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Nervensystem

Aus AnthroWiki
(Weitergeleitet von Motorische Nerven)
Übersicht über das menschliche Nervensystem

Das Nervensystem ist ein Teil des Nerven-Sinnes-Systems und gliedert sich in zwei Hauptbereiche, nämlich in das somatische Nervensystem, das auf dem alten Mond veranlagt wurde, und in das vegetative Nervensystem, das bereits auf der alten Sonne vorbereitet wurde. Das somatische (animalische) Nervensystem ist primär der unmittelbare physische Ausdruck des Astralleibs. Die Gehirnnerven unterliegen der Ich-Organisation.

Aufbau, Funktion und Entwicklung des Nervensystems wird von Fachwissenschaften wie der Neurobiologie, Neurophysiologie, Neuroanatomie und anderen Neurowissenschaften studiert. Die medizinische Fachdisziplin, die sich mit den Funktionen, Erkrankungen und Heilungsmöglichkeiten des Nervensystems beschäftigt, ist die Neurologie.

Nervensystem und Wesensglieder

„Im sympathischen Nervensystem, das die Verdauungsorgane durchsetzt, waltet vornehmlich der ätherische Leib. Die Nervenorgane, die da in Betracht kommen, sind von sich aus vorzüglich nur lebende Organe. Die astralische und die Ich-Organisation wirken auf sie nicht innerlich organisierend, sondern von außen. Daher ist der Einfluß der in diesen Nervenorganen wirksamen Ich- und astralischen Organisation ein starker. Affekte und Leidenschaften haben eine dauernde, bedeutsame Wirkung auf den Sympathikus. Kummer, Sorgen richten dieses Nervensystem allmählich zugrunde.

Das Rückenmarks-Nervensystem mit allen seinen Verzweigungen ist dasjenige, in welches die astralische Organisation vorzüglich eingreift. Es ist daher der Träger dessen, was im Menschen seelisch ist, der Reflexvorgänge, nicht aber dessen, was im Ich, in dem selbstbewußten Geiste vorgeht.

Die eigentlichen Gehirnnerven sind diejenigen, die der Ich-Organisation unterliegen. Bei ihnen treten die Tätigkeiten der ätherischen und astralischen Organisation zurück.“ (Lit.: GA 27, S. 40f)

Dem widerspricht nicht, dass das sympathische Nervensystem zugleich neben dem Blut den, allerdings völlig unterbewusst bleibenden, Hauptangriffspunkt für das menschliche Ich im physischen Leib bildet:

Zeichnung aus GA 174, S 126
Zeichnung aus GA 174, S 126

„Ich will nun, um die Sache zu veranschaulichen, ausgehen von dem, was wir als die uns für die Erdenmenschheit bewußt angehende Wesenheit des Menschen anerkennen: von dem Ich. Ich bemerke ausdrücklich: Bei bildhaften Darstellungen kann man sehr leicht zu Mißverständnissen kommen, indem man früher Gesagtes in scheinbarem Widerspruch findet mit später Gesagtem. Wer die Dinge genauer ansieht, wird schon bemerken, daß solche Widersprüche in Wahrheit nicht vorhanden sind.

Nehmen wir also zunächst an, wir hätten es zu tun mit der Ich-Natur des Menschen, mit jenem Gliede der menschlichen Wesenheit, das wir als Ich bezeichnen. Diese Ich-Natur ist selbstverständlich ganz übersinnlich; sie ist ja das Übersinnlichste, was wir zunächst haben, aber sie wirkt durch das Sinnliche. Dasjenige, wodurch das Ich sich hauptsächlich im intellektualistischen Sinne in der menschlichen physischen Natur auswirkt, ist das als das Gangliensystem bezeichnete Nervensystem, das Nervensystem, das vom Sonnengeflecht ausgeht. Schematisch können wir dieses Nervensystem, dieses Gangliensystem, dieses Sonnengeflechtsystem so (siehe Zeichnung, schwarz) andeuten. Das entfaltet eine Tätigkeit, die ja zunächst mit dem, was man im materialistischen Sinne Nervenleben nennen könnte, nichts besonderes zu tun zu haben scheint. Dennoch ist es der eigentliche Angriffspunkt für die wirkliche Ich-Tätigkeit. Daß der Mensch, wenn er beginnt, okkult sich selbst zu schauen, das Zentrum des Ich im Haupte zu empfinden hat, das widerspricht dem nicht, da wir es ja bei dem Ich-Gliede des Menschen zu tun haben mit etwas Übersinnlichem, und der Punkt, in dem der Mensch das Ich erlebt, ein anderer ist als der Angriffspunkt, durch den das Ich im Menschen vorzugsweise wirkt.

Die Bedeutung des Wortes: Das Ich wirkt durch den Angriffspunkt des Sonnengeflechtes - muß man sich völlig klarmachen. Diese Bedeutung liegt in folgendem: Das Ich des Menschen selbst ist eigentlich mit einem sehr dumpfen Bewußtsein ausgestattet. Der Ich-Gedanke ist etwas anderes als das Ich. Der Ich-Gedanke ist gewissermaßen dasjenige, was als eine Welle heraufschlägt ins Bewußtsein, aber der Ich- Gedanke ist nicht das wirkliche Ich. Das wirkliche Ich greift als bildsame Kraft durch das Sonnengeflecht in die ganze Organisation des Menschen ein.

Gewiß kann man sagen, das Ich verteilt sich über den ganzen Leib. Aber sein Hauptangriffspunkt, wo es besonders in die menschliche Bildsamkeit, in die menschliche Organisation eingreift, ist das Sonnengeflecht, oder besser gesagt, weil alle die Zweigungen dazugehören, das Gangliensystem, dieser im Unterbewußtsein lebende Nervenprozeß, der sich im Gangliensystem abspielt. Da das Gangliensystem die ganze Zirkulation des Blutes mitbedingt, so widerspricht das auch nicht der Tatsache, daß das Ich im Blute seinen Ausdruck hat. In diesen Dingen muß man das Gesagte eben ganz genau nehmen. Es ist etwas anderes, wenn gesagt wird: Das Ich greift durch das Gangliensystem in die Bildungskräfte und in die ganzen Lebensverhältnisse des Organismus ein, als wenn davon gesprochen wird, daß das Blut mit seiner Zirkulation der Ausdruck für das Ich im Menschen ist. Die menschliche Natur ist eben kompliziert.“ (Lit.: GA 174, S. 126ff)

Das Nervensystem als umgekehrte Pflanze

„Wir sehen die Pflanze, die eine Richtung radial einhält. Das ist dieselbe Richtung, welche wir als Mensch im wachenden Zustand haben. Nur müssen wir uns klar sein, daß, insofern wir unsere Vertikalrichtung mit der Vertikalrichtung des Pflanzenwachstums vergleichen, wir beide nicht mit denselben Vorzeichen einsetzen dürfen, sondern daß wir beide mit entgegengesetzten Vorzeichen einsetzen müssen. Es gibt viele Gründe, die uns dazu zwingen, die Vertikalrichtung des Menschen entgegengesetzt der vertikalen Wachstumsrichtung der Pflanze einzusetzen. Es gibt viele Gründe. Ich will nur auf denjenigen noch einmal hinweisen, den ich ja schon erwähnt habe. Es ist der, daß der Pflanzenwachstumsprozeß, der mit der Ablagerung des Kohlenstoffes endet, im Menschen aufgehoben wird, daß der im Menschen gewissermaßen negativ gemacht werden muß. Dasjenige, was die Pflanze in sich konsolidiert, das muß der Mensch wegschaffen. Dieses und Ähnliches zwingt uns dazu, uns zu sagen: Wenn wir die Richtung des Pflanzenwachstums so setzen, so müssen wir die entsprechende Richtung beim Menschen in dieser Weise setzen (Fig. 2).

Zeichnung aus GA 323, S. 304 (Fig. 2)
Zeichnung aus GA 323, S. 304 (Fig. 2)

Nun handelt es sich um die Frage: Was haben wir in dieser Richtung eigentlich? Wir haben dasjenige in dieser Richtung, was zusammenhängt mit unserem Wachstum von Jahr zu Jahr, solange wir überhaupt wachsen, dasjenige, was also bei uns einen ähnlichen Prozeß vorstellt wie bei der Pflanze. Wir kommen aber nur zurecht, wenn wir uns vorstellen: Die Pflanze wächst von der Erde radial nach aufwärts, nach dem Weltenraum; uns selbst müssen wir aber so vorstellen, daß unserem physisch sichtbaren Wachstum ein Überphysisch-Unsichtbares entgegenwächst, gewissermaßen von oben nach unten in uns hineinwächst. Wir haben ein Verständnis der menschlichen Gestalt in vertikaler Richtung dadurch zu suchen, daß wir uns gewissermaßen vorstellen: Der Mensch wächst nach oben, aber es wächst ihm entgegen eine Art unsichtbare Pflanzenbildung, die ihre Wurzeln nach oben, nach dem Kopfe entwickelt, ihre Blüten nach unten entwickelt. Es ist ein negativer Pflanzenbildungsprozeß, der dem physischen Menschenbildungsprozeß entgegengesetzt ist. In dieser Richtung (die beiden Pfeile) haben wir also zu suchen gleichartige Bewegungen. So wie die Pflanze von der Erde wegwächst, so haben wir uns vorzustellen, daß aus dem Weltenraum heraus von der Sonne her diese überphysische Menschenpflanze dem Mittelpunkt der Erde entgegenwächst. Und wir haben - wie gesagt, ich kann jetzt nur die Richtung angeben, Sie können das durchaus aus den empirischen Erscheinungen weiter verfolgen - in dem, was da als eine gleich gerichtete Linie uns erscheint, eine Wachstumslinie, nur das eine Mal positiv herausstrebend, das andere Mal negativ zurückstrebend, wir haben in dem zu suchen die Verbindungslinie zwischen Erde und Sonne. Sie werden sich das nicht anders vorstellen können, das ist sogar eine ziemlich triviale Vorstellung, als daß Sie zu gleicher Zeit darin zu suchen haben die Bewegungslinien sowohl für die Erde wie für die Sonne. Wir haben also Bewegungslinien für Erde und Sonne zu suchen in der Verbindung der beiden, aber so, daß diese Linie eine Vertikallinie ergibt für die Oberfläche der Erde.“ (Lit.: GA 323, S. 303ff)

Zeichnung der neuronalen Vernetzung im auditiven Cortex (Santiago Ramón y Cajal, 1898)
Zum Vergleich: Schema des Wurzelgeflechts einer Pflanze[1]

„Die Sache ist nämlich umgekehrt bei der Pflanze und beim Menschen. Bei der Pflanze ist es so, daß die Wurzel unten ist, die Blüte oben. Der Mensch ist nämlich eine umgekehrte Pflanze. Dasjenige, was bei der Pflanze das Wurzelhafte ist, das ist eigentlich im Kopf des Menschen, und was das Blütenhafte ist, das ist mehr gegen den Unterleib zu. Das können Sie ja schon an der äußeren Gestalt sehen. Der Mensch hat den Kopf oben, und die Befruchtungsorgane unten.

Zeichnung aus GA 348, S. 334
Zeichnung aus GA 348, S. 334

Die Pflanze hat die Wurzel unten, wächst heraus, und die Blüte hat die Befruchtungsorgane. Die sind oben. Das können Sie zum Beispiel daraus ersehen: Wenn Sie also einen Menschen nehmen, und Sie stecken hier (beim Kopf) die Wurzel einer entsprechend großen Pflanze herein, da den Stengel, die Blätter, so kommen Sie mit der Blüte gerade just bis zu den Unterleibsorganen. Da steckt nämlich eine ganze Pflanze drinnen in dem Menschen, nur wächst sie von oben nach unten. Der Mensch ist auch in einer gewissen Weise Pflanze...

Das ist aber so, daß es nicht nur bildlich so ausschaut, sondern diese Pflanze ist auch wirklich im Menschen drinnen. Natürlich bildet sie sich aus in Gemäßheit der menschlichen Gestalt. Aber nehmen Sie an, ich zeichne da ordentlich diese Pflanze, gebe ihr eine ordentliche Wurzelknolle und nachher die verschiedenen Stengel, also ich mache einen richtigen Baum, der nur von oben nach unten geht, dann sich wieder ein bißchen gipfelt, und jetzt lasse ich das ein bißchen abdörren, ein bißchen immer sterben - da haben Sie das Nervensystem! Das ist nämlich das Nervensystem. Das Nervensystem ist nämlich eine umgekehrte Pflanze, die im Menschen drinnensteckt, und die nur immer ein bißchen abstirbt.

Nun sehen Sie, jetzt weiß man: Die Pflanzen, die wachsen aus der Erde heraus. Zuerst muß der Winter da sein, nachher kommt der Frühling und der Sommer. Die locken die Pflanzen aus der Erde heraus, der Frühling und der Sommer. Da drinnen in der Erde ist die Winterkraft.

Zeichnung aus GA 348, S. 335
Zeichnung aus GA 348, S. 335

Dadurch knollt sich die Pflanze, hat ihre Wurzelkraft. Dann kommt die Sommerkraft; die Pflanze wird herausgelockt. Ja, das kommt alles von der Erdenumgebung, daß die Pflanzen da herausgelockt werden. Da sitzen die Metalle drin, sagen wir, da sitzt Kupfer drin. Die Sonne konnte nichts anderes tun, als eine Pflanze, die in der Erde sitzt, herauslocken. Dann wehrt sich die Pflanze gegen die Venuskräfte, wenn sie einmal herausgelockt ist. Von der Winterkraft der Erde und der Sommerkraft der ganzen Welt wächst zusammen diese Pflanze. Ja, meine Herren, aber der Mensch muß ja diese Winterkraft im Kopfe drinnen haben, denn bei ihm wächst ja immerfort das ganze Jahr - zum Beispiel das kleine Kind kann das ganze Jahr durch geboren werden -, bei ihm wächst immerfort diese Wurzel der Nerven nach unten, und der Mensch muß also diese Winterkraft im Winter und im Sommer im Kopf haben.

Zeichnung aus GA 348, S. 336
Zeichnung aus GA 348, S. 336

Heute kann er im Sommer nicht von außen die Winterkraft im Kopfe haben. Das heißt also, der Mensch muß einmal in früheren Zeiten, als er noch so war, wie ich es Ihnen erzählt habe, in dem Urbrei, in dem die Erde noch mit den anderen Planeten war, diese Winterkraft aufgenommen haben und hat sie eben bis heute vererbt. Also er hat die Winterkraft in seinem Kopfe aus sehr alten Zeiten. Der Kopf des Menschen ist eigentlich in alten Zeiten schon gemacht worden und bis heute so geblieben, wie er ist. Da kommen wir wieder darauf, daß der Kopf des Menschen verwandt sein muß mit demjenigen, was in alten Zeiten auf der Erde entstanden ist und heute auf der Erde schon ganz verhärtet ist.

Nun, gehen Sie hinaus ins Urgebirge, in die Mittelschweiz, so finden Sie da ganz besonders Granit und Gneis. In diesem Granit und Gneis ist der wirksamste Stoff die Kieselsäure, die dann im Quarz für sich ist, Kieselsäure, Kiesel. Das ist also der älteste Stoff der Erde auch. Das muß verwandt sein mit den menschlichen Kopfkräften. Daher kann man Kopfkrankheiten am leichtesten heilen, wenn man Heilmittel macht aus Kiesel, weil man da dem Kopf des Menschen beikommt. Denn in der Zeit, als der Kiesel noch eine besondere Rolle auf Erden gespielt hat, noch im Urbrei drinnen war, nicht so hart war - heute ist er hart in Granit und Gneis drinnen -, damals aber, als der Kiesel noch wie Flüssigkeit dahinfloß, da sind die Kräfte, die heute im menschlichen Kopfe sind, gebildet worden - die Winterkräfte - und haben sich erhalten.“ (Lit.: GA 348, S. 334ff)

Blitz bei Sonnenuntergang (North Beach, Maryland, USA)

„Da wird man sagen, wenn einer den Blitz anschaut: Ist der Blitz nur da oben? - O nein, der ist den ganzen Sommer hindurch, indem die Pflanzen befruchtet werden, über die Wiesen, über die Wälder hin, überall da ist der niedere Blitz. Und zum Schluß ist es ein Blitz, der in uns immer vorgeht. Innerlich sind wir ganz durchsetzt von denselben Erscheinungen, die wir manchmal sehen, wenn es blitzt, und unsere Gedanken sind ein Aufblitzen in uns. Nur natürlich dasjenige, was einmal als ein mächtiger Blitz erscheint, das verläuft ganz schwach in unserem Denken. Jetzt werden Sie sich aber auch sagen können: Es hat doch einen Sinn, zu sagen, wenn ich den Blitz anschaue, daß mir da die Weltengedanken erscheinen, weil das dasselbe ist, wie das, was in mir ist. - Man muß nur die Dinge nicht abergläubisch, sondern eben wissenschaftlich betrachten...

Sie können heute noch so viel an Hochschulen errichten: wenn Sie dahin gehen - dasjenige, was im Menschen wirkt, wird Ihnen nicht erklärt. Aber zu gleicher Zeit wird Ihnen auch nicht erklärt, wie eigentlich der Vorgang ist bei der Pflanzenbefruchtung. Und beim hinaufsteigenden Nebel und herunterkommenden Regen wird die Sache so erklärt, als ob das eigentlich nicht viel anders wäre, als wenn auf dem Herde gekocht würde: daß aufsteigen die Dünste, dann wieder herunterfallen. Das ist eben nicht so, sondern indem die Dünste aufsteigen, kommen sie oben in ein Gebiet, wo sie befruchtet werden vom Weltenall, und ein Beweis, daß sie befruchtet werden, ist eben der Blitz. Und dann sieht man eben die Befruchtung, die sonst auch geschieht.“ (Lit.: GA 350, S. 230f)

Nervensystem und Gestaltbildung

Primär dient laut Rudolf Steiner das Nervensystem nicht dem Seelenleben, sondern es gehen von ihm die Kräfte aus, die den ganzen Organismus formen und gestalten. Erst sekundär wird es zum Werkzeug des Bewusstseins und des Denkens, wenn ein Teil dieser Kräfte nicht mehr für die Durchformung des Leibes benötigt wird.

„Mit diesem Sinnes-Nervensystem wird eigentlich in der Physiologie Unfug getrieben. Verzeihen Sie, es ist nicht so bös gemeint, ich will mich nur radikal aussprechen, damit wir uns besser verständigen. Sie müssen natürlich alles mit dem bekannten grano salis nehmen, aber wenn ich mich zu kompromißlerisch ausdrücke, dann werden wir uns eigentlich weniger verstehen, also gestatten Sie, daß ich mich radikal über die Dinge ausspreche. Im menschlichen Organismus ist es für eine übersinnliche Betrachtung so, daß, wenn wir auf irgendeine Funktion, die wir sinnenfällig-empirisch nachweisen können, hinschauen, diese von einem höheren Gesichtspunkte aus das sinnliche Abbild eines Geistigen ist. Der ganze menschliche Organismus ist das sinnliche Abbild eines Geistigen. Aber so einfach, wie man es sich in bezug auf das Sinnes-Nervensystem vorstellt, ist die Wechselwirkung des Geistig-Seelischen und des Physisch-Organischen im menschlichen Organismus wahrhaftig nicht. Sondern da liegt das zugrunde, daß, wenn man nur auf die physische Organisation des Menschen schaut, die Sache eben nicht so ist, wie man so gerne annehmen möchte, daß gewissermaßen die physische Organisation mit Ausnahme des Nervensystems und der Sinne ein Ganzes bildet, und in diese Struktur nun das Nervensystem eingelagert ist, um abgesondert nun zu dienen für das Seelische. Es ist natürlich nicht in dieser Radikalität vorgestellt, aber wenn man dann dasjenige, was man physiologisch als Theorie hat, der praktischen Betrachtung zugrunde legt, so kommt es etwa schon auf das hinaus. Daher besteht so wenig Möglichkeit, über dasjenige heute ein vernünftiges Urteil zu fällen, was man oft funktionelle Krankheiten, Nervenstörungen und so weiter nennt. Im menschlichen Organismus ist eben nichts, was nicht zum ganzen Organismus gehört und in Wechselwirkung steht mit anderen Organen. Es ist nicht ein abgesondertes Nervensystem deshalb da, damit der Organismus sich sonst versorgt, und ihm eingelagert ist — ich weiß nicht durch welche Gottheit — das Nervensystem, damit er eine Seele sein kann. Suchen Sie sich die Belege, Sie können sie im Handumdrehen finden! In erster Linie, primär ist das Nervensystem dasjenige, wovon die gestaltenden, die gestern genannten Rundungskräfte des menschlichen Organismus ausgehen. Die Form Ihrer Nase, die Form Ihres ganzen Organismus ist im Grunde genommen vom Nervensystem aus gestaltet. Das Nierensystem strahlt die Kräfte des Stoffes radial aus, und das Nervensystem ist da, um dem Organismus innerlich und äußerlich seine Formen zu geben, hat zunächst überhaupt nichts mit dem Seelischen zu tun, ist der Gestalter, der Former des menschlichen Organismus innerlich und äußerlich; es ist der Plastiker. Und schon in frühen Stadien der menschlichen individuellen Entwickelung sondert sich gewissermaßen ein besonderer Teil der Nerventätigkeit ab, den der Organismus nicht für sich verwendet zur Gestaltung, und an den paßt sich das Seelische an — das ist sekundär — und paßt sich immer mehr und mehr an. Und wenn man, ich möchte sagen, dieses Herausreißen eines Stückes Nervenprozesses in den ersten.kindlichen Jahren bemerkt und die Anpassung des seelischen Lebens an diese Gestaltungsprinzipien, dann hat man eigentlich erst den wirklichen empirischen Tatbestand. Es ist wirklich keine Rede davon, daß das Nervensystem durch irgendein Konzil der Götter in den Organismus des Menschen eingegliedert zu werden brauchte und dem Willen-, Gefühls- und dem Gedankenleben zugrunde zu liegen hat. Es ist gar keine Rede davon. Sondern das Sinnes-Nervenleben wird geboren mit einer Art Hypertrophie, davon wird etwas erspart, und an dieses Ersparte paßt sich dann die seelische Tätigkeit an, während das Primäre im Nerven-Sinnessystem das Gestaltende ist. Alle Organe sind aus dem Nerven-Sinnessystem heraus gestaltet. Beginnen Sie, wenn Sie sich dieses empirisch verifizieren wollen, zunächst mit den Sinnen, die in der Haut lokalisiert sind, über die ganze Haut hin ausgebreitet sind, mit dem Wärmesinn, mit dem Tastsinn, und versuchen Sie einmal zu sehen, wie durch diese Sinne die gesamte Formung des menschlichen Organismus plastisch ausgebildet wird, während durch andere Sinne spezielle Organe ausgestaltet werden in ihrer Form. Sogar daß wir sehen, beruht darauf, daß von der Gestaltungskraft, die ursprünglich von dem Sehtrakt ausgeht für die Bildung der Gehirnorgane, etwas übrig bleibt, dem sich dann dasjenige, was wir in der Sehkraft seelisch entwickeln, anpaßt.“ (Lit.: GA 314, S. 145ff)

Nerven und Bewusstsein

"Das Empfindungsleben eines einfachen Wesens ist also ein Abdruck des Kosmos, wie der Kristall ein Abdruck seiner Form ist. Mit einem dumpfen Bewußtsein hat man es in solch einfachem Lebewesen zu tun. Aber was dieses Bewußtsein an größerer Dumpfheit hat, das ist auf der anderen Seite ausgeglichen durch den größeren Umfang. Der ganze Kosmos leuchtet in dem dumpfen Bewußtsein, im Innern des Lebenswesens auf. Nun ist aber im Menschen auch nichts anderes vorhanden als eine kompliziertere Ausbildung derjenigen drei Leiber, die in dem einfachsten empfindenden Lebewesen sich finden. Nehmen Sie den Menschen und sehen Sie ab von seinem Blute, nehmen Sie ihn als ein Wesen, das geformt ist von der Substanz der es umgebenden physischen Welt, das ebenso wie die Pflanze Säfte in sich enthält, die es zu lebendiger Substanz aufruft, und in die es sich ein Nervensystem eingliedert. Dieses erste Nervensystem ist das sogenannte sympathische. Das sympathische Nervensystem im Menschen dehnt sich zu beiden Seiten längs des Rückgrats aus, hat auf jeder Seite eine Reihe von Knoten, verzweigt und verästelt sich und schickt seine Fäden zu den verschiedenen Organen: Lunge, Verdauungswerkzeuge und so weiter. Es ist durch Seitenstränge mit dem Rückenmark verbunden.

Zunächst bedeutet dieses sympathische Nervensystem das Empfindungsleben, das Ihnen eben geschildert worden ist. Der Mensch kann aber mit seinem Bewußtsein nicht hinunterreichen zu dem, was durch diese Nerven von den Weltvorgängen abgespiegelt wird. Diese Nerven sind Ausdrucksmittel. Und so, wie das Menschenleben aufgebaut ist aus der umliegenden kosmischen Welt, so spiegelt sich wider in dem sympathischen Nervensystem diese kosmische Welt. Diese Nerven leben ein dumpfes Innenleben. Könnte der Mensch untertauchen in dieses sympathische Nervensystem, so würde er, wenn er sein oberes Nervensystem einschläferte, wie in einem Lichtleben die großen Gesetze des Kosmos walten und wirken sehen. Es gab beim Menschen der Vorzeit ein heute überwundenes Hellsehen, welches man erkennen kann, wenn durch besondere Vorgänge die Tätigkeit des höheren Nervensystems ausgeschaltet und dadurch das untere Bewußtsein freigemacht wird. Dann lebt der Mensch in dem Nervensystem, das zum Spiegel für die Welt um ihn herum wird, in einer eigenartigen Weise. Gewisse niedere Tiere haben sich diese Stufe des Bewußtseins allerdings erhalten und bewahren sie noch heute. Es ist also ein dumpfes, dämmerhaftes Bewußtsein, aber es ist wesentlich umfassender als das gegenwärtige Menschenbewußtsein. Es spiegelt als dumpfes Innenleben eine weiterreichende Welt, nicht bloß den kleinen Ausschnitt, den der heutige Mensch wahrnimmt.

Für den Menschen tritt aber etwas anderes ein. Hat im Laufe der Entwicklung bis zum sympathischen Nervensystem der Kosmos ein Spiegelbild gefunden, so öffnet sich auf dieser Stufe der Entwicklung das Wesen wieder nach außen: dem sympathischen System gliedert sich das Rückenmark ein. Das Rückenmark- und Gehirnsystem führt dann hin zu den Organen, die mit der Außenwelt die Verbindung herstellen. Wenn im Menschen die Bildung so weit ist, dann ist er nicht mehr berufen, bloß die ursprünglichen Bildungsgesetze des Kosmos in sich spiegeln zu lassen, sondern es tritt das Spiegelbild selbst in ein Verhältnis zur Umgebung. Wenn das sympathische Nervensystem sich zusammengegliedert hat mit den höheren Teilen des Nervensystems, so ist dies ein Ausdruck der vor sich gegangenen Umwandlung des Astralleibes. Dieser lebt dann nicht mehr bloß das kosmische Leben im dumpfen Bewußtsein mit, sondern er fügt sein besonderes Innenleben zu diesem hinzu. Durch das sympathische Nervensystem empfindet ein Wesen, was außer ihm vorgeht, durch das höhere Nervensystem dasjenige, was in ihm vorgeht. Und durch die höchste Form des Nervensystems, die gegenwärtig in der allgemeinen Menschheitsentwicklung zum Vorschein kommt, wird aus dem höher gegliederten Astralleib wieder das Material entnommen, um Bilder der Außenwelt, Vorstellungen, zu schaffen. Der Mensch hat also die Fähigkeit verloren, die ursprünglichen dumpfen Bilder der Außenwelt zu erleben; er empfindet sein Innenleben und baut sich aus diesem seinem Innenleben auf höherer Stufe eine neue Bilderwelt auf, die ihm zwar ein kleineres Stück der Außenwelt spiegelt, aber in hellerer, vollkommenerer Art." (Lit.: GA 55, S. 53ff)

Motorische und sensorische Nerven

Entschieden lehnte Rudolf Steiner das etwa von Emil Du Bois-Reymond vertretene „Telegraphen-Modell“ ab, wonach die Körperbewegung zentral vom Gehirn aus durch die Nerven gesteuert würden - eine Ansicht, die auch heute noch in modifizierter Form ein fundamentales Dogma der Neurowissenschaften bildet. Du Bois-Reymond beschrieb dieses Modell in einer 1851 gehaltenen Rede «Über thierische Bewegung»[2] sehr anschaulich wie folgt:

„Denn wie die Zentralstation der elektrischen Telegraphen im Postgebäude in der Königsstraße durch das riesenhafte Spinngewebe ihrer Kupferdrähte mit den äußersten Grenzen der Monarchie im Verkehr steht, so empfangt auch die Seele in ihrem Bureau, dem Gehirn, durch ihre Telegraphendrähte, die Nerven, unaufhörlich Depeschen von allen Grenzen ihres Reiches, des Körpers, und teilt nach allen Richtungen Befehle an ihre Beamten, die Muskeln, aus.“

Emil Du Bois-Reymond: Über thierische Bewegung (1851)

Demgegenüber hat Rudolf Steiner vielfach darauf hingewiesen, dass kein prinzipieller Unterschied zwischen den sog. sensorischen und den motorischen Nerven (auch Motoneurone genannt) besteht. Durch vergleichende Untersuchungen zeigte auch wenig später der Physiologe Edgar Douglas Adrian (1889-1977), der 1932 gemeinsam mit mit Charles Scott Sherrington den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielt, dass sich die grundlegende Nervenfunktion von sensorischen und motorischen Nerven nicht unterscheidet.

Nach Rudolf Steiner sind in Wahrheit alle Nerven sensorisch und würden keinesfalls „Befehle“ an die Muskeln austeilen.

„Eine andere greuliche Vorstellung lebt in unserer offiziellen, das heißt überall autoritativ geglaubten Wissenschaft. Diese Wissenschaft nimmt teil an der götzendienerischen Anbetung alles dessen, was als so hohe Kultur in der neueren Zeit heraufgezogen ist. Wie sollte nicht, wenn sie etwas besonders geheimnisvoll ausdrücken will, diese moderne Wissenschaft ihre Zuflucht zu dem nehmen, was sie jeweilig am meisten anbetet. Nun also, so ist ihr das Nervensystem geworden zu einer Summe von Telegraphenlinien, so ist ihr geworden die ganze Nerventätigkeit des Menschen zu einem merkwürdig komplizierten Telegraphenfunktionieren. Das Auge nimmt wahr, die Haut nimmt mit wahr. Da wird zu der Telegraphenstation Gehirn durch sensitive Nerven das hingeleitet, was von außen her wahrgenommen wird. Dann sitzt dort im Gehirn ein, ich weiß nicht was für ein Wesen - ein geistiges Wesen leugnet die neuere Wissenschaft ja ab -, durch ein Wesen also, das zur Phrase geworden ist, weil man nichts Wirkliches darin erblickt, wird das von den «sensitiven» Nerven Wahrgenommene umgesetzt durch die «motorischen» Nerven in Willensbewegungen. Und eingebleut wird dem jungen Menschen der Unterschied zwischen sensitiven Nerven und motorischen Nerven, und aufgebaut wird auf diesen Unterschied die ganze Anschauung über den Menschen.

Seit Jahren kämpfe ich gegen dieses Unding der Trennung zwischen sensitiven und motorischen Nerven, erstens, weil dieser Unterschied ein Unding ist, weil die sogenannten motorischen Nerven zu nichts anderem da sind als zu dem, wozu die sensitiven Nerven auch da sind. Ein sensitiver Nerv, ein Sinnesnerv, ist dazu da, daß er uns Werkzeug ist, um das wahrzunehmen, was in unserer Sinnesorganisation vorgeht. Und ein sogenannter motorischer Nerv ist kein motorischer Nerv, sondern auch ein sensitiver Nerv; er ist nur dazu da, daß ich meine eigene Handbewegung, daß ich meine Eigenbewegungen, die aus anderen Gründen heraus kommen als aus den motorischen Nerven, wahrnehmen kann. Motorische Nerven sind innere Sinnesnerven zur Wahrnehmung meiner eigenen Willensentschlüsse. Damit ich das Äußere, was sich in meinem Sinnesapparat abspielt, wahrnehme, dazu sind die sensitiven Nerven da, und damit ich mir nicht ein unbekanntes Wesen bleibe, indem ich selber gehe, schlage oder greife, ohne daß ich etwas davon weiß, dazu sind die sogenannten motorischen Nerven da, also nicht zur Anspannung des Willens, sondern zur Wahrnehmung dessen, was der Wille in uns tut. Das Ganze, was aus der neueren Wissenschaft geprägt worden ist aus dem vertrackten Verstandeswissen unserer Zeit heraus, ist ein wirklich wissenschaftliches Unding. Das ist der eine Grund, warum ich seit Jahren dieses Unding bekämpfe.“ (Lit.: GA 192, S. 154f)

Grundsätzlich bestätigt das etwa auch der international angesehene Anatom Johannes W. Rohen. Er betont dabei den mit Denken (bzw. Vorstellen), Fühlen und Wollen zusammenhängenden dreigliedrigen Aufbau des menschlichen Organismus und betont, dass die Willensbetätigung unmittelbar mit dem Stoffwechsel zusammenhängt. Allerdings geht Rohen - im entscheidenden Gegensatz zu Rudolf Steiner - von einer „Steuerung“ der Muskelbewegungen durch das Nervensystem aus.

„Die efferenten Nerven (Motoneurone), die über die motorischen Endplatten direkt mit der Muskelmembran verbunden sind, können durch Überträgerstoffe (Acetylcholin usw.) den Natrium-Einstrom und damit die intrazelluläre «Überschwemmung» mit Ca-Ionen und nachfolgend die Kontraktion auslösen, sind damit aber nicht die Ursache der Bewegung. Diese ist vielmehr eine von den Stoffwechselvorgängen innerhalb der Muskelzellen abhängige, eigenständige Leistung, die vom Nervensystem geregelt und mit den Aktivitäten des gesamten Bewegungssystems harmonisierend in Einklang gebracht werden muss. Wenn z.B. eine Muskelgruppe sich kontrahiert, muss eine andere dilatiert werden, wenn es nicht zu Verkrampfungen oder Bewegungsstörungen kommen soll. Das Nervensystem hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe, den Fluss der Bewegungsenergien zu steuern und zu harmonisieren, gewissermaßen Ordnung in das System zu bringen, ähnlich wie beim Straßenverkehr die Signallampen die Bewegungen der Verkehrsteilnehmer auslösen, aber natürlich nicht verursachen. Die Ursache der Bewegungen ist der Wille der Verkehrsteilnehmer, ein bestimmtes Ziel zu erreichen; die Verkehrsregeln und Signale dienen lediglich der Ordnung und Strukturierung des Gesamtgeschehens.

Entsprechend ... muss man daher den der Bewegung zugrunde liegenden Stoffwechselprozess als den eigentlichen Willensprozess, den von den «motorischen» (efferenten) Motoneuronen ausgelösten Vorgang jedoch als einen originär nervösen, d.h. informativen Prozess, ansehen. Mithilfe der efferenten, direkt mit der Muskulatur verbundenen Nerven können wir unsere Bewegungsvorstellungen in relativ großem Umfang willkürlich verwirklichen, nicht jedoch die Bewegung selbst ausführen. Natürlich ist der Muskel gelähmt, wenn der Nerv durchtrennt oder geschädigt wird, aber Bewegungsstörungen oder Lähmungen können auch auftreten, wenn die Stoffwechselprozesse innerhalb der Muskelzellen Funktionsstörungen aufweisen.

Zwischen der «Willensseite» und der nervalen oder «Vorstellungsseite» des Bewegungsgeschehens ist als drittes, harmonisierendes und ausgleichendes Element das Gefäßsystem, d.h. das rhythmische System (Atmung und Kreislauf) eingeschaltet, wodurch seelisch das Fühlen mit ins Spiel kommt. Jede Bewegung enthält daher nicht nur eine informative oder Vorstellungskomponente (Bewegungsbild) und ein Willenselement (Kraft- und Energieeinsatz), sondern auch eine Gefühlskomponente, durch die die Bewegung erst im eigentlichen Sinne menschlich wird.“ (Lit.: Rohen 2016, S. 245f.)

Rohens Darstellung ist zwar mit dem gegenwärtig in den akademischen Wissenschaften vertretenen Menschenbild kompatibel, steht aber im wesentlichsten und für die Anthroposophie entscheidensten Punkt in direkter Opposition zu Rudolf Steiner. Gerhard Kienle, der zunächst ähnliche Ansichten wie Rohen vertreten hatte, sagte dazu gegen Ende seines Lebens selbstktitisch:

„Inwieweit betreiben wir denn selbst Opposition gegen Rudolf Steiner? Diese Äußerungen Rudolf Steiners liegen jedem, der sich damit befaßt, schwer auf der Seele. Es gibt noch viele Rätsel, die gelöst werden müssen. Es heißt doch, daß man sich prüfen muß, ob nicht alles, was man selbst gemacht hat, vom Grundsatz her falsch ist. Diese Seelenprüfung rüttelt an den Grundfesten unseres Selbstbewußtseins. Wie kann man das Infragestellen aller eigenen Leistungen ohne Resignation ertragen? Rudolf Steiner verlangt, daß man die Erkenntnislage der naturwissenschaftlichen Medizin durchschaut, die Irrtümer aufdeckt und neue Konzepte entwickelt. Es müssen die anthropologischen und anthroposophischen Bilder des Menschen entsprechend dem Buch Von Seelenrätseln einander nähergebracht werden. Diese Leistungen zu erbringen, übersteigt den Rahmen unserer Persönlichkeit, man müßte ja Galilei, Paracelsus, Helmholtz und Virchow in einer Person sein! Aber genau dies - und noch mehr - erwartet Rudolf Steiner. Wer die Verhältnisse nüchtern anblickt, sieht sich in einer Zerreißprobe. Lebt man das aus, was man als die gewordene Persönlichkeit eben kann, dann gerät man in Opposition zu Rudolf Steiner, folgt man ihm, muß man über sich hinauswachsen - aber wie? Anthroposophisch-medizinische Forschung und das richtige Vertreten in der Öffentlichkeit gelingt uns doch wohl nur, soweit wir unter Aufbietung aller Anstrengungen die Grenzen unserer Persönlichkeit durchbrechen und den Verhältnissen etwas abringen, was eigentlich nicht geht.“

Gerhard Kienle: Anthroposophisch-medizinische Forschung und Öffentlichkeit (1982)[3]

Auch Peter Wyssling kritisiert in seinem Buch Rudolf Steiners Kampf gegen die motorischen Nerven Rohens Darstellung scharf:

„Der ganze Informations-Zauber der unvollständig „reduzierten“ Physiologie mit ihren neurokognitiven Neuronen muss herhalten - damit Rohen seine Weisheit der Unterscheidung von „Energieumsatz“ und „Steuerung“ als Anthroposophie verkaufen kann. Das zentrale Merkmal der Polemik Steiners, die Abrogation der auslösenden Nervenfunktion, wird von niemand Geringerem als dem Verfasser des Buches „Goetheanistische Gestaltlehre des Menschen“ ad absurdum geführt. Rohen operiert mit der Argumentation, dass Wille und Vorstellen deshalb zu unterscheiden sind, weil die Muskel-Energie ja nicht aus den motorischen Nerven stammen könne. Das hat zwar bis jetzt niemand behauptet, leuchtet aber einer unkritischen Leserschaft sofort ein - man denkt automatisch, dass die Wissenschaft diese Meinung vertrete. Das Problem wird aber damit auf ein Niveau verlagert, worüber die Berufskollegen Rohens wohl nur den Kopf schütteln könnten. Zwischen Leonardo da Vinci und Gerhard Kienle kam bis jetzt niemand auf den Gedanken, dass die motorischen Nerven die „Tankstelle“ der Muskeln sein könnten. Rohen arbeitet gegen Windmühlenflügel, um das Abc der zweierlei Nervensorten nicht preisgeben zu müssen.“ (Lit.: Wyssling, S. 258)

Rudolf Steiner selbst hat jedenfalls einen Kompromiss mit der allgemein populären Meinung und mit der materialistischen Wissenschaft, die ihre Grundlage bildet, dezidiert ausgeschlossen:

„Und immer wieder und wieder ist mir die Sehnsucht entgegengetreten, das, was heute aus der Wirklichkeit des Geistes heraus scharf geprägt werden muß, weil die Zeit es fordert, zur trivialen Phrase populär zuzurichten, damit die Menschen es doch verstehen können. Doch in dem Augenblick, wo man anthroposophische Wahrheiten zu trivialen Phrasen zuschneiden würde, da würden sie zu dem, was in der heutigen Zeit so billig ist: sie würden zur Phrase werden, würden zur Phrase werden, indem man sie zur Trivialität der Gasse oder zur Philistrosität der heutigen Wissenschaft herunterwürdigte. Immer wieder bin ich ermahnt worden, beides zu tun. Immer wieder hatte ich die Mühe, beides nicht zu tun, weder zur trivialen Phrase der Gasse das Anthroposophische herunterzudrücken - was man im heutigen Sinne popularisieren nennt -, noch auch konnte ich den andern Mahnungen folgen, für die wissenschaftlichen Leute so zu reden, daß sie es verstehen. Diese Ermahnungen kamen ja vielfach an mich heran. Nun, dann hätte ich so reden müssen, daß es ein Echo gefunden hätte bei dem wissenschaftlichen Unsinn der Gegenwart.“ (Lit.: GA 192, S. 158f)

Die Lemniskate als gestaltende Grundform des Nervensystems

Die gestaltende Grundform des Nervensystems, insbesondere des Reflexbogens, die auch die Gestalt des ganzen Organismus bestimmt (→ Nervensystem und Gestaltbildung), ist die Lemniskate.

„... ich rate Ihnen, versuchen Sie einmal - wie gesagt, hier sollen ja zunächst nur Anregungen gegeben werden, und es sollte durchaus sehr emsig wissenschaftlich nach dieser Richtung gearbeitet werden -, versuchen Sie einmal, Untersuchungen darüber anzustellen, welche Kurve entsteht, wenn Sie die mittlere Linie der linken Rippe zeichnen, über den Anschluß der Rippe hinausgehen in den Rückenwirbel, da sich drehen und wiederum zurückgehen (Fig. 11). Bringen Sie in Anschlag, daß der Wirbel eine wesentlich andere innere Struktur aufweist als die Rippen, und bringen Sie in Anschlag, daß das bedeutet, daß bei diesem Beschreiben der Linie Rippe-Wirbel-Rippe, natürlich nicht nur quantitativ, sondern qualitativ, innere Wachstumsverhältnisse in Betracht kommen, dann werden Sie die Morphologie dieses ganzen Systems verstehen durch die Lemniskate, durch die Schleifenbildung. Sie werden, je mehr Sie hinaufgehen zur Kopforganisation, notwendig haben, starke Modifikationen dieser Lemniskate vorzunehmen. Es wird ein gewisser Punkt eintreten, wo Sie genötigt sind, dasjenige, was ja schon vorbereitet ist in der Bildung des Brustbeines, das Zusammengehen der beiden Bögen hier (Fig. 11),

Zeichnung aus GA 323, S. 211 (Fig. 11)
Zeichnung aus GA 323, S. 211 (Fig. 11)

sich eigentlich als verwandelt zu denken, aber Sie bekommen eine Metamorphose, eine Modifikation dieser Lemniskatenbüdung, wenn Sie zum Haupte hinaufgehen. Und Sie bekommen, wenn Sie gewissermaßen studieren die gesamte menschliche Figur in dem Gegensatz von Sinnes-Nervenorganisation und Stoffwechsel-Organisation, eine nach unten auseinandergehende und nach oben sich schließende Lemniskate. Sie bekommen auch Lemniskaten, nur sind die Lemniskaten eben sehr modifiziert, die eine Hälfte durch die eine Schleife ist außerordentlich klein, wenn Sie den Weg verfolgen, der genommen wird von Zentripetalnerven durch das Zentrum zum Ende der Zentrifugalnerven. Sie bekommen überall eingeschrieben, wenn Sie die Dinge sachgemäß verfolgen, gerade in die menschliche Natur in einer gewissen Weise diese Lemniskate.

Und wenn Sie dann beim Tiere die tierische Organisation im ausgesprochen horizontalen Rückgrat nehmen, so werden Sie finden, daß diese tierische Organisation sich von der menschlichen Organisation dadurch unterscheidet, daß diese Lemniskaten, diese nach unten offenen Lemniskaten oder auch etwas geschlossenen Lemniskaten, beim Tier wesentlich weniger Modifikationen aufweisen als beim Menschen, namentlich aber auch, daß die Ebenen dieser Lemniskaten beim Tier immer parallel sind, während sie beim Menschen schiefe Winkel miteinander einschließen.

Hier liegt ein ungeheures Arbeitsfeld, ein Arbeitsfeld, welches uns daraufhinweist, das morphologische Element immer weiter und weiter auszubauen.“ (Lit.: GA 323, S. 210ff)

Die Nervenunterbrechungen bilden die Grenze zwischen physischem und geistigem Erleben

„Auf eine Vorstellung habe ich öfters hingewiesen, öffentlich nun auch in meinem Buch «Von Seelenrätseln»: Es ist eine gangbare naturwissenschaftliche Vorstellung heute, daß man im Nervensystem - bleiben wir zunächst beim Menschen, aber in ähnlicher Weise, nur in ähnlicher Weise ist das auch beim Tiere gültig -, daß man im Nervensystem unterscheidet zwischen sogenannten sensitiven Nerven, Sinnesnerven, Wahrnehmungsnerven und motorischen Nerven. Schematisch kann das nur so dargestellt werden, daß zum Beispiel irgendein Nerv, sagen wir ein Tastnerv, die Tastempfindung hineinträgt bis zum Zentralorgan, sagen wir bis zum Rückenmark (gelb), da mündet dasjenige, was da aus der Peripherie des Leibes geleitet wird, in einem Horn des Rückenmarks. Und dann geht von einem andern Horn, Vorderhorn, der sogenannte motorische Nerv aus, da wird wiederum weitergeleitet der Willensimpuls (siehe Zeichnung S. 12).

Zeichnung aus GA 179, S. 12
Zeichnung aus GA 179, S. 12

Beim Gehirn ist das nur komplizierter dargestellt, so etwa, wie wenn die Nerven eine Art Telegraphendrähte wären. Der Sinneseindruck, der Hauteindruck wird bis zum Zentralorgan geleitet, dort wird gewissermaßen der Befehl erteilt, daß eine Bewegung ausgeführt werden soll. Eine Fliege setzt sich irgendwo auf einen Körperteil, das macht einen Eindruck, das wird geleitet bis zum Zentralorgan; dort wird der Befehl gegeben, die Hand bis zu der Stirne zu erheben und die Fliege wird weggejagt. Es ist eine, schematisch angedeutet, sehr gangbare Vorstellung. Künftigen Zeiten wird diese Vorstellung außerordentlich komisch erscheinen, denn sie ist ja nur komisch für denjenigen, der die Tatsache durchschaut. Aber es ist eine Vorstellung, von der heute ein großer Teil der fachmännischen und fachmännischesten Wissenschaft beherrscht ist. Sie können das nächstbeste Elementarbuch, das Sie über solche Dinge unterrichtet, aufschlagen, und Sie werden finden, man habe zu unterscheiden zwischen Sinneswahrnehmungsnerven und motorischen Nerven. Und man wird besonders das urkomische Bild von den Telegraphenleitungen - wie der Eindruck bis zum Zentralorgan geleitet und dort der Befehl gegeben wird, daß die Bewegung entstehe - gerade in populären Werken heute noch immer sehr verbreitet finden können.

Die Wirklichkeit ist allerdings schwieriger zu durchschauen, als die an die primitivsten Vorstellungen erinnernden Vergleichsvorstellungen von den Telegraphendrähten. Die Wirklichkeit kann nur durchschaut werden, wenn sie eben mit Geisteswissenschaft durchschaut wird. Daß ein Willensimpuls erfolgt, hat mit einem solchen Vorgange, den man in kindischer Weise so ausdrückt, als ob da irgendwo in einem materiellen Zentralorgan ein Befehl erteilt würde, wirklich gar nichts zu tun. Die Nerven sind nur da, um einer einheitlichen Funktion zu dienen, sowohl diejenigen Nerven, die man heute sensitive Nerven nennt, wie auch diejenigen, die man motorische Nerven nennt. Und ob nun im Rückenmark oder im Gehirn der Nervenstrang durchbrochen ist, beides weist auf dasselbe hin; im Gehirn ist er nur in komplizierterer Weise durchbrochen.

Diese Durchbrechung ist nicht deshalb da, damit durch die eine Hälfte, wenn ich so sagen darf, von der Außenwelt etwas zum Zentralorgan geleitet wird und dann, nachdem sie vom Zentralorgan durch die andere Hälfte in einen Willen umgewandelt worden ist, weitergeleitet würde. Diese Unterbrechung ist aus einem ganz andern Grunde da. Daß unser Nervensystem so gebaut und in dieser regelmäßigen Weise durchbrochen ist, hat seinen Grund darin: An der Stelle, wo unsere Nerven durchbrochen sind, da liegt im Abbilde im Menschen - allerdings nur im körperlichen Abbilde einer komplizierten geistigen Wirklichkeit — die Grenze zwischen physischem und geistigem Erfahren, physischem und geistigem Erleben. Sie ist allerdings im Menschen auf eine merkwürdige Weise enthalten. Sie ist so enthalten, daß der Mensch mit der ihm zunächstliegenden physischen Welt in eine solche Beziehung tritt, daß mit dieser Beziehung der Teil des Nervenstranges, der bis zu jener Unterbrechung geht, etwas zu tun hat. Aber der Mensch muß auch als seelisches Wesen eine Beziehung haben zu seinem eigenen physischen Leib. Diese Beziehung, die er zu seinem eigenen physischen Leib hat, ist durch den andern Teil vermittelt. Wenn ich eine Hand bewege, dadurch veranlaßt, daß ein äußerer Sinneseindruck auf mich gemacht worden ist, dann liegt der Impuls, daß diese Hand bewegt wird, vereinigt von der Seele mit dem Sinneseindruck, schematisch dargestellt, schon bereits hier (siehe Zeichnung, a). Und dasjenige, was geleitet wird, wird auf den ganzen sensitiven Nerven und den sogenannten motorischen Nerven entlang geleitet von a bis zu b. Das ist nicht so, daß der Sinneseindruck erst bis zu c geht und dann von da aus einen Befehl gibt, damit b dazu veranlaßt werde - nein, wenn ein Willensimpuls stattfindet, lebt das Seelische schon befruchtet bei a und geht durch den ganzen unterbrochenen Nervenweg durch.

Es ist keine Rede davon, daß solche kindischen Vorstellungen, als ob die Seele da irgendwo säße zwischen den sensitiven und motorischen Nerven und wie ein Telegraphist die Eindrücke der Außenwelt empfangen und dann Befehle aussenden würde, es ist keine Rede davon, daß diese kindischen Vorstellungen irgendeiner auch wie immer gearteten Wirklichkeit entsprechen würden. Diese kindische Vorstellung, die wir immer hören, nimmt sich recht sonderbar komisch aus neben der Forderung, man soll ja in der Naturwissenschaft nicht anthropomorphistisch sein! Da fordern nun die Leute, man solle ja nicht anthropomorphistisch sein und merken nicht, wie anthropomorphistisch sie sind, wenn sie Worte gebrauchen wie: Ein Eindruck wird empfangen, ein Befehl wird ausgegeben und so weiter. - Sie reden darauf los, ohne auch nur eine Ahnung davon zu haben, was sie alles für mythologische Wesen - wenn sie die Worte ernst nehmen würden - hineinträumen in den menschlichen Organismus.

Nun entsteht aber die Frage: Warum ist der Nervenstrang unterbrochen? — Er ist unterbrochen aus dem Grunde, weil wir, wenn er nicht unterbrochen wäre, nicht eingeschaltet wären in den ganzen Vorgang. Nur dadurch, daß gewissermaßen der Impuls an der Unterbrechungsstelle überspringt - der gleiche Impuls, wenn es ein Willensimpuls ist, geht schon von a aus -, dadurch sind wir selbst drinnen in der Welt, dadurch sind wir bei diesem Impuls dabei. Würde er einheitlich sein, würde hier nicht eine Unterbrechung sein, so wäre das ganze ein Naturvorgang, ohne daß wir dabei wären.

Stellen Sie sich denselben Vorgang, den Sie bei einer sogenannten Reflexbewegung haben, vor: Eine Fliege setzt sich Ihnen irgendwo hin, der ganze Vorgang kommt Ihnen gar nicht voll zum Bewußtsein, aber Sie wehren die Fliege ab. Dieser ganze Vorgang hat sein Analogen, sein ganz gerechtfertigtes Analogen auf physikalischem Gebiete. Insofern dieser Vorgang physikalische Erklärung herausfordert, muß diese Erklärung nur etwas komplizierter sein als ein anderer physikalischer Vorgang. Nehmen Sie an, Sie haben hier einen Kautschukball, Sie stoßen hinein, Sie deformieren den Kautschukball: das geht wieder heraus, richtet sich wieder her. Sie stoßen nochmals hinein; er stößt wieder heraus. Das ist der einfache physikalische Vorgang: eine Reflexbewegung.

Zeichnung aus GA 179, S. 15
Zeichnung aus GA 179, S. 15

Nur ist kein Wahrnehmungsorgan eingeschaltet, nichts Geistiges ist eingeschaltet. Schalten Sie hier etwas Geistiges ein (innerer Kreis) und unterbrechen Sie hier (Zentrum), dann fühlt sich die Kautschukkugel als ein Eigenwesen. Die Kautschukkugel müßte dann allerdings, um sowohl die Welt wie sich zu empfinden, ein Nervensystem einschalten. Aber das Nervensystem ist immer da, um die Welt in sich zu empfinden, niemals irgendwie da, um auf der einen Seite des Drahtes eine Sensation zu leiten und auf der andern Seite des Drahtes einen motorischen Impuls zu leiten.

Ich deute dieses an aus dem Grunde, weil dies, wenn es weiter verfolgt wird, auf einen der zahlreichen Punkte hinführt, wo Naturwissenschaft korrigiert werden muß, wenn sie zu Vorstellungen führen soll, die einigermaßen der Wirklichkeit gewachsen sind. Die Vorstellungen, die heute herrschen, sind eben weiter nichts als solche Vorstellungen, die den Impulsen der Geister der Finsternis dienen. Im Menschen selber ist die Grenze zwischen dem physischen Erleben und dem geistigen Erleben.

Dieses Stück des Nervs, das ich rot bezeichnet habe, dient im wesentlichen dazu, um uns hineinzustellen in die physische Welt, um uns Empfindung zu vermitteln innerhalb der physischen Welt. Das andere Stück des Nervs, das ich blau bezeichnet habe, dient im wesentlichen dazu, um uns selbst uns empfinden zu lassen als Leib. Und es ist kein wesentlicher Unterschied, ob wir eine Farbe außen bewußt erleben durch den Strang a-c, oder ob wir innerlich ein Organ oder eine Organlage oder dergleichen erleben durch den Strang d-b; das ist im wesentlichen dasselbe. Das eine Mal erleben wir ein Physisches, das nicht in uns zu sein scheint, das andere Mal erleben wir ein Physisches, das in uns ist, das heißt innerhalb unserer Haut. Dadurch aber sind wir eingeschaltet, daß wir bei einem Willensvorgang alles das erleben können, was nicht nur außen ist, sondern auch was innerlich an uns ist. Aber die Stärke der Wahrnehmung ist verschieden vermittelt durch den Strang a-c und durch den Strang d-b. Dasjenige, was eintritt, ist allerdings eine wesentliche Abschwächung der Intensität. Wenn wir eine Vorstellung mit einem Willensimpuls zusammen formen in a, so wird dieser Impuls von a aus weitergeleitet. Indem er von c auf d überspringt, schwächt sich das Ganze so ab für unser Bewußtsein, für unser bewußtes Erleben, daß wir das weitere, was wir nun in uns erleben, die Hebung der Hand und so weiter, nur mit der geringen Intensität des Bewußtseins erleben, die wir sonst auch im Schlafe haben. Wir sehen das Wollen erst wiederum, wenn die Hand sich bewegt, wenn wir wieder von einer andern Seite her eine Sensation haben.“ (Lit.: GA 179, S. 11ff)

„Würde man im Menschen alle diejenigen Stellen sammeln, wo Nervenunterbrechungen sind, und würde man das aufzeichnen, dann würde man zeichnungsgemäß die Grenze bekommen zwischen dem Erleben in der physischen Welt und dem Erleben aus einer höheren Welt heraus. Daher kann ich auch folgendes Schema gebrauchen. Nehmen Sie einmal an - ich zeichne hier alle Nervenunterbrechungen schematisch auf -, nehmen Sie an, da wäre der Kopf und da wäre ein Bein.

Zeichnung aus GA 179, S. 17
Zeichnung aus GA 179, S. 17

Nun nehmen wir an, von hier aus ginge ein sogenannter Eindruck, und hier wäre die Nervenunterbrechungsstelle «Gehen» erfolgt. Was real ist, ist dann dieses: hier ist alles dasjenige, was der Mensch durch den Nerv erlebt, wachend bei Tag erlebt; hier ist das, was der Mensch erlebt als einen unterbewußten Willen, auch im Wachen schlafend erlebt. Und alles dasjenige, was nun unter der Nervenunterbrechungsstelle liegt, wird von der geistigen Welt heraus direkt gebildet, geschaffen. Die Vorstellungen werden Ihnen, wenn Sie sie das erste Mal hören, vielleicht etwas schwierig sein. Allein sie sollen in Ihnen auch die Vorstellung hervorrufen, daß man ohne gewisse Schwierigkeiten in die intimeren Dinge der Erkenntnis des Menschen doch nicht hineinkommen kann.

Wenn Sie das so ansehen, daß hier (rot) alles dasjenige ist, was den Menschen mit der physischen Welt verbindet, unter dieser Grenze alles dasjenige, was den Menschen mit einer geistigen Welt verbindet, die nur heute ein untergeordnetes physisches Abbild hat in ihm - wenn Sie dies ins Auge fassen, dann können Sie eine andere Vorstellung damit verbinden. Diese andere Vorstellung, die Sie damit verbinden sollen, ist die folgende: Denken Sie sich einmal die Pflanzenweit. Die Pflanzen wachsen aus der Erde heraus; aber sie würden nicht aus der Erde herauswachsen, wenn sie nicht aus dem Kosmos herein Kräfte empfingen, Kräfte, die mit dem Sonnenleben innig zusammenhängen, welche alles das in Empfang nehmen, was von der Erde heraus gekraftet wird. Lesen Sie, um das besser zu verstehen, noch einmal die Abhandlung über «Das menschliche Leben vom Standpunkte der Geisteswissenschaft». Zum Leben der Pflanzenwelt gehört dieses ganze Kosmische, das von dem Kosmos herein vom Sonnenleben kommt, zusammen mit dem, was von der Erde herauf kommt.

Zeichnung aus GA 179, S. 18
Zeichnung aus GA 179, S. 18

Dieses Zusammenwirken aber des Kosmischen mit demjenigen, was tellurisch, was irdisch ist, das gehört überhaupt zum Leben, zum Dasein innerhalb der physischen Welt, so wie wir sie aufzufassen haben. Und dieselben Kräfte, die unter diesem Strich (siehe Zeichnung) aus der Erde heraus auf die Pflanze wirken, zusammen mit der Samenkraft der Pflanze - der Same wird ja auch in die Erde hineingetan -, diese selbe Masse von Kräften derselben Art, die müssen Sie hier suchen, hier, wo die roten Striche sind. Diesseits der Grenze, die ich schematisch angedeutet habe, müssen Sie meinetwillen die Kräfte suchen, die Sie sonst durch die Wurzeln von der Erde kommend für die Pflanzen suchen.

Der Mensch nimmt durch seine Augen, durch seine Ohren, namentlich durch seine Haut, von der Erde in verfeinerter Art dasjenige auf, was die Pflanze durch ihre Wurzeln aus dem Boden der Erde aufsaugt. Die Pflanze ist ein Erdenwesen durch ihre Wurzeln. Der Mensch ist ein Erdenwesen durch seine Nerven und durch dasjenige, was er als das Irdische, das Tellurische aufnimmt durch seine Lungen, durch seine Nahrung, die er von der Erde hereinbekommt. Alles das, was für die Pflanze von der Erde kommt — nur daß die Pflanze die Wurzeln in die Erde hineinversenkt -, nimmt der Mensch auf durch seine Organe, nur daß er das in verfeinerter Weise aufnimmt, die Pflanze gröber durch die Wurzeln.

Aber die Pflanze nimmt noch andere Kräfte auf. Die Pflanze nimmt die Kräfte auf, welche ihr aus dem Sonnenreiche, aus dem himmlischen Reiche — räumlich-himmlischen Reiche —, aus dem Kosmos zukommen. Dieses Gebiet habe ich blau schraffiert: das sind die Kräfte, welche die Pflanze aus dem Kosmos aufnimmt. Diese Kräfte sind von derselben Art, wie die blau schraffierten Kräfte jenseits der Grenze, die ich angegeben habe. Der Mensch zieht aus seinem Leibe heraus das, was die Pflanze aus dem Kosmos hereinzieht. Von der Erde zieht der Mensch verfeinert diejenigen Kräfte und Substanzen, welche die Pflanze durch ihre Wurzeln vergröbert aus dem Boden zieht. Aus seinem Leibe heraus zieht der Mensch dieselben Kräfte und Substanzen vergröbert, welche die Pflanze verfeinert aus dem Kosmos zieht. Denn so, wie er sie heute aus dem eigenen Leibe herauszieht, so sind sie nicht als Kräfte unmittelbar gegenwärtig im Kosmos vorhanden, sondern sie sind so vorhanden gewesen während der alten Mondenzeit. Von dieser hat sie der Mensch bewahrt. Der Mensch nimmt durch das, was jenseits dieser Grenze im hier gezeichneten blauen Teile enthalten ist, nicht unmittelbar aus der Gegenwart wahr, sondern aus dem, was er durch die Vererbschaft der alten Mondenzeit bewahrt hat. Er hat das Kosmische einer alten Zeit in die Gegenwart hereingetragen. In seinem Leib hat der Mensch die Mondenverhältnisse aufbewahrt. Und so sehen Sie, daß wir in einer gewissen Weise kosmisch sind; sogar so mit dem Kosmos zusammenhängen, daß wir in uns tragen ein Abbild desjenigen, was der Kosmos draußen schon überwunden hat...

Und wenn man weiß, wie alles das, was jenseits der Nervenunterbrechungen im Innern des menschlichen Leibes liegt, mit dem mondartigen Wesen zusammenhängt, dann wird man herausfinden können aus den Verwandtschaften heraus, welche krankmachenden oder heilenden Kräfte im Kosmos und im Erdenleben zu finden sind. Und wenn man wissen wird, in welcher Weise das, was diesseits der Grenze liegt, so zusammenhängt mit den Erdenverhältnissen, nur im verfeinerten Sinne, wie die Pflanze durch ihre Bodenverhältnisse mit den Wurzeln zusammenhängt, dann wird man die Beziehung zwischen Krankheit und Gesundheit und zwischen dem Wesen gewisser Pflanzen wirklich in bewußter Art auffinden können.“ (Lit.: GA 179, S. 16ff)

„Man kann heute ohne Schwierigkeit leicht nachweisen, wie gediegene Naturforscher ins Schwätzen hineinkommen, wenn sie die Grenze zwischen Naturwissenschaft und dem geistigen Leben überschreiten. Besonders Mediziner sind auf diesem Gebiet außerordentlich produktiv im Hervorbringen von allerlei Geschwätz, wenn es sich darum handelt, mit den Vorstellungen, die auf naturwissenschaftlichem Gebiete heute gewonnen werden, ins geistige Gebiet herüberzugehen. Man braucht nur irgend etwas herauszugreifen. Greift nur hinein ins volle Menschenleben — wo ihr es nur anfaßt, ist es in dieser Beziehung heute konfus.“ (S. 21)

„Nehmen wir an, das wäre die Sinnesregion (weiß), wobei ich alle Sinne zusammenfasse, auch die Verstandesregion, dann kämen wir bis gewissermaßen zu demjenigen im menschlichen Organismus (rot), das die Gedanken, die wir hegen, zurückwirft (Pfeile, rot), so daß sie Erinnerungen werden können, dasjenige, was im Menschen zusammenstößt mit der Objektivität des Kosmos. Ich habe Ihnen schon einmal auf die Stellen im Menschenleib hingedeutet, in denen der Mensch zusammenstößt mit dem Kosmos.

Zeichnung aus GA 194, S. 143 (Tafel 13)
Zeichnung aus GA 194, S. 143 (Tafel 13)

Wenn Sie verfolgen, sagen wir zum Beispiel einen Nerv, der von irgendeiner Stelle des Leibes nach dem Rückenmark geht - ich zeichne schematisch -, so finden Sie für jeden solchen Nerv auch einen anderen,

Zeichnung aus GA 194, S. 144 (Tafel 13)
Zeichnung aus GA 194, S. 144 (Tafel 13)

oder wenigstens annähernd für jeden solchen Nerv auch einen anderen, der irgendwoher wiederum zurückführt irgendwohin. Die Sinnesphysiologen nennen das eine einen sensitiven Nerv, das andere einen motorischen Nerv.

Nun, über diesen Unsinn, daß es sensitive und motorische Nerven gäbe, habe ich ja des öfteren schon gesprochen. Aber das Wichtige ist, daß eigentlich jede ganze Nervenbahn an dem Umfang des Menschen entspringt und wiederum zum Umfang zurückgeht, aber irgendwo unterbrochen ist; wie ein elektrischer Draht, wenn er einen Funken überspringen läßt, so ist eine Art Überspringen, ein sensitives Fluidum von dem sogenannten sensitiven bis zu dem sogenannten motorischen Nervenanfang. Und an der Stelle - also solche Stellen sind unzählige, wenigstens sehr viele, in unserem Rückenmark zum Beispiel, in anderen Partien unseres Leibes - an diesen Stellen sind auch die Raumesstellen, wo der Mensch sich nicht allein selber angehört, wo er dem Weltenall angehört. Wenn Sie alle diese Orte miteinander verbinden, dazu auch die Ganglien des Sympathikus nehmen, dann bekommen Sie diese Grenze, auch leiblich-physiologisch diese Grenze. So daß Sie sagen können: Sie halbieren gewissermaßen den Menschen - es ist dieses mehr als die Hälfte, aber nehmen wir an, wir halbieren den Menschen - und betrachten ihn wie ein großes Sinnesorgan, betrachten das Aufnehmen durch die Sinne überhaupt als die Sinnesempfänglichkeit, das Verarbeiten durch den Verstand als eine weitere feinere Sinnestätigkeit, das Entstehen der Erinnerungsbilder als Nachbilder, die aber bleibend sind für das Leben zwischen Geburt und Tod, weil aufgestoßen wird, wenn die Erinnerung sich bildet, an dem Weltenäther. Unser eigener Äther stößt an den Weltenäther auf, und es finden Auseinandersetzungen zwischen uns und dem Weltenäther statt. Der andere Teil des Menschen, der ist der, welcher gewissermaßen zu seinem Endorgan die Gliedmaßen hat, alles, was Gliedmaßen sind. So wie dieser eine Teil die Sinnessphäre zum Endorgan hat (das Wort «Sinnessphäre» wird angeschrieben), so hat der andere Teil des Menschen die anwachsenden Gliedmaßen (es wird an der ersten Zeichnung S. 143 weitergezeichnet): die Füße wachsen an, die Arme wachsen an. Es ist natürlich grob und schematisch gezeichnet.

Das ist dasjenige, wovon ich ebenso alles, was willensartig ist, nach innen zeichnen müßte, wie ich von den Sinnen aus gezeichnet habe alles, was intelligenzartig ist, und das schließt sich an den anderen Teil des Menschen an. Dieses Willensartige ist der andere Pol des menschlichen Wesens. Zwischen beiden liegt eben die Grenze, die innere Grenze, die Sie bekommen, wenn Sie alle Nervenendigungen und alle Ganglien verbinden. Da bekommen Sie, wenn Sie diese Grenze von der einen Seite etwas überschreiten, so daß Sie sich denken, diese Grenze wäre ein Sieb und auf der einen Seite drängte durch die Löcher dieses Siebes der Wille (siehe Zeichnung Seite 143, orange), auf der anderen Seite drängte Intelligenz durch die Löcher dieses Siebes (gelb) - dann bekommen Sie in der Mitte das Gemüt, die Fühlsphäre. Denn alles das, was zum Fühlen gehört, ist eigentlich halb Wille und halb Intelligenz. Der Wille drängt von unten, die Intelligenz von oben: das gibt das Fühlen. Im Fühlen ist immer traumhaft auf der einen Seite die Intelligenz, auf der anderen Seite schlafend der Wille darinnen.

Nachdem wir so gewissermaßen den Menschen geisteswissenschaftlieh präpariert haben - auf der einen Seite den Intelligenzpol, auf der anderen Seite den Willenspol —, nachdem wir gesehen haben, daß die physischen Organe nach oben der Ausdruck des Intelligenzpoles sind, können Sie nun fragen: Mit was in der Außenwelt stimmt dasjenige, was da im Menschen drinnen ist — wir haben jetzt die zwei Pole, die zwei Seiten des Menschenwesens kennengelernt - eigentlich über ein? Mit nichts, mit gar nichts in Wirklichkeit. Wir haben in der Außenwelt ein mineralisches, ein pflanzliches, ein tierisches Reich. Mit keinem dieser Reiche stimmt dasjenige, was der Mensch im Inneren ist, auch leiblich ist, irgendwie wahrhaftig überein.

Sie werden jetzt einen gewichtigen Einwand machen können, einen Einwand, der selbstverständlich furchtbar nahe liegt. Sie werden sagen: Nun ja, wir bestehen doch aus denselben Stoffen wie die Außenwelt, denn wir essen diese Stoffe und vereinigen uns also mit den Stoffen des mineralischen Reiches, indem wir uns unsere Speisen salzen, andere mineralische Stoffe zu uns nehmen, ebenso Pflanzen. Es gibt ja auch Fleischesser, nicht wahr, die vereinigen sich auch mit den Substanzen der Tiere und so weiter. Es ist aber so, daß in diesem Glauben, wir hätten nun wirklich in der eigenen Leiblichkeit etwas zu tun mit den Stoffen der Außenwelt, ein furchtbarer Irrtum steckt. Das was unsere Leiblichkeit eigentlich tut, ist, daß sie sich fortwährend wehren muß gegen die Einflüsse der Außenwelt, auch gegen die Einflüsse, die mit den Nahrungsmitteln in uns kommen. Diese Tatsache ist sogar unseren Mitmenschen heute noch sehr schwer verständlich zu machen, denn das Wesentliche unseres Leibes besteht nicht darinnen, daß wir die Nahrungsstoffe aufnehmen, sondern daß wir sie wieder herausschaffen. Manches schaffen wir sehr rasch heraus, manches aber erst im Laufe von sieben, acht Jahren. Aber nichts von dem, was Sie heute gegessen haben, tragen Sie nach acht Jahren noch in sich. Denn das ist alles ausgetauscht, und die Tätigkeit Ihres Leibes besteht im Herausschaffen, nicht im Aufnehmen.

Daß Sie aufnehmen müssen, das hat nämlich für Ihren Leib im Grunde keine andere Bedeutung, als was der Boden für Ihr Gehen ist. Wenn Sie keinen Boden unter den Füßen hätten, könnten Sie nicht gehen, aber Sie haben mit dem Boden als Mensch nichts zu tun, er muß Sie nur halten. So muß bloß Ihre Leibestätigkeit eine Widerlage haben, sie muß fortwährend auf etwas aufstoßen, daher muß man fortwährend essen, damit die Leibestätigkeit auf etwas aufstößt. Gerade wie Sie versinken würden in den Boden, so würde die Leibestätigkeit versinken in die Nullität, wenn sie nicht fortwährend an dem Boden, der bereitet wird — aber jetzt durchdringt er eben den ganzen Leib - , aufstoßen würde. Sie essen nicht, um die Nahrungsmittel mit sich zu vereinigen, sondern Sie essen, um die Tätigkeit vermitteln zu können, die zum Herausschaffen der Nahrungsmittel notwendig ist. Denn in der Tätigkeit des Herausschaffens der Nahrungsmittel besteht Ihre Menschenwesenheit. Und so wenig, wie Sie den Fußboden zu der Sohle Ihres Fußes rechnen dürfen, so wenig dürfen Sie dasjenige, was in dem Nahrungsmittel ist, soweit es irgendwie in der Außenwelt vorhanden ist, zu Ihrer Menschlichkeit rechnen, wenn Sie die Wahrheit denken wollen. Der Mensch ist im ganzen nichts weiter als eine Reaktion gegen dasjenige, was seine Umwelt ist. Eine Reaktion ist der Mensch, durchaus eine Reaktion. Denn der Mensch ist im Grunde genommen durch und durch Tätigkeit.“ (Lit.: GA 194, S. 143ff)

Der kosmische Ursprung des Denkens

Die laut Rudolf Steiner völlig falsche Unterscheidung motorischer und sensorischer Nerven, verbunden mit der Anschauung, dass das Gehirn die Gedanken hervorbringe und zentral die Muskelbewegung steuere, macht es praktisch unmöglich, den wahren kosmischen Ursprung der Gedanken zu erkennen, die von den geistigen Hierarchien ausgehen, welche sich gerade dadurch, dass sie sich in uns spiegeln, ihres eigenen Denkens bewusst werden. Eben gerade dadurch kann sich der Mensch durch geistige Schulung zum bewussten Erleben der der Hierarchien, d.h. der geistigen Welt, erheben.

„Die Welt ist ein Unendliches, qualitativ und quantitativ. Und ein Segen wird es sein, wenn sich einzelne Seelen finden, die klar sehen wollen gerade in bezug auf das, was in unserer Zeit so furchtbar auftritt an sich überhebender Einseitigkeit, die ein Ganzes sein will. Ich möchte sagen, mit blutendem Herzen spreche ich es aus: Das größte Hindernis für eine Erkenntnis der Tatsache, wie eine vorbereitende Arbeit der denkerischen Tätigkeit im Gehirn geübt wird, wie das Gehirn dadurch zum Spiegel gemacht wird und das Seelenleben zurückstrahlt - eine Tatsache, deren Erkenntnis unendliches Licht auf viele andere physiologische Erkenntnisse werfen könnte -, das größte Hindernis für die Erkenntnis dieser Tatsache ist die wahnsinnig gewordene Physiologie der Gegenwart, welche da von zweierlei Nerven spricht, von den motorischen und den sensitiven Nerven. Ich habe auch diese Sache schon in manchen Vorträgen berührt. Um diese überall in der Physiologie herumspukende Lehre hervorzubringen, mußte tatsächlich die Physiologie vorher allen Verstand verlieren. Dennoch ist das heute eine über die ganze Erde hin anerkannte Lehre, die sich jeder wahren Erkenntnis von der Natur des Gedankens und der Natur der Seele hindernd in den Weg legt. Niemals wird der menschliche Gedanke erkannt werden können, wenn die Physiologie ein solches Hindernis der Erkenntnis des Gedankens bildet. Wir haben es aber so weit gebracht, daß eine haltlose Physiologie heute jedes Lehrbuch der Psychologie, der Seelenkunde, eröffnet und von sich abhängig macht. Damit versperrt man sich zugleich den Weg zur Erkenntnis des kosmischen Gedankens.

Was der Gedanke im Kosmos ist, das lernt man erst erkennen, wenn man erfühlt, was der Gedanke im Menschen ist, wenn man sich in der Wahrheit dieses Gedankens fühlt, der als Gedanke mit dem Gehirn nichts anderes zu tun hat, als daß er selber der Herr dieses Gehirnes ist. Aber wenn man also den Gedanken in seiner Wesenheit in sich selber als menschlichen Gedanken erkannt hat, dann fühlt man sich schon mit diesem Gedanken im Kosmischen darinnen, und unsere Erkenntnis von der wahren Natur des menschlichen Gedankens weitet sich aus auch zur Erkenntnis der wahren Natur des kosmischen Gedankens. Wenn wir richtig erkennen lernen, wie wir denken, dann lernen wir auch erkennen, wie wir von den Mächten des Kosmos gedacht werden. Ja, wir gewinnen sogar die Möglichkeit, einen Blick in die Logik der Hierarchien hinein zu tun. Die einzelnen Bestandteile der Urteile der Hierarchien, die Begriffe der Hierarchien, ich habe sie Ihnen hingeschrieben. In den zwölf Geistes-Tierkreiszeichen, in den sieben Weltanschauungsstimmungen und so weiter liegen die Begriffe der Hierarchien. Und das, was die Menschen sind, sind Urteile des Kosmos, die aus diesen Begriffen hervorgehen. So fühlen wir uns in der Logik des Kosmos, das heißt, real gefaßt, in der Logik der Hierarchien des Kosmos darinnen, fühlen uns als Seelen in kosmischen Gedanken gebettet, wie wir den kleinen Gedanken, den wir denken, in unserem Seelenleben gebettet fühlen.

Meditieren Sie einmal über die Idee: «Ich denke meine Gedanken. - Und ich bin ein Gedanke, der von den Hierarchien des Kosmos gedacht wird. Mein Ewiges besteht darin, daß das Denken der Hierarchien ein Ewiges ist. Und wenn ich einmal von einer Kategorie der Hierarchien ausgedacht bin, dann werde ich übergeben - wie der Gedanke des Menschen vom Lehrer an den Schüler übergeben wird - von einer Kategorie an die andere, damit diese mich in meinem ewigen, wahren Wesen weiter denke. So fühle ich mich drinnen in der Gedankenwelt des Kosmos.»“ (Lit.: GA 151, S. 82ff)

Eingriff des Astralleibs in den Stoffwechselprozess

Tatsächlich entsteht die Willenstätigkeit durch den unmittelbaren Eingriff des Astralleibs in das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System; die sogenannten motorischen Nerven nehmen nur die daraus resultierende Bewegung bzw. die damit verbundenen Stoffwechselvorgänge wahr.

„Ich habe gestern gesagt, daß unsere physiologische Wissenschaft in einem furchtbaren Irrtum befangen ist, in dem Irrtum nämlich, daß es zweierlei Nerven gebe, motorische und sensitive, während in Wahrheit alles sensitive sind und kein Unterschied besteht zwischen motorischen und sensitiven Nerven. Die sogenannten motorischen Nerven sind nur dazu da, daß wir innerlich unsere Bewegungen wahrnehmen, das heißt, daß wir sensitiv sind mit Bezug auf das, was wir selbst als Men­schen tun. Geradeso wie der Mensch mit dem sensitiven Augennerv die Farbe sich vermittelt, so vermittelt er sich die eigene Beinbewegung durch die «motorischen» Nerven, die nicht da sind, um das Bein in Bewegung zu setzen, sondern um wahrzunehmen, daß die Bewegung des Beines ausgeführt werde.“ (Lit.: GA 192, S. 172)

„Und in einem Bewegungsvorgang hat man es physisch auch nicht mit etwas zu tun, dessen Wesenhaftes innerhalb des Organismus liegt, sondern mit einer Wirksamkeit des Organismus in den Gleichgewichts- und Kräfteverhältnissen, in die der Organismus gegenüber der Außenwelt hineingestellt ist. Innerhalb des Organismus ist dem Wollen nur ein Stoffwechselvorgang zuzueignen; aber das durch diesen Vorgang ausgelöste Geschehen ist zugleich ein Wesenhaftes innerhalb der Gleichgewichts- und Kräfteverhältnisse der Außenwelt; und die Seele übergreift, indem sie sich wollend betätigt, den Bereich des Organismus und lebt mit ihrem Tun das Geschehen der Außenwelt mit. Eine große Verwirrung hat für die Betrachtung aller dieser Dinge die Gliederung der Nerven in Empfindungs- und motorische Nerven angerichtet. So fest verankert diese Gliederung in den gegenwärtigen physiologischen Vorstellungen erscheint: sie ist nicht in der unbefangenen Beobachtung begründet. Was die Physiologie vorbringt auf Grund der Zerschneidung der Nerven, oder der krankhaften Ausschaltung gewisser Nerven beweist nicht, was auf Grundlage des Versuches oder der Erfahrung sich ergibt, sondern etwas ganz anderes. Es beweist, daß der Unterschied gar nicht besteht, den man zwischen Empfindungs- und motorischen Nerven annimmt. Beide Nervenarten sind vielmehr wesensgleich. Der sogenannte motorische Nerv dient nicht in dem Sinne der Bewegung wie die Lehre von dieser Gliederung es annimmt, sondern als Träger der Nerventätigkeit dient er der inneren Wahrnehmung desjenigen Stoffwechselvorganges, der dem Wollen zugrunde liegt, geradeso wie der Empfindungsnerv der Wahrnehmung desjenigen dient, was im Sinnesorgan sich abspielt. Bevor nicht die Nervenlehre in dieser Beziehung mit klaren Begriffen arbeitet, wird eine richtige Zuordnung des Seelenlebens zum Leibesleben nicht zustande kommen.“ (Lit.: GA 21, S. 158f)

„Wodurch bewege ich meine Hand? Ich fasse zuerst den Gedanken: Ich will die Hand bewegen. - Hätte ich bloß den Gedanken, so würde der Gedanke zwar in mir leben, aber er würde nie eine physische Hand in die Höhe bewegen können, geradesowenig, wie der bloße Gedanke zum Beispiel eine Flasche in die Höhe heben könnte. Wollen Sie die Flasche bewegen, so müßte zu dem Gedanken noch eine Kraft hinzukommen, die der Vermittler ist zwischen dem Gedanken und meinem physischen Körper. Und diese Kraft nennen wir eine astralische Kraft. Das ist eine Kraft, wie es sie in der astralen Welt gibt. Ich würde meinen Arm nicht bewegen können, wenn nicht zwischen meinem Gedanken und meinem physischen Körper, zu dem mein Arm gehört, in mir eine astrale Kraft wäre, die den Vermittler bildet zwischen meinem Gedanken und meinem physischen Körper, meinem physischen Arm. Es muß zwischen meinem geistigen Selbst und meinem physischen Körper ein Vermittler da sein, und dieser Vermittler ist von astralischer Wesenheit. Ob ich mein Bein, meine Hand bewege, ob ich mein Gehirn in Bewegung bringe, um Gedanken auszuhecken - mein physischer Körper muß durch den astralischen Organismus verbunden sein mit meinem Gedanken.“ (Lit.: GA 89, S. 99f)

„Es ist in einer gewissen Weise mißlich, wenn man in dieser Art einer, wie es scheint, so gut begründeten Anschauung, wie der von den beiderlei Nerven, widersprechen muß; allein dabei steht einem ja wenigstens das zu, daß bis jetzt weder mit Bezug auf die Reaktion noch mit Bezug auf den anatomischen Bau irgend jemand einen Unterschied gefunden hat, der erheblich wäre, zwischen einem sensitiven und einem motorischen Nerven. Sie sind mit Bezug auf alles gleich. Wenn wir uns Übung in irgend etwas aneignen, dann eignen wir uns diese Übung dadurch an, daß wir lernen, durch unseren Willen die Stoffwechselvorgänge zu beherrschen. Das ist dasjenige, was das Kind lernt, nachdem es zuerst nach allen Richtungen zappelt und keine geregelte Willensbewegung ausführt: die Stoffwechsel Vorgänge, wie sie sich in ihren feineren Gliederungen abspielen, zu beherrschen. Und wenn wir zum Beispiel Klavier spielen oder ähnliche Fähigkeiten haben, dann lernen wir, die Finger in einer gewissen Weise bewegen, die entsprechenden feineren Stoffwechselvorgänge mit dem Willen beherrschen. Die sensitiven Nerven, die aber die sonst sogenannten motorischen Nerven sind, die merken es immer mehr und mehr, welches der richtige Griff und die richtige Bewegung ist, denn diese Nerven sind nur dazu da, um das, was im Stoffwechsel geschieht, nachzufühlen. Ich möchte einmal jemand, der wirklich seelisch-leiblich beobachten kann, fragen, ob er nicht bei einer genaueren Selbstschau nach dieser Richtung fühlt, wie er nicht motorische Nervenbahnen ausschleift, sondern wie er lernt, die feineren Vibrationen seines Organismus, die er durch den Willen hervorbringt, zu fühlen, wahrzunehmen, dumpf vorzustellen. Es ist wirklich Selbstwahrnehmung, die wir da üben. Wir haben es zu tun im ganzen Bereich mit sensitiven Nerven. Es soll nur jemand einmal nach dieser Richtung das Sprechen beobachten, wie es sich aus dem Lallen beim Kinde entwickelt. Es beruht durchaus darauf, daß der Wille in einen Sprechorganismus lernt einzugreifen. Und was das Nervensystem lernt, ist nur die feinere Wahrnehmung desjenigen, was als feinere Stoffwechselvorgänge vorgeht.“ (Lit.: GA 66, S. 138f)

„Man unterscheidet heute, wie ja genugsam bekannt ist, zwischen den sogenannten sensitiven Nerven, die vom Zentrum zu den Sinnen gehen sollen und die sinnlichen Wahrnehmungen vermitteln, und den sogenannten motorischen Nerven, welche etwas zu tun haben sollen mit dem Willen.

Es gibt in Wahrheit zwar anatomisch-physiologisch metamorphosierte Nerven, aber es gibt nur einerlei Art von Nerven. Jeder Nerv ist nur physischer Vorstellungsvermittler. Und diejenigen Nerven, die wir heute motorische Nerven nennen, die sind in ihrer Funktion nicht anders als die sogenannten sensitiven Nerven. Während der sensitive Nerv zu den Sinnen geht, um die Außenwelt wahrzunehmen, geht der sogenannte motorische Nerv, der auch nichts anderes ist als ein innerlicher sensitiver Nerv, in das Innere und vermittelt die Wahrnehmungen, die ich zum Beispiel habe, wenn ich ein Glied bewege, die ich habe, wenn ich irgendwie eine innerliche unbewußte Bewegung auszuführen habe. Der Nerv ist nur der Vermittler der Wahrnehmung für irgend etwas Äußeres oder Inneres. Es gibt nicht zwei Arten von Nerven, nicht sensitive und motorische Nerven. Meinetwillen, die Terminologie ist mir dann einerlei, ob man sie dann sensitive oder motorische nennt, das ist gleichgültig, aber nur einerlei Art und anatomisch- physiologisch etwas metamorphosiert, nur einerlei Art von Nerven gibt es.“ (Lit.: GA 319, S. 56f)

„Die sogenannten motorischen Nerven sind nur dazu da, um so, wie die sogenannten sensitiven Nerven die äußeren Wahrnehmungen vermitteln, ebenso die inneren Wahrnehmungen zu vermitteln, wenn wir gehen oder wenn wir den Arm bewegen. Die motorischen Nerven sind auch sensitive Nerven; sie sind dazu da, unsere Bewegungen selber zu empfinden. Und daß man glaubt, die rnotorischen Nerven seien die Willensträger, das kommt nur davon her, daß man in Unkenntnis ist über den eigentlichen Willensträger. Ihn lernt man erst erkennen, wenn man diese Selbstzucht des Willens wirklich übt, von der ich gesprochen habe. Wenn einem das auch zur Aktivität wird, sich selbst zu erziehen. Wenn man in dieser Erziehung unabhängig wird von dem, was gewissermaßen der Leib selber mit einem macht. Dann lernt man erkennen, daß es nicht die motorischen Nerven sind, die den Willen erzeugen, sie nehmen nur die Bewegungen durch den Willen wahr, sondern daß es ein drittes Glied der menschlichen Wesenheit ist, ein übersinnliches Glied, dasjenige, was man die eigentliche Seelenwesenheit nennen könnte. Ich habe es in meinen Schriften, wenn auch der Ausdruck der Gegenwart noch nicht gefällt, den Astralleib genannt. Man lernt dieses übersinnliche Glied dermenschlichen Wesenheit kennen wiederum durch eine unmittelbare Schauung, die man sich anerzieht durch diese Selbstzucht des Willens, man lernt diesen Seelenleib, wenn ich es so nennen darf, kennen als dasjenige, was geistig-seelisch allen Willensbewegungen, allen Bewegungen des Leibes zugrunde liegt. Nerven sind nur dazu da, die Wahrnehmung der Bewegung zu vermitteln.

Man muß allerdings dann, wenn man immer weiter und weiter fortsetzt diese Willenszucht, von der ich gesprochen habe, aufsteigen von dem bloß imaginativen Erkennen, das ich eben angedeutet habe, zu dem inspirierten und intuitiven Erkennen, wie ich es in meinem eben genannten Buche bezeichnet habe. Dann gelangt tnan dazu, ein noch höheres Glied, als es der Ätherleib oder Bildekräfteleib des Menschen ist, in diesem Seelenglied der menschlichen Natur zu erkennen. Und man lernt dieses Seelenglied erkennen als dasjenige, was man nicht erleben kann in sich, was man nur erleben kann dadurch, daß man in äußerer Aktivität ist, was man erleben kann dadurch, daß einem die Antriebe des Willens etwas Bewußtes werden. Hat man es dahin gebracht, dieses eigentliche Seelenglied in sich zu entdecken, diesen zweiten Teil des übersinnlichen Menschen, dann erkraftet sich der Wille immer mehr und mehr, und es erweist sich dasjenige, was unser Empfindungsleib ist. Dasjenige, was unser Leib in Kraft setzt, indem er seine Bewegungsglieder und was damit zusammenhängt gebraucht, erweist sich als von ganz anderer Organisation als die Hauptesorganisation. Es erweist sich die Gliedmaßennatur des Menschen als diejenige Organisation, welche - im Gegensatz zum Haupte, das, wie ich es charakterisiert habe, in fortwährendem teilweisen Sterben ist-, fortwährend in geistigem Geborenwerden, in fortwährender Erhöhung und Fortentwickelung des Lebens ist. So erlebt man auf der einen Seite durch die Hauptesorganisation ein fortwährendes Absterben, auf der anderen Seite in der Willensnatur, in dem zweiten übersinnlichen Glied der Menschenwesenheit, ein fortwährendes Fortsetzen des Geborenwerdens. Und aus diesem Fortsetzen des Geborenwerdens, aus dieser Erhöhung des Lebens, die aus unserem ganzen Menschen kommen muß, da strahlt uns wieder zurück die wahre, jetzt höhere übersinnliche Natur des Ich und durchsetzt uns dasjenige, was wir hineingeprägt haben in den Leib. Unser Ich steht wie aus einem Grabe des teilweise absterbenden Hauptes immer von neuem auf. Das ist dasjenige, was man in sich erleben kann durch eine entsprechende Ausbildung des Seelenlebens, dieses fortwährende Wirken von Sterben und Geborenwerden. Und man lernt erkennen, daß wir nicht nur im Anfange unseres Lebens geboren werden und am Ende unseres Lebens sterben, sondern daß in Sterben und Geborenwerden sich Kräfte ausdrücken, die durch unser ganzes Leben mit unserer Organisation gehen.“ (Lit.: GA 330, S. 364ff)

Der Wille greift unmittelbar in die Wärmeprozesse ein

„Wir haben zunächst den menschlichen Organismus. Wir verfolgen die zentripetalen und die zentrifugalen, die sogenannten sensitiven und motorischen Nerven. Ja, dieser Tatbestand ergibt sich. Ich kann diese Gründe voll würdigen, kann auch würdigen, wie man die Zwiefachheit des Nervensystems stützt durch die Tabes dorsalis und so weiter.

Aber wenn man die höheren Wesensglieder kennt, dann werden einem die Nerven etwas Einheitliches, man schaut die Einheitlichkeit des Nervensystems. Die sensitiven sind darauf veranlagt, Sinneseindrücke zu vermitteln; die motorischen haben mit dem Willen nichts zu tun, sondern sie haben die Aufgabe, die Empfindungen, die in der Peripherie sind, zu vermitteln, die chemisch-physiologischen Vorgänge in den Beinen und so weiter. Die motorischen Nerven sind sensitiv für die inneren Vorgänge des Organismus, während man tatsächlich dazu kommt, so paradox das für die heutige Wissenschaft klingt, den Willen unmittelbar in der Seele zu schauen und für die Entstehung der Bewegung und der Willenseffekte einen unmittelbaren, direkten Einfluß des Geistig-Seelischen auf das Physische anzunehmen.

Ich möchte Sie auf den Weg hinweisen, der dazu führen kann, diese Anschauung zu finden. Denn als heutiger Anatom steht einem das Seelisch- Geistige als etwas gegenüber, was zu allen möglichen Hypothesen führen kann, es ist aber dasjenige, was man sich heute mehr mit einer abstrakten Inhaltlichkeit vorstellt. Ziehen spricht nur von «Gefühlsbetonung» der Vorstellungen. Das, was man sich als Seele vorstellt, ist etwas so abstraktes, dünn gewordenes, daß man nicht dazu kommt, das Eingreifen dieses Seelischen in das Physische zu verstehen.

In dem Augenblicke, wo man sich klar wird, daß der physische Leib vom Festen zum Flüssigen, Luftförmigen, bis zur Wärme heraufgeht, dann kommt man schon mehr heran an das Geistige. Es ist natürlich unmöglich, sich vorzustellen, daß das Geistige in den Organismus eingreift, den die heutige Wissenschaft sich vorstellt. Aber sobald man einen Wärmeorganismus annimmt, ist es nicht so schwer, sich vorzustellen, daß das innere Kräften des Bildekräfteleibes eingreift in die Wärmedifferenzierungen des menschlichen Organismus. In einer Beziehung werden wir vieles durchzumachen haben, bis wir dazu kommen, das lebendig zu machen, was heute in der Erkenntnis erstarrt ist. Man wird den Übergang finden von dem feiner gewordenen Physischen zu dem kraftvoller gewordenen Seelischen. Und man wird sich sagen können: was Willenswesen ist, greift unmittelbar in die Wärmeprozesse ein, von da in den Luftorganismus, von da in den wäßrigen Organismus. Und es ist etwas ganz anderes vorhanden als das, was die heutige Wissenschaft glaubt in bezug auf die motorischen Nerven; da ist vorhanden ein geistig-seelisches-physisches Wirken, das durch die motorischen Nerven zum Bewußtsein gebracht wird.“ (Lit.: GA 319, S. 83f)

Körperbewegung und Ich-Wesenheit

Tafel 17 aus GA 201

„Sehen Sie, wenn heute der materialistisch gesinnte Physiologe von dem Willen spricht, der sich zum Beispiel in einer menschlichen Gliedbewegung offenbart, so denkt er, da wird irgendein telegraphisches Zeichen vom Zentralorgan, vom Gehirn abgeschickt, geht durch den sogenannten motorischen Nerv und bewegt dann, sagen wir, das rechte Bein. Aber das ist als solches wirklich eine ganz unbegründete Hypothese, und es ist auch eine unrichtige Hypothese. Denn die geistige Beobachtung zeigt das Folgende. Wenn wir den Menschen schematisch nehmen (Tafel 17), so ist das so: Wenn das rechte Bein gehoben wird durch den Willen, so geschieht von der Ich-Wesenheit des Menschen, von der wirklichen Ich-Wesenheit ein unmittelbarer Einfluß auf das Bein, und das Bein wird unmittelbar durch die Ich-Wesenheit gehoben. Nur verläuft das alles so, wie die Tätigkeit des Schlafens. Das Bewußtsein weiß nichts davon. Daß hier Nerven eingeschaltet sind, die dann zum Zentralorgan gehen, das unterrichtet uns bloß davon, daß wir ein Bein haben, das unterrichtet uns nur fortwährend von der Anwesenheit dieses Beines. Dieser Nerv hat als solcher nichts zu tun mit der Wirkung des Ich auf das Bein. Es ist eine unmittelbare Korrespondenz zwischen dem Bein und dem Willen, der beim Menschen verknüpft ist mit der Ich-Wesenheit, beim Tiere verknüpft ist mit dem astralischen Leib.

Alles, was die Physiologie zu sagen hat zum Beispiel auch mit Bezug auf die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des sogenannten Willens, das müßte umgedacht werden dahingehend, daß man es zu tun hat mit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit, die sich bezieht auf die Wahrnehmung des betreffenden Gliedes. Natürlich können diejenigen, die dressiert sind auf die heutige Physiologie, mit einem Dutzend Einwendungen kommen. Ich kenne diese Einwände sehr gut; aber man muß nur versuchen zurechtzukommen mit einem wirklich logischen Denken und man wird finden, daß dasjenige, was ich hier sage, in Übereinstimmung steht mit den Beobachtungstatsachen, nicht aber das, was Sie heute in den physiologischen Lehrbüchern finden.“ (Lit.: GA 201, S. 134f)

„Nun mache ich Sie auf eine Tatsache aufmerksam, welche eine große Rolle gespielt hat in der ganzen älteren, sagen wir, Welterkenntnis. Diese ältere Welterkenntnis hat zum Beispiel folgende Zuordnung gemacht. Sie hat gesagt: Zugeordnet ist der Ausgangspunkt für die unteren Gliedmaßen dem Monde. Zugeordnet ist gewissermaßen der Zusammenlaufungspunkt für die oberen Gliedmaßen da in der Kehlkopfgegend, zugeordnet ist diese Partie dem Mars (Mond und Mars werden in die Zeichnung 17 eingezeichnet).“ (S. 136)

„Sehen Sie, was ich jetzt eben gesagt habe, daß der Mensch mit Bezug auf seine Willens-Stoffwechselnatur ein schlafendes, ein fortwährend schlafendes Wesen ist, das drückt sich am intensivsten aus in den unteren Gliedmaßen. Man könnte eigentlich sagen: Durch jene metamorphosische Umformung, welche Arme und Hände beim Menschen erlangt haben, trotzt der Mensch der Unbewußtheit ab, was eigentlich Schlafesnatur des Gliedmaßenmenschen ist. Sie werden auch wahrnehmen können, wenn Sie sich ein wenig das innere Erleben für solche Dinge schärfen, daß doch ein beträchtlicher Unterschied besteht zwischen den Bewegungen der Beine und den Bewegungen der Arme. Die Bewegungen der Arme sind frei, sie folgen in einer gewissen Weise Empfindungen. Die Bewegungen der Beine sind nicht so frei - ich meine jetzt die Gesetzmäßigkeit, durch die wir die Beine in Bewegung bringen. Allerdings, dies ist etwas, was nicht immer beachtet und nicht immer in der richtigen Weise gewürdigt wird, denn sehen Sie, ein größerer Teil des Eurythmiebesuchenden Publikums ist natürlich daraufhin dressiert, mehr passiv sich den Vorstellungen hinzugeben; der empfindet dann bei unserer Eurythmie die geringer artikulierte Beinbewegung gegenüber der mehr artikulierten Armbewegung und Händebewegung. Aber das kommt nur davon her, daß eben, um die Armbewegungen zu verstehen, schon ein Mitarbeiten der Seele notwendig ist von Seiten des Zuschauers.“ (S. 137f)

„Also am intensivsten unbewußt ist dasjenige, was sich auf die Bewegung der unteren Gliedmaßen bezieht. Da schläft der Mensch in gewisser Weise ganz. Wie der Wille in die Beine hineinwirkt, wie der Wille schon im Unterleibe wirkt, das ist etwas, was total verschlaschlafen wird. Da ist gewissermaßen der Mensch immer seiner bewußten Natur abgekehrt. Da sendet ihm die eigene Natur nur das zurück, was Reflexion ist. Sie verfolgen ja natürlich auch die Bewegung Ihrer Beine, aber eben durch Ihren Nervenapparat, durch die Wahrnehmung; wie der Wille hineinschießt, das verfolgen Sie nicht, sondern bekommen es nur in der Reflexion in die Wahrnehmung herein. Die untere Natur kehrt Ihnen gewissermaßen die eine Seite immer ab und nur die eine Seite immer zu, je nachdem Sie sie beleuchten von Ihrem oberen Menschen aus. Das ist aber genau ebenso, wie es der Mond macht (Tafel 17, rechts). Der Mond geht, wie Sie ja wissen, um die Erde herum. Er ist ein höflicher Herr; er wendet immer nur die eine Seite der Erde zu. Während er um die Erde kreist, dreht er sich nicht so, daß er einmal seine Vorderseite zeigt, das andere Mal seine Rückseite, sondern er wendet der Erde nie seine Rückseite zu. Man hat aber auch zugleich niemals irgend etwas Eigenes von dem Monde, sondern immer das zurückgesendete, das reflektierte Licht. Da ist durchaus ein innerer Parallelismus zwischen der Mondennatur und der ganzen inneren menschlichen Wesenheit. Sie schauen hinauf nach dem Monde, und verstehen Sie ihn auch nur dieser äußeren formalen Seite nach, so müssen Sie darin die innere Verwandtschaft mit der unteren Organisation des Menschen empfinden.“ (S. 138f)

„Und nehmen wir jetzt die andere Tatsache, nehmen wir die Tatsache, daß die Arme, in ihrer Verbindung mit dem Oberen des mittleren Menschen, in einer gewissen Weise, ich möchte sagen, im Menschen selber aufwachen, daß die Armbewegung wenigstens traumhaft wird, dann fühlen wir, daß alles, was die Arme betrifft, mehr Verwandtschaft hat mit der menschlichen Bewußtheit, als dasjenige, was die Beinbewegung betrifft. Der elementarisch empfindende Mensch wird daher sehr häufig schon ganz naturgemäß die Arme ein wenig zu Hilfe nehmen, wenn es sich um die Sprache handelt, die ja mit dem mittleren Menschen sehr viel zu tun hat. Eine Unterstützung des Redens mit den Armen wird uns naheliegen. Ich glaube aber nicht, daß es sehr viele Redner gibt, die zu gleicher Zeit durch Beingesten ihre Rede unterstützen, oder viele Zuhörer, welche an diesen Beingesten Gefallen finden würden. Also Sie brauchen nur in der richtigen Weise solch ein Bedürfnis des Menschen zu fühlen, dann fühlen Sie die Verwandtschaft heraus, die nun wirklich besteht zwischen den Armen und Händen - die ja zum Gliedmaßenmenschen gehören -, diesem höheren Teil des Gliedmaßenmenschen und dem mittleren Menschen, dem rhythmisehen Menschen, der zu seinem seelischen Gegenbilde das Gefühlsmäßige des Menschen hat. Vorzugsweise versuchen wir ja die Rede, die sehr leicht abstrakt wird, durch Gebärden der Arme und Gebärden der Hände zu unterstützen. Das Gefühlsmäßige suchen wir in die Rede hineinzubringen durch diese Unterstützung.“ (S. 139f)

„Das wiederum wurde gefühlt, indem man Sprache und Armbewegung zusammenfassend mit dem Mars in eine gewisse Beziehung gebracht hat. Der Mars steht ja nicht in so inniger Verbindung mit der Erde, wie der Mond, und dasjenige, was dem Sprachorganismus und dem Armorganismus zugrunde liegt, steht auch nicht mit dem irdischen Menschen in einer so innigen Verbindung wie das, was dem Beinorganismus und dem Unterleibsorganismus zugrunde liegt. Wir können sagen: In einer gewissen Beziehung wirkt das, was den unteren Gliedmaßen als Tätigkeiten entspricht, sehr stark auf den unbewußten Menschen; auf den halbbewußten Menschen wirkt aber ungeheuer stark das, was den Armen und Händen entspricht. Und es ist schon so: Jemand, der ganz ungeschickte Hände hat, der also zum Beispiel gar nicht mit den Fingern geschickte Bewegungen ausführen kann, der wird auch kein sehr feinsinniger Denker sein. Er wird in einer gewissen Weise mehr nach groben Gedankenmaschen suchen als nach feinen Gedankengliedern. Er wird, wenn er grobklotzige Hände hat, viel eher sich für den Materialismus eignen, als wenn er geschickte Handbewegungen hat.“ (S. 140f)

Bedeutung für die Pädagogik

„All diese Dinge werden von einer umfassenden Pädagogik durchaus ins Auge gefaßt... Das alles sind Dinge, die durchaus aus dem Ganzen dieses Waldorfschulgeistes herauskommen, denn da handelt es sich wirklich nicht darum, daß man in einigen abstrakten programmatischen Sätzen dies oder jenes schreibt, sondern daß man das ernst nimmt, daß der ganze Unterricht von Menschenerkenntnis ausgehen soll; daß man wissen soll als Lehrer, was es für eine Bedeutung hat, wenn ich geschickt die Finger zu bewegen verstehe - wenn ich unter Umständen sogar ordentlich den Mittelfinger über den Zeigefinger zu geben vermag, so wie einen Merkurstab, oder wenn ich das durchaus nicht zu machen vermag -, was das für einen großen Unterschied macht für das Denken. Unsere Fingerbewegungen sind in hohem Maße Lehrer der Elastizität unseres Denkens. Diese Dinge können aber nun auch erkennend weiter verfolgt werden. Sie werden verhältnismäßig leicht sich die Fertigkeit aneignen, den mittleren Finger über den Zeigefinger elastisch drüberzulegen, so daß Sie eine Schlange um den Merkurstab zuwege bringen, aber Sie werden das mit der mittleren Zehe gegenüber der zweiten Zehe weniger leicht zustande bringen. Daraus sehen Sie den Unterschied der ganzen Organisation. Es ist sehr wichtig, das ins Auge zu fassen, denn die Fußkonstruktion hängt innig zusammen mit unserer ganzen menschlichen Erdennatur. Durch unsere Handorganisation erheben wir uns über die Erdennatur. Wir erheben uns zum Außerirdischen. Dieses Sich-Erheben zum Außerirdischen im Menschen, das fühlte die alte Weisheit, indem sie sagte: Der untere Mensch ist dem Mond zugeteilt; der sich über die Erdennatur erhebende Mensch ist dem Mars zugeteilt.“ (Lit.: GA 201, S. 141f)

Etwa mit dem 12. Lebensjahr beginnt der abstrakte Intellekt zu erwachen, da der heranwachsende Mensch nun nicht mehr so sehr mit dem Muskelsystem, das intim mit dem rhythmischen System zusammenhängt, sondern vermehrt mit dem Knochensystem zu denken beginnt, dessen Bewegungen mit dem Eigenbewegungssinn vermittels der sogenannten „motorischen“ Nerven wahrgenommen werden.

„Die sogenannten motorischen Nerven sind keine motorischen Nerven, die sind bloß dasjenige, was die Äußerungen, den Impuls des Willens wahrnimmt. Ehe man diesen Zusammenhang nicht einsehen wird, eher wird man nicht zu einer durchsichtigen Menschenerkenntnis kommen. Wenn Sie aber diesen Zusammenhang voll einsehen, dann werden Sie es auch begreiflich finden, daß ich nun eben ein Paradoxon, eine Ketzerei vor Sie hinstellen muß: denn dann wirkt das Geistig-Seelische ja eben auf den ganzen übrigen Menschen.

Beim Kinde also bis gegen das zwölfte Jahr hin äußern sich die Wirkungen nach Maßgabe des eben Geschilderten in den Muskelkräften, die ein intimes Verhältnis zur Atmung und zum Zirkulationssystem haben. Beim Kinde vom zwölften Jahre an bis zur Geschlechtsreife nach denjenigen Kräften hin, die gegen das Skelett gehen. So daß wir also vor dem zwölften Jahre mehr dasjenige, was noch in unseren Muskein liegt, mit dem sogenannten motorischen Nerv wahrnehmen, nach dem zwölften Jahre nehmen wir mit diesem sogenannten motorischen Nerv mehr dasjenige wahr, was in unseren Muskeln und Knochen vorgeht. Nun, wenn Sie bedenken, daß in allem Denken etwas Willensmäßiges liegt - es ist ja Wille, was da wirkt, wenn ich Vorstellungen synthetisch zusammenfasse oder analytisch trenne, es ist überall Wille darinnen - , so müssen Sie diesen Willen auch im Organismus aufsuchen. Und gerade dieser Wille in der seelischen Funktion des Denkens ist in dieser Art angeschlossen, wie ich es jetzt geschildert habe. Indem wir ins zwölfte Jahr eintreten, lernen wir ein solches Denken, das nach der Willensnatur seine Vorgänge in den Knochen, in der Skelettdynamik hat. Wir machen da den wichtigen Übergang vom weichen System des Menschen zum ganz harten System, das sich, ich möchte sagen, wie ein objektives Hebelsystem in die Welt hineinstellt.

Das ist die Ketzerei, das Paradoxon, das ich vor Sie hinstellen muß, daß der Mensch, wenn er seine Gedanken über die unbelebte äußerliche Natur faßt, das nicht in unmittelbarer Weise mit dem Kopfe, mit dem Gehirn tut, sondern daß er es mit dem Skelett tut. Selbstverständlich, man kann darüber lachen, wenn man in der heutigen Physiologie drinnensteckt, daß da einer in Dornach ist, der behauptet, daß die Menschen mit den Knochen abstrakt denken; aber die Sache ist eben so. Es wäre bequemer, das nicht auszusprechen, aber es muß eben ausgesprochen werden, denn wir brauchen eine wirkliche Menschenerkenntnis. Was wir an Gedanken im Gehirn haben, das sind nur Bilder dessen, was sich im wirklichen Gedankenprozeß abspielt. Dasjenige, wofür das Gehirn das Werkzeug ist, das sind die passiven Bilder für die wirklichen Prozesse, die sich beim Denken abspielen. Daß das Denken zum Bewußtsein kommt, das ist von diesen Bildern abhängig; aber in diesen Bildern liegt nicht die innere Kraft, die im Denken wirkt, liegt nicht das Willensgemäße des Denkens. Dasjenige, was das Wesenhafte des Denkens ist, das hat mit diesen Bildern, die das Gehirn zur Voraussetzung haben, nicht mehr zu tun als ein Bild, das Sie dort auf der Wand sehen würden von Herrn X, mit dem wirklichen Herrn X zu tun hätte. Sie müssen das Bild von Herrn X von dem wirklichen Herrn X unterscheiden. So unterscheidet sich der reale Prozeß, der sich während des Denkens abspielt, von den Bildern. Während des Denkens über die physische Natur waltet eigentlich der Prozeß im ganzen, im vollen- Menschen, und zwar gerade für das Denken im Skelett. Wir setzen uns auch mit unserem Denken in das Skelett hinein mit unserem zwölften Jahre. Das ist dasjenige, was uns einen wirklichen inneren Anhaltspunkt bietet für das, was wir zu tun haben in der Überleitung des Unterrichts zu dem, was ich gestern charakterisierte: das Kennenlernen der Pflanzenwelt im Zusammenhang mit der Erde, das Kennenlernen der Tierwelt im Zusammenhang mit dem Menschen bis zu dem zwölften Jahre, bis zu der Geschlechtsreife.“ (Lit.: GA 303, S. 209ff)

Die Sphärenharmonie als Ursache der Muskelbewegung

Nach Rudolf Steiner werden die Muskeln durch die als Astralleib persönlich gewordene Sphärenharmonie bewegt.

„So wird heute noch manches so angesehen werden, daß diejenigen «von Sinnen» sind, welche aufmerksam machen auf die selbstverständliche Weisheit, daß die heute gebräuchliche Einteilung der Nerven in motorische und sensorische ein Unding ist. Nerven, die motorische sein sollen, gibt es nicht. Es gibt nur Empfindungsnerven. Die motorischen Nerven sind auch Empfindungsnerven; nur sind sie dazu da, die entsprechenden Bewegungen in den Muskeln selbst zur Empfindung zu bringen. Es wird gar nicht viel Zeit dazu gehören, so werden die Menschen es einsehen, daß der Muskel allerdings nicht in Bewegung gebracht wird durch Nerven, sondern daß er in Bewegung kommt durch unsern astralischen Leib, und zwar durch das in unserem Astralleibe, was in diesem zunächst nicht unmittelbar so wahrgenommen wird, wie es ist. Denn das ist ein Gesetz, daß das, was wirken soll, nicht unmittelbar wahrgenommen wird. Was den Muskel in Bewegung bringt, was irgendeine Bewegung des Muskels hervorruft, das hängt zusammen mit dem Astralleib, und zwar so, daß im Astralleib selber zur Bewegung des Muskels eine Art Tonentwickelung, eine Art Schallentwickelung stattfindet. Etwas wie eine Art Musikalisches durchdringt unsern Astralleib, und der Ausdruck dieser Tonentwickelung ist die Muskelbewegung. Es ist wirklich so, wie wenn wir bei den bekannten Chladnischen Klangfiguren leicht beweglichen Staub auf eine Metallplatte bringen und diese dann mit einem Violinbogen streichen: da bekommen wir eine Figur. Von lauter solchen Figuren - die aber Tonfiguren sind - ist auch unser Astralleib durchzogen, die zusammen bewirken, daß unser Astralleib eine bestimmte Lage annimmt. Das ist eingeprägt in dem Astralleib. Ganz trivial können sich die Menschen davon überzeugen, wenn sie den Bizeps, den Oberarmmuskel, recht anspannen und ihn dann ans Ohr bringen: wenn sie sich einige Übung dafür aneignen, nur den Muskel recht anspannen und den Daumen anlegen, dann können sie den Ton hören. Es soll das kein Beweis sein, sondern nur etwas, wodurch man trivial illustrieren kann, was damit gemeint ist. - So sind wir musikalisch durchdrungen und leben es aus in unsern Muskelbewegungen. Und daß wir etwas von unsern Muskelbewegungen kennen, dazu haben wir die motorischen Nerven, wie man sie unrichtig nennt. Es spricht heute, wie die Dinge in der Physiologie gruppiert werden, noch vieles dagegen, aber nur scheinbar.

Dies ist jedoch nur eine Art von solchen Wahrheiten, die immer mehr und mehr die Menschen davon überzeugen werden, daß der Mensch wirklich ein geistiges Wesen ist, wirklich eingesponnen ist in die Weltensphärenharmonien, bis in seine Muskeln hinein. Und gerade die Geisteswissenschaft, die berufen ist, den sechsten Zeitraum in bezug auf die geistige Erfassung der Welt vorzubereiten, wird es mit allem einzelnen in bezug auf solche Wahrheiten vom Menschen als von einem Geistwesen zu tun haben. Gerade wie der Ton in einer gewissen Beziehung in eine höhere Sphäre heraufkommt, wenn er aus dem musikalischen Ton zum menschlichen gesprochenen Wort wird, so ist es auch im Weitenzusammenhange: die Sphärenharmonie wird etwas Höheres, wenn sie zum Weltenwort, zum Logos wird. Das wird sie, wenn alles, was als Sphärenharmonie wirkt, Wort, Logos wird. Nun haben wir in der physischen Organisation des Menschen als das nächst Höhere - physiologisch - das Blut. Gerade so nun, wie der Muskel eingespannt ist in die Sphärenharmonien, so ist das Blut eingespannt in den Logos und kann immer mehr und mehr Ausdruck des Logos werden, wie es dies unbewußt seit der Menschwerdung ist. Das heißt, es besteht auf dem physischen Plan die Tendenz, daß in seinem Blut, das der Ausdruck des Ich ist, vom Menschen bewußt der Ausdruck des Logos empfunden wird. Und wenn die Menschen im sechsten Kulturabschnitt sich als Geistwesen kennengelernt haben, werden sie nicht mehr an der Phantasterei festhalten, daß die Muskeln durch die motorischen Nerven in Bewegung kommen, sondern sie werden erkennen, daß die Muskeln aus der persönlich gewordenen Sphärenharmonie heraus bewegt werden. Und im siebenten Kulturzeitraum werden dann die Menschen bis in das Blut hinein sich durchsetzt fühlen können vom Logos und werden dann erst fühlen können, was eigentlich im Johannes-Evangelium ausgedrückt ist. Denn erst im siebenten Kulturzeitraum wird das Johannes-Evangelium erkannt werden können in seiner Wissenschaftlichkeit.“ (Lit.: GA 124, S. 162f)

„Der Seher sieht, wie vom Ätherleib und Astralleib flutende Ströme ausgehen, die dann sich in den Bewegungen der Gliedmaßen ausdrücken können, die halb zurückgehalten werden in den Sprachorganen, im Kehlkopf, und da den Laut bilden und dann starr zurückgehalten werden im Kopf des Menschen, Gehirn und Schädeldecke, Gehirnlappen.“ (Lit.: GA 265, S. 295)

Die Willenstätigkeit wird nicht zentral gesteuert

„Das Nervenleben hat nicht die Beziehung zum Wollen, die man ihm gewöhnlich zuschreibt, sondern der Wille hat unmittelbar eine Beziehung zum Stoffwechsel, und diese Beziehung zum Stoffwechsel nimmt der vorstellende Mensch erst wiederum wahr durch das Nervensystem. Das ist die wirkliche Beziehung. Das Nervensystem hat keine andere Aufgabe, als vorzustellen. Ob vorgestellt wird irgendein äußerer Gegenstand, ob vorgestellt wird dasjenige, was durch den Willen im Zusammenhange mit dem Stoffwechsel geschieht, der Nerv hat immer die gleiche Aufgabe. Die heutige Wissenschaft unterscheidet sensitive Nerven, die da sein sollen, um von der Körperperipherie aus gewissermaßen die Eindrücke der Außenwelt zum Zentralorgan, wie man sagt, zu tragen; dann wiederum sollen motorische Nerven da sein, welche dasjenige, was vom Zentralsystem als Willensimpuls ausgehen soll, nach der Peripherie des Körpers zu tragen haben. Man hat, ich werde davon noch genauer reden, sehr geistreiche - geistreich sind sie ja, die Dinge -, sehr geistreiche Theorien ersonnen, um nachzuweisen, wie man durch Durchschneiden und so weiter von Nerven beweisen könne, daß ein solcher Unterschied besteht zwischen sensitiven und motorischen Nerven. Aber in Wirklichkeit existiert er nicht. Und viel bedeutungsvoller als alle im Laufe der Zeit geistreich ersonnenen Theorien über den Unterschied von motorischen und sensitiven Nerven ist die andere Tatsache, daß man allerdings den sogenannten motorischen Nerv zerschneiden kann, sein Ende zusammenstückeln kann mit dem Ende eines ebenfalls durchschnittenen sensitiven Nervs, und daß dies dann wiederum einen Nerv von einer Nervenart gibt. Das ist viel mehr sprechend als alles übrige, was sonst ersonnen worden ist, daß ein Unterschied in der wirklichen Funktion zwischen motorischen und sensitiven Nerven nicht gefunden werden kann. Er kann auch in anatomisch-physiologischer Beziehung nicht gefunden werden. Die sogenannten motorischen Nerven sind nicht dasjenige, was den Willensimpuls vom Zentralorgan zu der Peripherie des Menschen trägt, sondern diese motorischen Nerven sind in Wirklichkeit auch sensitive Nerven. Sie sind dazu da, sagen wir, wenn ich zum Beispiel einen Finger bewege, daß eine unmittelbare Beziehung zwischen dem Willensentschluß und dem Stoffwechsel des Fingers zustande kommt, daß der unmittelbare Einfluß, der vom Willen ausgeübt wird, den Stoffwechsel des Fingers ergreift. Diese Stoffwechseländerung, dieser Stoffwechselvorgang wird durch den sogenannten motorischen Nerv wahrgenommen. Und wenn ich den Stoffwechselvorgang nicht wahrnehme, dann erfolgt auch kein Willensentschluß, weil der Mensch darauf angewiesen ist, dasjenige, was in ihm vorgeht, ebenso wahrzunehmen, wenn er dadurch etwas wissen soll, sich beteiligen soll daran, wie irgend etwas in der äußeren Welt wahrzunehmen ist, wenn er daran beteiligt sein soll.

Es ist geradezu, ich möchte sagen, diese Unterscheidung von sensitiven Nerven und motorischen Nerven der bequemste Knecht des Materialismus, allerdings ein Knecht, der nur hat heraufziehen können in der materialistischen Wissenschaft dadurch, daß man einen billigen Vergleich gefunden hat in dieser neueren Zeit, nämlich den des Telegraphen. Man telegraphiert von einer Station zur anderen hin, und dann telegraphiert man wiederum zurück. Nach diesem Bilde des Telegraphierens stellt man sich ungefähr heute die Vorgänge vor von der Peripherie nach dem Zentralorgan und wiederum zurück durch sensitive und motorische Nerven. Das ganze Bild ist natürlich nur möglich in einem Zeitalter, in dem eben gerade die Telegraphie eine solche Rolle zu spielen hat wie im 19. Jahrhundert. Wäre die Telegraphie nicht da, so hätte man ja auch dieses Bild nicht gefunden, und man wäre vielleicht zu einer naturgemäßeren Anschauung der entsprechenden Vorgänge gekommen.

Sehen Sie, es sieht aus, als wenn man, ich möchte sagen, aus einem gewissen Radikalismus heraus, aus Kritikasterei dasjenige in Grund und Boden treten wollte, mit dem sich so viele Menschen soviel ernstliche Mühe gegeben haben. Aber glauben Sie nicht, daß das leicht ist. Glauben Sie nicht, daß einem das leicht wird. Ich habe mich als ganz junger Mann zu beschäftigen angefangen mit der Nervenlehre, und es war für mich etwas Erschütterndes, zu bemerken, wie gerade diese Nervenlehre der schlechte Knecht des Materialismus ist, weil dasjenige, was ein unmittelbarer seelischer Einfluß des Willens auf den Stoffwechsel ist, dadurch vermaterialisiert wird, daß man sich vorstellt, der materielle Nervenstrang trage den Willensimpuls vom Zentralorgan zu der Peripherie des Menschen, das heißt zum Muskel, zum Bewegungsorgan. Man zeichnet so die materiellen Prozesse in den Organismus hinein.

In Wahrheit ist bei einem Willensakt zunächst durchaus ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem, was der seelische Willensimpuls ist, und irgendeinem Prozeß des Stoffwechsels. Der Nerv ist eben nur dazu da, um die Wahrnehmung dieses Prozesses zu vermitteln.“ (Lit.: GA 301, S. 30ff)

„Sehen Sie, heute hat sich ja alles, möchte ich sagen, was der Mensch über den Menschen denkt, nach dem Kopfe hin geschlagen, und obwohl uns der Kopf selber fortwährend in das Materielle hineindrängt, eigentlich uns jeden Tag totschlagen will, wendet sich alle Menschenbetrachtung heute im Grunde genommen dem Kopfe zu. Das ist das Ungesunde der heutigen Menschenbetrachtung. Sie geht eigentlich von der Wissenschaft aus, diese Menschenbetrachtung, denn man denkt sich: im Kopfe ist das Gehirn, alles wird vom Gehirn aus dirigiert. Nun weiß ich nicht, wie man es gemacht hätte, wenn man diese Theorie in einem Zeitalter ausgebildet hätte, wo es noch keine Telegraphen gegeben hat, wo man also nicht von Telegraphenleitungen die Analogie hat hernehmen können. Aber das braucht uns ja auch nicht weiter zu interessieren. Die Theorie von dem Nervensystem ist ja ausgebildet worden, nachdem man die Telegraphenleitungen als einen Anhaltspunkt hatte, um eine Analogie zu bilden. Und so hat man denn das Gehirn als eine Art Zentralstation, sagen wir, London. (Es wird gezeichnet.) Dann hat man, wenn das das Zentrum ist, dann hat man vielleicht da Oxford, da Dover. Und nun, indem man London als das Zentrum betrachtet, sagt man sich: es geht eine Leitung von Oxford nach London; da wird umgeschaltet, und das geht darm^ weiter nach Dover. Man kann sich das ja unter gewissen Fällen so vorstellen. Nun, so stellt man sich das Gehirn vor. Der Nerv geht zu dem Sinnesorgan hin, die Sensation tritt auf, wird bis zum Gehirn geleitet; da im Gehirn ist die Zentralstation, das menschliche London. Dann geht der motorische Nerv vom Gehirn zu den Bewegungsorganen hin und treibt in Gemäßheit der Gedanken, die da irgendwie dazwischen sitzen, das Wollen, die Bewegung hervor.

Man kann, wenn man eine solche Theorie ausgesonnen hat, sogar die Tatsachen so registrieren, daß sie diese Theorie zu bestätigen scheinen. Sie können ja heute jedes Physiologiebuch in die Hand nehmen und Sie werden, wenn Sie nicht sehr vorurteilsvoll sind - denn die Dinge schauen alle sehr plausibel aus -, da einfach sehen, wie die Experimente mit dem Nervenzerschneiden gemacht werden, wie die Konklusionen gezogen werden aus der Reaktion und so weiter, und alles stimmt wunderbar. Es stimmt nur nicht vor einer eindringlichen Menschenerkenntnis. Da ist es schließlich nicht so.

Ich will ganz absehen davon, daß ja schließlich die sensitiven von den motorischen Nerven anatomisch fast gar nicht zu unterscheiden sind; die einen sind höchstens etwas dicker als die anderen; aber in bezug auf die Struktur ist wirklich ein wesentlicher Unterschied nicht vorhanden. Was anthroposophische Forschung in dieser Beziehung lehrt - ich kann das nur andeuten, nur Ergebnisse mitteilen, ich müßte sonst anthroposophische Physiologie vortragen -, das ist dieses, daß die Nerven durchaus einheitliche Organe sind, daß es ein Unding ist, von zweierlei Nerven, von sensitiven und motorischen Nerven zu sprechen. Da im Seelischen das Willensmäßige und Empfindungsmäßige überall durchgebildet ist, stelle ich es jedem frei, motorisch oder sensitiv zu sagen, aber er muß einheitlich werten, denn sie sind absolut einheitlich, es gibt keinen Unterschied. Der Unterschied liegt nämlich nur in der Richtung der Funktion. Wenn der sensitive Nerv nach dem Auge hingeht, so öffnet er sich den Eindrücken des Lichtes, und es wirkt wiederum dasjenige, was an der Peripherie des Menschen liegt, auf einen anderen Nerv, den die heutige Physiologie als einen motorischen Nerv anspricht. Wenn er nun vom Gehirn ausgeht nach dem übrigen Organismus, so ist dieser Nerv dazu da, daß er dasjenige wahrnimmt, was bei einer Bewegung vorgeht.“ (Lit.: GA 301, S. 206f)

Moralische Handlungen

„Also es gibt nicht diese zweierlei Nerven, die heute in der materialistischen Wissenschaft spuken, sondern nur einerlei Nerven. Die sogenannten motorischen Nerven sind nur da, damit die Bewegung wahrgenommen werden kann; sie sind auch Wahrnehmungsnerven, indem innerlich gelegene Wahrnehmungsnerven sich nach der Peripherie des Körpers hin erstrecken, um wahrzunehmen. Doch, wie gesagt, das wird man erst nach und nach erkennen; und dann erst wird man das Verhältnis einsehen können, in dem die Moralität zum Willen und unmittelbar zum ganzen Menschen steht, weil die Moralität wirklich unmittelbar auf das wirkt, was wir das Ich nennen. Von da aus wirkt es dann herunter in den Astralleib, in den Ätherleib, und von da in den physischen Leib. Wenn also aus Moralität eine Handlung begangen wird, so strahlt gewissermaßen der Moralitätsimpuls in das Ich, von da in den Astralleib, von da in den Ätherleib, von da in den physischen Leib. Da wird er Bewegung, da wird er dasjenige, was der Mensch äußerlich tut, was erst wahrgenommen werden kann durch die sogenannten motorischen Nerven.

Moralität ist wirklich etwas, was unmittelbar aus der geistigen Welt in den Menschen hereinwirkt, was stärker aus der geistigen Welt heraus wirkt, als zum Beispiel Schönheit und Wahrheit.“ (Lit.: GA 170, S. 65f)

Blut und Nerv

„Es ist das Blut - das Gegenteil der Nerven.

Zeichnung aus GA 293, S. 38
Zeichnung aus GA 293, S. 38

Das Blut ist wirklich ein «ganz besonderer Saft». Denn es ist derjenige Saft, welcher, wenn wir ihn aus dem menschlichen Leibe entfernen könnten - was innerhalb der irdischen Bedingungen nicht geht -, so daß er noch Blut bliebe und durch die anderen physischen Agenzien nicht vernichtet würde, dann als Geist aufwirbeln würde. Damit nicht das Blut als Geist aufwirbele, damit wir es so lange, als wir auf der Erde sind, bis zum Tode in uns behalten können, deshalb muß es vernichtet werden. Daher haben wir immerwährend in uns: Bildung des Blutes - Vernichtung des Blutes, Bildung des Blutes - Vernichtung des Blutes und so weiter durch Einatmung und Ausatmung.

Wir haben einen polarischen Prozeß in uns. Wir haben diejenigen Prozesse in uns, die längs des Blutes, der Blutbahnen laufen, die fortwährend die Tendenz haben, unser Dasein ins Geistige hinauszuleiten. Von motorischen Nerven so zu reden, wie dies üblich geworden ist, ist ein Unsinn, weil die motorischen Nerven eigentlich die Blutbahnen wären. Im Gegensatz zum Blut sind alle Nerven so veranlagt, daß sie fortwährend im Absterben, im Materiellwerden begriffen sind. Was längs der Nervenbahnen liegt, das ist eigentlich ausgeschiedene Materie; der Nerv ist eigentlich abgesonderte Materie. Das Blut will immer geistiger werden, der Nerv immer materieller; darin besteht der polarische Gegensatz...

So sehr die Physiologie glaubt, etwas zu haben, indem sie von sensitiven und motorischen Nerven spricht, so hat sie darin doch nur ein Spiel mit Worten. Von motorischen Nerven wird gesprochen, weil die Tatsache besteht, daß der Mensch nicht gehen kann, wenn gewisse Nerven beschädigt sind, zum Beispiel die, welche nach den Beinen gehen. Man sagt, er könne das nicht, weil er die Nerven gelähmt hat, die als «motorische» die Beine in Bewegung setzen. In Wahrheit ist es so, daß man in einem solchen Fall nicht gehen kann, weil man die eigenen Beine nicht wahrnehmen kann. Dieses Zeitalter, in dem wir leben, hat sich eben notwendigerweise in eine Summe von Irrtümern verstricken müssen, damit wir wieder die Möglichkeit haben, uns aus diesen Irrtümern herauszuwinden, selbständig als Menschen zu werden.

Nun merken Sie schon an dem, was ich jetzt hier entwickelt habe, daß eigentlich das Menschenwesen nur begriffen werden kann im Zusammenhange mit dem Kosmischen. Denn indem wir vorstellen, haben wir das Kosmische in uns. Wir waren im Kosmischen, ehe wir geboren wurden, und unser damaliges Erleben spiegelt sich jetzt in uns; und wir werden wieder im Kosmischen sein, wenn wir die Todespforte durchschritten haben werden, und unser künftiges Leben drückt sich keimhaft aus in dem, was in unserem Willen waltet. Was in uns unbewußt waltet, das waltet sehr bewußt für das höhere Erkennen im Kosmos.

Wir haben allerdings selbst in der leiblichen Offenbarung einen dreifachen Ausdruck dieser Sympathie und Antipathie. Gewissermaßen drei Herde haben wir, wo Sympathie und Antipathie ineinanderspielen. Zunächst haben wir in unserem Kopf einen solchen Herd, im Zusammenwirken von Blut und Nerven, wodurch das Gedächtnis entsteht.

Überall, wo die Nerventätigkeit unterbrochen ist, überall, wo ein Sprung ist, da ist ein solcher Herd, wo Sympathie und Antipathie ineinanderspielen. Ein weiterer solcher Sprung findet sich im Rückenmark, zum Beispiel wenn ein Nerv nach dem hinteren Stachel des Rückenmarks hingeht, ein anderer Nerv von dem vorderen Stachel ausgeht. Dann ist wieder ein solcher Sprung in den Ganglienhäufchen, die in die sympathischen Nerven eingebettet sind. Wir sind gar nicht so unkomplizierte Wesen, wie es scheinen mag. An drei Stellen unseres Organismus, im Kopf, in der Brust und im Unterleib, spielt das hinein, da sind Grenzen, an denen Antipathie und Sympathie sich begegnen. Es ist mit Wahrnehmen und Wollen nicht so, daß sich etwas umleitet von einem sensitiven Nerven zu einem motorischen, sondern ein gerader Strom springt über von einem Nerven auf den anderen, und dadurch wird in uns das Seelische berührt: in Gehirn und Rückenmark. An diesen Stellen, wo die Nerven unterbrochen sind, sind wir eingeschaltet mit unserer Sympathie und Antipathie in das Leibliche; und dann sind wir wieder eingeschaltet, wo die Ganglienhäufchen sich entwickeln im sympathischen Nervensystem.

Wir sind mit unserem Erleben in den Kosmos eingeschaltet. Ebenso wie wir Tätigkeiten entwickeln, die im Kosmos weiter zu verfolgen sind, so entwickelt wieder mit uns der Kosmos fortwährend Tätigkeiten, denn er entwickelt fortwährend die Tätigkeit von Antipathie und Sympathie. Wenn wir uns als Menschen betrachten, so sind wir wieder selbst ein Ergebnis von Sympathien und Antipathien des Kosmos. Wir entwickeln Antipathie von uns aus: der Kosmos entwickelt mit uns Antipathie; wir entwickeln Sympathie: der Kosmos entwickelt mit uns Sympathie.“ (Lit.: GA 293, S. 38ff)

Wirkung der falschen Nervenlehre auf das soziale Leben

„Ich bin überzeugt davon, daß die falsche Hypothese von den sensitiven und motorischen Nerven, die in die Wissenschaft als der Knecht des Materialismus eingezogen ist, weit mehr, als man meint, schon die Denkweise der Menschen ergriffen hat und in der nächsten oder in der zweitnächsten Generation Gesinnung wird. Ja, ich bin überzeugt, daß diese materialistische Nervenlehre schon Gesinnung geworden ist in der Menschheit und daß wir eigentlich heute das, was wir in der Physiologie oder in der Psychologie so als Theorie hersagen, schon in unseren Gesinnungen haben und daß diese Gesinnungen eigentlich die Menschen trennen. Wenn man das Gefühl hat - und die Leute haben heute schon das Gefühl -, daß eigentlich der andere Mensch uns nur gegenübersteht so, daß wir selber auf ihn einen Sinneseindruck machen, er auf uns, daß er da abgeschlossen von uns in sich hat sein Gefühlsleben, das erst durch die Nerven vermittelt werden soll, dann richten wir eine Scheidewand zwischen Mensch und Mensch auf. Es ist ja wirklich so, daß diese Scheidewände zu merkwürdigen Anschauungen geführt haben, wenn man heute hört, daß Leute sagen: Ja, wenn ich einen anderen Menschen ansehe, so sehe ich, daß er die Nase mitten im Gesicht hat, daß er zwei Augen hat an derjenigen Stelle, wo ich weiß, ich habe auch zwei Augen. Er hat ein Gesicht so geformt wie ich; indem ich das alles sehe, ziehe ich den unbewußten Schluß: Da ist ein ebensolches Ich in dem Organismus drinnen wie in mir. - Es gibt heute schon Leute, die auch diese Theorie vertreten und das Verhältnis vom Menschen zum Menschen so äußerlich auffassen, daß sie meinen, aus der Gestalt des Menschen wäre erst ein unbewußter Schluß notwendig, um darauf zu kommen, daß der andere Mensch ein mit dem eigenen Ich gleiches Ich hat. Die Anschauung, welche nur das Nervenleben zusammenbringt mit dem Vorstellungsleben, dagegen das Zirkulationsund Atmungsleben zusammenbringt mit dem Gefühlsleben, das ganze Stoffwechselleben zusammenbringt mit dem Willensleben, die wird, wenn sie Gesinnung wird, wenn sie einmal wirkliches Erleben wird, die Menschen wiederum zusammenführen.“ (Lit.: GA 301, S. 35f)

Ein sozial verträglicher Begriff der menschlichen Arbeit

Ein sozial verträglicher Begriff der menschlichen Arbeit lässt sich nur finden, wenn man erkennt, dass die Willenstätigkeit des Menschen nicht durch die sogenannten motorischen Nerven bedingt ist, sondern durch ein unmittelbares Zusammensein der Seele mit der Außenwelt:

„Kein Mensch kann in irgendeiner Sozialwissenschaft ein richtiges Verständnis des Menschen für sein Verhältnis zur Arbeit gewinnen, der auf der vertrackten Unterscheidung zwischen sensitiven und motorischen Nerven seine Begriffe, seine Vorstellungen aufbaut. Denn man wird stets kuriose Begriffe von dem bekommen, was menschliche Arbeit in Wirklichkeit ist, wenn man einerseits fragt: Was geht eigentlich im Menschen vor, wenn er arbeitet, wenn er seine Muskeln in Bewegung bringt? - und andererseits keine Ahnung davon hat, daß dieses In-Bewegung-Bringen der Muskeln nicht auf den sogenannten motorischen Nerven beruht, sondern auf dem unmittelbaren Zusammensein der Seele mit der Außenwelt [...]

Wenn ich mit einer Maschine in Berührung komme, muß ich als ganzer Mensch mit ihr in Berührung kommen; da muß ich ein Verhältnis herstellen vor allen Dingen zwischen meinen Muskeln und dieser Maschine. Dieses Verhältnis ist dasjenige, worauf des Menschen Arbeit wirklich beruht. Auf dieses Verhältnis kommt es an, wenn man die Arbeit sozial werten will, auf das ganz besondere Verhältnis des Menschen zu der Arbeitsgrundlage.

Mit was für einem Arbeitsbegriff arbeiten wir denn heute? Das, was im Menschen vorgeht, wenn er, wie man sagt, arbeitet, das ist nicht verschieden, ob er nun an einer Maschine sich abmüht, ob er Holz hackt, oder ob er zu seinem Vergnügen Sport treibt. Er kann sich geradeso mit dem Sportvergnügen abnützen, er kann ebensoviel Arbeitskraft konsumieren bei dem sozial überflüssigen Sport wie bei dem sozial nützlichen Holzhacken. Und die Illusion über den Unterschied zwischen motorischen und sensitiven Nerven ist es, die psychologisch die Menschen ablenkt davon, auch einen wirklichen Arbeitsbegriff zu erfassen, der nur erfaßt werden kann, wenn man den Menschen nicht darnach betrachtet, wie er sich abnützt, sondern darnach, wie er sich in ein Verhältnis stellt zur sozialen Umgebung. Ich glaube Ihnen, daß Sie davon noch keinen deutlichen Begriff bekommen haben, weil die Begriffe, die man heute von diesen Dingen erhalten kann, so verkehrt sind durch unser Schulwesen, daß es erst einige Zeit dauern wird, bis man den Übergang von dem sozial unsinnigen Arbeitsbegriff, von dem wahnsinnigen wissenschaftlichen Begriff der Unterscheidung der sensitiven und motorischen Nerven, finden wird. Aber in diesen Dingen liegt zugleich der Grund dafür, warum wir so unpraktisch denken. Denn wie kann eine Menschheit praktisch über das Praktische denken, die sich der wahnsinnigen Vorstellung hingibt: in unserem Inneren waltet ein Telegraphenapparat, und die Drähte gehen hin zu irgend etwas im Gehirn und werden dort umgeschaltet in andere Drähte, sensitive und motorische Nerven? Von unserer, einem verkehrten Schulwesen entspringenden Unwissenschaft, an die das breite Publikum, verführt durch die Zeitungspest, glaubt, geht aus das Unvermögen, wirklich sozial zu denken.“ (Lit.: GA 192, S. 154f)

„Innerhalb unserer landläufigen sozial-ökonomischen Auffassung ist der fragwürdigste Begriff der der menschlichen Arbeit. Ich habe diesen Begriff der menschlichen Arbeit schon berührt. Ich habe gesagt, im Marxismus spiele der Begriff der Arbeitskraft eine große Rolle, aber es handle sich darum, daß innerhalb dieser marxistischen Theorie der Begriff der Arbeit ganz falsch angeschaut werde. Arbeit, Arbeitskraft als solche hat sozial eine Bedeutung durch die Leistung beziehungsweise durch die Funktion der Leistung im sozialen Zusammenleben der Menschen. Ich habe vor einigen Tagen hier gesagt, es sei ein großer Unterschied, ob jemand Sport treibt und dabei seine Arbeitskraft aufbraucht, oder ob er Holz hackt. Wenn er Holz hackt, so ist die Art, wie seine Arbeit hineinfließt in das soziale Zusammenleben das Bedeutsame, nicht der Verbrauch der Arbeitskraft als solcher. Und so wird sich uns in den nächsten Tagen herausstellen, daß wir gar nicht der Arbeit als sozialer Funktion gerecht werden, wenn wir sie nicht in diesem ihrem Einfließen in den sozialen Organismus betrachten, sondern wenn wir von dem Verbrauch der Arbeitskraft als solcher sprechen.

Nun kann man sich fragen: Woher rühren denn die falschen Begriffe über die Arbeit? - Wer richtige Begriffe über die sogenannten motorischen Nerven hat, der wird sicher auch bald zu richtigen Begriffen über die Funktion der Arbeit im sozialen Organismus kommen. Wer nämlich einsieht, daß es keine motorischen Nerven gibt, sondern daß die sogenannten motorischen Nerven nur Empfindungsnerven für die Natur des betreffenden Gliedes sind, auf das der Wille seine Kraft überträgt, der wird finden, wie stark jeder Willensimpuls schon dadurch, daß er ein solcher ist, in der Arbeit zum Ausdruck kommt, wie stark er in der Außenwelt steht. Dadurch aber, durch einen wirklichen Begriff des Willens und der Beziehung des Willens zum menschlichen Organismus, wird er eine wirkliche Unterlage bekommen, die Verwandtschaft einzusehen zwischen Wille und Arbeit. Dadurch aber wird er auch zu richtigen sozialen Begriffen, zu richtigen sozialen Vorstellungen und auch Empfindungen über eine solche Idee kommen. Man kann sagen: Wie der Mensch sozial denkt, das ist in vieler Beziehung abhängig davon, ob er gewisse Naturbegriffe in richtiger oder unrichtiger Weise entwickeln kann. Man muß sich klar sein darüber, daß derjenige, der da meint, im Menschen selber seien motorische Nerven die Erreger des Willens, niemals eigentlich einen wirklichen Zusammenhang herausfinden kann zwischen dem Erreger der Arbeit, dem Willen, und der Funktion der Arbeit im sozialen Organismus.“ (Lit.: GA 332a, S. 144f)

Im Nervensystem wird beständig Materie erzeugt

Im gleichen Maß, in dem im Stoffwechsel-Gliedmaßensystem Materie vernichtet wird, entsteht beständig im Nerven-Sinnessystem neue Materie.

„Wir wissen ja, ich habe es wenigstens andeutungsweise ausgeführt in meinem Buche «Von Seelenrätseln», daß der Mensch ein dreigliedriges Wesen ist: als Nerven-Sinnesmensch Träger des Gedankenlebens, des Wahrnehmungslebens, als rhythmischer Mensch - Atmung, Blutzirkulation - Träger des Gefühlslebens, als Stoffwechselmensch Träger des Willenslebens. Aber wie entfaltet sich denn, wenn der Wille immer mehr und mehr in Liebe entwickelt wird, im Menschen der Stoffwechsel? Indem der Mensch ein Handelnder ist, so, daß eigentlich der Stoff fortwährend überwunden wird. Und was entfaltet sich im Menschen, indem er sich als freies Wesen in das reine Denken, das aber eigentlich wiliensmäßiger Natur ist, hineinentwickelt? Es entsteht der Stoff. Wir sehen hinein in Stoffentstehung. Wir tragen selbst in uns dasjenige, was den Stoff entstehen macht: unseren Kopf; und wir tragen in uns das, was den Stoff vernichtet, wo wir es sehen können, wie der Stoff vernichtet wird: unseren Gliedmaßen-, unseren Stoffwechselorganismus.“ (Lit.: GA 202, S. 211)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. John E. Weaver: The Ecological Relations of Roots, Carnegie Institution of Washington, 1919, S. 72
  2. Emil Du Bois-Reymond: Über thierische Bewegung, im Verein für wissenschaftliche Vorträge zu Berlin am 22. Februar 1851 gehaltene Rede, 1912, S. 47f. [1]
  3. Gerhard Kienle: Anthroposophisch-medizinische Forschung und Öffentlichkeit, in: Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, Nr. 143, Ostern 1983 pdf