäre nichts. Das gleiche kann man nicht von der Idee sagen, denn die Tätigkeit ist ein Element von ihr, während sie die sich selbst tragende Wesenheit ist.“ (Lit.:GA 1, S. 197f)

Schulung des Lebenswillens

Im Verstandesdenken, wie wir es aus dem Alltag kennen, haben wir nur eine kraftloses mentales Spiegelbild des wirklichen Denkens. Das wirkliche Denken ist ganz und gar vom Willen durchdrungen, es ist ein durch und durch gewolltes Denken, wie es Rudolf Steiner schon ausführlich in seiner «Philosophie der Freiheit» (GA 4) besprochen hat und die Grundlage der Anthroposophie bildet.

„Man sehe, wie Hamerling sich zu dem «Ich denke, also bin ich» des Descartes verhält. Fichtes Vorstellungsart ... wirkt wie ein leise mitklingender Grundton in den schönen Worten auf Seite 223 des ersten Bandes der «Atomistik des Willens». «Das Cogito ergo sum des Cartesius (Descartes) bleibt aller Begriffshaarspalterei zum Trotz, welche an ihm nergelt, der zündende Lichtblitz aller modernen Spekulation. Aber dies <Ich denke, somit bin ich> ist, genau genommen, nicht darum gewiß, weil ich denke, sondern weil ich sage, daß ich denke. Die Folgerung würde gleiche Gewißheit haben, auch wenn ich die Prämisse in ihr Gegenteil verkehrte und sagte: <Ich denke nicht, somit bin ich.> Um dies sagen zu können, muß ich existieren.» Bei Besprechung von Fichtes Weltansicht ist in dieser Schrift gesagt, daß gegenüber dem Schlafzustand der Satz «Ich denke, also bin ich» nicht zu halten ist. Man muß die Gewißheit vom Ich ergreifen so, daß diese Gewißheit nicht durch die Innenwahrnehmung «Ich denke» erschöpft erscheinen kann. Hamerling empfindet dieses; deshalb sagt er, es gelte auch das: «Ich denke nicht, somit bin ich.» Er sagt es, weil er fühlt: Im menschlichen Ich wird etwas erlebt, das die Gewißheit seines Daseins nicht vom Denken empfängt, sondern dem Denken vielmehr seine Gewißheit gibt. Das Denken wird von dem wahren Ich in gewissen Zuständen entfaltet; das Erleben des Ich ist aber von der Art, daß sich die Seele durch dasselbe in eine Geistwirklichkeit versenkt fühlen kann, in der sie ihr Dasein auch für andere Zustände verankert weiß als die sind, für welche das «Ich denke, also bin ich» des Descartes gilt. Alles dies aber beruht darauf, daß Hamerling weiß: Wenn das «Ich» denkt, so lebt in seinem Denken der Lebenswille. Das Denken ist gar nicht bloß Denken; es ist gewolltes Denken. «Ich denke» ist als Gedanke ein bloßes Gespinst, das nie und nirgends da ist. Es ist immer nur das «Ich denke wollend» da. Wer an das Gespinst: «Ich denke» glaubt, der kann sich damit absondern von der gesamten Geisteswelt; und dann entweder zum Bekenner des Materialismus werden oder zum Zweifler an der Wirklichkeit der Außenwelt. Zum Materialisten wird er, wenn er von dem in seinen Grenzen voll berechtigten Gedanken sich einfangen läßt, daß zum Denken, wie es Descartes im Sinne hat, die Nervenwerkzeuge notwendig sind. Zum Zweifler an der Wirklichkeit der Außenwelt wird er, wenn er in den — wieder innerhalb gewisser Grenzen berechtigten - Gedanken sich verwickelt, daß alles Denken über die Dinge doch in der Seele erlebt wird; man also mit seinem Denken doch nie an eine an sich bestehende Außenwelt herankommen könnte, auch wenn diese Außenwelt existierte. Wer den Willen in allem Denken bemerkt, der kann, wenn er zur Abstraktion neigt, nun allerdings den Willen vom Denken begrifflich absondern und im Stile Schopenhauers von einem Willen sprechen, der in allem Weltdasein walten soll und der das Denken wie Schaumwellen an die Oberfläche der Lebenserscheinungen treibt. Wer aber die Einsicht hat, daß nur das «Ich denke wollend» Wirklichkeit hat, der denkt in der menschlichen Seele Wille und Denken so wenig getrennt, wie er bei einem Menschen Kopf und Leib getrennt denkt, wenn er den Gedanken von einer Wirklichkeit haben will. Ein solcher weiß aber auch, daß er mit dem Erleben eines vom Willen getragenen erlebten Denkens aus den Grenzen seiner Seele herausgeht und in das Erleben des auch durch seine Seele pulsierenden Weltgeschehens eintritt. Und in der Richtung nach einer solchen Weltanschauung bewegt sich Hamerling. Nach einer Weltanschauung, die weiß, daß sie mit einem wirklichen Gedanken ein Erlebnis des Weltenwillens in sich hat; nicht bloß ein Erlebnis des eigenen «Ich».“ (Lit.:GA 20, S. 139ff)

Um das wirkliche reine Denken auszubilden, bedarf es entsprechender Willensübungen.

„Wer im ernsten Sinne anthroposophischer Geistesforscher werden will, der muß in dieser Beziehung auch solche Übungen machen, die Willensübungen sind. Der gewöhnliche Lebenswille hat einen Sinn, wenn er auf äußere Handlungen geht. Der anthroposophische Geistesforscher muß die Willensimpulse anwenden auf die eigene Entwickelung, auf das eigene Leben. Er muß sich vornehmen können: in bezug auf diese oder jene Charaktereigenschaft, in bezug auf diese oder jene Lebensäußerung mußt du anders werden als du jetzt bist.

So paradox es klingen mag, etwas, was man stark in Gewohnheit hat, und wenn es selbst nur eine Kleinigkeit ist, es hilft einem, wenn aus der eigensten Initiative, aus ureigenstem Impuls heraus man sich vornimmt, mit Bezug auf irgendeine Sache anders zu werden. Eine Kleinigkeit, sage ich, es braucht nur die Kleinigkeit der Handschrift zu sein. Wenn sich jemand wirklich mit eiserner Energie vornimmt, eine andere Handschrift zu schreiben, als er bisher geschrieben hat, so ist die Anwendung dieser Kraft durch die Abänderung einer Gewohnheit - hier wiederum mit Bezug auf die Gewohnheit - zu vergleichen mit der Verstärkung einer Muskelkraft, weil der Wille verstärkt ist. Und indem der Wille innerlich sich verstärkt, nicht auf Äußerliches, sondern innerlich angewandt wird, entwickelt er dabei seine Wirkungen im Menschen. Und was ich sonst durch meine Willenswirkungen an der äußeren Welt verändere, das verändere ich nun in bezug auf meinen eigenen Menschen. Und wenn man solche Willensübungen, wie sie wiederum in anthroposophischen Schriften im einzelnen angegeben sind, durchmacht, dann kommt man dazu, das Wunschleben so umzugestalten, daß es nun frei wird von der menschlichen Organisation, wie durch das Meditieren das Denken vom Körper, vom Leibe frei wird. Dann ist das vorüber - für diejenigen Augenblicke, in denen man in anthroposophischer Forschung verweilt -, wovon man noch sagen kann: Der Wunsch ist der Vater des Gedankens. - Wenn solche Selbsterziehung, solches Aufsich- selber-Anwenden der Erziehungsimpulse geübt wird im reifsten Alter, dann wird der Wunsch zu einer innerlichen Kraft, welche sich verbindet mit dem frei gewordenen Denken. Und dadurch gelangt man dazu, nun wirklich zu sehen, was die Willensimpulse des gewöhnlichen Lebens sind, was die Gedanken des gewöhnlichen Lebens sind. Wie man früher Rot und Blau oder Cis oder C wahrzunehmen gelernt hat, so lernt man jetzt Gedanken wahrzunehmen als Wirklichkeiten, so lernt man jetzt dieWillensimpulse von sich abgesondert kennen.“ (Lit.:GA 79, S. 94f)

Wille und Denken

Im Denken ist der Mensch ganz wach, im Willen schläft er beständig.

„Wie unser Wollen zustande kommt, ist dem gewöhnlichen Bewußtsein ganz, ganz unbekannt, eigentlich so unbekannt wie der Schlaf. Der Mensch, wenn er etwas will, hat den Gedanken; der ist klar und hell. Er entwickelt dann etwas dunkler über diesen Gedanken das Gefühl. Und dann geht der gefühlsdurchdrungene Gedanke hinunter in die Glieder. Was da vorgeht, das erlebt der Mensch mit dem gewöhnlichen Bewußtsein nicht. Vor jener Forschung, von der ich gestern und vorgestern gesprochen habe, nimmt sich das Wollen so aus: Während der Gedanke im Haupte etwas will und er dann durch das Gefühl hinuntergeht in den ganzen Leib, und der Mensch durch seinen ganzen Leib will, während dieser Zeit entwickelt sich im Menschen etwas wie ein feiner, subtiler, intimer Verbrennungsprozeß. Der Mensch kann, wenn er zum Initiatenbewußtsein kommt, dieses durch die Wärme influenzierte Wollen erleben. Aber das bleibt für das gewöhnliche Bewußtsein ganz im Untergrunde. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie dasjenige, was schon heraufgehoben werden kann in das Initiatenbewußtsein, doch für das gewöhnliche Bewußtsein in den Untergründen bleibt. Man wird zum Beispiel einmal folgendes einsehen, wenn die Dinge, die durch das gestern erwähnte Buch nach und nach in die Welt kommen werden, wirklich eingesehen werden. Man wird einsehen, daß, wenn ein Mensch etwas will und man das mit dem Initiatenbewußtsein anschaut, es so ist, wie wenn man einen äußeren Vorgang des Verbrennens einer Kerze oder überhaupt ein wärmeentwickelndes Licht äußerlich anschaut. Geradeso wie man da von der äußeren Anschauung ein klares Bild hat, so kann man das Hineinschlagen des Gedankens in den Willen so sehen, daß man sagt: Der Gedanke entwickelt das Gefühl, und aus dem Gefühl geht hinunter - es bewegt sich beim Menschen von oben nach unten-Wärmeentwickelung, Flamme; und diese Flamme will. - Es enthüllt sich also nach und nach.

Wir können geradezu dieses gewöhnliche Bewußtsein schematisch so vor uns hinstellen:

Innen: Klares DenkenAußen: Waches Tagesbewußtsein
GefühlslebenTraumbewußtsein
WillensbewußtseinSchlafbewußtsein

Nach außen waches Tagesbewußtsein, nach innen klares Denken; nach außen Traumbewußtsein, nach innen unklares, aber warmes Gefühlsleben; nach außen Schlafbewußtsein, nach innen ganz dunkles Willensbewußtsein.“ (Lit.:GA 243, S. 220f)

Sehr genau beschreibt Rudolf Steiner, wie eine gedanklich gefasste Willensabsicht den Organismus ergreift. Der Gedanke, der sonst nur Abbauprozesse im Nervensystem bewirkt, wirkt dabei zerstörerisch bis in das Stoffwechsel-System hinein. Um diese Zerstörung wieder auszugleichen, wirken im Gegenzug Astralleib und Ich von außen herein und bringen dadurch die Willenstat zur Ausführung, z.B. durch die Bewegung der Gliedmaßen oder auch in viel mehr verinnerlichter Form.

„Beim Nachdenken über die Dinge der Welt, ohne daß es zu einem Wollen kommt, wird bloß die Kopf Organisation engagiert, und es wird die Organisation des menschlichen Kopfes durch die Denktätigkeit in der Weise abgebaut oder wenigstens in die Neigung zum Abbau, zum Auflösen, zum Sterben gebracht, wie ich es gestern dargestellt habe. Fassen wir aber den Gedanken: Ich will dies oder jenes - , dann verbreitet sich die Tätigkeit, die dem denkenden Teil der Seele angehört, von der Kopforganisation aus in das Stoffwechselsystem und in das Gliedmaßensystem des Menschen hinein. Wenn ein Mensch einen Gedanken hat, der eine Willensabsicht darstellt, dann sieht man in der Intuition, wie eine astralische Tätigkeit hineinpulsiert in irgendeinen Teil der menschlichen Stoffwechselorganisation oder bis in die Gliedmaßenorganisation, und da wird dann durch einen solchen den Willen beabsichtigenden Gedanken nicht nur in der Kopforganisation abgebaut, sondern es wird abgebaut auch in den Stoffwechselorganen und in den Gliedmaßenorganen. Da entstehen durch solche Gedanken Zerstörungsprozesse. Diese Zerstörungsprozesse veranlassen, daß sich nun auch das, was als Reales dem Willensteil der Seele zugrundeliegt, hineinergießt in den Stoffwechselorganismus oder in den Gliedmaßenorganismus und wiederum das ausgleicht, was der Gedanke abgebaut hat, wiederum aufbaut, was durch den Gedanken abgebaut wird.

Wenn ich mich anschaulich ausdrücken will, so ist folgendes der Fall. Ich habe den Gedanken, meinen Arm aufzuheben. Dieser Gedanke schießt aus der Kopforganisation in die Armorganisation hinein, bewirkt dort einen Abbau, einen Zerstörungsprozeß. Man kann ihn eine Verbrennung nennen. Da wird im Laufe meiner Armorganisation etwas zerstört. Derjenige Teil des astralischen Organismus, der dem Willensteil der Seele entspricht, flutet nach, stellt wiederum her, was abgebaut ist, baut es wieder auf. Und in diesem Aufbauen vollzieht sich das Heben meines Armes. Es wird also das, was verbrannt ist, wiederum hergestellt, und in dieser Wiederherstellung vollzieht sich der eigentliche Willensakt.

Nun ist in dem Teil des astralischen Organismus, der den Willensimpulsen der menschlichen Seele zugrundeliegt, auch die eigentliche Ich-Wesenheit enthalten, so daß immer, wenn eine Willensentfaltung geschieht, auch eine Entfaltung der Ich-Wesenheit vor sich geht. Indem man sieht, wie der Mensch seinen Willen entfaltet, schaut man also hinein, wie auf eine gewisse Veranlassung hin der menschliche astralische Organismus und die Ich-Wesenheit hineinfluten, sich hineinergießen in den physischen und ätherischen Organismus. Das geschieht auch, wenn eine Willensentfaltung sich abspielt, die eigentlich nicht nötig macht, daß ich meine Gliedmaßen bewege, sondern die vielleicht deren Ergänzungsteil ist, oder die vielleicht selber nur ein etwas lebhafter Wunsch ist. Da geschieht so etwas auch, nur werden da viel innerlichere Teile des menschlichen Organismus von dem realen Willensteil der Seele durchflutet.

Sie sehen, man kann ganz genau die Willensentfaltung studieren, aber man braucht dazu die Erkenntnis der eigentlichen seelischen und geistigen Wesenheit des Menschen. Ohne diese Erkenntnis kann man den Willensteil der Seele nicht studieren und eigentlich auch nicht auf die Ich-Wesenheit kommen, weil diese im Denken sich nur in einem schwachen Abbild zeigt, im Fühlen nur als ein Impuls auftritt und im Willen erst für das Erdendasein ihre wirkliche Realität hat.“ (Lit.:GA 215, S. 162)

Wie die elektrische Aktivität der Nerven dabei die Muskeltätigkeit beeinflussen kann, zeigte Rudolf Steiner am Beispiel des Herzens, das allerdings erst auf dem Weg ist, künfig ein Willkürorgan zu werden:

„Zum Herzen hin gehen zwei Nervenstränge. Die gehen von da hinten aus, gehen da herunter und gehen zum Herzen hin. Da geht einer, und der breitet sich dann aus im Herzen. Dann geht da ein anderer, breitet sich auch aus im Herzen. Jetzt denken Sie sich, ich leite einen elektrischen Strom durch den Nerv. Da kann ich etwas Merkwürdiges wahrnehmen: Das Herz fängt an, immer schneller und schneller zu schlagen. Warum? Weil der elektrische Strom den Nerv erregt, fängt das Herz an, immer schneller und schneller zu schlagen. Der elektrische Strom, der erregt den Nerv.

Zeichnung aus GA 349, S. 174
Zeichnung aus GA 349, S. 174

Nun denken Sie sich aber, ich elektrisiere nicht diesen Nerv, sondern ich elektrisiere den anderen Nerv, den zweiten. Jetzt könnten Sie glauben, Nerv ist Nerv. Ich elektrisiere da. Und man könnte nun glauben, nicht wahr, das Herz fängt wieder an, schneller und schneller zu schlagen. Es ist aber nicht so. Wenn ich den Nerv hier elektrisiere (den ersten), schlägt das Herz immer schneller und schneller. Wenn ich aber den hier elektrisiere (den zweiten), schlägt das Herz immer langsamer und langsamer. Und wenn ich ihn ganz stark elektrisiere, dann hört das Herz überhaupt zu schlagen auf. Ich muß rasch aufhören, sonst stirbt mir der Mensch am Herzschlag. Dabei ist es so, daß zwischen diesem einen und diesem anderen Nerv gar kein Unterschied ist in der Konstruktion. Konstruiert sind sie beide auf gleiche Art. Ja, was liegt denn da vor?

Sehen Sie, da ist es dann so: Wenn das da hier elektrisiert ist, dann geht der astralische Leib da herein, regt das Herz an, daß es schneller schlägt, weil ihm gewissermaßen eine Arbeit, die er sonst selber machen muß, vom elektrischen Strom abgenommen wird. Er kann also schneller arbeiten im Herzen. Jetzt nehmen Sie aber an, hier würde elektrisiert (beim anderen Nerv). Jetzt will der Astralleib das Herz schneller bewegen; aber von der anderen Seite wird ihm ein Hindernis in den Weg gesetzt. Sowie er anfangen will, das Herz schneller zu bewegen, kann er nicht durch auf der anderen Seite. Diese Erregung (beim ersten Nerv) nützt ihm, weil es ihm eine Arbeit abnimmt. Diese Erregung (die zweite), die schadet ihm, weil es ihm entgegenkommt. Wenn ich mich hineinbegeben könnte ins Herz und von da aus elektrisieren könnte, dann würde das auch das Herz schneller und schneller schlagen lassen. Wenn ich aber von außen her diesen Nerv elektrisiere, dann kann dieser astralische Leib das Herz nicht bewegen, weil er immer mehr und mehr ein Hindernis hat.

Daraus sehen Sie, daß man ganz genau erkennen kann, wie die Dinge sich eigentlich vollziehen am menschlichen Körper, wie der astralische Leib auf der einen Seite geradeso eingreift, wie wenn ich, sagen wir, ein Rad drehen will: da schiebe ich an, da drehe ich weiter; wenn ich aber entgegengesetzt drehe, dann geht es nicht. So ist es beim Herzen, so ist es bei der Lunge, bei jedem Organ. Jedes Organ wird von zwei Seiten aus versorgt mit den Nerven; aber das, was eingreift, das ist der astralische Leib.“ (Lit.:GA 349, S. 174f)

Der Wille und seine Beziehung zum Leben nach dem Tod

Seine volle geistig-seelische Realität entfaltet der Wille erst im Leben nach dem Tod.

"Der Wille ist eigentlich für das gewöhnliche Bewußtsein etwas außerordentlich Rätselhaftes; er ist eine Crux der Psychologen, einfach aus dem Grunde, weil dem Psychologen der Wille entgegentritt als etwas sehr Reales, aber im Grunde genommen doch keinen rechten Inhalt hat. Denn wenn Sie bei den Psychologen nachsehen, welchen Inhalt sie dem Willen verleihen, dann werden Sie immer finden: solcher Inhalt rührt vom Vorstellen her. Für sich selber hat der Wille zunächst einen eigentlichen Inhalt nicht. Nun ist es wiederum so, daß keine Definitionen da sind für den Willen; diese Definitionen sind beim Willen um so schwieriger, weil er keinen rechten Inhalt hat. Was ist er aber eigentlich? Er ist nichts anderes, als schon der Keim in uns für das, was nach dem Tode in uns geistig-seelische Realität sein wird. Also wenn Sie sich vorstellen, was nach dem Tode geistig-seelische Realität von uns wird, und wenn Sie es sich keimhaft in uns vorstellen, dann bekommen Sie den Willen. In unserer Zeichnung endet der Lebenslauf auf der Seite des Todes, und der Wille geht darüber hinaus (siehe Zeichnung S. 34).

Zeichnung aus GA 293, S 34
Zeichnung aus GA 293, S 34

Wir haben uns also vorzustellen: Vorstellung auf der einen Seite, die wir als Bild aufzufassen haben vom vorgeburtlichen Leben; Willen auf der anderen Seite, den wir als Keim aufzufassen haben für späteres. Ich bitte, den Unterschied zwischen Keim und Bild recht ins Auge zu fassen. Denn ein Keim ist etwas Überreales, ein Bild ist etwas Unterreales; ein Keim wird später erst zu einem Realen, trägt also der Anlage nach das spätere Reale in sich, so daß der Wille in der Tat sehr geistiger Natur ist. Das hat Schopenhauer geahnt; aber er konnte natürlich nicht bis zu der Erkenntnis vordringen, daß der Wille der Keim des Geistig-Seelischen ist, wie dieses Geistig-Seelische sich nach dem Tode in der geistigen Welt entfaltet." (Lit.: GA 293, S. 33f)

Sympathie und Antipathie

Im Erdenleben entfaltet sich nun das Seelenleben im Wechselspiel von Sympathie und Antipathie:

"Wir tragen die Kraft der Antipathie in uns und verwandeln durch sie das vorgeburtliche Element in ein bloßes Vorstellungsbild. Und mit demjenigen, was als Willensrealität nach dem Tode hinausstrahlt zu unserem Dasein, verbinden wir uns in Sympathie. Dieser zwei, der Sympathie und der Antipathie, werden wir uns nicht unmittelbar bewußt, aber sie leben in uns unbewußt und sie bedeuten unser Fühlen, das fortwährend aus einem Rhythmus, aus einem Wechselspiel zwischen Sympathie und Antipathie sich zusammensetzt.

Zeichnung aus GA 293, S 35
Zeichnung aus GA 293, S 35

Wir entwickeln in uns die Gefühlswelt, die ein fortwährendes Wechselspiel - Systole, Diastole - zwischen Sympathie und Antipathie ist. Dieses Wechselspiel ist fortwährend in uns. Die Antipathie, die nach der einen Seite geht, verwandelt fortwährend unser Seelenleben in ein vorstellendes; die Sympathie, die nach der anderen Seite geht, verwandelt uns das Seelenleben in das, was wir als unseren Tatwillen kennen, in das Keimhafthalten dessen, was nach dem Tode geistige Realität ist. Hier kommen Sie zum realen Verstehen des geistig-seelischen Lebens: wir schaffen den Keim des seelischen Lebens als einen Rhythmus von Sympathie und Antipathie." (Lit.: GA 293, S. 35)

Wird die Antipathie, die das Vorstellungsleben bewirkt, noch gesteigert, entstehen das Gedächtnis:

"Wenn Sie nun jetzt vorstellen, so begegnet jedes solche Vorstellen der Antipathie, und wird die Antipathie genügend stark, so entsteht das Erinnerungsbild, das Gedächtnis, so daß das Gedächtnis nichts anderes ist als ein Ergebnis der in uns waltenden Antipathie. Hier haben Sie den Zusammenhang zwischen dem rein Gefühlsmäßigen noch der Antipathie, die unbestimmt noch zurückstrahlt, und dem bestimmten Zurückstrahlen, dem Zurückstrahlen der jetzt noch bildhaft ausgeübten Wahrnehmungstätigkeit im Gedächtnis. Das Gedächtnis ist nur gesteigerte Antipathie." (Lit.: GA 293, S. 36)

Das Wollen hingegen beruht auf den Kräften der Sympathie, aus der durch Steigerung die Phantasie hervorgeht. Durchdringt diese den ganzen Menschen bis in die Sinne, so geht daraus die sinnliche Anschauung hervor.

"Das Wollen lebt in uns, weil wir mit ihm Sympathie haben, weil wir mit diesem Keim, der nach dem Tode sich erst entwickelt, Sympathie haben. Ebenso wie das Vorstellen auf Antipathie beruht, so beruht das Wollen auf Sympathie. Wird nun die Sympathie genügend stark - wie es bei der Vorstellung war, die durch Antipathie zum Gedächtnis wird -, dann entsteht aus Sympathie die Phantasie. Genau ebenso wie aus der Antipathie das Gedächtnis entsteht, so entsteht aus Sympathie die Phantasie. Und bekommen Sie die Phantasie genügend stark, was beim gewöhnlichen Leben nur unbewußt geschieht, wird sie so stark, daß sie wieder Ihren ganzen Menschen durchdringt bis in die Sinne, dann bekommen Sie die gewöhnlichen Imaginationen, durch die Sie die äußeren Dinge vorstellen. Wie der Begriff aus dem Gedächtnis, so geht aus der Phantasie die Imagination hervor, welche die sinnlichen Anschauungen liefert. Die gehen aus dem Willen hervor." (Lit.: GA 293, S. 37)

Im Wollen schläft der Mensch

Das Bewusstsein schläft bezüglich der eigentlichen Willenstätigkeit. Der Mensch ist bezüglich seiner willentlichen Tätigkeit dem Schlafwandler ganz ähnlich. Auch dieser führt geschickt seine Handlungen aus, ohne von ihnen etwas zu wissen. Und auch beim wachen Menschen sind vollbewusst nur die Vorstellungen, die das Wollen begleiten und traumbewusst die Gefühle, die dabei mitschwingen. Der Wille beleibt auch dem wachen Menschen so unbewusst wie dem Somnambulen.

„Es ist ja schon erwähnt worden, auch von anderen Seiten in diesen Tagen, daß der Mensch eigentlich in bezug auf seine Willensnatur fortwährend ein schlafendes Wesen ist. Wenn ich nur meinen Arm erhebe, so habe ich zuerst in der Vorstellung das Ziel, daß ich meinen Arm heben will. Was aber dann vorgeht, indem ich diesen Zielgedanken hinuntertauche in die menschliche Wesenheit und durch den Willen die Armbewegung hervorbringe, das entzieht sich zunächst der menschlichen Erkenntnisfähigkeit. Ich werde wiederum gewahr, und wiederum durch das Wahrnehmen, den gehobenen Arm, aber der Wille bleibt so unbewußt für das gewöhnliche Bewußtsein, wie die Zustände, die wir schlafend durchleben, für den Schläfer selbst unbewußt bleiben. Wir sind eigentlich wach im gewöhnlichen Bewußtsein nur für unser Vorstellungsleben; wir schlafen im gewöhnlichen Bewußtsein für unser Willensleben.“ (Lit.:GA 82, S. 135f)

Die realen Hintergründe des Wollens sind nur dem schauenden Bewusstsein zugänglich. Dabei zeigt sich, wie im Wollen einseits frühere Inkarnationen nachwirken und anderseits keimhaft künftige Inkarnationen vorbereitet werden.

„Und wenn wir dann eintreten in jenes Gebiet, das man als den Willen bezeichnet, so entzieht sich das ja sehr dem, was der Mensch in seinem gewöhnlichen Bewußtsein hat. Was weiß der Mensch selbst über das, was in ihm vorgeht, wenn der Gedanke: Ich will etwas haben - sich zu einer Handbewegung gestaltet? Der eigentliche Willensvorgang schläft im Menschen. Mit Bezug auf die Gefühle und Affekte konnte man wenigstens sagen, der Mensch träumt im Menschen. Deshalb ist die Frage über die Freiheit eine so schwierige, weil der Wille schlafend ist dem gewöhnlichen Bewußtsein gegenüber. Über das, was in dem Willen vorgeht, kommt man nur zu einer Erkenntnis, indem man im schauenden Bewußtsein bis zum wirklichen intuitiven Bewußtsein gelangt, nicht dem verschwommenen alltäglichen, intuitiv genannten Bewußtsein, zu dem, was ich in meinen Schriften die drei Stufen: imaginatives, inspiriertes und intuitives Erkennen genannt habe. Da kommt man hinein in das Willensgebiet, in dasjenige, was in uns wirken, leben soll. Das muß erst aus den unterseelischen Tiefen heraufgeholt werden. Dann aber findet man, daß allerdings dieses Willenselement daneben noch - der gewöhnliche Gedanke steht für sich - von Gedanken, von Geistigem durchsetzt ist. Aber so wie wir den Willen in uns tragen, wirkt in diesen Willen hinein jetzt nicht nur das, was wir in der geistigen Welt erlebt haben, was in unsere Gefühle, in unsere Affekte hinein wirkt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, sondern es wirkt dasjenige, was wir in vorigen Erdenleben erlebt haben. In die Willensnatur des Menschen wirken hinein die Impulse früherer Erdenleben. Und in dem, was wir im gegenwärtigen Wollen entwickeln, heranzüchten, möchte ich sagen, leben die Impulse für folgende Erdenleben.“ (Lit.:GA 178, S. 30f)

Franz Brentano (1838-1917)

Franz Brentano schaltet sogar das Wollen ganz aus von den Seelenkräften, unterscheidet nur Vorstellen, Urteilen und die Gefühlsphänomene des Liebens und des Hassens, so daß er das Wollen gar nicht in der Seele eigentlich anschaut. Er schaltet es auch als Psychologe aus. Und daran ist das richtig, daß, wenn man wiederum den Menschen, wie er in der gegenwärtigen Inkarnation ist, auf sein Wollen hin prüft, man das Wollen gar nicht findet. Man findet von dem Wollen im gegenwärtigen Menschen bloß, daß es einen befriedigt oder unbefriedigt laßt, daß es einem Freude macht, Trauer macht und dergleichen. Man findet sozusagen wirklich von dem Wollen nur den Gefühls-, den Gemütseindruck, aber das Wollen selber, es bleibt im Geheimnisvollen. Sie wissen nicht einmal, warum Sie eine Hand erheben; Sie wissen, warum, welches Gefühl Sie dazu verleitet hat, welche Vorstellung, aber wie Sie es machen, was eigentlich als Wille wirkt: Sie können es nicht im gegenwärtigen Menschen finden. Warum? Weil es nicht im gegenwärtigen Menschen drinnen ist. Das wollende Ich ist gar nicht im gegenwärtigen Menschen drinnen, sondern es ist das Ergebnis der vorigen Inkarnation. Was in der vorigen Inkarnation war, das lebt sich jetzt aus als Wille, der aus dem Ich herausfließt. Sage ich «Ich bin», so lebe ich in diesem Gedanken «Ich bin» in dem Keim der nächsten Inkarnation. Sage ich: «Ich will», dann lebe ich in dem, was herauswirkt aus der vorhergehenden Inkarnation in die gegenwärtige hinein.“ (Lit.:GA 176, S. 144)

Zu einer ähnlichen Erkenntnis kam Theodor Ziehen:

Theodor Ziehen (Fotografie zwischen 1904 und 1912)

„Wir wissen ja, daß dieses menschliche Seelenleben in sich nicht nur das Vorstellen hat. Wie man auch über die Beziehung der anderen Seelentätigkeiten zum Vorstellen denken mag - zunächst kann man nicht davon absehen, daß man außer dem Vorstellen mindestens unterscheiden muß andere Seelentätigkeiten oder -fähigkeiten; wir wissen, daß außer dem Vorstellen das Fühlen da ist, die Gefühlstätigkeit in ihrem ganzen weiten Bereich, und außerdem die Willenstätigkeit. Theodor Ziehen spricht so, als ob das Fühlen eigentlich nichts anderes sei als eine Eigenschaft der Vorstellung; er spricht nicht vom eigentlichen Fühlen, sondern vom Gefühlston der Empfindungen oder Vorstellungen. Die Vorstellungen sind da. Sie sind da, nicht nur wie wir sie denken, sondern mit gewissen Eigenschaften behaftet, die ihnen ihren Gefühlston geben. So daß man sagen kann: Für das Fühlen ist nun ein solcher Forscher darauf angewiesen, daß er sagt: Das, was im Nervensystem vorgeht, das reicht nicht zum Fühlen. Deshalb läßt er das Fühlen selber eigentlich weg und betrachtet es nur wie ein Anhängsel zum Vorstellen. Man kann auch sagen: Indem er nun das Nervensystem verfolgt, kommt er nicht im Nervenmechanismus bis zu der Ergreifung desjenigen Seelischen, das als Gefühlsleben erscheint. Daher läßt er das Gefühlsleben als solches weg. Er kommt aber auch nicht zu irgend etwas im Nervenmechanismus, welches notwendig machte, von einem Wollen zu sprechen. Deshalb leugnet Ziehen geradezu die Berechtigung, auf naturwissenschaftlichem Gebiete in bezug auf die Seelen- und Leibeserkenntnis von einem Wollen zu sprechen. Was geschieht, wenn ein Mensch irgend etwas will? Nehmen wir an, er geht, er ist in Bewegung. Da sagt man — so meint solch ein Forscher —, es entspringt die Bewegung, das Gehen, aus seinem Willen. Aber in der Regel, was ist denn eigentlich da? Nichts anderes ist da, als zunächst die Vorstellung der Bewegung. Ich stelle vor gewissermaßen, was das sein wird, wenn ich mich durch den Raum bewege; und dann geschieht nichts weiter, als daß darauf folgt, daß ich mich selber sehe oder fühle, das heißt, daß ich meine Bewegung wahrnehme. Auf die erinnerte Bewegungsvorstellung folgt die Vorstellung, die Wahrnehmung der Bewegung; ein Wille ist nirgends zu finden. - Der Wille wird also geradezu fortgeschafft von Ziehen. Wir sehen, bei der Verfolgung der Nervenmechanismen kommt man nicht zum Fühlen und auch nicht zum Wollen; daher muß man mehr oder weniger, für den Willen sogar ganz, diese Seelengebiete außer acht lassen. Und dann sagt man gewöhnlich gutmütig: Nun ja, das überläßt man den Philosophen, aber der Naturforscher hat keinen Grund, von diesen Dingen zu sprechen, wenn man nicht mit Bezug auf Seelenverrichtungen so weit geht wie Verworn, der sagt: Die Philosophen haben vieles hineingedichtet in das menschliche Seelenleben, das sich vom naturwissenschaftlichen Standpunkte aus als nicht gerechtfertigt herausstellt.

Zu einem ähnlichen Ergebnis wie Ziehen, der ganz von naturwissenschaftlichen Unterlagen ausgeht, kommt ein bedeutender Seelenforscher der neueren Zeit, den ich hier schon öfter erwähnt habe, der bedeutender ist, als man gewöhnlich von ihm denkt: Franz Brentano. Nur geht Franz Brentano von der Seele aus. Er hat versucht, in seiner «Psychologie» das Seelenleben zu durchforschen. Es ist charakteristisch, daß von diesem Buche nur der erste Band erschienen ist und seit den siebziger Jahren nichts weiter. Derjenige, der die Verhältnisse kennt, der weiß, daß eben aus dem Grunde, weil Brentano mit den im vorher charakterisierten Sinne begrenzten Begriffen arbeitet, er über den Anfang nicht hinüberkommen konnte. Aber eines ist doch außerordentlich bedeutsam bei Brentano: daß er bei seinem Versuche, die Seelenerscheinungen durchzugehen, sie in gewisse Gruppen zu bringen, unterscheidet «Vorstellen» und «Fühlen». Aber indem er also die Seele, ich möchte sagen, von oben bis unten durchgeht, kommt er nicht zu einem Wollen. Das Wollen ist im Grunde genommen ihm nur eine Unterart des Fühlens. Also auch ein Seelenforscher kommt nicht zum Wollen.“ (Lit.:GA 66, S. 117ff)

Wille und Karma

Im Gefühl und im Willen lebt werdendes Karma. Wären wir im Fühlen und Wollen vollbewusst, würden wir sehr leicht der Versuchung erliegen, uns dem karmischen Ausgleich zu entziehen, der uns aus der irdischen Perspektive oft als sehr schmerzvoll erscheint.

"Es kommt wirklich nur die alleräußerste Oberfläche des Willens, es kommen nur die alleroberflächlichsten Schaumgebilde des Willens zum Ausdruck. Das andere bleibt uns verborgen. Und warum bleibt uns im Gefühl und im Willen im Grunde genommen eine ganze Welt verborgen? Weil das, was uns verborgen bleibt, wenn es angeschaut würde vom physischen Plane aus, von uns nicht ertragen werden könnte. Vom physischen Plane aus nähme es sich so aus, daß wir es abwehren wollten, daß wir uns abwenden wollten davon.

Das, was da im Gefühl und im Willen lebt und ungeboren ist, das ist werdendes Karma. Sagen wir, wir fühlen eine feindliche Empfindung gegen irgend jemand, um ein konkretes Beispiel zu wählen. Ja, was da in dieser feindlichen Empfindung zu unserem Bewußtsein kommt, das ist eben nur das äußerliche Wellenspiel. Da drinnen liegen Kräfte, die über das ganze Planetensystem ausgebreitet sind. Aber das, was uns verborgen bleibt, das ist gerade das, was uns sagt: Durch deine feindliche Empfindung pflanzest du in dich etwas Unvollkommenes, das mußt du ausgleichen. - In dem Augenblicke, wo herauftauchen würde, was da unten mitlebt, würde vor uns die Imagination desjenigen auftauchen, was im Karma die feindliche Empfindung ausgleichen muß. Und wir würden uns mit Luzifer und Ahriman verbinden, um abzuwehren diesen Ausgleich, weil wir von dem Standpunkt des physischen Planes aus urteilen würden. Aber es wird uns auf diesem physischen Plane das verborgen; der Hüter der Schwelle verbirgt es uns aus dem einfachen Grunde, weil wir diese Dinge, die nicht geboren werden an unserem Gefühl, an unserem Willen, nur beurteilen können, wenn wir in der geistigen Welt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt leben. Da wollen wir das, was wir sonst nie wollen würden, da wollen wir, daß das, was einer feindseligen Stimmung entspricht, wirklich ausgeglichen werde, weil wir da das rechte Interesse haben an dem Inhalt der Götterreligion, an dem vollkommenen Menschheitsideal, das aus uns den vollkommenen Menschen machen will. Von dem wissen wir, daß durch einen entgegengesetzten Ausgleich das wettgemacht werden muß, was durch eine feindselige Empfindung verursacht worden ist. Es muß für die Zukunft nach dem Tode aufbewahrt bleiben, und dann erst darf herauskommen, was ungeboren ist an unserem Gefühle und unserem Willen." (Lit.: GA 153, S. 113f)

Wille und Schwerkraft

Physiologisch gesehen wird das Bewusstsein für das eigentliche Wollen ausgelöscht, weil es sich mit der abwärts gerichteten Schwerkraft verbindet, die Vorstellungen hingegen mit den aufwärts gerichteten Auftriebskräften.

"Sehen Sie, unser Gehirn wiegt durchschnittlich 1250 Gramm. Wenn dieses Gehirn, indem wir es in uns tragen, wirklich 1250 Gramm wiegen würde, dann würde es so stark drücken auf die unter ihm befindlichen Blutadern, daß das Gehirn nicht in richtiger Weise mit Blut versorgt werden könnte. Es würde ein starker Druck ausgeübt werden, der das Bewußtsein sogleich umnebeln würde. In Wahrheit drückt das Gehirn gar nicht mit den vollen 1250 Gramm auf die Unterfläche der Schädelhöhle, sondern nur mit etwa 20 Gramm. Das kommt davon her, daß das Gehirn in der Gehirnflüssigkeit schwimmt. So wie der Körper hier im Wasser schwimmt, so schwimmt das Gehirn in der Gehirnflüssigkeit. Und das Gewicht der Gehirnflüssigkeit, die verdrängt wird durch das Gehirn, beträgt eben ungefähr 1230 Gramm. Um diese wird das Gehirn leichter und hat nur noch 20 Gramm. Das heißt, wenn man nun auch - und das tut man ja mit einem gewissen Recht - das Gehirn als das Werkzeug unserer Intelligenz und unseres Seelenlebens, wenigstens eines Teiles unseres Seelenlebens, betrachtet, so muß man nicht bloß rechnen mit dem wägbaren Gehirn - denn dieses ist nicht allein da -, sondern dadurch, daß ein Auftrieb da ist, strebt das Gehirn eigentlich nach aufwärts, strebt seiner eigenen Schwere entgegen. Das heißt, wir leben mit unserer Intelligenz nicht in abwärtsziehenden, sondern in aufwärtsziehenden Kräften. Wir leben mit unserer Intelligenz in einem Auftrieb drinnen.

Nun ist das, was ich Ihnen auseinandergesetzt habe, allerdings nur für unser Gehirn so. Die anderen Teile unseres Organismus, also von dem Boden der Schädeldecke nach unten, die sind nur zum kleinsten Teil - nur das Rückenmark - in derselben Lage. Aber im ganzen streben die anderen Teile des Organismus nach unten. Da leben wir also in dem Zug nach unten. Wir leben im Gehirn im Auftriebe, nach aufwärts, und sonst im Zuge nach unten. Unser Wille lebt durchaus im Zug nach unten. Er muß sich vereinigen mit dem Druck nach unten. Dadurch aber wird ihm das Bewußtsein genommen. Dadurch schläft er fortwährend. Gerade das ist das Wesentliche der Willenserscheinung, daß sie als bewußte ausgelöscht wird, deshalb, weil sich der Wille mit der nach unten gerichteten Schwerkraft vereinigt. Und unsere Intelligenz wird lichtvoll dadurch, daß wir uns vereinigen können mit dem Auftrieb, daß unser Gehirn entgegenarbeitet der Schwerkraft.

Sie sehen, durch die verschiedenartige Vereinigung des menschlichen Lebens mit dem zugrunde liegenden Materiellen wird auf der einen Seite das Untergehen des Willens in der Materie bewirkt und auf der anderen Seite wird die Aufhellung des Willens zur Intelligenz bewirkt. Niemals könnte die Intelligenz entstehen, wenn unser Seelenwesen gebunden wäre an eine bloß nach abwärts strebende Materie.

Nun bedenken Sie, daß wir also eigentlich erleben, richtig erleben, wenn wir nicht in der heutigen Abstraktion den Menschen betrachten, sondern so betrachten, wie er wirklich ist, so daß das Geistige mit dem Physischen zusammenkommt - da muß nur das Geistige so stark gedacht werden, daß es auch die physische Kenntnis umfassen kann -, daß bei ihm auf der einen Seite durch eine besondere Vereinigung mit dem materiellen Leben, nämlich mit dem Auftrieb im materiellen Leben, die Aufhellung in die Intelligenz ist und auf der anderen Seite die Einschläferung, wenn wir den Willen gewissermaßen aufsaugen lassen müssen von dem nach unten gerichteten Druck, so daß der Wille im Sinne dieses nach unten gerichteten Druckes wirkt. Er wirkt so. Nur ein kleiner Teil von ihm filtriert sich durch bis zu dem 20-Gramm- Druck, geht in die Intelligenz hinein. Daher ist die Intelligenz etwas vom Willen durchdrungen. Aber im wesentlichen haben wir es in der Intelligenz zu tun mit dem, was entgegengesetzt ist der ponderablen Materie. Wir wollen immer über den Kopf hinaus, indem wir denken." (Lit.: GA 320, S. 49f)

Wille und Stoffwechselsystem

Das blaue Südfenster des ersten Goetheanums nach dem Entwurf Rudolf Steiners, das die Einweihung in die kosmische Astralwelt zeigt. Damit wird zugleich der Weg dargestellt, der vom Willensvorsatz (links) über den Entschluss (Mitte) bis hin zu ausgeführten Handlung (rechts) führt. Im mittleren Fensterteil durchläuft der Mensch die Region des Tierkreises, die an jeder Willenshandlung beteiligt ist. Durch seine Bewegungen drückt der Mensch aus, welche Kräfte ihm von den Tierkreiswesen zuströmen. Es sind dieselben Bewegungsformen, die wir auch aus dem Sprachgestaltungsunterricht kennen und die mit der Zuordnung der Tierkreiszeichen zu den verschiedenen Körperregionen zusammenhängen.

Nicht das Nerven-Sinnes-System, sondern das Stoffwechselsystem und der darin tätige Verbrennungsprozess, überhaupt der ganze Wärmeorganismus bildet die physische Grundlage der Willenstätigkeit. Rudolf Steiner hat daher auch dem Konzept der motorischen Nerven entschieden widersprochen; alle Nerven sind in Wahrheit sensorisch. Die Willenstätigkeit entsteht durch den unmittelbaren Eingriff des Astralleibs in das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System; die sogenannten motorischen Nerven nehmen nur die daraus resultierende Bewegung wahr.

Die falsche Unterscheidung von motorischen und sensorischen Nerven

"... diese sogenannten Willensnerven sind auch sensitive Nerven. Während die anderen sensitiven Nerven von den Sinnen zum Zentralorgan gehen, damit das wahrgenommen werden kann, was die Sinne vermitteln, nehmen die sogenannten Willensnerven, die aber auch nichts anderes sind, alles wahr, was in uns selber als Bewegung ist. Sie dienen der Wahrnehmung von Bewegungen. Dagegen gibt es keine Willensnerven. Der Wille ist rein geistiger Natur, rein geistig-seelischer Natur, und wirkt unmittelbar als Geistig-Seelisches, und wir brauchen die sogenannten Willensnerven deshalb, weil sie Sinnesnerven sind für dasjenige Glied, das sich bewegen soll, das wahrgenommen werden muß, wenn der Wille es bewegen soll." (Lit.: GA 332a, S. 127)

"... ebenso wie in das rhythmische System die Gefühlswelt des Menschen eingreift, ebenso greift in das Stoffwechsel- Bewegungssystem der Wille unmittelbar ganz ein. Und dasjenige, was wir in den Nerven oder durch die Nerven haben, das sind nur die Vorstellungen des Gewollten, die Vorstellungen von dem Gewollten [...]

Man unterscheidet heute, wie ja genugsam bekannt ist, zwischen den sogenannten sensitiven Nerven, die vom Zentrum zu den Sinnen gehen sollen und die sinnlichen Wahrnehmungen vermitteln, und den sogenannten motorischen Nerven, welche etwas zu tun haben sollen mit dem Willen.

Es gibt in Wahrheit zwar anatomisch-physiologisch metamorphosierte Nerven, aber es gibt nur einerlei Art von Nerven. Jeder Nerv ist nur physischer Vorstellungsvermittler. Und diejenigen Nerven, die wir heute motorische Nerven nennen, die sind in ihrer Funktion nicht anders als die sogenannten sensitiven Nerven. Während der sensitive Nerv zu den Sinnen geht, um die Außenwelt wahrzunehmen, geht der sogenannte motorische Nerv, der auch nichts anderes ist als ein innerlicher sensitiver Nerv, in das Innere und vermittelt die Wahrnehmungen, die ich zum Beispiel habe, wenn ich ein Glied bewege, die ich habe, wenn ich irgendwie eine innerliche unbewußte Bewegung auszuführen habe. Der Nerv ist nur der Vermittler der Wahrnehmung für irgend etwas Äußeres oder Inneres. Es gibt nicht zwei Arten von Nerven, nicht sensitive und motorische Nerven. Meinetwillen, die Terminologie ist mir dann einerlei, ob man sie dann sensitive oder motorische nennt, das ist gleichgültig, aber nur einerlei Art und anatomisch- physiologisch etwas metamorphosiert, nur einerlei Art von Nerven gibt es." (Lit.: GA 319, S. 56f)

Wille und Wärmeorganismus

"Man sollte eigentlich zunächst, wenn man von des Menschen Leiblichkeit spricht, von seinem Wärmeleib sprechen. Man sollte sagen: Wenn ein Mensch vor dir steht, so steht vor dir auch ein abgeschlossener Wärmeraum, der in einer gewissen Beziehung höhere Temperatur hat als die Umgebung. In dieser erhöhten Temperatur lebt zunächst das, was geistig-seelisch im Menschen ist, und auf dem Umwege durch die Wärme überträgt sich das, was im Menschen geistigseelisch ist, auch auf die übrigen Organe. So kommt ja auch der Wille zustande.

Der Wille kommt dadurch zustande, daß zuerst auf die im Menschen befindliche Wärme gewirkt wird und dann, indem auf die Wärme gewirkt wird, auf den Luftorganismus, von da auf den Wasserorganismus und von da erst auf das, was im Menschen mineralisch fester Organismus ist. So daß man also sich die menschliche Organisation so vorzustellen hat: Man wirkt innerlich zuerst auf die Wärme, dann durch die Wärme auf die Luft, von da auf das Wasser, auf den Flüssigkeits-Organismus, und von da auf den festen Organismus." (Lit.: GA 201, S. 238f)

"Jede Willensentfaltung im Menschen ist begleitet von einer besonderen Form der Stoffwechselvorgänge. Es ist viel unmittelbarer an den Stoffwechsel der Wille gebunden als etwa das Denken. Natürlich muß der Mensch einen gesunden Stoffwechsel haben, wenn er gesund denken soll. Aber unmittelbar ist das Denken an eine ganz andere Tätigkeit im Nervensystem gebunden, als die Stoffwechseltätigkeit ist, während der Wille des Menschen unmittelbar an den Stoffwechsel gebunden ist. Und dieses Gebundensein an den Stoffwechsel, das ist wiederum dasjenige, was man kennen muß. Wenn wir nun Vorstellungen von unserem eigenen Willen aufnehmen, wenn wir denken über den Willen, dann projiziert sich die Stoffwechseltätigkeit ins Nervensystem hinein. Erst mittelbar, indirekt, wirkt Wille im Nervensystem. Zur Wahrnehmung unserer eigenen Willenstätigkeit ist dasjenige, was sich im Nervensystem in bezug auf den Willen entwickelt." (Lit.: GA 305, S. 53)

"... von Willen reden die heutigen Psychologen gar nicht mehr. Warum? Sehr natürlich reden sie nichts! Nun, wenn ich den Arm heben will, also einen Willensakt vollziehen will, so habe ich zunächst die Vorstellung; dann taucht etwas in das Gebiet hinunter, das vollständig, wie man heute sagt, «unbewußt» ist. In dieses Reservoir tut man alles dasjenige hinein, was man in der Seele nicht beobachten kann und von dem man glaubt, daß es doch da ist. Dann taucht das Ganze in das Unbewußte hinunter. Dann schaue ich mir an, wie ich meine Hand bewege. Aber zwischen der Intention und der geschehenen Tatsache geht der Wille, der sich abspielt, ganz in das Materielle des physischen Organismus hinunter. Das kann man genau durch die Intuition verfolgen; der geht hinunter in das innerste Wesen des Organismus. Der Willensakt geht bis zum Stoffwechsel. Und es gibt keinen Willensakt beim physischen Erdenmenschen, der sich nicht für die intuitive Erkenntnis in einem entsprechenden Stoffwechselvorgange verfolgen ließe. Aber es gibt auch keinen Willensvorgang, der nicht in einer, nenne man es Zersetzung oder Auflösung, wie man will, innerhalb der Stoffwechselvorgänge seinen Ausdruck fände. Der Wille schafft erst weg dasjenige, was irgendwo im Organismus ist, damit er sich entfalten kann. Es ist geradeso, wie wenn ich in meinem Arm, wenn ich ihn zum Ausdruck meines Willens brauche, da erst etwas verbrennen müßte. Da muß erst etwas weg — es wird sich schon in den nächsten Tagen zeigen, ich weiß, daß es heute eine furchtbare naturwissenschaftliche Ketzerei ist, aber es wird sich uns als eine Wahrheit enthüllen —, es muß erst etwas Stoffliches vernichtet werden, damit der Wille sich hinsetzen kann. Da, wo Stoff ist, da muß das Geistig-Seelische sich festsetzen. Das ist das Wesen der intuitiven Erkenntnis. Sie kommen nicht zu der Erklärung der Stoffwechselvorgänge im Menschen, wenn Sie sie nicht suchen mit intuitiver Erkenntnis." (Lit.: GA 314, S. 93f)

"Da haben wir auch während des Wachzustandes die dreigliedrige menschliche Seele: die wache Seele, die vorstellt, die träumende Seele, die fühlt, und die wollende Seele, die schläft, so daß der Mensch im gewöhnlichen Bewußtsein niemals sagen kann, was eigentlich da unten in den Zuständen vor sich geht, in denen der Wille webt und lebt. Wenn man dann aber mit den Methoden der anthroposophischen Forschung in diejenige Region hinunterleuchtet, wo der Wille pulsiert, da findet man zunächst das Folgende. Wenn wir die Absicht haben, irgendeinen Willensentschluß auszuführen, dann ist das zunächst ein Gedanke, eine Vorstellung. In dem Momente, wo diese Absicht in den Organismus hineinströmt, entsteht im Organismus dasjenige, was man einen inneren Verbrennungsprozeß nennen kann. Jedesmal wird im Organismus ein Verbrennungsprozeß entstehen längs des ganzen Weges, den der Willensentschluß macht. Durch das Verbrennen von Stoffwechselprodukten, die Sie in sich haben, wird alles das bewirkt, was den Arm bewegt, um einen Willensentschluß auszuführen, so daß eigentlich ein wollender Mensch im physischen Sinne in einem verbrennungsartigen Verzehren seiner Stoffwechselprodukte sich befindet. Eigentlich müssen wir immer deshalb die Stoffwechselprodukte erneuern, weil durch den Willen diese Stoffwechselprodukte fortwährend verzehrt, verbrannt werden.

Das ist anders beim Vorstellen. Beim Vorstellen findet ein fortwährendes Ablagern von salzartigen Bestandteilen statt. Erdige, salzartige, aschenartige Bestandteile sondern sich aus dem Organismus ab, so daß, physisch gesprochen, das Denken, das Vorstellen ein Salzablagern ist. Das Wollen ist ein Verbrennen. Und dem Anschauen, dem geistigen Anschauen stellt sich das menschliche Leben als ein fortwährendes Salzablagern von oben und als ein Verbrennen von unten herauf dar. Dieses Verbrennen, das macht, daß wir, wenn ich mich so ausdrücken darf, im Feuer des eigenen Leibes mit dem gewöhnlichen Bewußtsein nicht wahrnehmen können, was der Wille eigentlich ist. Dieses Verbrennen bewirkt, daß wir den Willen, alles Wollen fortwährend verschlafen.

Aber was wird uns denn da unsichtbar für das gewöhnliche Bewußtsein, wenn wir den Willen verschlafen? Wenn man nun in dieses organische Feuer, das fortwährend durch den Willen entsteht, mit den Mitteln der Geistesanschauung hineinleuchtet, dann nimmt man wahr, daß in diesem Feuer die Wirkungen unseres moralischen Verhaltens in dem vorhergehenden Erdenleben leben. Da drinnen lebt dasjenige, was man menschliches Schicksal, menschliches Karma nennen kann. Es ist wirklich so, daß, wenn man richtig anschaut, wenn ein Mensch zum Beispiel in einem bestimmten Jahre seines Lebens die Bekanntschaft eines andern Menschen macht, daß sich dann ganz anders diese Tatsache ausnimmt, wenn man sie geistig richtig anschaut, als wenn man sie nur äußerlich mit dem sinnlich-intellektualistischen Bewußtsein anschaut." (Lit.: GA 226, S. 61f)

"Wie unser Wollen zustande kommt, ist dem gewöhnlichen Bewußtsein ganz, ganz unbekannt, eigentlich so unbekannt wie der Schlaf. Der Mensch, wenn er etwas will, hat den Gedanken; der ist klar und hell. Er entwickelt dann etwas dunkler über diesen Gedanken das Gefühl. Und dann geht der gefühlsdurchdrungene Gedanke hinunter in die Glieder. Was da vorgeht, das erlebt der Mensch mit dem gewöhnlichen Bewußtsein nicht. Vor jener Forschung, von der ich gestern und vorgestern gesprochen habe, nimmt sich das Wollen so aus: Während der Gedanke im Haupte etwas will und er dann durch das Gefühl hinuntergeht in den ganzen Leib, und der Mensch durch seinen ganzen Leib will, während dieser Zeit entwickelt sich im Menschen etwas wie ein feiner, subtiler, intimer Verbrennungsprozeß.

Der Mensch kann, wenn er zum Initiatenbewußtsein kommt, dieses durch die Wärme influenzierte Wollen erleben. Aber das bleibt für das gewöhnliche Bewußtsein ganz im Untergrunde. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie dasjenige, was schon heraufgehoben werden kann in das Initiatenbewußtsein, doch für das gewöhnliche Bewußtsein in den Untergründen bleibt. Man wird zum Beispiel einmal folgendes einsehen, wenn die Dinge, die durch das gestern erwähnte Buch nach und nach in die Welt kommen werden, wirklich eingesehen werden. Man wird einsehen, daß, wenn ein Mensch etwas will und man das mit dem Initiatenbewußtsein anschaut, es so ist, wie wenn man einen äußeren Vorgang des Verbrennens einer Kerze oder überhaupt ein wärmeentwickelndes Licht äußerlich anschaut. Geradeso wie man da von der äußeren Anschauung ein klares Bild hat, so kann man das Hineinschlagen des Gedankens in den Willen so sehen, daß man sagt: Der Gedanke entwickelt das Gefühl, und aus dem Gefühl geht hinunter - es bewegt sich beim Menschen von oben nach unten-Wärmeentwickelung, Flamme; und diese Flamme will. - Es enthüllt sich also nach und nach." (Lit.: GA 243, S. 220)

Die Leber als Willensorgan

Die Leber ist das wesentliche Organ, um Ideen in die Tat umzusetzen.

"Denn die Crux ist, daß die Leber nicht bloß das Organ ist beim Menschen, das die heutige Physiologie beschreibt, sie ist im eminentesten Sinne dasjenige Organ, das dem Menschen die Courage gibt, eine ausgedachte Tat in eine wirklich ausgeführte umzusetzen. Also wenn es geschieht, daß ich so organisiert bin als Mensch, daß da ein Tram wegfährt, ich weiß, ich soll nach Basel fahren - es gibt solche Menschen - ich bin schon da: im letzten Moment kann ich nicht aufsteigen, es will mich etwas zurückhalten, ich komme nicht dazu, aufzusteigen! - Sehen Sie, so etwas enthüllt sich manchmal auf eine merkwürdige Weise, wenn eine Stockung des Willens auftritt. Wenn aber so etwas auftritt, dann liegt immer ein feiner Leberdefekt vor. Die Leber vermittelt immer das Umsetzen der vorgenommenen Ideen in die durch die Gliedmaßen durchgeführten Handlungen." (Lit.: GA 317, S. 22)

Das Wollen ergreift den Leib von außen

Rudolf Steiner hat immer wieder darauf hingewiesen, dass sich das wirkliche Ich des Menschen nicht innerhalb des Körpers befindet, sondern von außen, d.h. aus der geistigen Außenwelt auf diesen einwirkt. Der Körper dient ihm nur als Spiegelungsapparat, der ihm ein unwirkliches mentales Bild des Ichs zurückwirft und dem Menschen dadurch das Ich-Bewusstsein ermöglicht. Entsprechend hat der Mensch von seinem wirklichen Ich, dass durch den Willen im Sinne des Karmas wirkt, zunächst überhaupt keine bewusste Kenntnis. Das wirkliche Ich wird uns nur durch seine Abwesenheit, als Leerraum, gleichsam als „schwarzes Loch“, innerhalb unseres Seelenlebens bewusst.

Ausführlich hat Rudolf Steiner darüber in seinem am 8. April 1911 gehaltenen Vortrag in Bologna zu einem philosophisch fachkundigen Publikum gesprochen. So verbindet sich das wirkliche Ich bei der Wahrnehmung unmittelbar mit dem draußen in der Welt Gegebenen. Insofern das Wahrgenommene unser bewusstes Seelenleben erfüllt, stehen wir auch mit diesem außerhalb des Körpers.

Bei der Körperbewegung wird der Körper durch die Willenstätigkeit ebenfalls unmittelbar von außen durch das wirkliche, d.h. das wirkende Ich ergriffen. Jegliche „Steuerung“ der Körperbewegung durch Nervenimpulse wird damit obsolent. Rudolf Steiner widerspricht hier ganz bewusst explizit der unverrückbar scheinenden, allgemein anerkannten neurowissenschaftlichen Grundthese. In diesem Punkt gibt es keine Versöhnung mit den Theorien der äußeren Wissenschaft, ohne das fundamentale Grundprinzip der Anthroposophie - und damit diese selbst - völlig aufzugeben.

„Im Schlafe ist ja das Ich aus dem physischen Leibe heraus. Im Wollen ist das Ich aus gewissen Orten unseres Organismus heraus. Das ist dadurch der Fall, daß an diesem Orte sich in gewissen Zeitaugenblicken eben nichts mineralisiert, sondern daß da alles lebt. Aus denjenigen Stellen unseres Organismus, in denen alles lebt, in denen in dem entsprechenden Augenblicke nichts Mineralisiertes sich ablöst, abscheidet, da entfalten sich die Willensimpulse. Da wird aber das Ich ausgestoßen. In das Mineralische wird das Ich hineingezogen. Mit dem Mineralischen kann es hantieren; mit demjenigen, was lebendig ist, kann es nicht hantieren. Aus dem wird es herausgetrieben, wie in der Nacht, wenn wir schlafen, dieses Ich aus dem ganzen physischen Leibe herausgetrieben wird. Nun ist aber dann das Ich außerhalb des Leibes. Durch das Mineralisieren wird das Ich in den Leib hineingetrieben. Durch das Vitalisieren wird das Ich aus Teilen des Leibes herausgetrieben. Es ist dann gerade so außerhalb dieser Teile, wie es im Schlafe ganz außerhalb des physischen Leibes ist. Und wir können daher sagen: bei einer Willensbetätigung sind immer Teile des Ich außerhalb derjenigen Orte des physischen Leibes, denen sie eigentlich zugeteilt sind. Und wo sind dann diese Teile des Ich, die außerhalb der ihnen entsprechenden Teile des physischen Leibes sind? Nun, sie sind eben außerhalb, im übrigen Raume. Sie sind eingegliedert in die Kräfte, welche diesen Raum durchweben. Wir sind, indem wir unseren Willen betätigen, mit einem Teil unseres Ich außerhalb unser. Wir gliedern uns Kräfte ein, die durch die Welt gelegt sind. Wenn ich einen Arm bewege, so bewege ich ihn nicht durch etwas, was im Inneren des Organismus entspringt, sondern durch eine Kraft, die außerhalb meines Armes ist, und in die das Ich hineinkommt dadurch, daß es aus gewissen Orten meines Armes herausgetrieben wird. Im Wollen komme ich außerhalb meines Leibes, und durch Kräfte, die außerhalb meiner liegen, bewege ich mich. Man hebt das Bein nicht durch Kräfte, die im Inneren sind, sondern man hebt das Bein durch Kräfte, die tatsächlich von außerhalb wirken; ebenso den Arm. Während man also im Denken nach innen getrieben wird durch das Verhältnis des Ich zu dem mineralisierten Teil des menschlichen Organismus, wird man im Wollen geradeso wie im Schlafe nach außen getrieben. Und niemand versteht das Wollen, der nicht den Menschen als kosmisches Wesen auffaßt, der nicht hinausgeht aus den Grenzen des menschlichen Leibes, der nicht weiß, daß der Mensch im Wollen sich außerhalb seines Leibes liegende Kräfte eingliedert. Wir versenken uns in die Welt, wir geben uns an die Welt hin, indem wir wollen. So daß wir sagen können: Die materielle Begleiterscheinung des Denkens ist ein mineralischer Prozeß in uns, ein Zeichnen des Ich in mineralisierte Teile des menschlichen Organismus. Das Wollen in uns stellt dar ein Vitalisieren, ein Herausbreiten des Ich, ein Eingliedern des Ich in die geistige Außenwelt, und ein Wirken auf den Leib vom Ich aus, aus der geistigen Außenwelt herein.“ (Lit.:GA 209, S. 131f)

Die schöpferische Kraft des Willens

Der Wille ist nur die Vorstufe eines schöpferischen Vorgangs, der von Rudolf Steiner auch als das "große Opfer" bezeichnet wird. Bei diesem Vorgang gibt sich ein Wesen einem anderen Wesen so sehr hin, dass die Wirkungen dieser Hingabe und der damit hingegebenen Kräfte sogar bis ins Physische hineinwirken. Durch einen solchen Schöpfungsvorgang wird, laut Rudolf Steiner, ein Universum geboren. Rudolf Steiner beschreibt als Beispiel, dass man sich vorstellen kann, um diesen Vorgang zu begreifen, man würde sein Spiegelbild, das eine Illusion ist, dadurch beleben, dass man sich diesem so sehr hingibt, dass man stirbt.

"Jenes höchste Prinzip, das im Menschen das Atma ist, das er am Ende seiner irdischen oder sagen wir seiner jetzigen planetarischen Laufbahn ausbilden wird, können wir im Sinne der Geistes- oder Geheimwissenschaft dadurch charakterisieren, daß wir seine Urwesenheit mit etwas vergleichen, das dem heutigen Menschen nur andeutungsweise bekannt ist: nämlich mit dem, was der Mensch als Wille in sich hat. Willensartiger Natur, eine Art Wollen ist der Grundcharakter dieses höchsten göttlichen Prinzipes im Menschen. Was beim Menschen heute am schwächsten ausgebildet ist in seiner inneren Wesenheit, der Wille, das wird in der Zukunft, wenn der Mensch immer höher und höher steigen wird, sein vorzüglichstes Prinzip sein.

Heute ist der Mensch im wesentlichen ein erkennendes Wesen, und sein Wille ist eigentlich noch nach den mannigfaltigsten Seiten hin eingeschränkt. Der Mensch kann die Welt um sich herum, bis zu einem gewissen Grade, in ihrer Universalität begreifen. Denken Sie aber, wie wenig er von dem, was er begreifen kann, auch zu wollen vermag, wie wenig er Macht über das hat, was er erkennen kann. Was er aber heute noch nicht hat, das wird ihm die Zukunft bringen: Sein Wille wird immer mächtiger werden, bis er sein großes Ziel erreicht haben wird, welches man in der Geisteswissenschaft das große Opfer nennt. Dieses besteht in jener Macht des Willens, wo das Wesen, das da will, imstande ist, sich ganz hinzugeben, nicht nur das Wenige hinzugeben, was der Mensch mit seinen schwachen Gefühls- und Willensmächten hinzugeben vermag, sondern das ganze Sein hinzugeben, als eine bis ins Stoffliche hineingehende Wesenheit sich ausfließen zu lassen.

Sie werden eine Vorstellung bekommen von dem, was damit gemeint ist, von dem großen Opfer, der höchsten Ausprägung des Willens in der Gottnatur, wenn Sie sich folgendes vorstellen: Denken Sie sich, Sie stünden vor einem Spiegel, und Ihr Bild schaut Sie aus diesem Spiegel an. Dieses Bild ist eine Illusion, die Ihnen vollständig gleicht. Denken Sie ferner, Sie wären dadurch gestorben, daß Sie Ihr eigenes Sein, Ihr Fühlen, Denken, Ihr Wesen hinopfern, um dieses Bild zu beleben, dieses Bild zu dem zu machen, was Sie selbst sind. Sich selbst aufzuopfern und sein Leben an das Bild abzugeben, das ist es, was die Geisteswissenschaft zu allen Zeiten die Emanation, das Ausfließen, genannt hat. Wenn Sie das tun könnten, dann würden Sie sehen, daß Sie nicht mehr da sind, weil Sie alles abgegeben haben zur Auferweckung des Lebens und des Bewußtseins im Bilde.

Wenn der Wille auf solcher Stufe angelangt ist, daß er zu vollbringen imstande ist, was man das große Opfer nennt, dann schafft, schöpft er ein Universum, groß oder klein, und dieses Universum ist ein Spiegelbild, das seine Aufgabe durch das Wesen des Schöpfers selbst bekommt. Dadurch haben wir charakterisiert, was der schöpferische Wille in der göttlichen Wesenheit ist." (Lit.: GA 096, S. 208f)

Sommerwille und Winterwille

Hauptartikel: Sommerwille und Winterwille

Die Qualität des Willens ändert sich im Jahreslauf. Rudolf Steiner hat daher zwischen dem Sommerwillen und dem Winterwillen unterschieden. Der Sommerwille trägt die Gedanken hinaus in die Weiten der Welt; der Winterwille hingegen trägt die Gedanken in den menschlichen Kopf hinein.

"... der Sommerwille führt uns hinaus in die Weiten der Welt. Der Sommerwille, der warme Wille trägt überallhin unsere Gedanken. Der Winterwille, der trägt die Gedanken in unseren Kopf, in unser Haupt herein." (Lit.: GA 232, S. 54)

Denken, Fühlen und Wollen und Luzifer und Ahriman

Denken, Fühlen und Wollen liegt eine einheitliche Seelentätigkeit zugrunde, nur macht die luziferische Tätigkeit das Wollen jung und die ahrimanische Tätigkeit das Denken alt. Im Fühlen stehen Luzifer und Ahriman im Kampf miteinender.

"Die luziferische Tätigkeit macht das Wollen jung. Unsere Seelentätigkeit, durchzogen von Luziferischem, ist Wollen. Wenn das Luziferische in unserer Seelentätigkeit überwiegt, wenn in unserer Seele nur Luzifer seine Kräfte geltend macht, so ist das Wollen. Luzifer wirkt verjüngend auf den Gesamtstrom unserer Seelentätigkeit. Wenn Ahriman dagegen hauptsächlich seine Wirkungen äußert in unserer Seelentätigkeit, dann verhärtet er unsere Seelentätigkeit, sie wird alt, und das ist das Denken. Dieses Denken, dieses Gedankenhaben ist gar nicht möglich im gewöhnlichen Leben, ohne daß in dem ätherischen Leibe Ahriman seine Kräfte entfaltet. Man kann im Seelenleben, insofern es sich im Ätherleibe äußert, nicht ohne Ahriman und Luzifer auskommen.

Zeichnung aus GA 158, S 134
Zeichnung aus GA 158, S 134

Würde Luzifer sich ganz zurückziehen von unserem ätherischen Leibe, dann würden wir kein luziferisches Feuer haben zum Wollen. Würde Ahriman sich ganz zurückziehen von unserem Seelenleben, dann würden wir niemals die Kühle des Denkens entwickeln können. In der Mitte von beiden ist eine Region, wo sie miteinander kämpfen. Hier durchdringen sie sich, Luzifer und Ahriman, hier spielen ihre Tätigkeiten ineinander. Das ist die Region des Fühlens. In der Tat, so erscheint der menschliche Ätherleib, daß man darinnen wahrnehmen kann das luziferische Licht und die ahrimanische Härte. Wenn man den menschlichen Ätherleib überblickt, so ist das natürlich nicht so angeordnet, wie hier (auf der Zeichnung) symbolisch, sondern da ist ein Durcheinander. Da sind Einschiebsel, in denen der Ätherleib undurchsichtig erscheint, so, wie wenn er, ich möchte sagen, Eiseinschläge hätte. Figuren treten im Ätherleibe auf, die man vergleichen kann mit Eisfiguren, wie sie auf Fensterscheiben erscheinen. Das sind die Verhärtungen in dem Ätherleibe. An solchen Stellen wird er undurchsichtig. Das sind aber die Auslebungen des Gedankenlebens im Ätherleibe. Dieses Gefrieren des Ätherleibes an gewissen Stellen rührt von Ahriman her, der seine Kräfte da hineinschickt durch das Denken.

Zeichnung aus GA 158, S 135
Zeichnung aus GA 158, S 135

An andern Stellen des Ätherleibes ist es so, als wenn er Vakuolen, ganz lichte Stellen in sich hätte, die durchsichtig sind, die glänzend, lichtglitzernd sind. Da sendet Luzifer seine Strahlen, seine Kräfte hinein, das sind die Willenszentren im Ätherleibe. Und in dem, was dazwischen liegt, wo gleichsam fortwährende Tätigkeit ist im Ätherleibe, ist es so, daß man sieht, hier ist eine harte Stelle, aber nun wird sie sogleich von einer solchen Lichtstelle gefaßt und aufgelöst. Ein fortwährendes Festwerden und Wiederauflösen. Das ist der Ausdruck der Gefühlstätigkeit im Ätherleibe." (Lit.: GA 158, S. 133ff)

Wille und Atma

„Dasjenige, was zur Kraft des Atma wird, das ist nämlich, insofern es eine Kraft ist, die aus der Gottheit fließt, willensartiger Natur. Wenn Sie sich auf Ihre eigene Willenskraft besinnen, auf das, was in Ihnen wollen kann, dann haben Sie eine schattenhafte Nachbildung, einen schattenhaften Abglanz dessen, was aus der Kraft des Atma, aus der Gottheit ausfließt. Der Wille des Menschen ist heute die Kraft, die noch am wenigsten ausgebildet ist. Der Wille kann sich aber immer weiter und weiter ausbilden, bis eine Zeit kommen wird, da er einmal auf seinem Höhepunkt angelangt ist, dann, wenn dieser Wille fähig sein wird, das zu vollbringen, was man in den Religionen «das große Opfer» nennt.

Stellen Sie sich vor, Sie stünden vor einem Spiegel und schauten hinein. Ihr Bild gleicht Ihnen vollständig in jedem Teile Ihrer Physiognomie, Ihrer Gesten, in allem ist es Ihnen gleich, es ist aber Ihr totes Bild. Sie stehen davor als eine lebendige Wesenheit und haben es mit Ihrem toten Bilde zu tun, das Ihnen in allem gleich ist bis auf die lebendige Wesenheit, bis auf den substantiellen Inhalt. Denken Sie sich einmal, Ihr Wille wäre bis zu dem Punkte gewachsen, daß er imstande wäre, den Entschluß zu fassen, Ihr eigenes Dasein, Ihre eigene Wesenheit aufzugeben und diese abzugeben an Ihr Spiegelbild; Sie wären imstande, sich ganz hinzuopfern, um Ihr Spiegelbild mit Ihrem Leben zu versehen. Von einem solchen Willen sagt man: er emaniert, er strömt sein eigenes Wesen aus. Es ist das die höchste Entfaltung des Willens, das, was das Christentum den «göttlichen Vaterwillen» nennt.

Der menschliche Wille ist also heute unter allen Seelenkräften das am wenigsten ausgebildete Glied. Er ist aber auf dem Wege, sich zu solcher Macht hin zu entfalten, daß er «das große Opfer» zu vollbringen imstande ist. Das ist die wirkliche Natur dessen, was sich als die Kraft des Atma entwickeln kann: willensartige Natur, insofern es ein Ausfluß göttlicher Wesenheit ist.“ (Lit.:GA 97, S. 109)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.